Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 16.05.2008 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 23.04.2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Gründe:
I.
Der beschwerdeführende Prozessbevollmächtigte der Klägerin macht gegen die Landeskasse eine höhere Vergütung für seine Tätigkeit im Klageverfahren als beigeordneter Rechtsanwalt geltend. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, ihm stehe dieser Betrag zu, weil im Ausgangsstreit eine zusätzliche Terminsgebühr nach Nr. 3106 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) entstanden sei.
Beim Antrag auf Festsetzung seiner Vergütung machte der Beschwerdeführer neben einer Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG) und einer Einigungsgebühr (Nr. 1006 VV RVG) auch eine Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG) in Höhe von 200,00 Euro (zzgl. Umsatzsteuer) geltend. Der Urkundsbeamte des Sozialgerichts (SG) kürzte die Rechnung um die Terminsgebühr, da weder ein Gerichtstermin stattgefunden habe noch die weiteren Voraussetzungen dieser Gebühr vorlägen. Die Erinnerung des Beschwerdeführers wies das SG mit Beschluss vom 23.04.2008 zurück, weil keine Terminsgebühr entstanden sei. Eine solche komme u.a. nur in Betracht, wenn ein Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung ende (Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 VV RVG). Das Verfahren sei aber nicht durch ein Anerkenntnis geendet. Eine der Nr. 3104 Abs. l Ziff. 1 Nr. 1 VV RVG entsprechende Regelung, die außerhalb von Verfahren mit einer Regelung über Betragsrahmengebühren gelte und eine Terminsgebühr auch bei Abschluss eines Vergleichs vorsehe, enthalte das VV im Bereich der Rahmengebühren nicht. Bei dieser Rechtslage liege weder ein absichtliches oder versehentliches Schweigen des Gesetzgebers vor. Vielmehr sei ausdrücklich geregelt, dass nur die Fälle der Erledigung durch Anerkenntnis, nicht aber sonstige Formen der unstreitigen Verfahrensbeendigung eine Terminsgebühr auslösten.
Mit seiner Beschwerde vom 16.05.2008 rügt der Beschwerdeführer, das SG habe sich nicht mit seinen Einwänden auseinander gesetzt. Der Gesetzgeber habe mit den Neuregelungen im zivil- und sozialgerichtlichen Verfahren die Erledigung ohne mündliche Verhandlung fördern wollen, was mit der vom SG vorgenommenen Auslegung nicht gelingen könne. Vielmehr komme es zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der Anwälte, die überwiegend nach § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) privilegierte Mandanten vertrete. Ihre Honorierung belaufe sich in einer durchschnittlichen Prozesssache auf ca. 450 EUR bis 500 EUR. Dies entspräche den Gebühren einer Streitsache mit einem Streitgegenstand bis 3.000 EUR. Bereits eine verfassungskonforme berichtigende Auslegung der Nr. 3106 VV RVG müsse dazu führen, dass auch bei einem Vergleich eine Terminsgebühr anfalle. Es sei nicht einzusehen, dass ein minimaler formaler Unterschied eine massive finanzielle Auswirkung haben soll.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 23.04.2008 aufzuheben, der Erinnerung des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts stattzugeben und gemäß Kostenfestsetzungsantrag vom 21.02.2008 zu Gunsten der Prozessbevollmächtigten einen Betrag von 833 EUR, abzüglich geleisteter Vorschüsse, festzusetzen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Gründe des Beschlusses des Sozialgerichts Duisburg.
Wegen weiterer Einzelheiten bezieht sich der Senat auf den Inhalt der vorgelegten Verfahrensakten.
II.
Die Beschwerde ist aufgrund der ausdrücklichen Zulassung im erstinstanzlichen Beschluss zulässig (§ 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG), sie ist jedoch unbegründet.
Der Anspruch des Beschwerdeführers richtet sich in sozialgerichtlichen Verfahren, an denen wie vorliegend Versicherte beteiligt sind, nach §§ 3 und 14 RVG i. V. m. §§ 183, 197a des SGG (Vergütung nach Betragsrahmengebühren) sowie im Einzelnen nach den Regelungen der Nrn. 1006, 3102 und 3106 VV RVG. Danach hat der Beschwerdeführer keinen höheren Vergütungsanspruch. Ein Anspruch auf eine Terminsgebühr besteht nicht, denn die Beklagte hat schriftsätzlich ein Vergleichsangebot unterbreitet, welches die Klägerin schriftsätzlich angenommen hat. Die getroffene Regelung beinhaltet unstreitig einen Vergleich. Der Senat verweist auf die sachlich zutreffenden, umfassenden Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses (§ 153 Abs. 2 SGG entsprechend). Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung voll inhaltlich an. Das SG hat in seiner sorgfältig begründeten Entscheidung herausgestellt, dass in Streitigkeiten, die vom Rechtsanwalt nach Betragsrahmengebühren abzurechnen sind (§ 14 RVG), Terminsgebühren nur entstehen, wenn der Rechtsanwalt den Termin wahrgenommen hat, im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, durch Gerichtsbescheid entschieden wird oder das Verfahren ohne mündliche Verhandlung nach einem angenommenen Anerkenntnis endet. Wird der Prozess – wie vorliegend – hingegen durch einen Vergleich, also durch ein gegenseitiges Zu- und Nachgeben der Beteiligten, oder auf andere Weise beendet, fällt eine Terminsgebühr nur an, wenn dieser Vergleich in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin geschlossen wurde bzw. die gerichtlichen Erörterungen zu einer sonstigen Verfahrensbeendigung geführt haben. Unerheblich ist dabei, ob der dem Anwalt entstandene Aufwand höher ist als bei oder vor der Annahme eines außergerichtlichen Anerkenntnisses.
Richtig ist, dass die 2004 eingeführten Regelungen des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes auch die außergerichtliche Erledigung fördern sollten. Dabei ist aber zu bedenken, dass gegenüber früheren Regelungen der Abschluss eines Vergleichs während eines Gerichtsverfahrens nach wie vor mit der Gebühr nach Nr. 1006 RVG VV abgegolten wird, unabhängig davon, wie und wo er geschlossen wird (vgl. auch § 116 Abs. 4 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO)). Diese, das besondere Bemühen eines Anwaltes honorierende Regelung wurde mit den Neuregelungen nicht ergänzt. Vielmehr wurde sie nur um die katalogmäßig erfassten zusätzlichen Regeln erweitert, wie sie in unterschiedlicher Weise in den Nr. 3104 und 3106 RVG VV mit Blick auf die Terminsgebühr enthalten sind.
Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses enthält überdies keine weiteren Einzelheiten zum Verständnis der strittigen Normen (vgl. BT-Drs. 15/2487 S. 3 und 98); jedoch ist dem Parlamentsentwurf zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz zu entnehmen, dass differenzierte Kosten bei Anerkenntnissen und Vergleichen vorgesehen waren, mit dem Ziel einer allgemeinen Gebührenstruktur (vgl. BT-Drs. 15/1971 S. 99). Das ergibt sich zweifelsfrei aus dem Wortlaut der Bestimmungen, der Gesetzbegründung (vgl. BT-Drs. 15/1971 S.212) und systematisch – argumentum e contrario – aus der abweichenden Regelung in Nrn 3202, 3104 VV, die den Regelfall der Abrechnung nach einem Gebührenstreitwert (Gegenstandswert) betreffen. Es besteht auch keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke. Zur Ausfüllung von Regelungslücken sind die Richter nur berufen, wenn das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es der Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht zu finden, oder das Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder darauf beruht, dass sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat (so BSGE 39, 143, 136 = SozR 2200 § 1251 Nr. 11; BSGE 60, 176, 178 = SozR 2600 § 57 Nr. 3; vgl. ferner BSGE 58, 110, 114 f = SozR 5755 Art 2 § 1 Nr. 6). Keine dieser Voraussetzungen ist hier gegeben. Eine andere ("verfassungskonforme") Auslegung oder eine Analogie zu VV Nrn. 3202, 3104, die § 3 Abs 1 Satz 1 RVG iVm mit Nrn 3205, 3106 VV mit einem anderen (hier: gegenteiligen) Inhalt versieht, ist deshalb rechtsmethodisch nicht möglich.
Dass der Gesetzgeber der Rechtsprechung die Lösung der Frage überlassen wollte, ob bei Verfahrensbeendigung durch schriftlichen Vergleich eine Terminsgebühr anfällt, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls finden sich in den Gesetzesmaterialien keinerlei Hinweise für eine derartige Absicht des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks 15/1971). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Versehen des Gesetzgebers im Sinne einer planwidrigen Regelungslücke vorliegen könnte. Dem Gesetzgeber war offenbar bekannt, dass bei der Entwicklung der neuen Vergütungsstruktur zu bedenken und entscheiden war, ob bei Beendigung eines sozialgerichtlichen Verfahrens durch schriftlichen Vergleich eine Terminsgebühr anfällt. Dies zeigt die Regelung in Nrn 3202, 3104 VV. Vor diesem Hintergrund liegt es fern, bei der unterschiedlichen Regelung für Betragsrahmengebühren einerseits und Wertgebühren andererseits von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers zu sprechen. Lässt sich aber nicht feststellen, dass eine planwidrige Gesetzeslücke gegeben ist, fehlen die speziellen Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Nrn. 3202, 3104 VV. Eine Rechtsfortbildung durch Richterrecht ist daher auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ausgeschlossen.
Es mag sein, dass Anwälte unter möglicher Außerachtlassung standesrechtlicher Vorgaben aus diesen Gründen Vergleiche vor Sozialgerichten nur in gerichtlichen Terminen abschließen, um so zu erreichen, auch noch eine Terminsgebühr in Verfahren mit Betragsrahmengebühren (§ 14 RVG, § 183 SGG) zu erhalten. Dieser Vorgehensweise steht aber der tatsächliche, ggf. erhebliche Aufwand für die Terminswahrnehmung gegenüber, sodass es vielfach wirtschaftlicher sein kann, von einer solchen Verfahrensweise abzusehen und es bei dem außergerichtlichen Vergleichsabschluss zu belassen. Dies gilt vor Allem auch deshalb, weil die Terminsgebühren nach Nr. 3106 RVG VV der Höhe nach beschränkt sind.
Die Entscheidung des SG entspricht bisherigen Entscheidungen des Landessozialgericht (LSG) NRW, so insbesondere dem Beschluss des hiesigen Senats vom 29.08.2007 (Az. L 2 B 13/06 KN) und Beschluss des 10. Senates vom 10.05.2006 (Az. L 10 B 13/05 SB), Beschluss des 20. Senates vom 16.08.2006 (Az. L 20 B 137/06), Beschluss des 7.Senates vom 29.12.2006 (Az. L 7 B 36/06 SB); sowie Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 08.03.2006 (Az. L 1 B 88/06 SF SK); SG Augsburg, Beschluss vom 16.01.2007 (Az. S 8 SB 351/05 Ko)). In gleicher Weise haben außerdem entschieden: Bayerisches LSG, Beschluss vom 22.06.2007 (Az. L 15 B 200/07 P KO); Thüringer LSG, Beschluss vom 19.06.2006 (L 6 B 80/07 SF); SG Ulm, Beschluss vom 06.09.2006 (Az. S 11 SB 3004/06 KO-A). Der Senat schließt sich diesen Entscheidungen an und wendet sich ausdrücklich gegen die Entscheidungen des SG Oldenburg, Beschluss vom 11.07.2007 (Az. S 10 SF 103/07); SG Karlsruhe, Beschluss vom 25.1.2006 (Az. S 10 SB 3035/05) und SG Aachen, Beschluss vom 18.02.2005 (Az. S 3 SB 178/04)).
Der Senat hält aus oben genannten Gründen die in der Literatur aufgezeigten Auffassungen für nicht überzeugend (vgl. z.B. Guhl, Neue Zeitschrift für Sozialrecht (NZS) 2005, S. 193 ff, 194 f und die pauschalen Verweisungen in der Kommentarliteratur bei Nr. 3106 RVG VV Verfahren mit Betragsrahmengebühr auf Nr. 3104 GKG-pflichtige Verfahren; Geltung der Vorschrift nur, "soweit Nr. 3106 nichts anderes bestimmt" in: Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, Kommentar, 17. Aufl. 2006, VV Nr. 3106, S. 1881, Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl. 2007 unter Nr. 3106 RVG VV, RdNr. 1, sowie Göttlich-Mümmler, RVG, 2. Aufl. 2006, unter "Terminsgebühr" S. 978). Diese Auffassungen berücksichtigen nicht die unterschiedlichen Verfahrensformen in Nr. 3104 und 3106 RVG VV und sehen unzulässiger Weise darüber hinweg, dass in Nr. 3104 I Nr. 1 RVG VV schriftliche Vergleichsabschlüsse ausdrücklich erwähnt sind, dagegen in Nr. 3106 RVG VV nicht; obwohl alle anderen Formulierungen weitgehend – auch in der Systematik – übereinstimmen (offen gelassen bei Baumgärtel-Hergenroder, RVG, 2004, RVG VV, VV-Nr. 3104, RdNr. 4, Nr. 3106 RdNr. 4).
Der wiederholte Einwand des Beschwerdeführers auf die finanzielle Hochrechnung der Gebühren im Verhältnis zu Streitwertverfahren wird den Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens nicht gerecht.
Außergerichtliche Kosten der Beteiligten sind nicht zu erstatten. Gerichtskosten fallen nicht an (§ 56 Abs. 2 RVG).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG, § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG.
Erstellt am: 02.04.2009
Zuletzt verändert am: 02.04.2009