Auf die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.03.2009 geändert. Der Klägerin wird für die Durchführung des Verfahrens S 43 SO 2/09 vor dem Sozialgericht Düsseldorf ab 05.02.2009 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts S in E gewährt. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Rücknahme eines Verwaltungsaktes nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) und in diesem Zusammenhang um die Höhe ihres Anspruchs auf Leistungen nach §§ 41 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) und die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides nach §§ 45, 50 SGB X.
Die alleinstehende Klägerin bezieht von der Beklagten seit dem 01.10.2007 entsprechende Leistungen.
Mit Bescheid vom 24.01.2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Monate Oktober 2007 bis September 2008 zunächst Leistungen in Höhe von 331,09 Euro monatlich. Mit Bescheid vom 14.02.2008 bewilligte sie ihr für den Monat Februar 2008 Leistungen in Höhe von 193,39 Euro. Mit Bescheid vom 25.02.2008 korrigierte die Beklagte ihre Bewilligung dahingehend, dass sie die monatlichen Leistungen auf 428,90 Euro erhöhte.
Mit Bescheid vom 19.02.2008 nahm die Beklagte die Bewilligung für die Monate Oktober 2007 bis Februar 2008 teilweise zurück und forderte die Klägerin zur Erstattung eines Betrages in Höhe von 377,63 Euro auf. Sie stützte ihre Entscheidung auf §§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, 50 SGB X. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin erhalte nicht angegebene Zuwendungen ihres Bruders und habe im Monat November 2007 ein nicht angegebenes Einkommen durch eine Erwerbstätigkeit erzielt. Sie habe das Einkommen zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt. Die Beklagte übte dabei Ermessen aus.
Das von der Beklagten aufgrund einer Mitteilung der Barmer Ersatzkasse und anhand von Kontoauszügen festgestellte Einkommen hatte die Klägerin auf Anfrage anlässlich einer Vorsprache am 11.02.2008 näher erläutert.
Die Klägerin beantragte unter dem 20.05.2008 die rechtsmittelfähige Überprüfung der Bescheide vom 24.01.2008, 14.02.2008 und 25.02.2008 und des Bescheides vom 19.02.2008 gemäß § 44 SGB X.
Mit Bescheid vom 23.09.2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab.
Den von der Klägerin am 30.09.2008 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2009 zurück. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X seien nicht erfüllt. Insbesondere bestünden keine Anhaltspunkte, dass das Recht unrichtig angewandt worden sei. § 44 SGB X greife im Übrigen nicht ein, wenn Entscheidungen mit grundsätzlichen oder pauschalen Einwänden angegriffen würden.
Am 05.02.2009 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben und Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten beantragt.
Die Klägerin trägt vor, die Höhe des Regelsatzes sei verfassungswidrig. Das Recht auf existenzsichernde Leistungen werde nicht erfüllt. Sofern das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 27.02.2008 – B 14/7b AS 32/06 R – die Regelleistung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) als verfassungsgemäß angesehen habe, habe es nur das Jahr 2005 berücksichtigt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.09.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2009 zu verurteilen, ihr höhere Leistungen nach §§ 41 ff. SGB XII zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen in ihrem Widerspruchsbescheid.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 26.03.2009 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angegriffenen Bescheide entsprächen den Regelungen des SGB XII. Eine Verfassungswidrigkeit werde nicht erkannt. Dem Gesetz- und Verordnungsgeber stehe bei der Leistungsgestaltung ein weiter Ermessensspielraum zu, der nicht überschritten werde. Der Beschluss ist der Klägerin am 02.04.2009 zugestellt worden.
Die Klägerin hat am 07.04.2009 Beschwerde eingelegt.
Die Klägerin macht geltend, die Voraussetzungen eines Antrags auf Prozesskostenhilfe seien erfüllt. Die Klage biete hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zu berücksichtigen sei, dass das Urteil des BSG sich nur zur Höhe der Regelleistung in den Jahren 2005 und 2006 verhalte, während sich ihre Klage auf die Erhöhung der Regelsätze zum 01.07.2007 und zum 01.07.2008 beziehe. Im Übrigen habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein Verfahren angenommen, dessen Gegenstand die Höhe der Regelleistung in dem Haushalt einer alleinstehenden Person sei (1 BvR 1523/08).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten – SO – 129 WS B 85 – Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten.
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Anspruchsvoraussetzungen sind erfüllt.
Die Klage bietet eine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Zutreffend hat das SG Düsseldorf zwar darauf abgestellt, dass die angegriffenen Bescheide der Beklagten vom 24.01.2008, 14.02.2008 und 25.02.2008 den Regelungen des SGB XII entsprechen und eine Verfassungswidrigkeit der Regelleistung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, Beschluss vom 09.08.2007 – B 11b AS 29/07 B -; BSG, Beschluss vom 27.01.2009 – B 14 AS 104/08 B; BSG, Urteil vom 13.11.2008 – B14/7b AS 2/07 R -; auch LSG NRW, Beschluss vom 21.04.2009 – L 7 B 93/09 AS -) nicht ersichtlich sei.
Dabei handelt es sich aber um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, die die Gewährung von Prozesskostenhilfe rechtfertigt (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Auflage, § 73a, Rdn. 7b). Denn in dem beim BVerfG anhängigen Verfahren 1 BvR 1523/08, in welchem es um die Verfassungsmäßigkeit des Regelsatzes Erwachsener geht, hat die 2. Kammer mit Beschluss vom 07.08.2008 Prozesskostenhilfe bewilligt.
Das SG Düsseldorf hat ferner außer Acht gelassen, dass auch der Bescheid der Beklagten vom 19.02.2008 Gegenstand des Antrags nach § 44 SGB X war und damit die Frage zu klären ist, ob die Klägerin bei der unterlassenen Mitteilung ihres Einkommens durch Zuwendungen ihres Bruders und durch ihre Erwerbstätigkeit im Monat November 2007 vorsätzlich oder grob fahrlässig im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X handelte mit der Konsequenz, dass die Beklagte zur Rücknahme des Bewilligungsbescheides berechtigt war. Dies gebietet, dass sich das SG einen persönlichen Eindruck von der Klägerin und ihrer Urteilsfähigkeit verschafft. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat; hierfür genügt es nicht, dass der Begünstigte mit der Rechtswidrigkeit rechnen musste; verlangt wird vielmehr eine Sorgfaltspflichtverletzung in einem besonders hohen Ausmaße, die dann zu bejahen ist, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn also nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (BSG, Urteil vom 27.07.2000 – B 7 AL 88/99 R -). Dabei ist jedoch nicht ein objektiver Maßstab anzulegen, sondern auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten der Betroffenen sowie die besonderen Umstände des Falles abzustellen (BSG, a. a. O.).
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind erfüllt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens in Prozesskostenhilfeangelegenheiten werden gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 08.07.2009
Zuletzt verändert am: 08.07.2009