Auf die Beschwerde des Klägers zu 3) wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 11.11.2008 geändert. Dem Kläger zu 3) wird für die Durchführung des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen für die Zeit ab Antragstellung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L aus I gewährt. Die Beschwerden des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) werden zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers zu 3) gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Gelsenkirchen vom 11.11.2008 ist begründet, die Beschwerden des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) haben demgegenüber in der Sache keinen Erfolg.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung (oder Rechtsverteidigung) hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint sowie der Beteiligte die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.
1. Die Rechtsverfolgung des Klägers zu 3) bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Kläger zu 3) begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten für die Durchführung einer Legasthenietherapie in der Zeit vom 01.09.2005 bis zum 01.02.2008 in Höhe von insgesamt 2.620,02 Euro.
a) Das SG Gelsenkirchen hat in dem angegriffenen Beschluss vom 11.11.2008 zu Recht ausgeführt, dass das Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für dieses Begehren keine Anspruchsgrundlage bereitstellt.
b) Nach der im Prozesskostenhilfeverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung ist es jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Kläger zu 3) einen subsidiären Anspruch auf Hilfe in sonstigen Lebenslagen gemäß § 73 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gegen den zuständigen Sozialhilfeträger mit Erfolg geltend machen kann. Denn diese Norm bildet eine Anspruchsgrundlage bei atypischen Bedarfslagen, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweisen und dadurch eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstellen (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 25.06.2008, B 11 b As 19/07 R (RdNr. 28) mit Verweis auf BSGE 97, 242, 249). Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Notwendigkeit, eine Legasthenietherapie durchzuführen, eine atypische Bedarfslage im genannten Sinne darstellt bzw. begründet. Das SG Gelsenkirchen wird daher den Sozialhilfeträger notwendig beizuladen haben gemäß § 75 Abs. 2 Fall 2 SGG.
c) Das SG Gelsenkirchen wird ferner zu erwägen haben, die Stadt I als Trägerin der Kinder- und Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) gemäß § 75 Abs. 1 SGG (einfach) beizuladen. Die Voraussetzung einer notwendigen Beiladung gemäß § 75 Abs. 2 SGG dürften demgegenüber nicht vorliegen, weil zum einem der Streitgegenstand nicht identisch sein dürfte (§ 75 Abs. 2 Fall 1 SGG) und zum anderen die in Rede stehenden Ansprüche sich nicht gegenseitig ausschließen dürften (75 Abs. 2 Fall 2 SGG). Eine Kostentragungspflicht des Sozialhilfeträgers nach § 73 SGB XII kommt vielmehr subsidär nur dann in Betracht, sofern und insoweit der Träger der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII zur Kostentragung nicht verpflichtet ist.
Einer Beiladung der Stadt I als Trägerin der Kinder- und Jugenhilfe steht nicht entgegen, dass insoweit mittlerweile bereits ein Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Az. 2 K 5777/08) anhängig ist. Denn eine anderweitige Rechtshängigkeit steht einer Beiladung nicht entgegen (BSG, Urteil vom 19.05.1982, 11 RA 37/81, SozR 2200 § 1239 Nr 2; ebenso BSG, Urteil vom 24. 05.1984, 7 RAr 15/82, SozR 2200 § 1237a Nr. 25). Die anderweitige Rechtshängigkeit würde mit der Verurteilung gegenstandslos werden (BSG a.a.O.).
Angesichts des bereits anhängigen weiteren Rechtstreits vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen dürfte es sinnvoll sein, den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten, weil der mögliche Anspruch des Klägers zu 3) auf Erstattung der streitigen Kosten gemäß § 73 SGB XII, wie bereits ausgeführt, dem Kläger nur subsidiär zusteht. Vorrangig ist damit die Frage zu klären, ob die Stadt I als Trägerin der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII die Kosten für die Legastheniebehandlung zu tragen hat. Mit Bescheid vom 12.03.2008 hat die Stadt I die Kosten für eine Legasthenietherapie in Höhe von maximal 127,82 Euro bis zum 30.05.2008 übernommen und für die Zeit vom 01.02.2008 bis zum 30.6.2008 den Eigenanteil der Kläger erstattet.
Im Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen dürfte zu prüfen sein, ob die Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) Anwendung finden kann. Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I sind Anträge, die beim unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I gilt der Antrag, sofern die Leistung von einem Antrag abhängig ist, als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen ist. Die Kläger haben bereits am 26.09.2005 bei dem Grundsicherungsträger (der Beklagten in diesem Verfahren) die Bewilligung der Kosten für die Durchführung der Legasthenietherapie beantragt. Die Beklagte dürfte gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I verpflichet gewesen sein, diesen Antrag an den zuständigen Leistungsträger – die Stadt I als Trägerin der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII – weiterzuleiten. Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger sind die Beklagte und die Stadt I nicht identisch, sondern zwei unterschiedliche juristische Personen.
2. Die Beschwerden des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) sind demgegenüber nicht begründet. Denn der subsidiäre Anspruch des § 73 SGB XII könnte allein dem Kläger zu 3) zustehen, nicht dagegen den Klägern zu 1) und 2) als seinen Eltern. Auch bei einer Bedarfsgemeinschaft handelt es sich stets und ausschließlich um Individualansprüche. Anspruchsinhaber gemäß § 73 SGB XII kann allein der Kläger zu 3) sein.
3. Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
4. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 15.04.2009
Zuletzt verändert am: 15.04.2009