Rev. d.Bekl. mit Urteil zurückgewiesen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.08.2007 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des von dem Kläger aus abgetretenem Recht geltend gemachten Insolvenzgeldes, insbesondere, ob im Jahre 2003 liegende Anspruchszeiträume von der zum 01.01.2004 eingeführten Begrenzung des Insolvenzgeldanspruches auf die Beitragsbemessungsgrenze erfasst werden, wenn das Insolvenzereignis im Jahre 2004 liegt (§§ 185, 434 j Abs. 12 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Drittes Buch ‑ Arbeitsförderung ‑ SGB III).
Durch Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 10.11.2003 (93 IN 125/03) wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Metallwerke C GmbH bestellt. Die Arbeitsentgeltansprüche der 213 Mitarbeiter der Metallwerke C GmbH für die Monate November und Dezember 2003 sowie für den Monat Januar 2004 wurden mit monatsweise erteilter Zustimmung der Beklagten durch die Sparkasse L vorfinanziert. Mit den betreffenden Arbeitnehmern hatte diese Verträge geschlossen, in denen unter der Überschrift "Forderungskauf und Abtretungserklärung" die Arbeitnehmer ihren Nettolohnanspruch gegen Zahlung eines Kaufpreises in Höhe dieses Anspruches unwiderruflich an die Sparkasse L abtraten.
Am 01.03.2004 beantragte die Sparkasse L Insolvenzgeld bei der Beklagten in Höhe von 1.375.463,03 EUR.
Mit Bescheid vom 05.05.2004 bewilligte die Beklagte ihr einen Vorschuss in Höhe von 950.000,00 EUR sowie mit Bescheid vom 06.12.2004 eine Restzahlung in Höhe von 349.767,45 EUR.
Hiergegen legte die Sparkasse L Widerspruch ein, mit dem sie einen Fehlbetrag in Höhe von 75.695,58 EUR geltend machte. Dieser habe sich daraus ergeben, dass sie die ab dem 01.01.2004 durch Veränderung von § 185 Abs. 1 SGB III eingeführte Kappung von Insolvenzgeldansprüchen auf die Beitragsbemessungsgrenze nur für die im Januar 2004 liegenden Ansprüche der Arbeitnehmer der Metallwerke C GmbH berücksichtigt, für November und Dezember 2003 dagegen im Umfang des tatsächlich entstandenen Entgeltausfalles geleistet habe. Dagegen habe die Beklagte auch die in 2003 liegenden Entgelte auf die Höhe der Beitragsbemessungsgrenze gekürzt. Dies stelle eine echte und damit grundsätzlich unzulässige Rückwirkung dar.
Mit Änderungsbescheid vom 06.01.2005 bewilligte die Beklagte der Sparkasse L weiteres Insolvenzgeld in Höhe von 62,50 EUR, mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2005 wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach § 434 j Abs. 12 Nr. 5 SGB III finde § 185 SGB III in der ab dem 01.01.2004 geltenden Fassung (n. F.) in allen Fällen Anwendung, in denen das Insolvenzereignis nach dem 31.12.2003 eintrete. Im Falle der Metallwerke C GmbH sei das Insolvenzereignis am 01.02.2004 eingetreten, so dass die Kappung auf die Beitragsbemessungsgrenze nach § 185 SGB III n. F. auch die in 2003 liegenden Insolvenzgeldzeiträume erfasse.
Mit Änderungsbescheid vom 20.07.2005 bewilligte die Beklagte der Sparkasse L weiteres Insolvenzgeld in Höhe von 6.312,84 EUR.
Durch eine Abtretungserklärung vom 20./26.07.2005 trat die Sparkasse L ihre Forderungen auf Insolvenzgeld für Arbeitnehmer der Firma Metallwerke C GmbH in Höhe von 69.320,24 EUR an den Kläger ab gegen die Zusicherung, den bei der Sparkasse L aufgenommenen Massekredit in gleicher Höhe abzulösen.
Mit der am 15.08.2005 erhobenen Klage hat der Kläger Insolvenzgeld in Höhe von 69.320,24 EUR aus abgetretenem Recht geltend gemacht. Zur Begründung hat er sich der im Widerspruchverfahren geäußerten Auffassung der Sparkasse L angeschlossen, die Anwendung von § 185 SGB III in der ab dem 01.01.2004 geltenden Fassung auf noch im Jahre 2003 liegende Sachverhalte stelle eine unzulässige echte Rückwirkung dar.
Der Beklagte hat demgegenüber angenommen, die Anwendung von § 185 SGB III in der ab dem 01.01.2004 geltenden Fassung folge aus § 434 j Abs. 12 Nr. 5 SGB III, der die Anwendung neuen Rechts dann vorsehe, wenn das Insolvenzereignis selbst in 2004 liege. Dies sei angesichts des im Falle der Metallwerke C GmbH maßgeblichen Insolvenzereignisses, der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 01.02.2004, der Fall.
Mit Urteil vom 30.08.2007 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 05.05.2004, 06.12.2004 und 06.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2005 sowie des Änderungsbescheides vom 20.07.2005 verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 01.11.2003 bis 31.12.2003 Insolvenzgeld ohne Begrenzung durch die Beitragsbemessungsgrenze zu zahlen. Zur Begründung hat sich das Sozialgericht der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 05.12.2006 ‑ B 11a AL 19/05 R ‑) angeschlossen. Auf die weitere Begründung wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 13.09.2007 ihr zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.10.2007 Berufung eingelegt. Anders als in den beiden bislang vom Bundessozialgericht entschiedenen Fällen (Urteile vom 05.12.2006 ‑ B 11a AL 19/05 R und B 11 a AL 17/06 R ‑) liege hier der Insolvenzgeldzeitraum teilweise in 2003 und teilweise in 2004. Diese Fallvariante sei noch nicht entschieden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.08.2007 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger stützt sich auf das angefochtene Urteil.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakten und der beigezogenen Akten Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalten nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, das vom Kläger aus abgetretenem Recht geltend gemachte Insolvenzgeld für November und Dezember 2003 ohne die zum 01.01.2004 durch die Neufassung des § 185 SGB III eingeführte Begrenzung auf die Höhe der Beitragsbemessungsgrenze zu zahlen.
Die vom Sozialgericht gewählte Form des Grundurteiles ist zulässig. Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden, wenn gem. § 54 Abs. 4, 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt wird, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Eine Entscheidung durch Grundurteil setzt bei Erlass einem Höhenstreit wie vorliegend zur Vermeidung einer unzulässigen Elementenfeststellung zumindest eine überschlägige Prüfung aller Anspruchsvoraussetzungen voraus, um die Wahrscheinlichkeit einer höheren Leistung zu belegen (BSG, Urteil vom 04.09.2001 – B 7 AL 84/00 R = SozR 3-4300 § 137 Nr. 1 und vom 09.12.2004 – B 7 AL 24/04 R = SozR 4-4200 § 3 Nr. 1; Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 Rdnr. 11 m.w.N.) Anspruchsgrundlage ist vorliegend § 183 SGB III. Danach haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers für die vorausgehenden 3 Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, hierüber besteht unter den Beteiligten Einigkeit. Allein streitig ist die Berechnungsweise, ob eine Begrenzung auf die Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze vorzunehmen ist. Insbesondere dann, wenn nur über einen Berechnungsfaktor gestritten wird, ist der Erlass eines Grundurteiles auf der Grundlage von § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG als zulässig anzusehen (BSG, Urteil vom 20.11.2003 ‑ B 13 RJ 5/03 R = SozR 4‑2600 § 93 Nr. 3; Meyer‑Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 130 Rn 2 d).
Auf die von der Beklagten eingelegte Berufung ist zu prüfen, ob das Sozialgericht die Beklagte zu Recht verurteilt hat, das von dem Kläger aus abgetretenem Recht geltend gemachte Insolvenzgeld für November und Dezember 2003 ohne Begrenzung auf die Höhe der Beitragsbemessungsgrenze zu berechnen. Entscheidend ist vorliegend somit, ob § 185 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung oder in der ab dem 01.01.2004 geltenden Fassung ‑ durch Art. 124 Abs. 1 des 3. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848, mit der das ersatzfähige Bruttoarbeitsentgelt auf die Beitragsbemessungsgrenze nach § 341 Abs. 4 SGB III begrenzt worden ist ‑ anzuwenden ist.
Auch zur Überzeugung des Senats ist diese Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bereits geklärt. Mit Urteil vom 05.12.2006 ‑ B 11a AL 19/05 R = SozR 4-4300 § 183 Nr. 7 = BSGE 98, 5 ff. sowie einer weiteren Entscheidung vom selben Tag ‑ B 1a AL 17/06 R ‑ hat das Bundessozialgericht entschieden, dass die Übergangsvorschrift des § 434 j Abs. 12 Nr. 5 SGB III bei verfassungsgeleiteter Interpretation zur Vermeidung einer ansonsten für den Arbeitnehmer und den das Insolvenzgeld vorfinanzierenden Dritten auftretenden und an sich nicht gerechtfertigten Rückwirkung so zu verstehen ist, dass in 2003 liegende Insolvenzgeldzeiträume nach § 185 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung zu berechnen sind, wenn das Insolvenzereignis in 2004 liegt.
Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und nimmt auf die Begründung des Bundessozialgerichts , die auch in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteiles in wesentlichen Teilen wiedergegeben ist, Bezug.
Die Beklagte ist dieser Begründung argumentativ nicht entgegengetreten. Sie sieht Klärungsbedarf lediglich darin, dass im vorliegenden Fall Teile des Insolvenzgeldzeitraumes im Jahre 2004 liegen. Dabei übersieht sie jedoch, dass über die im Jahr 2004 liegenden Teile des Insolvenzgeldzeitraumes der Senat nicht zu entscheiden hat. Weitergehende Ansprüche für 2004 haben im gesamten Verfahrensverlauf zu keinem Zeitpunkt im Streit gestanden. Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte allein gegen ihre Verurteilung zur Erbringung weiterer Leistungen für die in 2003 liegende Teile des Insolvenzgeldzeitraumes. Die aufgeworfene Rechtsfrage ist somit nicht entscheidungsrelevant.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Die Regelungen des § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG ist nicht anwendbar, denn der Kläger ist Leistungsempfänger im Sinne von § 183 SGG. Dies folgt aus § 188 Abs. 1 SGG, wonach der Anspruch auf Insolvenzgeld durch die Übertragung der Ansprüche auf Arbeitsentgelt dem Dritten zusteht. Damit tritt der Dritte (Zessionar) kraft Gesetzes in die Rechtsstellung des Arbeitnehmers ein und erwirbt damit kraft Gesetzes unmittelbar einen Anspruch auf Insolvenzgeld (BSG, Urteil vom 05.12.2006 ‑ B 11a AL 19/05 R ‑ Rn 26 m. w. N.). Das gilt zur Überzeugung des Senats entsprechend für den hier vorliegenden Fall des mehrfachen Rechtsüberganges zunächst auf die vorfinanzierende Sparkasse und sodann auf den klagenden Insolvenzverwalter.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
Erstellt am: 25.10.2010
Zuletzt verändert am: 25.10.2010