Rev. der Klägerin wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte zur Zahlung von 347,21 € an die Klägerin veruteilt wird.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 27. Juni 2008 geändert. Die Klage wird insoweit abgewiesen, als die Klägerin einen höheren Zins als mit einem Zinssatz von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz begehrt. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens in voller Höhe. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zu vier Zehntel; die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zu sechs Zehntel. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren in der Zeit vom 05. Juli bis zum 21. September 2007 in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht auf 7.620,87 Euro und für die anschließende Zeit ab dem 22. September 2007 auf 796,94 Euro (jeweils für das weitere Klageverfahren und das anschließende Berufungsverfahren) festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die klagende Krankenkasse (Klägerin (Kl)) berechtigt ist, von dem beklagten Krankenhaus (Beklagte (Bekl)) Verzugszinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB): bis zum 31.12.2006 1,95 %, ab 01.01.2007 2,70 %, ab 01.07.2007 3,19 % gemäß Bekanntmachungen der Deutschen Bundesbank vom 27.06. und 28.12.2006 sowie vom 26.06.2007, Bundesanzeiger (BAnz) 2006 Seiten (S) 4754 und 7463, BAnz 2007, S 6530) gemäß §§ 286, 288 Abs 2 BGB auf einen (unbestrittenen) Zahlungsanspruch (7.620,87 Euro) wegen überhöhter Krankenhausvergütung zu verlangen. Streitig ist ein Gesamtzinsbetrag von 796,94 Euro.
Die Beteiligten haben zwecks Versorgung der gesetzlich krankenversicherten Mitglieder der Kl mit stationären Krankenhausleistungen einen Sicherstellungsvertrag nach § 112 Abs 2 Nr 1 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) geschlossen (Vertrag vom 06.12.1996 in der Gestalt des Änderungsvertrages vom 19.08.1998, vgl Bl 143 ff der Gerichtsakten), der trotz zwischenzeitlicher Kündigung aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Krankenhausgesellschaft (KG) Nordrhein-Westfalen (NRW) und den Verbänden der Krankenkassen vorläufig bis zur Neuregelung des Vertragsverhältnisses weiter gilt.
Der Vertrag enthält zur Verzinsung von Forderungen der Vertragspartner in § 15 folgende Regelung:
"§ 15 Zahlungsweise
(1) Die Rechnungen sind innerhalb von 15 Kalendertagen nach Eingang zu begleichen. Als Tag der Zahlung gilt der Tag der Übergabe des Überweisungsauftrags an … Ist der Fälligkeitstag ein Samstag …, verschiebt er sich …Bei Überschreitung des Zahlungsziels kann das Krankenhaus nach Maßgabe der §§ 284, 285, 288 Abs 1 BGB Verzugszinsen in Höhe von 2 v.H. über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank ab dem auf den Fälligkeitstag folgenden Tag verlangen.
(2) bis (4) (hier nicht von Bedeutung)”
In der Zeit vom 29.11. bis zum 21.12.2005 wurde die bei der Kl versicherte H M (im Folgenden: die Versicherte) auf Kosten und für Rechnung der Kl wegen einer Operation am Herzen stationär behandelt. Mit Rechnung vom 11.01.2006 forderte die Kl von der Bekl 23.837,10 Euro auf der Grundlage einer DRG (Diagnosis related Group) – Fallpauschale F03Z nebst Zuschlägen. Die Bekl zahlte unter Vorbehalt und ließ die Berechnung anschließend durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) prüfen. Dieser stellte u.a. fest, dass vorliegend eine von der Kl geltend gemachte, vergütungserhöhende Lagerungsbehandlung der Versicherten nicht durchgeführt worden, daher der Abrechnungsfall fehlerhaft kodiert und überhöht abgerechnet worden sei. Demgemäß verlangte die Kl am 04.09.2006 von dem beklagten Krankenhaus den bereits genannten Betrag von 7.620,87 Euro zurück und setzte zur Rückzahlung eine Frist bis zum 02.10.2006. Einer Mahnung vom 20.10.2006 folgte die Bekl nicht. Daraufhin hat die Kl am 05.07.2007 vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg Klage erhoben, mit der sie neben der Hauptforderung Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.10.2006 verlangt hat. Die Bekl hat die Hauptforderung anerkannt und diese am 27.09.2006 beglichen. Sie hat zunächst angeboten, der Kl Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen, ist davon aber später abgerückt.
Die Kl hat beantragt,
die Bekl zu verurteilen, an sie aus dem Betrag von 7.620,87 Euro Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank für die Zeit vom 03.10.2006 bis zum 26.09.2007 zu zahlen.
Die Bekl hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz (RP) vom 18.05.2006 (Az: L 5 KNK 11/05, in: www.juris.de) bezogen und gemeint, sie sei keinerlei Verzugszinsansprüchen ausgesetzt, weil dies im System öffentlich-rechtlicher Verträge nicht vorgesehen sei. Zinsansprüche seien im Sicherstellungsvertrag ausdrücklich nur für den Fall einer verspäteten Leistung auf die Vergütungsansprüche des Krankenhauses vorgesehen. Hingegen könne für einen Rückforderungsanspruch der Krankenkasse kein Verzugszins verlangt werden.
Das SG hat durch Urteil vom 27.06.2008 dem Begehren der Kl in vollem Umfange stattgegeben. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kl stehe der volle Zinsanspruch nach § 288 Abs 2 BGB zu; denn es handele sich hierbei um einen Zinsanspruch auf einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, der dem Rechtsinstitut der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff BGB) nachgebildet sei. Da die Vorschriften des SGB V, des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) und die dazu ergangenen Rechtsvorschriften keine vorrangige Regelung getroffen hätten und die Verzugsvorschriften des BGB mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten zwischen Krankenkasse und Krankenhaus vereinbar seien, bestünden keine Bedenken, die Verzugszinsregelungen anzuwenden. Beachte man zudem die Grundwertung des 69 Satz 4 SGB V, der im Zweifel die Anwendung des BGB vorsehe, dann sei auch der Rückzahlungsanspruch der Kasse wegen überhöhter Zahlungen mit einem Verzugszinsanspruch verbunden und ergebe sich zwangsläufig auch der Höhe nach – mangels anderer Regelungen – aus den gesetzlichen Vorgaben des § 288 Abs 2 BGB.
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des SG verwiesen.
Das ihr am 04.07.2008 zugestellte Urteil hat die Bekl am 28.07.2008 mit der Berufung angefochten. Sie vertritt im Wesentlichen weiterhin die Auffassung, sie sei überhaupt nicht zur Leistung von Verzugszinsen verpflichtet und wenn, dann allenfalls in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, nicht aber in Höhe von acht Prozentpunkten.
Dies ergebe sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 15 des Sicherstellungsvertrages.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 27.06.2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der von den Beteiligten zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung gewechselten Schriftsätze. Im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beteiligten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Bekl gegen das Urteil des SG Duisburg vom 27.06.2008 ist nur zum Teil begründet.
Wie das SG mit überzeugender Begründung eingehend dargelegt hat, hat die Kl gegen die Bekl einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen nach § 69 SGB V in Verbindung mit (iVm) § 286 BGB und §§ 53, 61 Satz 2 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X; öffentlich-rechtliches Vertragsrecht). Insoweit nimmt der Senat nach eigener Prüfung vollinhaltlich Bezug auf die Ausführungen des SG (§ 153 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)). Soweit sich die Bekl auf die Entscheidung des LSG RP vom 18.05.2006 (ähnlich im Übrigen die frühere, nicht mehr aufrecht erhaltene Rechtsauffassung des erkennenden Senats, vgl Urteil vom 06.04.2006, Az: L 16 KR 141/05, in: www.juris.de (nur Leitsatz), umfassend in: www.sozialgerichtsbarkeit.de/entscheidungen) bezogen hat, ist diese Entscheidung spätestens mit dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19.04.2007, mit welchem im Übrigen die soeben genannte Entscheidung des erkennenden Senats aufgehoben worden ist (Az: B 3 KR 10/06 R = Urteilssammlung der Krankenversicherung (USK) 2007-47), überholt (Bestätigung von BSG, Urteil vom 03.08.2006 (Az: B 3 KR 7/06 R in: Sozialrecht -SozR- 4-2500 § 129 Nr 3), bereits vom SG zitiert; auch schon BSG, Urteil vom 23.03.2006 (Az: B 3 KR 6/05 R in: BSGE 96, 133 ff); ähnlich neuerlich auch BSG, Urteil vom 15.11.2007 (Az: B 3 KR 1/07 R in SozR 4-2500 § 69 Nr 3); grundsätzlich zu Zinsforderungen zwischen Kassen und Leistungsträgern: Pawlita in jurisPK-SGB V, § 112 Randnummern 65 ff).
Offen geblieben ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung lediglich, in welcher Höhe Verzugszinsen zu zahlen sind. Hierzu allerdings folgt der Senat der Auffassung des SG nicht. Vielmehr ist angesichts der Vereinbarungen zwischen den Beteiligten in § 15 des Sicherstellungsvertrages im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung davon auszugehen, dass jeglicher Verzugszinsanspruch zwischen den Beteiligten auf einen Zins in Höhe von (nur) zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beschränkt ist (so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 29.01.2009 Az: L 16 KR 242/06, in: www.sozialgerichtsbarkeit.de/entscheidungen). Zum einen ist nämlich der Rückforderungsanspruch (lediglich) die Kehrseite des Vergütungsanspruchs (so schon kurz und knapp, aber überzeugend LSG NRW, Urteil des 2. Senats vom 06.12.2007 (Az: L 2 KN 230/05 KR in: www.sozialgerichtsbarkeit.de/entscheidungen im Anschluss an ein Urteil des SG Dortmund vom 28.10.2005, Az: S 24 (31) KN 4/03 KR mit ausführlicher Begründung, nicht veröffentlicht). Hinzu kommt, dass einzelne Beteiligte im Rahmen eines partnerschaftlich ausgestalteten, auf Dauer angelegten Vertragsverhältnisses nicht verlangen können, in wirtschaftlich vergleichbaren Fallgestaltungen formaljuristische Vorteile für sich in Anspruch zu nehmen zu dürfen. Wenn der einen Vertragsseite – sicherlich in Hinblick auf den Wunsch, einer finanziellen Überforderung zu entgehen und die Finanzmittel der Solidargemeinschaft auf die Hauptaufgaben zu konzentrieren – Beschränkungen des Verzugszinsanspruches (anders als bei Verhältnissen zwischen Kaufleuten oder Industrieunternehmen der freien Wirtschaft) zugestanden werden, dann ist es gerechtfertigt, diesen Vorteil auch der anderen Seite, hier den Krankenhäusern zuzugestehen, die ebenso einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag aus öffentlichen Mitteln ausführen wie die Krankenkassen und ähnlichen Finanzierungsproblemen wie die Kassen ausgesetzt sind (zum Grundsatz der "Waffengleichheit" vgl. insbesondere BSG SozR 4-2500 § 69 Nr. 3, Randnr. 29).
Schließlich ergibt sich aus der damit auch für den Rückabwicklungsanspruch geltenden Regelung des § 15 Abs 1 Satz 3 des Sicherstellungsvertrages nicht nur, dass die Beteiligten generell Verzugszinsen in ihren Vertragsbeziehungen für gerechtfertigt erachten, sondern auch, dass § 288 Abs 2 BGB mit dem Rückgriff auf eine Verzinsung in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gerade nicht angewandt werden soll, sondern nur §§ 284, 285, 288 Abs 1 BGB. Dies verdeutlicht den Willen der Beteiligten, einen Zinsanspruch auf ein moderates Maß zu beschränken.
Mithin verbleibt es bei einer Verzinsung in einer Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, also für die Zeit bis zum 31.12.2006 in einer Höhe von 3,95 %, für die Zeit ab dem 01.01.2007 in einer Höhe von 4,70 % und für die restliche Zeit ab dem 01.07.2007 in einer Höhe von 5,19 % (§ 15 Abs 1 des Sicherstellungsvertrages in Verbindung mit § 247 BGB).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 155 Abs 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Zu bestätigen ist zunächst die erstinstanzliche Kostenentscheidung, da die Bekl insoweit in der Hauptsache den Anspruch auf Zahlung der Hauptforderung anerkannt hat, der verbliebene Rechtsstreit um die Höhe der Zinsforderung nachrangig ist und die Kostenquote nicht wesentlich beeinflusst, § 155 Abs 1 Satz 2 VwGO.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Senat entsprechend dem Maß des jeweiligen Unterliegen und Obsiegens verteilt, § 155 Abs 1 Satz 1 VwGO.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 SGG zugelassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und die Beantwortung der Rechtsfrage, ob bei Ansprüchen auf Rückzahlung überhöhter Vergütungszahlungen die Zinsforderung im Zweifel entsprechend der vertraglichen Regelungen für die Verzinsung des Vergütungsanspruchs zu bemessen ist, bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und die Problematik über den Bereich des Landes hinaus geht, zumal eine ausdrückliche Verzinsungsregelung für den Erstattungsanspruch offenbar nur im hamburgischen Versorgungsvertrag ausdrücklich geregelt ist (vgl insoweit die Angaben der Bekl im Schriftsatz vom 05.12.2008, Bl 126 der Gerichtsakten).
Der Streitwert bemisst sich nach der Höhe der geltend gemachten Zinsen, da diese im vorliegenden Rechtsstreit Inhalt der Hauptforderung geworden sind (vgl dazu die Angabe der Kl im Schriftsatz vom 27.10.2008). Insoweit war auch die Streitwertentscheidung des SG von Amts wegen zu modifizieren (§ 197a SGG iVm § 1 Nr 4, § 52 Abs 1 bis 4, § 63 Abs 3, § 66 GKG).
Erstellt am: 18.01.2010
Zuletzt verändert am: 18.01.2010