Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 12.03.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin J aus I für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens wird abgelehnt.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht (SG) Aachen hat mit dem angegriffenen Beschluss vom 12.03.2009 ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
1. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).
2. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Denn sie hat ihre Hilfebedürftigkeit gemäß § 9 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), die eine Anspruchsvoraussetzung darstellt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II), nicht glaubhaft gemacht.
Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Es ist einstweilen davon auszugehen, dass die Antragsteller und der vom SG vernommene Zeuge U Q, der als Krankenpfleger beschäftigt ist, eine Bedarfsgemeinschaft bilden.
a) Von dem Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft ist hier aufgrund der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II auszugehen.
Die Regelung des § 7 Abs. 3a SGB II wurde durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I S. 1706) mit Wirkung vom 01.08.2006 in das SGB II eingefügt. Sie ordnet an, dass ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, insbesondere dann vermutet wird, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben (§ 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II). Diese Vermutung ist eine gesetzliche Tatsachenvermutung (Spellbrink NZS 2007, S. 121, 126), die im Ergebnis eine Beweislastumkehr bewirkt (BT-Drucks. 16/1410, S. 19). Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB II vor, sind diese also nachgewiesen bzw. im einstweiligen Rechtsschutzverfahren glaubhaft gemacht, kehrt sich im Ergebnis die objektive Beweislast zu Lasten des Arbeitsuchenden um. Denn der Arbeitsuchende muss dann den Beweis des Gegenteils führen (§ 202 SGG i. V. m. § 292 Zivilprozessordnung (ZPO)). Will der Arbeitsuchende die gesetzliche Vermutung widerlegen, muss er einen Vollbeweis dahingehend erbringen, dass entweder die von der Vermutungsregelung vorausgesetzten Hinweistatsachen nicht vorliegen oder aber andere Hinweistatsachen vorliegen, die die Vermutung entkräften, es sei der wechselseitige Wille vorhanden, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (vgl. Wenner, Soziale Sicherheit 2006, S. 146, 149; Wersig, info also 2006, S. 246, 248; Spellbrink, NZS 2007, S. 121, 126). ). Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren setzt dies die entsprechende Glaubhaftmachung (anstatt Vollbeweis) voraus.
Die Antragstellerin und der Zeuge Q leben unstreitig seit dem Jahr 2002 und damit länger als ein Jahr zusammen, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 a Nr. 1 SGG erfüllt sind.
b) Der Vortrag der Antragstellerin ist nicht geeignet, die durch § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II ausgelöste Vermutung zu widerlegen. Die Antragstellerin hat andere Hinweistatsachen, welche die durch § 7 Abs. 3 a Nr. 1 SGB II ausgelöste Vermutung entkräften, dass bei der Antragstellerin und Herrn Q der wechselseitige Wille vorhanden ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, nicht schlüssig vorgetragen bzw. nicht glaubhaft gemacht.
Der Vortrag der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren, zwischen ihr und dem Zeugen Q sei stets eine strikte Kostenteilung erfolgt, überzeugt nicht. Denn zu den vermeintlich geschuldeten bzw. gezahlten Kosten der Unterkunft hat die Antragstellerin wiederholt unterschiedlich vorgetragen und jeweils "nachgelegt". Auch ihr jetziger Vortrag ist nicht schlüssig. Denn einerseits hat die vorgetragen, "nicht unbedingt die Ordnungsliebenste" zu sein (Schriftsatz vom 25.06.2006). Andererseits hat sie jedoch behauptet, dass jetzt "eine genaue Sichtung der Unterlagen ( …) entsprechendes Zahlenwerk zu Tage befördert" hat (ebenfalls Schriftsatz vom 25.06.2006), und eine – nicht datierte – Übersicht über ihre "Mietkosten" vorgelegt. Die Unterlagen, die die Antragstellerin zwischenzeitlich – das einstweilige Rechtsschutzverfahren war bereits seit über vier Monaten anhängig – gesichtet haben will, hat sie weder näher bezeichnet noch vorgelegt. Dies reicht angesichts des vorangegangenen widersprüchlichen Aussageverhaltens der Antragstellerin, das vom SG im Einzelnen nach ausführlicher Beweisaufnahme in dem angegriffenen Beschluss vom 12.03.2009 dargelegt worden ist, für eine Glaubhaftmachung und eine Entkräftung der durch § 7 Abs. 3 a Nr. 1 SGB II ausgelösten Vermutung nicht aus.
Die Antragstellerin und Herr Q leben damit nach jetzigem Stand der Dinge in einer Gemeinschaft, die es rechtfertigt, dass die Rechtsordnung wechselseitige Unterhalts- und Unterstützungspflichten (widerleglich) unterstellt. Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass das Einkommen von Herrn Q als Krankenpfleger nicht ausreicht, um den Gesamtbedarf von Herrn Q und der Antragstellerin zu decken. Dies wird ggf. im sozialgerichtlichen Hauptsacheverfahren zu klären sein.
c) Soweit die Antragstellerin auf fehlenden Krankenversicherungsschutz hingewiesen hat, hat sie diesen Vortrag ebenfalls nicht – durch Vorlage eines entsprechenden Schreibens ihrer Krankenversicherung oder dergleichen – glaubhaft gemacht. Sie hat ferner nicht vorgetragen, aufgrund einer bestimmten Erkrankung akut krankenbehandlungsbedürftig zu sein.
Seit dem 01.04.2007 sind zudem auch solche Personen in der gesetzlichen Krankenversicherung kraft Gesetzes versichert sind, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt krankenversichert waren (§ 5 Abs. 1 Nr. 13a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)). Der Senat geht mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon aus, dass die Krankenkasse auch hier entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 3a SGB V vorgehen und in dem dort vorgesehenen Rahmen Leistungen erbringen würde. Dieser Anspruch wäre im Bedarfsfall gegenüber der Krankenkasse geltend zu machen (vgl. hierzu auch Beschlüsse des erkennenden Senats vom 13.09.2007 , L 7 B 171/07 AS ER, und vom 17.02.2009, L 7 B 408/08 AS).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
4. Da die Rechtsverfolgung der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren aus den genannten Gründen keine Aussicht auf Erfolg bot, war ihr Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren abzulehnen (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
5. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 14.07.2009
Zuletzt verändert am: 14.07.2009