Es wird festgestellt, dass das unter dem Aktenzeichen L 16 (5) B 4/97 R ER (=S 15 R 191/07 ER, Sozialgericht Düsseldorf) geführte einstweilige Rechtsschutzverfahren durch gerichtlichen Vergleich beendet worden ist. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Wirksamkeit des in dem oben genannten Verfahren am 14.11.2008 vor dem erkennenden Senat geschlossenen gerichtlichen Vergleiches streitig.
Mit Bescheid vom 22.05.2007 hatte die Antragsgegnerin (AGn) im Rahmen einer Betriebsprüfung von dem Antragsteller (ASt.) in seiner Funktion als Arbeitgeber Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.10.2002 bis zum 30.09.2006 in Höhe von 119.368,66 EUR nachgefordert. Den Antrag des ASt. vom 16.07.2007 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid hatte das Sozialgericht (SG) Düsseldorf mit Beschluss vom 30.07.2007 zurückgewiesen. In dem anschließenden Beschwerdeverfahren (Az.: L 16 (5) B 4/97 R ER, Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW)) schlossen die Prozessbevollmächtigte des ASt. im Einvernehmen mit diesem sowie der für die AGn erschienene Verwaltungsamtsrat (VAR) XQ am 14.11.2008 vor dem erkennenden Senat nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage im zeitlichen Umfang von knapp dreieinhalb Stunden den folgenden gerichtlichen Vergleich:
1.Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass sich die mit Bescheid vom 22.05.2007 geltend gemachte Gesamtforderung auf 25.000,- Euro beschränkt. Weitere Zahlungen darüber hinaus sind vom Antragsteller nicht zu leisten, insbesondere nicht die geltend gemachten Säumniszuschläge.
2.Dem Antragsteller wird eine ratenweise Zahlung der Gesamtsumme von 25.000,- Euro eingeräumt. Die monatliche Ratenhöhe beträgt 700,- Euro, zahlbar jeweils zum 15. eines Monats, beginnend am 15.05.2009.
3.Für den Fall, dass der Antragsteller mit mehr als drei Raten in Verzug geraten sollte, wird der dann noch offene Restbetrag in einer Summe fällig.
4.Die Antragsgegnerin verpflichtet sich, 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers und der Gerichtsgebühren in beiden Instanzen zu übernehmen. Dies bezieht sich auch auf das Vorverfahren, in dem die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers ebenfalls tätig war.
5.Damit erklären die Beteiligten den vorliegenden Rechtsstreit und das anhängige Vorverfahren vollständig für erledigt.
Zu dem Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 14.11.2008 hatte der Senat das Erscheinen eines nach § 81 Zivilprozessordnung (ZPO) schriftlich bevollmächtigten und über die Sachlage ausreichend unterrichteten Beamten oder Angestellten der AGn angeordnet und hinzugefügt, es erscheine nicht sinnvoll, einen anderen Rentenversicherungsträger mit der Terminswahrnehmung zu beauftragen. Zu dem Termin entsandt wurde dennoch kein Mitarbeiter der AGn, sondern eines anderen Trägers der Rentenversicherung. Die von dem Sitzungsvertreter, VAR XQ, vorgelegte schriftliche Vollmacht der AGn vom 06.11.2008 lautete wörtlich:
Vollmacht
Die deutschen Rentenversicherung Nordbayern in Bayreuth bevollmächtigt Herrn VAR XQ sie in der Streitsache d. BT, Transportunternehmen am Freitag den 14.11.2008 vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Essen zu vertreten.
Mit Schriftsatz vom 15.12.2008, eingegangen am 19.12.2008, hat die AGn die Fortsetzung des gerichtlichen Verfahrens beantragt. Sie vertritt die Auffassung, die Unwirksamkeit des geschlossenen gerichtlichen Vergleichs ergebe sich aus dem Umstand, dass der Sitzungsvertreter Q, soweit Regelungen über die Frage der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des ASt. gegen den Bescheid vom 22.05.2007 hinaus getroffen worden seien, als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt habe; denn die ihm erteilte Vollmacht – eine Blankovollmacht, in die der regionale Rentenversicherungsträger den Namen seines dann zu dem Termin entsandten Mitarbeiters eingetragen habe – habe sich nur auf das Verfahren L 16 (5) B 4/07 R ER bezogen. Dessen Streitgegenstand sei allein die Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gewesen und habe nicht das anhängige Vorverfahren insgesamt umfasst. Der gerichtliche Vergleich sei gemäß § 179 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) schwebend unwirksam. Die erforderliche Genehmigung werde jedoch ausdrücklich verweigert. Wegen der Teilnichtigkeit des Vergleiches gemäß § 139 BGB sei der gesamte Vergleich nichtig und damit das Antragsverfahren nicht erledigt.
Die AGn beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
festzustellen, dass das unter dem Az. L 16 (5) B 4/97 R ER (= S 15 R 191/07 ER, SG Düsseldorf) geführte einstweilige Rechtsschutzverfahren durch gerichtlichen Vergleich vom 14.11.2008 nicht beendet worden ist, und die Beschwerde des ASt. gegen den Beschluss des SG Düsseldorf vom 30.07.2007 zurückzuweisen.
Der ASt. beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
festzustellen, dass das unter dem Aktenzeichen L 16 (5) B 4/97 R ER (=S 15 R 191/07 ER, Sozialgericht Düsseldorf) geführte einstweilige Rechtsschutzverfahren durch gerichtlichen Vergleich beendet worden ist,
hilfsweise,
den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.07.2007 zu ändern und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der AGn vom 22.05.2007 anzuordnen.
Er vertritt die Auffassung, der geschlossene gerichtliche Vergleich sei wirksam und das einstweilige Rechtsschutzverfahren durch dessen Abschluss beendet worden. Die schriftliche Vollmacht der AGn für den Sitzungsvertreter Q weise keinerlei Einschränkungen auf. Für den Fall, dass dieser im Innenverhältnis Einschränkungen unterlegen haben sollte, so wirke sich dies jedenfalls nicht auf das Außenverhältnis aus. Die AGn müsse die Handlungen ihres Sitzungsvertreters gegen sich gelten lassen, auch wenn sie offensichtlich mit dem Inhalt des Vergleichs nicht zufrieden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozess- sowie Verwaltungsakte Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.
II.
Der Antrag der AGn auf Fortsetzung des unter dem Az. L 16 (5) B 4/97 R ER, LSG NRW, geführten Verfahrens hat keinen Erfolg. Das Verfahren ist durch Abschluss des gerichtlichen Vergleichs am 14.11.2008 wirksam beendet worden.
Die am 14.11.2008 getroffenen Regelungen stellen einen wirksamen gerichtlichen Vergleich dar. Nach § 101 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) können die Beteiligten zur Niederschrift des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters einen Vergleich schließen, um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind gegeben. Einem gerichtlichen Vergleich kommt, wie auch vorliegend, eine Doppelnatur zu: Dieser ist sowohl öffentlich-rechtlicher Vertrag, für den materielles Recht gilt, als auch Prozesshandlung der an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten, die den Rechtsstreit unmittelbar beendet und deren Wirksamkeit sich nach dem Prozessrecht richtet (Meyer-Ladewig/Keller/Leiterer, a. a. O., § 101 RdNr. 3 m. w. N.). Wirksamkeitsvoraussetzungen eines gerichtlichen Vergleichs sind danach: Abschluss vor dem mit der Sache befassten Gericht, Beteiligung mindestens der Hauptparteien des Rechtsstreits, wirksames Zustandekommen des Vergleichsvertrages entsprechend den Anforderungen des öffentlichen Vertragsrechts und des Prozessrechts, Verfügungsbefugnis der Beteiligten über den Gegenstand des Vergleichs, gerichtliche Protokollierung des Vergleichs, der einen zulässigen Inhalt aufweisen muss und nicht unwirksam sein darf (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 103 RdNr. 6 m. w. N.).
Der Senat hat keinerlei Zweifel, dass die oben genannten Voraussetzungen vorliegen, insbesondere ist der Sitzungsvertreter der AGn im Außen- und Innenverhältnis zum Abschluss des Vergleiches berechtigt gewesen ist. Nach § 73 Abs. 6 S. 5 SGG i. V. m. § 81 ZPO ermächtigt die Prozessvollmacht zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen, einschließlich derjenigen, die durch eine Widerklage, eine Wiederaufnahme des Verfahrens, eine Rüge nach § 321a und die Zwangsvollstreckung veranlasst werden; zur Bestellung eines Vertreters sowie eines Bevollmächtigten für die höheren Instanzen; zur Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs; zur Empfangnahme der von dem Gegner oder aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten. Gemäß § 73 Abs. 6 S. 5 SGG i. V. m. § 83 Abs. 1 ZPO hat eine Beschränkung des gesetzlichen Umfanges der Vollmacht dem Gegner gegenüber nur insoweit rechtliche Wirkung, als diese Beschränkung die Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs betrifft. Eine solche Beschränkung muss dem Gegner unzweideutig mitgeteilt werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 73 RdNr. 71 m. w. N.).
Dass VAR Q im Innenverhältnis keine Vorgaben gemacht worden sind, wie er sich in dem Termin zur Erörterung des Sachverhalts vor dem Senat am 14.11.2008 zu verhalten habe, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der AGn vor dem Termin überhaupt nicht bekannt gewesen ist, welche konkrete Person der regionale Träger der Rentenversicherung mit der Wahrnehmung des Termins betrauen werde. Wie die AGn selbst vorgetragen hat, hat sie eine "Blankovollmacht" erteilt, in die der Name des konkreten Sitzungsvertreters noch einzutragen war. VAR Q hat in dem gerichtlichen Termin auch keinerlei interne Weisungsgebundenheit erkennen lassen; vielmehr war er – wie auch der enorme zeitliche Einsatz zeigt – an einer umfassenden Regelung interessiert. Im Übrigen würden sich Einschränkungen der Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis in keiner Weise auf das Außenverhältnis und damit auf die Wirksamkeit des geschlossenen gerichtlichen Vergleiches auswirken (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O.), könnte allenfalls im Verhältnis zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter eine Schadensersatzpflicht auslösen.
Auch im Außenverhältnis hat eine Einschränkung der Vertretungsmacht nicht vorgelegen. Eine solche könnte sich ebenfalls lediglich aus der dem Sitzungsvertreter erteilten Vollmacht ergeben; dies ist jedoch nicht der Fall. Entgegen der Auffassung der AGn enthält diese insbesondere keine Einschränkung der Befugnis, für die AGn aufzutreten und diese durch entsprechende Erklärungen gegenüber dem Gegner auch über den förmlichen Streitgegenstand hinaus – materiell-rechtlich – zu binden. Die Vollmacht weist nicht einmal einen Hinweis auf das Aktenzeichen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auf, sondern bezeichnet die Angelegenheit, zu der der Sitzungsvertreter entsandt werden soll, lediglich als "Streitsache d. BT, Transportunternehmen", wobei der Senat die Erwähnung des Aktenzeichens in dem Text der Vollmacht auch nicht für ausreichend hielte, die Befugnis des Sitzungsvertreters insoweit einzuschränken. Die AGn verkennt mit ihrem Hinweis auf den Streitgegenstand im Übrigen vollkommen, dass nicht die Richtigkeit einer gerichtlichen Entscheidung zu beurteilen ist, sondern sich die Funktion des Gerichts bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs auf die Beurkundung von Vereinbarungen der Beteiligten beschränkt, die diese selbstverständlich über den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens hinaus materiell-rechtlich jederzeit treffen können. Dass aber die Rechtmäßigkeit der Nachforderung der AGn und die Vollziehung des entsprechenden Beitragsbescheides zwischen den Beteiligten streitig gewesen ist und der Abschluss des gerichtlichen Vergleichs zu einer umfassenden Regelung aller Fragen aus diesem Rechtsverhältnis führen sollte, dürfte nicht einmal die AGn in Abrede stellen wollen. Da der gerichtliche Vergleich – siehe insoweit dessen Ziffer 5 – das vorliegende Verfahren vollständig umfasst, ist – als Prozesshandlung – auch eine Beendigung des anhängig gewesenen Rechtsstreits damit verbunden gewesen.
Mit hohem Befremden nimmt der Senat im Übrigen zur Kenntnis, dass die AGn – statt die zeitintensiven, engagierten Bemühungen des "fremden" Sitzungsvertreters, eine für alle Beteiligten tragfähige, auch den zukünftigen Zeit- und Kostenaufwand für alle Beteiligten berücksichtigende Lösung herbeizuführen und damit zum Eintritt von Rechtsfrieden beizutragen, zu würdigen – dessen Befugnisse im Außenverhältnis nachträglich einzuschränken versucht, nur weil ihr offensichtlich der Inhalt der getroffenen Vereinbarungen nicht zusagt.
Da entgegen der Auffassung der AGn kein Handeln eines vollmachtlosen Vertreters vorliegt, hat der geschlossene Vergleich auch keiner Genehmigung der AGn bedurft.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 23.06.2009
Zuletzt verändert am: 23.06.2009