Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 12.03.2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Verletztenrente wegen der Folgen der Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) (Lärmschwerhörigkeit).
Der 1929 geborene Kläger war ab 1947 zunächst auf der Schachtanlage G, F, und ab 1963 auf der Schachtanlage W, F, als Hauer beschäftigt. Ab Oktober 1965 bis zu seiner Abkehr aus dem Bergbau Ende Dezember 1965 war der Kläger freigestelltes Betriebsratsmitglied. Ab 1966 war der Kläger bei verschiedenen Unternehmen als Bauhelfer, zuletzt ab 1971 bei der X AG, beschäftigt. Seit 1987 bezieht der Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Aufgrund einer BK-Anzeige des HNO-Arztes Dr. I von Januar 1987 leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren ein. Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) schätzte den Beurteilungspegel für die Zeit bis Oktober 1965 auf 85 bis 90 db(A) ein. Dr. T schätzte in einem auf Veranlassung der Beklagten erstatteten HNO-ärztlichen Gutachten die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit unter 10 v.H. ein. Bei dem Kläger bestehe eine knapp geringgradige Hochtonstörung beiderseits. Eigenen Angaben zufolge sei der Kläger nach der Bergbauzeit am Arbeitsplatz keiner Lärmbelastung mehr ausgesetzt gewesen. Die beidseitigen Ohrgeräusche stünden mit einer erheblichen Herz-Kreislauffunktionsstörung im ursächlichen Zusammenhang. Mit Bescheid vom 17.11.1987 wurde hinsichtlich einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 festgestellt, dass bei dem Kläger zwar eine Hörstörung bestehe, wie sie nach langjähriger beruflicher Tätigkeit im Lärm auftreten könne, hierdurch aber eine meßbare Minderung der Erwerbsfähig nicht bedingt werde.
Mit Schreiben vom 30.11.1989 wurde erneut eine ärztliche Anzeige über das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 erstattet. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 28.12.1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.1990 erneut die Zahlung einer Rente ab. Im anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht Duisburg (Az S 4 BU 76/90) holte das Gericht ein Gutachten von Prof. Dr. Dr. H vom 26.11.1990 ein, der die MdE einschließlich der Ohrgeräusche ab dem 01.01.1987 mit 10 v.H. einschätzte. In der mündlichen Verhandlung vom 22.03.1991 nahm der Kläger die Klage zurück.
Seit dem 01.01.2000 bezieht der Kläger eine Verletztenrente wegen einer BK Nr. 4111 BKV. Am 04.03.2004 stellte der Kläger gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) hinsichtlich der BK Nr. 2301 einen Überprüfungsantrag. Dr. N diagnostizierte daraufhin in einem auf Veranlassung der Beklagten erstatteten HNO-ärztlichen Gutachten im Wesentlichen eine mittelgradige Schwerhörigkeit beiderseits und führte aus, dass von dieser Schwerhörigkeit nur eine knapp geringgradige Schwerhörigkeit lärmbedingt sei. Dies ergebe sich daraus, dass seit 1987 eine deutliche Zunahme der Schwerhörigkeit insgesamt zu verzeichnen sei. Der lärmbedingte Anteil der Schwerhörigkeit sei mit einer MdE von 10 v.H. und die MdE unter Berücksichtigung der Ohrgeräusche mit insgesamt 15 v.H. einzuschätzen.
In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vertrat der HNO-Arzt Dr. O die Auffassung, dass die Ohrgeräusche einen sogenannten Nachschaden darstellten, weil sie erst in den 80iger Jahren aufgetreten seien. Die Lärmexposition sei dagegen schon im Jahre 1965 beendet gewesen. Mit Bescheid vom 21.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2005 entschied die Beklagte, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 17.11.1987 und auf Entschädigung der Berufskrankheit Nr. 2301 habe, weil diese keine messbare MdE bedinge.
Im nachfolgenden Klageverfahren beim Sozialgericht Duisburg (Az S 26 KN 4/05 U) holte das Gericht ein HNO-ärztliches Gutachten von Prof. Dr. M ein. Er führte in seinem Gutachten vom 06.12.2005 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11.04.2006 aus, die MdE sei bezogen auf das Jahr 1965 mit weniger als 10 v.H. einzuschätzen. Die Ohrgeräusche hätten im Jahre 1965 noch kein wesentlich belästigendes Ausmaß erreicht. Ohrgeräusche in einem belästigenden Ausmaß könnten erst seit 1987 vermutet werden. Mit Urteil vom 12.12.2006 wurde die Klage unter Hinweis auf das Gutachten von Prof. Dr. M abgewiesen. Im Berufungsverfahren beim Landessozialgericht (LSG) NRW (Az L 2 KN 15/07 U) erklärte sich die Beklagte vergleichsweise zur Beendigung des Verfahrens bereit, erneut darüber nach Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. C zu entscheiden, ob dem Kläger ab dem 01.01.2000 Verletztenrente nach einer MdE von 10 v.H. wegen der Folgen der BK Nr. 2301 BKV zu gewähren sei.
Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. C ein. In seinem Gutachten vom 20.08.2007 führte der Sachverständige aus, Ohrgeräusche gehörten nicht zwangsläufig zu einer Lärmschwerhörigkeit, sie könnten grundsätzlich viele Ursachen haben. Im Falle des Klägers ergebe sich aus den vorliegenden Unterlagen, dass während der "Bergbauzeit" Ohrgeräusche – wenn überhaupt – nur sporadisch vorgelegen hätten. Eine nachfolgende Zunahme des Ohrgeräusches bis hin zu einem ständigen Ohrgeräusch sei als versicherungsunerheblicher Nachschaden aufzufassen. Auch bei nachträglicher Auswertung des 20 Jahre nach Beendigung des Lärmtätigkeit erstellten Tonschwellenaudiogrammes ergäbe sich eine MdE von unter 10 v.H … Es widerspreche allen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass ein Ohrgeräusch sich als weitere BK-Folge auch später einstellen würde.
Auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. C lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.09.2007 einen Anspruch auf Verletztenrente ab.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er auf die Niederschrift über den nichtöffentlichen Termin des LSG NRW vom 10.05.2007. Dort sei aufgenommen worden, es sei eine ergänzende medizinische Beweisaufnahme angezeigt. Eine Einbestellung zur medizinischen Beweisaufnahme durch Herrn Prof. Dr. C in L liege ihm bis zum heutigen Tage nicht vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte an, im neu eingeleiteten Verwaltungsverfahren sei ein ausführliches Gutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. C vorn 20.08.2007 eingeholt worden. Dieser habe bestätigt, dass das Tonschwellenaudiogramm vom 19.08.1987 keinen Hörverlust gezeigt habe, der eine meßbare MdE begründet. Eine danach eingetretene Verschlimmerung sei nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger die gefährdende Tätigkeit bereits 1965 beendet habe. Prof. Dr. C habe betont, dass eine Hörschädigung, die durch Lärmeinwirkung entstanden sei, nach Beendigung der Lärmeinwirkung nicht mehr fortschreiten könne. Weiter habe Prof. Dr. C ausgeführt, dass das gleiche für Ohrgeräusche gelte. Denn ein Ohrgeräusch sei bei der Lärmschwerhörigkeit immer an den durch den lärmbedingten Haarzellschaden gekoppelt. Herr Dr. T habe in seinem Gutachten ausgeführt, dass der Kläger ein ständiges Ohrgeräusch erst seit den 80iger Jahre beschrieben habe. Eine erneute medizinische Untersuchung sei daher nicht notwendig, weil der medizinische Sachverhalt, der 1965 bei der letzten lärmgefährdenden Tätigkeit vorgelegen habe, maßgeblich sei.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass ihm aufgrund der Stützrentensituation eine Verletztenrente nach einer MdE von 10 v.H. wegen der bereits anerkannten BK Nr. 2301 BKV zu zahlen sei. Darüberhinaus habe die Beklagte die vom LSG NRW für angezeigt gehaltene medizinische Beweisaufnahme nicht durchgeführt.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2007 zu verurteilen, ihm wegen des Vorliegens eines Stütztatbestandes ab 01.01.1997 eine Verletztenrente nach einer MdE von 10% (oder mehr) wegen der Folgen einer BK Nr. 2301 der Anlage zur BKV zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid verwiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.03.2008 hat das Sozialgericht Duisburg die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente wegen einer BK Nr. 2301 der BKV. Irgendwelche Anhaltspunkte, wonach die angegriffene Entscheidung rechtswidrig sein könnte, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich. Es sei nicht erkennbar, dass der Sachverständige Prof. Dr. C den medizinischen Sachverhalt nicht vollständig erfasst und beurteilt hätte. Der Sachverständige habe schlüssig und überzeugend auf dem Boden der derzeitigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse ausgeführt, dass die Zunahme des Ohrgeräusches des Klägers bis hin zu einem ständigen Ohrgeräusch als versicherungsunerheblicher Nachschaden aufzufassen sei. Die im Termin des LSG NRW aufgeworfene Frage, ob das Ohrgeräusch sich als weitere BK-Folge auch später habe einstellen können, habe der Sachverständige eindeutig verneint. Soweit der Kläger der Auffassung sei, die Beklagte habe den gerichtlichen Vergleich vom 10.05.2007 nicht richtig ausgeführt, verkenne er, dass eine medizinische Beweisaufnahme eine körperliche Untersuchung nicht in jedem Fall voraussetze. So könne es durchaus angezeigt sein, ein Gutachten nach Aktenlage einzuholen. Denn für die Frage der Feststellung der MdE aufgrund der BK Nr. 2301 BKV sei nicht das derzeitige Erkrankungsbild des Klägers ausschlaggebend, sondern der Zustand im Jahre 1965 bei Aufgabe der lärmgefährdenden Tätigkeit.
Gegen den am 19.03.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 31.03.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er weiterhin vor, er leide unter ständigen beiderseitigen Ohrgeräuschen, deren Ursache in seiner Bergbauzeit begründet sei. Ferner trägt er erstmals vor, dass er auch in seiner Tätigkeit als Bauhelfer Belastungen durch Lärm ausgesetzt gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 12.03.2008 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Beschlusses vom 11.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2007 zu verurteilen, ihm wegen des Vorliegens eines Stützrententatbestandes ab dem 01.01.1997 eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 10 v. H. wegen der Folgen einer BK Nr. 2301 der Anlage zur BKV zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre Bescheide und den angegriffenen Gerichtsbescheid für rechtmäßig.
Der Senat hat die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft beigeladen. Die Beigeladene hat ausgeführt, dass ihr technischer Sachverständiger unter Zugrundelegung der aktenkundigen Angaben und unter Berücksichtigung des allgemeinen Kenntnisstandes von entsprechenden Arbeitsplätzen im Baugewerbe zu dem Ergebnis gelangt sei, dass der Kläger während der Beschäftigungszeiten im Baubereich keinen relevanten Lärmbelästigungen ausgesetzt gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht gemäß § 54 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Dem Kläger steht kein Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente zu.
Insoweit bezieht sich der Senat auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 SGG). Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es nach Aufgabe der Tätigkeit im Bergbau zu keiner weiteren Lärmschädigungen im Sinne der BK Nr. 2301 BKV gekommen sein kann, weil nach Auskunft der Beigeladenen der erforderliche Lärmspiegel von 90 dB nicht überstiegen worden ist. Erst ab dieser Schwelle nimmt die Rechtsprechung unter Zugrundelegung der Erfahrungswerte des sogenannten "Königsteiner Merkblattes" eine berufskrankheitsspezifische Gefährdung an (vgl. Beschluss des BSG vom 21.07.1989, 2 BU 22/89 und Beschluss des BSG vom 25.08.2982, 2 BU 181/81). Daher ergibt sich auch durch die lediglich pauschal vom Kläger erstmals im Berufungsverfahren behauptete Lärmbelastung nach Abkehr aus dem Bergbau keine Änderung der zu beurteilenden Sachlage.
Dem Merkblatt ist zudem entsprechend den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. C, die der Senat im Wege des Urkundsbeweisesd verwertet hat, zu entnehmen, dass Ohrgeräusche nicht spezifisch sind für eine Schwerhörigkeit durch Lärm (vgl. Merkblatt zur BK Nr. 2301 BKV). Unabhängig davon, wann der Kläger Ohrgeräusche subjektiv wahrgenommen hat, können diese nicht zu einer Entschädigung im Sinne einer Verletztenrente führen, da nicht hinreichend dargelegt werden konnte, dass diese auf einer beruflichen Ursache beruhen.
Schließlich sei nochmals daraufhin gewiesen, dass kein Anspruch auf eine Begutachtung nach Untersuchung des Klägers besteht. Denn es ist üblich bei der Beurteilung von Lärmschwerhörigkeit, den Zeitpunkt bis zur Aufgabe der lärmbelastenden Tätigkeit zu beurteilen, es handelt sich also immer um eine nachträgliche Beurteilung, die keine körperliche Untersuchung voraussetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zu zulassen hat nicht bestanden.
Erstellt am: 23.04.2009
Zuletzt verändert am: 23.04.2009