Auf Rev. des Klägers wird Urteil des LSG aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an LSG zurückverwiesen!
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 27.11.2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Von der beklagten Grundsicherungsträgerin begehrt er die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen Schwerbehinderung.
1. Der Kläger ist 1975 geboren. Am 01.10.2005 wurde sein rechter Unterschenkel amputiert und mit einer computergesteuerten Beinprothese ("C-leg-Prothese") versorgt. Die Versorgungsverwaltung stellte bei dem Kläger mit Bescheid vom 23.11.2005 (Bl. 19 Gerichtsakte (GA)) einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) fest.
2. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe bewilligte dem Kläger mit "Bescheid über Sozialhilfe für die Kosten Ihres Ambulant Betreuten Wohnens" vom 18.09.2006 die "Leistung der Sozialhilfe". Nach diesem Bescheid umfasst diese Leistung "die Kosten Ihrer Betreuung im Rahmen des Ambulant Betreuten Wohnens für die Zeit ab 21.02.2006 zunächst befristet bis zum 28.02.2007". Als Rechtsgrundlage wird in diesem Bescheid § 54 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 6 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) genannt. Auf einen Weiterbewilligungsantrag des Klägers wurde diese Leistung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe nach Angaben des Klägers bis zum August 2009 verlängert und weiterbewilligt.
3. Am 11.12.2006 beantragte der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II einschließlich eines Mehrbedarfs für behinderte Hilfebedürftige. Mit Bescheid vom 22.12.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 11.12.2006 bis zum 30.06.2007. Für den Zeitraum vom 11.12.2006 bis zum 28.02.2007 bewilligte sie dem Kläger "Mehrbedarf zum Lebensunterhalt für behinderte Hilfebedürftige (35 % der maßgebenden Regelleistung)" in Höhe von 121,- Euro monatlich (für die Zeit vom 11.12.2006 bis 31.12.2006 anteilig 84,70 Euro).
Mit Bescheid vom 08.01.2007 hob die Beklagte ihren Bewilligungsbescheid vom 22.12.2006 aufgrund eines Krankengeldbezuges des Klägers mit Wirkung zum 01.02.2007 vollständig auf.
4. Auf den Fortzahlungsantrag des Klägers vom 23.03.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 12.04.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2007 bis zum 30.09.2007. Mit Bescheid ebenfalls vom 12.04.2007 lehnte sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 14.02.2007 bis zum 31.03.2007 ab, weil der Kläger in dieser Zeit ausreichendes Einkommen gehabt habe, um seinen Bedarf zum Lebensunterhalt zu decken.
Der Kläger erhob gegen den Bewilligungsbescheid vom 12.04.2007 am 18./19.04.2007 Widerspruch, mit dem er einen Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung, einen befristeten Zuschlag gemäß § 24 SGB II sowie anteilige Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis zum 30.09.2007 in Höhe von insgesamt 204,50 Euro geltend machte. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Das SGB II enthalte für den von dem Kläger geltend gemachten Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung keine Anspruchsgrundlage. Die Differenz zwischen den anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung sei auf einen berechtigten Abzug von 10 % von den anfallenden Heizkosten für die Kosten des Warmwassers zurückzuführen. Ein Anspruch auf einen befristeten Zuschlag gemäß § 24 SGB II sei nicht gegeben, weil der Kläger noch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für einen Zeitraum von 30 Tagen habe.
5. Der Kläger hat hiergegen am 23.05.2007 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Detmold erhoben.
Zur Begründung hat er ausgeführt, dass durch die "C-leg-Prothese" und die dadurch vorliegende Materialbelastung ein erhöhter Verschleiß an Hosen, Socken und Schuhen entstünde. Weiterhin müsse er sich zwei- bis viermal im Monat einer ärztlichen Behandlung wegen Phantomschmerzen unterziehen. Es würden Akkupunkturmaßnahmen, Massagen sowie Lichttherapie angewandt, deren Kosten er selber tragen müsse. Die Behandlungskosten würden sich auf 10,00 bis 15,00 Euro pro Anwendung belaufen. Weiterhin werde die Beinprothese durch einen Akku versorgt, der täglich über Nacht geladen werden müsse. Hierdurch würden erhebliche zusätzliche Stromkosten entstehen. Ferner müsse er über der Prothese einen sogenannten Strumpfsocken tragen, der, um Infektionen zu vermeiden, alle zwei Tage bei Kochwäsche gewaschen werden müsse. Hierdurch würden ebenfalls zusätzliche Aufwendungen für Wäsche entstehen, die bei nicht schwerbehinderten Menschen nicht anfallen würden. Zwar sei es zutreffend, dass das SGB II für den vorbezeichneten Mehrbedarf keine Rechtsgrundlage enthalte. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass in § 28 Abs. 1 Nr. 4 SGB II für Sozialgeldempfänger sowie in § 30 SGB XII für den dort benannten Personenkreis ein behinderungsbehinderter Bedarf von 17 v.H. der Regelleistung im Falle des Merkzeichens "G" vorgesehen sei. Die Nichtbewilligung von Mehrbedarf verstoße in seinem Fall gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und das Sozialstaatsprinzip. Außerdem habe die Beklagte in ihrem Bescheid vom 22.12.2006 selbst zunächst einen Mehrbedarf in Höhe von 35 v.H. aufgrund seiner Schwerbehinderung bewilligt.
Mit Schriftsatz vom 10.07.2007 hat der Kläger seine Klage zurückgenommen, soweit diese darauf gerichtet war, ihm ab dem 03.09.2007 einen Zuschlag gemäß § 24 SGB II zu bewilligen. Im Erörterungstermin vom 11.01.2008 hat der Kläger seine Klage zurückgenommen, soweit diese darauf gerichtet war, ihm für die Zeit vom 01.06.2007 bis zum 30.09.2007 monatliche Unterkunftskosten und Heizkosten in Höhe von insgesamt 204,00 Euro zu gewähren.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 12.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2007 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.04.2007 bis zum 30.09.2007 zusätzlich zu den bewilligten Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II einen monatlichen behinderungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von 17 v.H. der Regelleistung zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Beschluss vom 02.10.2008 hat das SG Detmold die Stadt Bielefeld als Trägerin der Leistungen nach dem SGB XII zum Verfahren beigeladen.
Das SG Detmold hat mit Urteil vom 27.11.2008 die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 12.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2007 sei rechtmäßig. Die Beklagte habe den Antrag des Klägers auf Gewährung eines behindertenbedingten Mehrbedarfs zu Recht abgelehnt, denn dem Kläger stehe ein entsprechender Anspruch nicht zu.
a) Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus § 21 Abs. 5 SGB II. Denn die Schwerbehinderung des Klägers sei nicht mit einer aus medizinischen Gründen kostenaufwendigen Ernährung verbunden.
b) Die Regelung des § 21 Abs. 4 SGB II scheide als Rechtsgrundlage ebenfalls aus.
Denn der Kläger habe keine Leistung im Sinne des § 21 Abs. 4 SGB II erhalten. Dem Kläger sei mit Bescheid vom 18.09.2007 eine Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX bewilligt worden; diese Leistungen seien sodann bis August 2009 verlängert worden. Eine derartige Eingliederungshilfe für ambulantes betreutes Wohnen könne einen Mehrbedarfsanspruch gemäß § 21 Abs. 4 SGB II jedoch nicht begründen. Denn es handelte sich hierbei weder um eine Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–3 SGB XII noch um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 33 SGB IX. Ferner liege auch eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes im Sinne des § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II nicht vor. Denn die dem Kläger gewährte Eingliederungsmaßnahme ziele gerade nicht auf eine Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes, sondern darauf ab, dem Betroffenen die Teilhabe an dem Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen bzw. zu sichern. Ferner sei zu berücksichtigen, dass § 21 Abs. 4 SGB II im Hinblick auf Leistungen, die neben der Eingliederungshilfe gewährt werden können, nur auf § 33 SGB IX verweise. Leistungen zur Teilhabe an Leben in der Gemeinschaft gemäß § 55 SGB IX würden jedoch von § 21 Abs. 4 SGB II gerade nicht erfasst.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 11.12.2006 bis zum 28.02.2007 irrtümlich einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II bewilligt habe. Aus einer Bewilligung einer nicht geschuldeten Leistung in der Vergangenheit ergebe sich kein Anspruch auf die Leistung für die Zukunft.
c) Der Kläger könne sein Begehren auf Gewährung eines Mehrbedarf auch nicht aus § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II herleiten. Der Kläger sei zwar Inhaber eines Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX mit dem Merkzeichen "G", er sei allerdings erwerbsfähig und damit nicht erwerbsunfähig.
d) Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II. Denn es fehle bereits an der für eine analoge Anwendung notwendigen Regelungslücke. Wie sich aus der nachträglichen Einfügung der Nr. 4 in § 28 SGB II ergebe, sei sich der Gesetzgeber der Problematik des Mehrbedarfs bei Personen, die Inhaber eines Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX mit dem Merkzeichen "G" sind, bewusst gewesen. Der Gesetzgeber habe sich allerdings bewusst lediglich für eine Einführung einer Mehrbedarfsregelung nach § 28 SGB II entschieden.
e) Ein Anspruch auf den geltend gemachten Mehrbedarf folge auch nicht aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. dem insbesondere auf Artikel 20 Abs. 1 GG beruhenden Sozialstaatsprinzip.
Diese Verfassungsnormen begründeten für den Gesetzgeber lediglich einen Gestaltungsauftrag. Sie seien jedoch nicht geeignet, eine Verpflichtung des Staates zur Gewährung sozialer Leistung in einem bestimmten Umfang zu begründen. Der Gesetzgeber habe den Rahmen des verfassungsrechtlich Gebotenen nicht unterschritten. Denn der hilfebedürftige erwerbstätige Schwerbehinderte, der Leistungen nach dem SGB II erhalte, sei vor einer materiellen Notlage ausreichend geschützt. Selbst für den Fall, dass ein Hilfebedürftiger aufgrund seiner Schwerbehinderung einen Mehrbedarf habe, sei er über die Regelung des § 23 SGB II und § 73 SGB XII hinreichend vor materiellen Notlagen abgesichert.
f) Einen Mehrbedarfsanspruch könne der Kläger auch nicht aus Art. 3 GG in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II sowie § 30 Abs. 1 SGB XII herleiten.
Es könne offenbleiben, ob bei der vorliegenden Sachlage überhaupt eine Ungleichbehandlung vorliege. Diese wäre jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Denn gerade in der Erwerbsfähigkeit des hilfebedürftigen Menschen liege ein sachlicher Grund dafür, dass ihm anders als im Sozialhilferecht gemäß § 30 SGB XII ein Mehrbedarf nicht bewilligt werde. Von dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen werde erwartet, dass er sich durch Aktivitäten wieder voll in den Arbeitsmarkt integriere, er also seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeit sicherstellen könne. Unter diesem Gesichtspunkt sei gerechtfertigt, den aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Sozialhilfeempfänger (auch Sozialgeldempfänger) stärker und damit letztlich individueller abzusichern.
g) Der Kläger könne sein Begehren auch nicht auf § 23 Abs. 1 SGB II stützen, denn diese Regelung sehe ausschließlich eine darlehensweise Bewilligung von Leistungen vor. Eine derartige darlehensweise Bewilligung habe der Kläger nicht begehrt, sondern nur eine Bewilligung der Leistungen als Zuschuss.
h) Dem Kläger stehe auch kein Anspruch gemäß § 73 SGB XII gegenüber der Beigeladenen zu.
Das Begehren des Klägers auf Bewilligung eines pauschalen Mehrbedarfs sei weder von der Rechtsfolge des § 73 SGB XII umfasst noch liege ein atypische Bedarfslage gemäß § 73 SGB XII vor. Eine "sonstige Lebenslage" im Sinne von § 73 SGB XII könne nur dann angenommen werden, wenn die bedarfsauslösende Lebenslage weder innerhalb des SGB XII in den Kapiteln 3 bis 9 (§§ 27-69) bzw. den sonstigen Hilfen in anderen Lebenslagen (§§ 70–72, 74) noch in anderen Bereichen des Sozialrechts geregelt und bewältigt werde, und dies eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47-74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweise (Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 25.06.2008, B 11 b As 19/07 R, Juris). Die Regelung des § 73 SGB XII dürfe nicht in eine allgemeine Auffangnorm umgedeutet werden, die in all den Fällen einen Anspruch gegen den Sozialhilfeträger begründe, in dem die eigentlich einschlägigen Normen des SGB II den betreffenden Anspruch gerade ausschließen. Dies widerspräche dem in den Regelungen der § 3 Abs. 3 Satz 2, § 23 Abs. 1 Satz 4 SGB II zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers.
i) Die vom Kläger geltend gemachten Bedarfe wegen Verschleißes von Bekleidung, erhöhter Stromkosten und medizinischer Behandlungen seien bereits von der Regelleistung nach § 20 SGB II umfasst und damit abschließend geregelt. Es sei nicht ersichtlich, dass der in der Regelleistung enthaltene Anteil für Kleidung und Haushaltsenergie zur Deckung des Bedarfs des Klägers nicht ausreiche. Auch sei der geltend gemachte Mehrbedarf wegen erhöhter Stromkosten für ein Ladegerät bereits in § 31 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) berücksichtigt. Nach dieser Regelung sei der Leistungsträger auch zur Übernahme der Kosten für die Versorgung eines Körperersatzstückes mit Ladestrom verpflichtet (Hinweis auf BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 11/03 R). Eine Übernahme der Stromkosten würde der Subsidiarität des § 73 SGB XII zuwiderlaufen.
Hinsichtlich des geltend gemachten Mehrbedarfs für Heilbehandlungen habe der Kläger zwar dargelegt, dass der in der monatlichen Regelleistung enthaltene Anteil für Gesundheitspflege von 13,19 Euro nicht ausreiche. Allerdings habe der Kläger weder die Notwendigkeit der Behandlung dargelegt noch rechtfertige die vom Kläger dargelegte Differenz zwischen dem dargestellten Mehrbedarf von monatlich etwa 30,00 Euro und dem in der Regelleistung enthaltenen Anteil für Gesundheitspflege von 13,19 Euro die Annahme einer atypischen Bedarfslage gemäß § 73 SGB XII. Einem Anspruch gemäß § 73 SGB XII stehe auch der Charakter der Vorschrift als Ermessensvorschrift entgegen.
5. Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 17.12.2008 zugestellte Urteil des SG Detmold vom 27.11.2008 hat der Kläger am 15.01.2009 Berufung erhoben.
Er ist nach wie vor der Auffassung, dass ihm ein monatlicher behinderungsbedingter Mehrbedarf in Höhe von 17 v.H. der Regelleistung über Art. 3 GG in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II sowie § 30 Abs. 1 SGB XII zustehe. Die Regelung des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II enthalte eine nichtbeabsichtigte Regelungslücke, weil der Gesetzgeber den Mehrbedarf allein für erwerbsunfähige Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" in das SGB II aufgenommen habe. Ein sachlicher Grund, erwerbsfähige Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" von der Mehrbedarfsregelung auszunehmen, sei nicht ersichtlich. Denn die Frage, ob ein Bedarf vorhanden ist, sei bei erwerbsunfähigen sowie bei erwerbsfähigen Inhabern eines Schwerbehindertenausweises gleich zu beantworten. Der Mehrbedarf sei in beiden Fällen derselbe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Detmold vom 27.11.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 12.04.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2007 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.04.2007 bis zum 30.09.2007 zusätzlich zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II einen monatlichen behinderungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von 17 v.H. der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung zu gewähren.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sind der Auffassung, das SG habe die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Gleichheitsverstoß liege nicht vor.
Mit Beschluss vom 06.04.2009 hat der Senat dem Kläger für die Durchführung des Berufungsverfahrens Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines prozessbevollmächtigten Rechtsanwaltes bewilligt. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die beigezogen worden sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG Detmold hat mit Urteil vom 27.11.2008 die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12.04.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2007 ist rechtmäßig. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Bewilligung eines Mehrbedarfs aufgrund seiner Schwerbehinderung zu.
1. Aufgrund der teilweisen Rücknahme seiner Klage ist Streitgegenstand des Verfahrens allein, ob der Kläger von der Beklagten für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis zum 30.09.2007 einen Mehrbedarf aufgrund seiner Schwerbehinderung mit Erfolg beanspruchen kann. Der Streitgegenstand wird durch den prozessualen Anspruch bestimmt, durch das von dem Kläger aufgrund eines konkreten Sachverhaltes an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck gekommene Begehren sowie den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (BSG, Urteil vom 23.11.2006, B 11b 9/09, Juris). Die Beschränkung des prozessualen Anspruchs des Klägers auf einen Mehrbedarf für einen schwerbehinderten Menschen ist zulässig. Denn nach der Rechtsauffassung des Senats stellen Leistungen für Mehrbedarfe gemäß § 21 SGB II einen eigenständigen Streitgegenstand dar (Urteil des erkennenden Senats vom 13.09.2007, L 7 AS 41/07; vgl. ferner BSG, Urteil vom 03.03.2009, B 4 AS 50/07 R). Zum anderen hat der Kläger im Verfahren vor dem SG sein Begehren ausdrücklich insoweit begrenzt.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung eines Mehrbedarfs für schwerbehinderte Menschen. Weder das SGB II noch das SGB XII stellt für dieses Begehren eine Anspruchsgrundlage bereit.
a) Der Kläger ist zunächst berechtigt gemäß § 7 SGB II und untersteht damit grundsätzlich dem Recht der Grundsicherung nach dem SGB II. Er ist insbesondere erwerbsfähig gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 Abs. 1 SGB II. Denn seine Erwerbsfähigkeit wird über § 44 Abs. 1 Satz 3 SGB II so lange fingiert und als bestehend vorausgesetzt, bis gegebenenfalls die Einigungsstelle gemäß § 45 SGB II die Erwerbsfähigkeit des Arbeitsuchenden klärt und über diese entscheidet (BSG Urteil vom 07.11. 2006, B 7b AS 10/06 R, Juris).
b) Die Regelung des § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II stützt das Begehren des Klägers nicht. Denn ihre Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Zwar ist der Kläger ein erwerbsfähiger behinderter Hilfebedürftiger im Sinne dieser Norm. Die Regelung des § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II setzt aber ferner voraus, dass Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 SGB XII erbracht werden. Dies ist bei dem Kläger im fraglichen Zeitraum vom 01.04.2007 bis zum 30.09.2007 nicht der Fall gewesen.
aa) Der Kläger hat keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX und keine Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1, Nr. 1 bis 3 SGB XII erhalten.
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe bewilligte ihm vielmehr mit Bescheid vom 18.09.2007 eine Eingliederungshilfe gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX (i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) für ambulantes Wohnen. Der Landschaftsverband-Westfalen Lippe hat dem Kläger damit eine Hilfe für ein selbstbestimmtes Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten bewilligt. Dies sind Hilfen, in denen der behinderte Mensch beispielsweise in einer Wohngruppe, in denen tagesstrukturierte Maßnahmen erprobt werden, darauf vorbereitet wird, sich im Alltagsleben stärker zu verselbständigen. Damit ist ein weites Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten gemeint. Sie reichen von einer Orientierungspraxis von Menschen mit einer geistigen oder psychischen Behinderung bis zur Begleitung in eine andere Umgebung, z.B. wenn beim Einkauf das Ziel verfolgt wird, den behinderten Menschen an seiner Umgebung zu gewöhnen (zum Vorstehenden Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 54 RdNr. 13).
bb) Dem Kläger sind im fraglichen Zeitraum auch keine "sonstigen Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben" gemäß § 21 Abs. 4 Satz 1 Fall 2 SGB II erbracht worden.
Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass die dem Kläger bewilligte Eingliederungshilfe für ambulantes Wohnen keine Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben darstellt (vgl. auch tendenziell ebenso Lang/Link: in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 21 RdNr. 45).
Denn die "sonstigen Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben" gemäß § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II setzen schon nach dem Wortlaut voraus, dass ein direkter Bezug zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes gegeben ist (Münder in: LPK – SGB II, 2. Auflage 2007, § 21 RdRr. 22 ).
Auch der systematische Standort verdeutlicht, dass die "sonstigen Hilfen" unmittelbar darauf gerichtet sein müssen, den erwerbsfähigen, aber behinderten Hilfebedürftigen Menschen wieder in das Erwerbsleben zu integrieren, wie dies auch die Zielvorgabe des § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB II zusammen mit § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II im allgemeinen für das Grundsicherungsrecht vorgibt, Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass die dem Kläger gewährte Eingliederungsmaßnahme nicht auf eine Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes oder auf die unmittelbare Eingliederung in den Erwerbsprozess abzielte, sondern darauf, dem Kläger die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wieder zu ermöglichen bzw. zu sichern.
c) Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus einer analogen oder erweiternden Anwendung des § 21 Abs. 4 SGB II oder des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des SGB II, ferner nicht aus § 30 oder § 73 SGB XII.
aa) Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 SGB II liegen nicht vor. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke. Aus der Übertragung der Mehrbedarfsregelung des SGB XII unter Verweis auf den Gleichheitsgrundsatz folgt, dass der Mehrbedarf für Schwerbehinderte im SGB II nach dem Willen der Gesetzgebung nur dem erwerbsunfähigen Sozialgeldbezieher gewährt werden soll (vgl. BT-Drucks. 16/1410, S. 25). Die Regelung des § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 SGB II ist mit Wirkung vom 01.08.2006 eingefügt worden (durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl. I S. 1706). Diese Änderung ist die Korrektur einer vorbestehenden Ungleichbehandlung des Personenkreises der behinderten Sozialgeldempfänger. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber insoweit gerade keine einheitliche Gewährung eines Mehrbedarfs für Schwerbehinderte sowohl für Leistungsbezieher nach dem SGB II als auch nach dem SGB XII beabsichtigte.
bb) Eine Anspruchsgrundlage für den Mehrbedarf für Schwerbehinderte ergibt sich auch nicht aus § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII. Danach erhalten nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) voll erwerbsgeminderte Personen unter 65 Jahren, die einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit dem Merkzeichen "G" besitzen, einen Mehrbedarf von 17 % des maßgeblichen Regelsatzes, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.
Zum einen erfüllt der Kläger diese Voraussetzungen im streitbefangenen Zeitraum nicht. Zum anderen schließt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 2 SGB II der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches aus. Dazu zählen die §§ 27 bis 40 SGB XII und somit auch § 30 SGB XII.
cc) Der Anspruch kann auch nicht auf § 73 SGB XII gestützt werden. Soweit der von dem Kläger geltend gemachte besondere Bedarf zu dem von der Regelleistung umfassten Bedarf zählt, kann nicht auf § 73 SGB XII zurückgegriffen werden (Spellbrink, a.a.O., § 20 Rn. 38). Ansonsten setzt ein Anspruch nach § 73 SGB XII eine atypische Bedarfslage voraus, für die die in Kapitel Neun des SGB XII enthaltene Sperrwirkung des § 5 Abs. 2 S. 1 SGB II nicht eingreift. Nach § 73 S. 1 SGB XII können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Die Norm darf nicht zur allgemeinen Auffangnorm für Leistungsempfänger des SGB II ausgeweitet werden. Daher ist eine atypische Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist (BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 14/06 Rn. 22), notwendig. Es muss sich dabei um eine besondere atypische Bedarfslage, unter besonderer Berücksichtigung der Grundrechte, handeln. Hierzu zählt z.B. "im Lichte des Art. 6 Abs. 1 und 2 S. 1 GG" das Umgangsrecht mit den Kindern des nicht sorgeberechtigten Elternteils im Zuge der Scheidung (BSG, a.a.O.).
Das Vorliegen verfassungsrechtlicher Gründe für einen Sonderbedarf ist bei dem Kläger nicht erkennbar. Der Senat nimmt auf die überzeugenden Ausführungen des SG in dem angegriffenen Urteil Bezug und macht sich diese nach Prüfung zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).
d) Entgegen der Ansicht des Klägers kann er einen Anspruch auf Leistungen für Mehrbedarf für erwerbsfähige Menschen mit Behinderungen auch nicht mit Erfolg auf Art. 3 GG in Verbindung mit § 30 Abs. 1 SGB XII oder § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 SGB II stützen. Denn der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt (hierzu bereits Urteil des erkennenden Senats vom 12.03.2009, L 7 AS 102/08 – anhängig BSG B 4 AS 29/09 R).
aa) Eine Regelung ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, das sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfGE 116, 229, 238; 112, 368, 401; st. Rspr.). Der Gesetzgeber hat gerade bei der Gewährung von Sozialleisungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 100, 195, 205; BSGE 90, 172, 178). Es ergeben sich allerdings aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (BVerfGE 88, 87, 96). Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BVerfGE 111, 160, 171). Gemessen an diesen Vorgaben hat der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten.
bb) Der hilfebedürftige Behinderte nach dem SGB II erhält neben den Leistungen nach § 19 S. 1 SGB II einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II und für den Fall, dass er wegen der Schwer- und/oder Gehbehinderung zusätzlich einen Mehrbedarf hat, den er dann nicht aus der Regelleistung bestreiten kann, den unabdingbaren zusätzlichen Bedarf als Sach- oder Geldleistung darlehensweise nach § 23 Abs. 1 SGB II (BSG, Urteil vom 22.04.2008, B 1 KR 10/07 R, Rn. 30, zur Zuzahlung in der gesetzlichen Krankenversicherung). Erwerbsunfähige Behinderte erhalten neben dem Regelsatz und den Leistungen für Unterkunft und Heizung u.a. einen Mehrbedarf nach § 30 Abs. 4 SGB XII, wenn sie das 15. Lebensjahr vollendet haben und Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 geleistet wird, in Höhe von 35 % des maßgeblichen Regelsatzes, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Jedoch ist nach § 30 Abs. 4 S. 3 SGB XII "Abs. 1 S. 1 Nr. 2 daneben nicht anzuwenden". Dabei handelt es sich um die Norm, die die Gewährung des Mehrbedarfs für Menschen mit Behinderungen, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII noch nicht erreicht haben, regelt. Eine Ungleichbehandlung in dem Fall, dass jeweils Eingliederungsleistungen bezogen werden, liegt somit nicht vor. Denn nach § 30 Abs. 4 S. 3 SGB XII erhält der Bezieher von Sozialhilfe dann auch keinen Mehrbedarf wegen Vorliegens einer Behinderung und der Gehbehinderung.
cc) Eine gegen Art. 3 GG verstoßende Ungleichbehandlung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gegenüber den Leistungsbeziehern nach dem SGB XII, die nach § 30 SGB XII einen Mehrbedarf beanspruchen können, liegt ebenfalls nicht vor. Soweit geltend gemacht wird, dass jeweils ein unabweisbarer Sonderbedarf bestehe, dem zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung jeweils durch besondere Leistungen Rechnung getragen werden müsse, so dass den SGB II-Berechtigten mindestens der Standard des SGB XII zu gewähren sei (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.09.2006 L 14 B 1378/05 AS PKH; Brühl in: LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 5 Rn. 47; Armborst, info also 2006, 59 f.), ist die unterschiedliche Behandlung hinreichend durch sachliche Gründe gerechtfertigt.
Denn bei dem Leistungsempfänger nach dem SGB II handelt es sich grundsätzlich um einen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, während sich der nach dem SGB XII Berechtigte durch die Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB VI (bzw. ein höheres Lebensalter) auszeichnet. Letzterem wird eine konkrete langfristig ausgerichtete Absicherung im Sinne einer umfassenden Fürsorge zuteil. Dem Sozialhilfebezieher wird der Mehrbedarf gewährt, um Kontaktpflege zu ermöglichen und einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass der Erwerbsunfähige im Gegensatz zu dem Berechtigten nach dem SGB II eben gerade nicht in der Lage ist, durch eine (geringfügige) Tätigkeit etwas hinzu zuverdienen, um sich ein zusätzliches, (zum Teil) anrechnungsfreies Einkommen zu verschaffen (Oestreicher/Schelter/Decker, BSHG, Stand Juli 2003, § 23 Rn. 8 ff.; LSG NRW, Urteil vom 11.12.2008, L 9 AS 34/08). Zwar ist erkennbar, dass die Personenkreise der Grundsicherungs- und der Sozialhilfebezieher tatsächlich enger zusammenrücken bei Vorliegen einer Schwerbehinderung und einer Gehbehinderung, da auch für die erwerbsfähigen gehbehinderten Behinderten zusätzliche weitere Eingliederung- und Vermittlungshemmnisse bestehen. Jedoch verbleibt dem SGB II-Empfänger die Möglichkeit, eine – ggf. geringfügige – Beschäftigung auszuüben.
Daneben ist zu berücksichtigen, dass die vorrangige Zielsetzung, den Hilfebedürftigen nach dem SGB II möglichst um- und weitgehend in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, dem Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum eröffnet, vorübergehend aus sachlichen Gründen eine Differenzierung vorzunehmen. Denn es werden im SGB II zusätzliche Maßnahmen, etwa Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach den §§ 15 ff. SGB II, gewährt, um die Eingliederung erwerbsfähiger Hilfebedürftiger in den Arbeitsmarkt zu realisieren (BSG, Urteil vom 13.11.2008, B 14 AS 24/07 R). Daher kann der Leistungsempfänger auch keine vollkommene Gleichbehandlung mit dem Bezieher von Sozialhilfe verlangen (Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, 2. Auflage 2008, § 20 Rn. 37).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
4. Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
Erstellt am: 03.03.2011
Zuletzt verändert am: 03.03.2011