Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 15.04.2009 abgeändert. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe ab dem 30.10.2008 gewährt und Rechtsanwalt H beigeordnet.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten einer Hörgeräteanpassung nach § 109 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 33 Abs. 38 Satz 1 Nr. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Der Kläger ist beidseitig schwerhörig. Er absolviert eine von der Beklagten nach § 102 ff SGB III geförderte Ausbildung zum Elektrogerätezusammenbauer. Durch Bescheid vom 21.05.2008 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung eines Zuschusses zu einer Hörgeräteanpassung ab. Nach Weiterleitung des Rehabilitationsantrags vom 30.07.2008 durch die Deutsche Rentenversicherung Bund lehnte die Beklagte erneut durch Bescheid vom 19.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2008 die Gewährung eines Zuschusses zur Hörgeräteversorgung mit der Begründung ab, dass zuständiger Kostenträger der auf den aktuellen technischen Stand befindlichen Hörgeräte die Krankenkasse sei. Dies gelte auch für Hörgeräte, die den Behindertenausgleich im Arbeitsleben des Klägers gewährleisteten. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben.
Durch Beschluss vom 15.04.2009 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Hiergegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Nach § 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114, 115 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Die vom Kläger eingeleitete Rechtsverfolgung bietet insofern hinreichende Aussicht auf Erfolg als nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine weitere Beweiserhebung von Amts wegen erforderlich ist.
Nach dem Akteninhalt ist aufzuklären, ob die Beklagte aufgrund des Rehabilitations-antrags des Klägers vom 05.05.2008 erstangegangener Rehabilitationsträger i.S. von § 14 SGB IX ist. Erstangegangener Rehabilitationsträger iS von § 14 SGB IX ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist.
Vorliegend ist nach Aktenlage offen, ob es sich bei der Beklagten in Hinblick auf den Rehabilitationsantrag des Klägers vom 05.05.2008 um einen i.S. von § 14 SGB IX erstangegangenen Rehabilitationsträger handelt oder ob sich der Kläger vor Eingang seines Antrags bei der Beklagten an einen anderen Rehabilitationsträger, z. B. die DAK, gewandt hatte (vgl. zur Auslegung eines Antrags auf Hörgeräteversorgung bei einer Krankenkasse: BSG, Urteil vom 21.08.2008 – B 13 R 33/07 R -, nach juris Rn 34). Falls es sich bei der Beklagten um einen i.S. von § 14 SGB IX erstangegangen Rehabilitations-träger handelt, ist sie für die Gewährung eines Hörgerätes als Hilfsmittel bzw. die Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten einer Hörgeräteanpassung als Rehabili-tationsleistung zuständig, unabhängig davon, auf welcher Rechtsgrundlage diese Leistung beruht. Wenn ein i.S. von § 14 SGB X erstangegangener Rehabilitationsträger eine nach § 14 Abs 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat, geht die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn über, wobei sich diese Zuständigkeit im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger nach § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX auf alle Rechtsgrundlagen erstreckt, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitations-rechtlich vorgesehen sind (vgl. BSG, Urteil vom 20.11.2008 – B 3 KN 4/07 KR R -, nach juris Rn 23 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Der erstangegangene Rehabilitationsträger ist verpflichtet, das Begehren eines Antragstellers nach jeder in Betracht kommenden Rechtsgrundlage zu prüfen. Vorliegend hat die Beklagte den Rehabilitationsantrag vom 05.05.2008 nicht weitergeleitet, sondern mit bestandskräftigem Bescheid vom 21.05.2008 abschlägig beschieden. Auch nach dieser verbindlichen abschließenden Entscheidung bleibt die Beklagte als erstangegangenen Trägers weiter für das Rehabilitationsbegehren zuständig. Denn der erstmals befasste Rehabilitationsträger behält seine Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig weiter bei, wenn er, ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben, das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt, selbst wenn dieser bindend wird. Er bleibt auch für ein mögliches Verfahren nach § 44 SGB X zuständig (vgl. BSG, Urteil vom 20.11.2008 – B 3 KN 4/07 KR R -, nach juris Rn 23 mit weiteren Rechtsprechungsnach-weisen). Nur wenn es sich bei der Beklagten nicht um einen i.S. von § 14 SGB IX erstangegangenen Rehabilitationsträger handelt, ist sie für die Entscheidung über das Rehabilitationsbegehren des Klägers formell nicht zuständig (vgl. BSG, Urteil vom 20.11.2008 – B 3 KN 4/07 KR R -, nach juris Rn 23).
Falls die Beklagte für den Antrag des Klägers als erstangegangener Rehabilitationsträger zuständig ist, ist der Anspruch des Klägers umfassend zu prüfen. Nach § 33 Satz 1 SGB V haben Versicherte gegenüber der Krankenversicherung Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um ua eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Die DAK ist als zuständige Krankenkasse nach Aktenlage bereit, sich mit einem Festbetrag an der Anschaffung neuer Hörgeräte durch den Kläger zu beteiligen. Jedoch ist offen, ob dem Kläger ein über den Festbetrag hinausgehender Anspruch gegenüber der Krankenkasse zusteht. Zwar hat die Krankenversicherung die Sachleistung "Versorgung mit Hörhilfen" auf der Grundlage einer Festbetragsregelung (§ 36 SGB V) zu erbringen. Dies gilt aber nur dann, wenn eine sachgerechte Versorgung des Versicherten zu den festgesetzten Festbeträgen möglich ist. Der für ein Hilfsmittel festsetzte Festbetrag begrenzt die Leistungspflicht einer Krankenkasse dann nicht, wenn er für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreicht (BSG, Urteil vom 21.08.2008 – B 13 R 33/07 R -, nach juris Rn 39f mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Nach Aktenlage ist offen, ob eine Versorgung des Klägers mit Hörgeräten innerhalb der Festbetragsgrenzen zur Beseitigung oder Milderung der Auswirkungen seiner Schwerhörigkeit im täglichen Leben i.S. von § 33 SGB V objektiv ausreicht oder die Krankenkasse höhere Leistungen zu erbringen hat (vgl. zum Umfang der Leistungspflicht der Krankenkasse, BSG, Urteil vom 21.08.2008 – B 13 R 33/07 R -, nach juris Rn 39f mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; Beschluss vom 24.04.2008 – B 3 KR 24/07 B -; Urteil vom 20.11.2008 – B 3 KR 6/08 R -).
Auch ist nicht geklärt, ob die von der Krankenkasse im Rahmen ihrer Leistungspflicht zur Verfügung gestellten Hörgeräte ausreichen, das in der Ausbildung geforderte Hörver-mögen herzustellen. Falls dies nicht der Fall ist, kommt ein Anspruch des Klägers auf Übernahme der berufsbedingten Mehrkosten für ein einheitliches Hilfsmittel nach § 109 Abs. 1 SGB III i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX in Betracht. Danach sind Kosten für Hilfsmittel, die wegen Art und Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherheit am Arbeitsplatz erforderlich sind, von der Beklagten zu übernehmen, es sei denn solche Leistungen können als medizinische Leistung erbracht werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten schließt die Verpflichtung der Krankenkasse zur Hörgeräte-versorgung nicht grundsätzlich eine Leistungspflicht nach § 33 Abs. 8 Nr. 4 SGB IX aus. Denn die gesetzliche Krankenversicherung hat nicht sämtliche direkten und indirekten Folgen einer Behinderung auszugleichen. Aufgabe der Krankenkassen ist allein die medizinische Rehabilitation. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation bleibt Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Beim Ausgleich direkter oder indirekter Folgen einer Behinderung ist ein Hilfsmittel daher nur "erforderlich" iS von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Dies gilt nicht für Gegenstände, die lediglich die Folgen und Auswirkungen einer Behinderung in den verschiedenen Lebensbereichen, insbesondere auf beruflichem, gesellschaftlichem und privatem Gebiet, beseitigen oder mildern (BSG, Urteil vom 21.08.2008 – B 13 R 33/07 R -, nach juris Rn 45f mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; Beschluss vom 24.04.2008 – B 3 KR 24/07 B – nach juris Rn 5; Urteil vom 20.11.2008 – B 3 KR 6/08 R- nach juris Rn 13). Deshalb kommt eine Leistungspflicht der Beklagten aus § 109 Abs. 1 SGB III i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX in Betracht, wenn aus ausbildungsbedingten Gründen höherwertige Hörgeräte, als diese von der Krankenkasse zu leisten sind, erforderlich sind und der Rentenversicherungsträger im Rahmen der medizinischen Rehabilitation die berufsbedingten Mehrkosten nicht zu tragen hat (vgl. BSG, Urteil vom 21.08.2008 – B 13 R 33/07 R -, nach juris Rn 48). Fraglich ist, ob die versicherungs-rechtlichen Voraussetzungen des § 11 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) für einen Anspruch des Klägers gegenüber dem Rentenversicherungsträger gegeben sind.
Ebenso ist zu klären, ob ein Anspruch des Klägers auf Übernahme der berufsbedingten Mehrkosten für eine Hörgeräteanpassung nach § 16 ff Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) besteht, da der Kläger nach Aktenlage Leistungen nach dem SGB II bezieht (siehe zur Rehabilitationsträgerschaft der Beklagten nach § 6a SGB IX, BSG Urteil vom 25.06.2008 – B 11b 19/07 R -). Auch kommt ein Anspruch des Klägers gegenüber dem Sozialhilfeträger nach § 53 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) als Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Betracht.
Die Erforderlichkeit der weiteren Ermittlungen hinsichtlich der Zuständigkeit der Beklagten, des Umfangs der Leistungspflicht der Krankenkasse und des Vorliegens eines ausbildungsbedingten Bedarfs an einem höherwertigen Hörgerät genügt bereits, um eine hinreichende Erfolgsaussicht zu bejahen.
Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung auch nur teilweise aufzubringen. Damit ist ihm unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Sozialgerichts ratenfreie Prozess-kostenhilfe zu bewilligen (§ 115 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a SGG, 127 Abs. 4 ZPO. Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 05.06.2009
Zuletzt verändert am: 05.06.2009