Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08. Februar 2008 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist im Rahmen des vorliegenden (Muster-) Verfahrens die Höhe der Vergütung für Leistungen der Behandlungspflege.
Die Klägerin betreibt in X ein Unternehmen der ambulanten Kranken- und Altenpflege. Sie erbringt u. a. Versicherten der Beklagten gegenüber Leistungen auf der Grundlage eines Vertrages über häusliche Krankenpflege, häusliche Pflege und Haushaltshilfe gemäß §§ 132, 132a Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vom 09.01.2006 (Landesvertrag) zwischen dem Bundesverband Ambulante Dienste und stationäre Einrichtungen, Landesverband Nordrhein-Westfalen (NW) e. V., dem die Klägerin angehört, und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) e. V. sowie dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband (AEV) e. V., Landesvertretungen NW und Westfalen-Lippe (WL), durch die die Beklagte vertreten wird.
Am 14.08.2006 legte die Klägerin der Beklagten die vertragsärztliche Verordnung des Facharztes für Innere Medizin Dr. T vom 31.7.2006, betreffend häusliche Krankenpflege gemäß § 37 SGB V zu Gunsten der bei der Beklagten gegen Krankheit versicherten, inzwischen verstorbenen I T1 (Versicherte), geb. am 20.03.1927, zur Genehmigung vor. Für den Zeitraum vom 1.8.2006 bis zum 30.9.2006 hatte Dr. T zur Sicherung des Ziel der ärztlichen Behandlung zweimal täglich Portversorgung, zweimal täglich Infusionstherapie (Infusion nach Plan) sowie das Anlegen von Kompressionsverbänden verordnet. Die Versicherte litt an einem Kolonkarzinom des Sigma sowie an Beinödemen und hatte sich dafür entschieden, ihre letzte Lebensphase in der häuslichen Umgebung zu verbringen. Die Beklagte genehmigte die ärztliche Verordnung, teilte jedoch der Klägerin mit Schreiben vom 07. und 08.09.2006 mit, dass nach Rechnungslegung beabsichtigt sei, eine Vergütungskürzung vorzunehmen. Der zweite tägliche Einsatz im Rahmen der Leistung "Infusionstherapie i. v." werde statt – wie bisher – nach Leistungsgruppe (LG) 3 der Vergütungsvereinbarung gemäß § 17 des o. g. Landesvertrages (Anlage 3 zum Landesvertrag) lediglich nach LG 1 abgerechnet werden. Für den zweiten täglichen Einsatz überhaupt eine Vergütung zu zahlen, widerspreche an sich dem Landesvertrag. Danach müsse eine Leistung vollständig erbracht werden, um den Vergütungsanspruch zu rechtfertigen. Vollständig erbracht worden sei die Leistung "Infusionstherapie i. v." jedoch erst mit dem zweiten täglichen Einsatz. Da der Landesvertrag keine zusätzlichen Wegepauschalen enthalte, werde kulanterweise für den zweiten täglichen Einsatz die LG 1 vergütet. Wie angekündigt, kürzte die Beklagte die von der Klägerin nach erfolgter Leistungserbringung in Rechnung gestellte Vergütung für den zweiten Einsatz von 14,67 EUR (LG 3) auf 8,85 EUR (LG 1), wobei im Falle der Versicherten T1 LG 1 ohnehin für die Erbringung der Leistung "Anziehen von Kompressionsstrümpfen/-strumpfhosen" bzw. "Ausziehen von Kompressionsstrümpfen/-strumpfhosen" LG 1 zu vergüten war. Die Konkurrenzregel unter II. Ziff. 2 der Vergütungsvereinbarung
"Sind die im Rahmen einer Verordnung zu erbringenden Leistungen unterschiedlichen Leistungsgruppen zugeordnet, ist nur die jeweils höherwertige Leistungsgruppe abrechnungsfähig."
konnte, die Auffassung der Beklagten als zutreffend unterstellt, mangels zweiter Verwirklichung eines Vergütungsanspruchs nach LG 3 nicht zum Wegfall des Vergütungsanspruchs für Leistungen, die nach LG 1 zu vergüten waren, führen.
Eine weitere ärztliche Verordnung des Dr. T vom 22.9.2006 identischen Inhalts bezog sich auf den Zeitraum vom 01.10.2006 bis zum 31. 12. 2006. Auch für die von der Klägerin für diesen Zeitraum nach § 37 Abs. 2 SGB V erbrachten Leistungen nahm die Beklagte die o. g. Kürzungen vor. Für den Gesamtzeitraum vom 1.8.2006 bis zum 31.12.2006 betrug die Differenz zwischen der von der Klägerin geltend gemachten zweimaligen Berechnung der LG 3 pro Tag und der von der Beklagten vergüteten LG 3 und LG 1 – wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist – 292,48 EUR.
Da die Beklagte zur Zahlung des Differenzbetrages nicht bereit war, hat die Klägerin am 18.4.2007 Klage zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass entsprechend der ärztlichen Verordnung pro Versorgung zwei Einsätze täglich für die Erbringung der Leistung "Infusionstherapie i. v." erforderlich gewesen seien. Die Infusionstherapie werde abends angelegt und am darauf folgenden Morgen wieder abgehängt. Der Vergütungsvereinbarung zu § 17 des Landesvertrages liege das Prinzip der einsatzbezogenen Abrechnung zugrunde. Damit bestehe ein Anspruch auf Vergütung von zweimal täglich LG 3.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, 292,48 EUR an sie zu zahlen,
hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Berufung zuzulassen.
Sie hat die Auffassung vertreten, auch wenn die Pflegeperson zwei Mal pro Tag zum Patienten fahren müsse, wobei sie nicht in Zweifel ziehe, dass diese Fahrten tatsächlich stattfänden, um die Leistung "Infusionstherapie i. v." zu erbringen, so handele es sich rechtlich jedoch nur um einen einzigen Einsatz. Die parenterale Ernährung werde nur einmal pro Tag durchgeführt. Jeweils abends werde die Infusionslösung zubereitet und angehängt. Für die damit verbundenen Tätigkeiten seien durchschnittlich 25 Minuten anzusetzen. Morgens werde die Nahrung abgehängt und es müsse der Port durchgespült werden. Für den gesamten Umfang der Arbeiten sei ein Zeitraum von weiteren 5 bis10 Minuten zu veranschlagen. Diesem Gesamtaufwand werde mit der Zuweisung der Leistung zu der höchsten LG 3 Rechnung getragen. Um den Aufwand der zweiten Fahrt zu entgelten, gewähre sie aus Kulanzgründen, da das nordrhein-westfälische Vergütungssystem Wegegelder nicht gesondert aufführe, eine weitere Vergütung analog der LG 1.
Mit Urteil vom 08.02.2008 hat das SG die Beklagte verurteilt, 292,48 EUR an die Klägerin zu zahlen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat es die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Klägerin ein Anspruch auf den geltend gemachte Differenzbetrag zwischen geforderter und gezahlter Vergütung zustehe. Unstreitig habe die Klägerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.08.2006 bis zum 31.12.2006 häusliche Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V zur Sicherung der ärztlichen Behandlung aufgrund der beiden o. g. vertragsärztlichen Verordnungen von Dr. T zu Gunsten der Versicherten T1 erbracht. Der Anspruch auf den Differenzbetrag zwischen der abgerechneten zweimaligen LG 3 und den gewährten LG’n 3 sowie 1 ergebe sich aus § 17 des Landesvertrages. In § 17 heiße es:
"Die Vergütung der Leistungen richtet sich nach Anlage 3. Mit den Vergütungsbeträgen sind sämtliche im Zusammenhang mit den nach diesem Vertrag erbrachten Leistungen verbundenen Aufwendungen abgegolten. Dies gilt auch für die Versorgung und Sterilisation der von dem ambulanten Pflegedienst in der Krankenpflege verwendeten Materialien und Geräte."
Die Vergütungsvereinbarung befinde sich in der Anlage 3 des Landesvertrages. Der Anspruch auf Vergütung häuslicher Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V sei unter II. Ziff. 1 geregelt:
"Häusliche Krankenpflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Behandlungspflege gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V) einschließlich Fahrtzeiten und Fahrtkosten je Einsatz"
Die Infusionstherapie sei unter II. Ziff. 2c der Anlage 3 mit der Abrechnungspositionsnummer 032326 aufgeführt und es sei eine Vergütung von 14,67 EUR vorgesehen. Die von der Klägerin für die Versicherte der Beklagten erbrachte Leistung "Infusionstherapie i. v." sei somit eindeutig nach LG 3 der Vergütungsvereinbarung abzurechnen. Streitig sei ausschließlich die Frage, ob hier ein oder zwei Mal täglich die LG 3 angesetzt werden müsse. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass der Pflegedienst für die Durchführung der "Infusionstherapie i. v." zwei Mal pro Tag zum Patienten fahren müsse, und zwar abends, um die Infusion zu legen, und morgens, um sie wieder abzuhängen. Unstreitig sei auch, dass für die Arbeitsvorgänge am Abend durchschnittlich ca. 25 Minuten benötigt würden und für die Arbeitsvorgänge am Morgen durchschnittlich 5 bis 10 Minuten. Der Anspruch der Klägerin auf zweimalige Zahlung der LG 3 ergebe sich schon aus einer Auslegung des Wortlauts der Vereinbarung: Nach II. Ziff. 2 der Anlage 3 zum Landesvertrag seien die Beträge der jeweiligen LG je "Einsatz" zahlen. Der Begriff "Einsatz" werde in der Vergütungsvereinbarung an verschiedenen Stellen verwendet. Sowohl unter II. Ziff. 1 als auch unter II. Ziff. 2 könne die Verwendung des Begriffes "Einsatz" nur so verstanden werden, dass damit jeweils eine Hin- und eine Rückfahrt und die jeweils durchgeführten Pflegeleistungen gemeint seien.
Gegen das ihr am 4.4.2008 zugestellt Urteil hat die Beklagte am 17.4.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie ergänzend vor, die Vergütungsvereinbarung gemäß § 13 des Landesvertrages ordne die "parenterale Ernährung" als "Infusionstherapie i. v.", DALE (Informations- und Abrechnungsverfahren der Leistungserbringer mit den gesetzlichen Krankenkassen) -Abrechnungs-Positions-Nr: 032326, der LG 3 zu. Diese beinhalte die Erbringung von Behandlungspflege besonders aufwändiger Art und/oder bei der besondere Sachkunde erforderlich sei. Vertraglich nicht vorgesehen sei hierbei die getrennte Vergütung von einzelnen Akten der beschriebenen Leistung, wie das Zubereiten und das Anhängen einerseits sowie das Abhängen der intravenösen Ernährungsinfusion andererseits. Dies bedeute, dass die komplette Leistung "Infusionstherapie i. v." nur als eine Einheit betrachtet werden könne, die auch als Ganze – einmal – nach LG 3 zu vergüten sei. Zudem hätten die Vertragsparteien des Landesvertrages, wenn sie eine einheitliche Vergütung nicht für sachgerecht gehalten hätten, ausdrücklich eine abweichende vertragliche Regelung in Form der getrennten Vergütung der einzelnen Teilakte treffen können, wie es beispielsweise für das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen/-strumpfhosen der Fall sei. Für ihre, der Beklagten, Auffassung spreche darüber hinaus die Tatsache, dass Grundlage für die Zuordnung der einzelnen Verrichtungen zu einer bestimmten LG die jeweilige Leistungsbeschreibung nach der Anlage zu den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung häuslicher Krankenpflege nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6, Abs. 7 SGB V (Häusliche Krankenpflege-RL) – Leistungen der Behandlungspflege – gewesen sei. Dort werde die Leistung "Infusionen i. v." unter Ziffer 16 wie folgt beschrieben:
"Wechseln und erneutes Anhängen der ärztlich verordneten Infusion bei ärztlich gelegtem peripherem oder zentralem i. v.-Zugang oder ärztlich punktiertem Port-a-cath zur Flüssigkeitssubstitution oder parenteralen Ernährung, Kontrolle der Laufgeschwindigkeit (ggf. per Infusionsgerät) und der Füllmenge, Durchspülen des Zugangs nach erfolgter Infusionsgabe, Verschluss des Zugangs."
Die beschriebenen Leistungen sollten daher in ihrer Gesamtheit Gegenstand der Vergütungsvereinbarungen sein. Für eine Aufteilung der Gesamtleistung in einzelne Teilleistungen im Rahmen der Vergütung sei daher kein Raum. Im Übrigen habe der VdAK auch bereits im August 2006 diese Auffassung gegenüber dem Landesverband freie ambulante Krankenpflege NW vertreten. Der VdAK habe anschließend seinen Mitgliedsverbänden empfohlen, die Vergütungspraxis umzustellen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.02.2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 8.2.2008 zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Zur weiteren Begründung weist sie darauf hin, dass es nach II. Ziff. 2 der Vergütungsvereinbarung nicht darauf ankomme, ob die Behandlungspflegemaßnahme als Einheit oder als Teilleistung zu bewerten sei. Ein "Einsatz" im Sinne dieser Vereinbarung sei geleistet, wenn der Pflegedienst Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbringe, den Patienten dabei anfahre und nach Abschluss der Leistung zum Pflegedienst zurückkehre. Nehme der Pflegedienst im Laufe des Tages einen weiteren Einsatz wahr, so sei dieser Einsatz gesondert abzugelten. Dies ergebe sich sowohl aus der Formulierung des Vertrages als auch aus der bisher geübten Praxis. In all den Jahren hätten die dem Landesvertrag unterworfenen Krankenkassen die Vergütungen je Einsatz gezahlt, auch die Beklagte. Erst seit 2006 stelle sich die Beklagte auf den Standpunkt, dass sie nur noch einen Einsatz zu bezahlen habe, während die übrigen Kassen bei der bisherigen Verfahrensweise verblieben seien. Dass die Beklagte argumentativ auf die Vergütungspraxis bei Kompressionsstrümpfen abstelle, sei nicht nachvollziehbar. Sie habe selbst jahrelang bei "Infusionstherapie i. v." zwei Mal täglich LG 3 anerkannt. Wenn sie der Auffassung sei, dass die jahrelang geübte Vertragspraxis falsch gewesen sei, so hätte sie die Angelegenheit im dafür zuständigen Vertragsausschuss der Parteien diskutieren müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die einzelnen Leistungen der Infusionstherapie nicht durch einen einzigen Einsatz pro Tag zu erbringen seien.
Der Senat hat den Geschäftsführer der Klägerin V H sowie die ärztliche Beraterin der Beklagten, Frau Dr. X, zum Ablauf und Inhalt der im Einzelnen zu erbringenden Tätigkeiten befragt. Außerdem hat der Senat den Geschäftsführer des Landesverbandes freie ambulante Krankenpflege NW, D U, zu den Einzelheiten der neuen Rahmenvereinbarung, die die Parteien zum Jahreswechsel 2008/2009 geschlossen haben, angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der nicht-öffentlichen Sitzung vom 06.02.2009 und der öffentlichen Sitzung vom 12.03.2009 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozess- und der Verwaltungs- sowie der Prozessakte des Sozialgerichts Düsseldorf, Az: S 8 (4) KR 87/08 (= L11 KR 91/07, LSG NRW), Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat mit Urteil vom 08.02.2008 der Klägerin zu Recht die streitige Vergütung zugesprochen; denn der Anspruch besteht dem Grunde und der Höhe nach vollumfänglich.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Vergütungsanspruch im streitgegenständlichen Zeitraum ist der Landesvertrag. Nach §132a Abs. 2 S. 1 SGB V schließen die Krankenkassen über die Einzelheiten der Versorgung ihrer Versicherten mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung Verträge mit den Leistungserbringern. Um einen solchen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt es sich bei dem Vertrag über häusliche Krankenpflege, häusliche Pflege und Haushaltshilfe gemäß §§ 132, 132a Abs. 2 SGB V vom 09.01.2006 zwischen dem Bundesverband Ambulante Dienste und stationäre Einrichtungen, Landesverband NW e. V., und dem VdAK sowie dem AEV, Landesvertretungen NW und WL, an dessen Wirksamkeit der Senat ebenso wenig Zweifel hat wie an der Geltung zwischen den Parteien. Aus diesem Landesvertrag leitet sich der streitgegenständliche Vergütungsanspruch der Klägerin her.
Nach § 17 Abs. 1 des Landesvertrages richtet sich die Vergütung der Vertragsleistungen nach Anlage 3. Mit den Vergütungsbeträgen sind nach dieser Vorschrift sämtliche im Zusammenhang mit den nach diesem Vertrag erbrachten Leistungen verbundenen Aufwendungen abgegolten. Dies gilt auch für die Versorgung und Sterilisation der von dem ambulanten Pflegedienst in der Krankenpflege verwendeten Materialien und Geräte. Die Vergütungsvereinbarung ist als Anlage 3 (i. V. m. § 17 des Landesvertrages) Teil des – zur Versorgung der Versicherten berechtigenden – Versorgungsvertrages, wobei keine Bedenken dagegen bestehen, die Vergütungsvereinbarung in einem Anhang zum Versorgungsvertrag niederzulegen, wie es hier geschehen ist. Eine besondere, durch Verwaltungsakt auszusprechende Zulassung zur Versorgung der Versicherten sieht das Gesetz bei der häuslichen Krankenpflege (§ 132a SGB V) nicht vor (Bundessozialgericht (BSG), Urt. vom 17.07.2008, Az.: B 3 KR 23/07 R, www.juris.de; BSG Sozialrecht (SozR) 4-2500 § 132a Nr. 4; BSG SozR 3-2500 § 132a Nr. 4).
Die Preisvereinbarung nach dem Vertragsmodell des § 132a SGB V unterliegt grundsätzlich der Ausgestaltung der Beteiligten. Danach ist die Vergütung der von der Klägerin erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach der Vorstellung des Gesetzgebers grundsätzlich frei auszuhandeln. Prinzipiell sollen also Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Auch sollen die Krankenkassen Wirtschaftlichkeitsreserven nutzen, also nach Möglichkeit für sie günstige Konditionen aushandeln. Mit der Regelung in § 132a SGB V geht der Gesetzgeber, entsprechend der allgemeinen Intention des SGB V zur Kostenreduzierung im Gesundheitswesen, davon aus, dass Vergütungsbestimmungen im freien Spiel der Kräfte geschlossen werden und durch die Verpflichtung der Krankenkassen zur Versorgung ihrer Versicherten einerseits sowie der Konkurrenz der Leistungserbringer andererseits im Ergebnis marktgerechte und möglichst günstige Preise erreicht werden. Gemäß § 132a Abs. 2 S. 5 SGB V haben die Krankenkassen darauf zu achten, dass Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden.
Allerdings ist es nicht Aufgabe der Gerichte, nach Art von Schiedsstellen die angemessene Vergütung festzusetzen (BSG SozR 4-2500 § 132a Nr. 4; BSG SozR 3-2200 § 376d Nr. 1). Vielmehr sind die Gerichte grundsätzlich daran gehindert, das, was ein Leistungserbringer in Verhandlungen mit einer Krankenkasse oder umgekehrt nicht hat durchsetzen können, nachträglich zum Vertragsinhalt zu machen. Darin läge ein systemwidriger Eingriff in eine gesetzliche Konzeption, die von der Einschätzung getragen wird, die Vertragspartner seien im Stande, ausgewogene und interessengerechte Lösungen zu vereinbaren. Darum geht es vorliegend jedoch nicht. Vielmehr macht die Klägerin Vergütungsansprüche geltend, wie sie seit Jahren in der Vergangenheit – auch von der beklagten Krankenkasse und von den übrigen an den Landesvertrag gebundenen Krankenkassen unverändert weiterhin – als der vertraglichen Vergütungsvereinbarung entsprechend anerkannt worden sind. Bei der vom erkennenden Senat vorzunehmenden Auslegung der streitigen Vertragsbestimmungen ist dies vorrangig zu berücksichtigen. Die Beklagte handelt aus Sicht des Senates unredlich, wenn sie aus einer geübten Verwaltungspraxis heraus das schützenswerte Vertrauen der Leistungserbringer, ihrer langjährigen Vertragspartner, missbraucht und ohne dass diese sich wirtschaftlich darauf einstellen können, mit gekürzten Forderungen konfrontiert. Stellte sich die bislang gezahlte Vergütung aus Sicht der Krankenkasse nicht mehr als wirtschaftlich dar, zum Beispiel auf Grund geänderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, die für das Aushandeln der einzelnen Vergütungsbestandteile maßgebend gewesen ist, so hat der Gesetzgeber den richtigen Weg gewiesen: An Stelle der vorgenommenen einseitigen Vergütungskürzungen hätte der Beklagten über ihre Landesverbände offen gestanden, die Vergütungsvereinbarung gemäß § 27 Abs. 4 des Landesvertrages – gesondert – oder den Gesamtvertrag gemäß § 27 Abs. 2 des Landesvertrages zu kündigen und eine neue Vergütungsstruktur im freien Spiel der Kräfte auszuhandeln. Im Falle der Nichteinigung ist seitens des Gesetzgebers ein Lösungsweg vorgegeben: Nach § 132a Abs. 2 S. 7 SGB V ist eine von den Parteien unabhängige Schiedsperson zu bestimmen, die notfalls den Vertragsinhalt verbindlich für beide Parteien festlegt.
Eine Auslegung der Vergütungsvereinbarung (§ 17 des Landesvertrages i. V. m. dessen Anlage 3), die dem Senat im Streitfall obliegt (s. beispielhaft BSG SozR 4-2500 § 33 Nr. 14 m. w. N.), ergibt jedoch – zur Überzeugung des Senates unzweifelhaft -, dass die Beklagte zu den vorgenommenen Kürzungen nicht berechtigt gewesen ist. Bei der "Infusionstherapie i. v." mit denknotwendig zwei Mal täglichem Anfahren und Versorgen der Versicherten ist auch zwei Mal die LG 3 abrechenbar, wie die Klägerin dies in ihren entsprechenden Rechnungen im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Versicherten T1 getan hat.
Unter II. Ziff. 2 der Anlage 3 zum Landesvertrag sind Leistungen der häuslichen Krankenpflege aufgeführt, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Behandlungspflege gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V) einschließlich Fahrzeiten und Fahrkosten je Einsatz. Es heißt dort weiter:
"Sind die im Rahmen einer Verordnung zu erbringenden Leistungen unterschiedlichen LG’n zugeordnet, ist nur die jeweils höherwertige LG abrechnungsfähig. Werden mehrere Leistungen aus einer LG anlässlich eines Einsatzes erbracht, ist die jeweilige LG einmal abrechnungsfähig.
Die verordnungsfähigen Leistungen der Behandlungspflege ergeben sich aus den Leistungsnummern der RL nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V. Die dort getroffenen Aussagen zur Dauer der Verordnung und zur Häufigkeit der Verrichtungen sind grundsätzlich zu beachten." Im Folgenden sind der LG 1 Behandlungspflegen einfacher Art, z. B. "Anziehen von Kompressionsstrümpfen/-strumpfhosen (ab Kompressionsklasse II, Leistungs-Nr. 31 der o. g. RL)" oder "Ausziehen von Kompressionsstrümpfen/-strumpfhosen (ab Kompressionsklasse II, Leistungs-Nr. 31 der o. g. RL)", der LG 2 Behandlungspflegen mit höherem Zeitaufwand/qualifizierter Art bzw. der LG 3 Behandlungspflegen besonders zeitaufwändiger Art und/ oder besondere Sachkunde erforderlich zugeordnet, z. B. "Infusionstherapie i. v. (Leistungs-Nr. 16 der o. g. RL), z. B. parenterale Ernährung oder Substitutionstherapie über Port in der Regel bis 500 ml". Leistungs-Nr. 16 der o. g. RL lautet unverändert seit der Fassung vom 16.02.2000, veröffentlicht im Bundesanzeiger (BA) Nr. 91 vom 13.05.2000, in Kraft getreten am 14.05.2000:
"Infusionen, i. v.: Wechseln und erneutes Anhängen der ärztlich verordneten Infusion bei ärztlich gelegtem peripheren oder zentralen i. v.-Zugang oder des ärztlich punktierten Port-a-cath zur Flüssigkeitssubstitution oder parenteralen Ernährung, Kontrolle der Laufgeschwindigkeit (ggf. per Infusionsgerät) und der Füllmenge, Durchspülen des Zuganges nach erfolgter Infusionsgabe, Verschluss des Zuganges"
Leistungs-Nr. 31 der RL lautet:
"Verbände: – Anlegen und Wechseln von Wundverbänden, Anlegen, Wechseln von Verbänden, Wundheilungskontrolle, Desinfektion und Reinigung (auch Wundreinigungsbad), Spülen von Wundfisteln, Versorgung von Wunden unter aseptischen Bedingungen sowie – Anlegen eines Kompressionsverbandes (z. B. nach Pütter, Fischer-Tübinger) / auch An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen / -strumpfhose der Kompressionsklassen II bis IV; bei mobilen Patienten zur Abheilung von Ulcera, zur Unterstützung des venösen Rückflusses und Lymphabflusses".
Zunächst liegen im vorliegenden Fall unstreitig die Voraussetzungen zur Erbringung von Behandlungspflege in Form von "Infusionstherapie i. v." vor. Der bei der Beklagten gegen Krankheit Versicherten T1 ist durch den behandelnden Arzt häusliche Krankenpflege gemäß § 37 SGB V verordnet worden (vgl. zum Erfordernis einer gültigen vertragsärztlichen Verordnung auch § 14 Abs. 1 S. 1 des Landesvertrages). Im Hinblick auf die Schwere der Erkrankungen der Versicherten, deren Lebensalter und den Umstand, dass sie den letzten Lebensabschnitt bei bösartiger Grunderkrankung durchlief, besteht kein Zweifel, dass die Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich gewesen ist. Die Klägerin ist als Mitglied ihres Landesverbandes nach erfolgter schriftlicher Anerkenntniserklärung gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 des Landesvertrages auch berechtigt gewesen, die Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber Versicherten der Beklagten zu erbringen und nach individueller Genehmigung und vorheriger Erklärung der Kostenübernahme gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 des Landesvertrages abzurechnen. Die Klägerin hat die verordneten Leistungen, wie sich aus den vorgelegten Nachweisen (vgl. zu den erforderlichen Leistungsnachweisen § 16 des Landesvertrages) ergibt, auch vollständig im streitgegenständlichen Zeitraum erbracht. Insbesondere hat die Klägerin mindestens zwei Mal täglich – häufig darüber hinaus, wie sich aus den glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des Geschäftsführers der Kläger ergibt, auch ein weiteres Mal, sei es, dass die Infusion am Morgen noch nicht vollständig durchgelaufen war, sei es, dass ein nächtlicher Einsatz erforderlich wurde – die Versicherte aufgesucht, um die Leistung "Infusionstherapie i. v." zu erbringen.
Ihr steht auch der geltend gemachte Differenzbetrag in Höhe von rechnerisch richtig ermittelten 292,48 EUR für den streitgegenständlichen Zeitraum gegenüber der Beklagten zu. Eine Auslegung der Vergütungsvereinbarung des Landesvertrages, ausgehend vom Wortlaut, unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte, der Systematik und des Sinns und Zwecks der Anlage 3 zum Landesvertrages ergibt, dass die Leistung "Infusionstherapie i. v.", wie das SG dies zutreffend festgestellt hat, zwei Mal täglich nach LG 3 abrechenbar gewesen ist. Zwar ist der Beklagten bei der Auslegung der Präambel zu Ziff. 2 der Anlage 3 des Landesvertrages zuzugeben, dass der Begriff der "Infusionstherapie i. v." in Anlehnung an die Häusliche Krankenpflege-RL als umfängliche Leistungsbeschreibung ausgelegt werden könnte, die sowohl das Anlegen wie auch das Ablegen der Infusionen umfasst und die Leistungserbringung als Gesamtheit nur einmal abrechenbar macht. Jedoch ist an keiner Stelle des Landesvertrages ausdrücklich geregelt, dass ein Vergütungsanspruch entfällt oder zu mindern ist, wenn nur eine Teilleistung erbracht wird. Zum anderen haben die Vertragspartner des Landesvertrages und dessen Anlage 3 erkennbar bei der gesamten Gestaltung der Vergütungsstruktur darauf abgestellt, dass maßgebendes und vorrangiges Vergütungsprinzip der jeweilige "Einsatz" des Pflegedienstes ist, wie dies an der bevorzugten Stellung der Anknüpfung an den jeweiligen Einsatz in der Präambel zu den Vergütungsregelungen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege erkennbar ist. So ist von der Krankenkasse – zu Lasten der Leistungserbringer – nur ein, und zwar das hochwertigste Entgelt zu zahlen, wenn anlässlich eines Einsatzes mehrere, von einander unabhängige Leistungen erbracht werden, die für sich genommen jeweils eine eigenständige Vergütung rechtfertigen würden, wie dies vorliegend im Verhältnis von "Anlegen von Kompressionsverbänden" (LG 1) und der "Infusionstherapie i. v." (LG 3) der Fall ist. Dies zeigt deutlich, dass die Vertragspartner des Landesvertrages den Aufwand für den Pflegedienst vorrangig nicht in der Erbringung der Leistung selbst, sondern in dem Erreichen des Einsatzortes gesehen haben. Die Leistung "Infusionstherapie i. v." wird im Übrigen erkennbar pauschal ohne Bezugnahme auf den jeweils von Fall zu Fall unterschiedlichen Inhalt der Portversorgung und Intensität und Dauer im Einzelfall vergütet. Auch wird der Zeitaufwand für die Anfahrt unabhängig von Dauer und Entfernung zum Einsatzort nach dem Willen der Vertragspartner nur pauschal mit berücksichtigt. Wenn aber die Beklagte die in vielen Fällen günstige Pauschalabrechnung für sich in Anspruch nimmt, hat sie nach dem Prinzip der Waffengleichheit und des partnerschaftlichen Leistungsaustausches dann auch Leistungen zu vergüten, bei denen sinnvoller Weise im Rahmen eines zugrunde liegenden Einsatzes nur einzelne Teilbereiche statt der Komplettleistung zu berücksichtigen sind. Will die Beklagte von dem durchgängig die Vergütungsvereinbarung kennzeichnenden Einsatzprinzip abrücken, so kann sie dies nur im Wege der Ergänzung oder Änderung der getroffenen Vereinbarungen (nach Kündigung).
Gegen die vom Senat vorgenommene Vertragsauslegung spricht schließlich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, dass unter LG 1 das Anlegen und das Ausziehen von Kompressionsstrümpfen/-strumpfhosen gesondert aufgeführt werden. Auch stellt dies eine Lösung von den Häusliche-Krankenpflege-RL dar; denn unter der dortigen Leistungs-Nr. wird die Differenzierung in das Anlegen und das Ausziehen nicht vorgenommen. Vielmehr kommt auch in der vergütungsrechtlichen Handhabung dieser Leistung deutlich das gesamte Vertragswerk beherrschende Einsatzprinzip zum Ausdruck. Das Tragen von Kompressionsstrümpfen stellt medizinisch nur dann eine Notwendigkeit dar, wenn dies über einen gewissen Zeitraum erfolgt. Die Hilfestellung bei den Kompressionsstrümpfen erfordert also ebenfalls einen zweimaligen Einsatz des Pflegedienstes.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Anlass für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG hat der Senat im Hinblick auf die streitgegenständliche Auslegung einer Landesregelung ohne über die Landesgrenzen hinausgehende Bedeutung nicht gesehen.
Erstellt am: 09.06.2009
Zuletzt verändert am: 09.06.2009