Revision der Beklagten wurde zurückgenommen
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 06.04.2009 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 05.11.2007 in der Fassung der Bescheide vom 07.01.2008 und 14.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2008 verurteilt, der Klägerin höheres Elterngeld unter Berücksichtigung der im März 2007 erfolgten Gehaltsnachzahlung von 1.562,42 EUR Brutto zu zahlen. Der Beklagte hat der Klägerin die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Nachzahlung von Gehalt im folgenden Kalenderjahr für abgeschlossene Abrechnungszeiträume des Vorjahres elterngeldsteigernd zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin ist Mutter des am 00.00.2007 geborenen U. Vor der Geburt ihres Sohnes war sie beim Erzbistum L als Lehrerin beschäftigt. Aufgrund von Abrechnungsproblemen zahlte das Erzbistum der Klägerin ihr Gehalt zum Teil verspätet aus. So erhielt die Klägerin unter anderem erst im März 2007 neben einer Nachzahlung für die Monate Januar und Februar 2007 eine Nachzahlung in Höhe von 1.562,42 EUR für die Monate August sowie Oktober bis Dezember 2006.
Auf ihren im Juni 2007 gestellten Antrag bewilligte ihr das Versorgungsamt L mit Bescheid vom 05.11.2007 Elterngeld für den 5. bis 12. Lebensmonat in Höhe von 794,28 EUR.
Auf den Widerspruch der Klägerin erhöhte der Beklagte mit Abhilfebescheid vom 07.01.2008 und weiterem Abhilfebescheid vom 14.04.2008 das Elterngeld auf zuletzt 815,35 EUR monatlich. Die Gehaltsnachzahlung von März 2007 für Gehaltszeiträume des Vorjahres ließ der Beklagte dabei aber – anders als Nachzahlungen für das Jahr 2007 – weiter unberücksichtigt.
Die Klägerin erhielt ihren Widerspruch insoweit aufrecht und verlangte die Berücksichtigung auch dieser Nachzahlung beim Elterngeld. Diesen Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster mit Bescheid vom 10.09.2008 zurück. Nachträglich gezahltes Arbeitsentgelt könne nur dann für das Elterngeld berücksichtigt werden, wenn die Nachzahlung sich ausschließlich auf Lohnzahlungszeiträume beziehe, die im Kalenderjahr der Zahlung endeten. Lägen dagegen Zeitpunkt und Zeitraum der Nachzahlung in zwei verschiedenen Kalenderjahren, sei die Nachzahlung als "sonstiger Bezug" sehen. Dieser dürfe bei der Berechnung des Elterngeldes nicht berücksichtigt werden.
Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, § 2 Abs. 7 S. 2 BEEG in Verbindung mit § 38 a Abs. 1 S. 3 EStG führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung mit Arbeitnehmern, deren Entgelt richtig abgerechnet wurde. Rein steuerlich ergebe sich durch den im Rahmen der Steuererklärung erfolgenden Ausgleich kein Nachteil. Es sei dem Arbeitnehmer auch grundsätzlich nicht zuzumuten, seinen Arbeitgeber wegen der verspäteten Zahlung auf Schadensersatz zu verklagen.
Mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 06.04.2009 hat das Sozialgericht Köln die auf Berücksichtigung der im März 2007 erfolgten Gehaltsnachzahlung und auf Zahlung höheren Elterngeldes gerichtete Klage abgewiesen. § 2 Abs. 7 S. 2 BEEG schließe die Berücksichtigung sonstiger Bezüge im Sinne von § 38 a Abs. 1 S. 3 EStG bei den maßgeblichen Einnahmen aus. Sonstige Bezüge seien auch nach der Auffassung der Klägerin grundsätzlich Nachzahlungen, wenn sie sich auf Lohnzahlungszeiträume beziehen, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden.
§ 2 Abs. 7 S. 2 BEEG verstoße nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 GG. Der Gesetzgeber habe mit dem Ausschluss sonstiger Bezüge von der Elterngeldberechnung seinen weiten Gestaltungsspielraum bei der Gewährung steuerfinanzierter Sozialleistungen nicht überschritten. Maßgeblich seien dabei Gesichtspunkte der Praktikabilität und Vereinheitlichung mit dem Steuerrecht gewesen. Der Rückgriff auf die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers ermögliche eine zeitnahe Berechnung des Elterngeldes ohne großen Verwaltungsaufwand bei der Differenzierung sonstiger Leistungen, welche typischerweise nicht das laufende Arbeitsentgelt beträfen.
Die typisierende Betrachtung des Gesetzgebers führe zudem nicht durchweg zu Nachteilen der Arbeitnehmer. Wenn Korrekturen des Entgelts nach dem Berücksichtigungszeitraum ein geringeres Entgelt ergäben, seien diese nicht zu berücksichtigen. Auch habe der Gesetzgeber bei typisierender Betrachtungsweise davon ausgehen können, dass größere Fehlberechnungen von den Arbeitnehmern wegen der Notwendigkeit der Deckung des Lebensbedarfs kurzfristig geltend gemacht würden und in kurzem Zeitabstand zum Ausgleich kämen. Die typisierende Betrachtungsweise vermeide eine kompliziertere gesetzliche Regelung von Einzelfällen mit entsprechend aufwändigerer Verwaltungsprüfung.
Schließlich sei es in dem Arbeitnehmer auch nicht unzumutbar, bei schuldhafter Verletzung der Nebenpflichten des Arbeitgebers zur ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsentgeltes Schadensersatzansprüche geltend zu machen, auch wenn das Arbeitsverhältnis noch fortbestehe. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet gewesen, Regelungen zu schaffen, die Fehler und Unvernunft des Arbeitgebers mit einbezögen.
Mit ihrer rechtzeitig eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, die streitgegenständliche Nachzahlung sei ihrer Natur nach laufendes Arbeitsentgelt, das lediglich aufgrund eines Fehlers in einem Betrag und verspätet ausgezahlt worden sei. Ihre Ungleichbehandlung mit Kolleginnen, bei denen richtig abgerechnet worden sei, sei nicht durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt und daher gleichheitswidrig. Das BEEG lasse die erforderliche Härtefallklausel vermissen.
Es handele sich auch nicht um einen Einzelfall, weil fehlerhafte Arbeitgeberabrechnungen nicht als Ausnahme zu klassifizieren seien. Die Klägerin stützt sich darüber hinaus auf die Entscheidung des Sozialgerichts Aachen vom 23.09.2008, S. 13 EG 10/08 sowie des Landessozialgerichts Brandenburg vom 20.01.2009 – L 12 EG 7/08 und die darin enthaltenen Argumente für eine einschränkende Auslegung des § 2 Abs. 7 S. 2 BEEG in Verbindung mit § 38 a EStG.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Köln vom 06.04.2009 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 05.11.2007 in der Fassung der Abhilfebescheide vom 07.01.2008 und 14.04.2008 und des Widerspruchsbescheids vom 10.09.2008 zu verurteilen, der Klägerin höheres Elterngeld unter Berücksichtigung der im März 2007 erfolgten Gehaltsnachzahlung in Höhe von 1.562,42 EUR brutto zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die angefochtenen Bescheide und das angefochtene Urteil. Angesichts des eindeutigen Wortlauts von § 2 Abs. 7 S. 2 BEEG i.V.m. § 38a EStG bliebe für eine lediglich an Zielsetzungen orientierte Auslegung kein Raum. Zudem führe eine derartige Auslegung auch zur Funktionslosigkeit der Vorschrift, da die Anknüpfung an den steuerrechtlichen Begriff der sonstigen Bezüge faktisch unbeachtlich würde.
Verfassungsrechtliche Bedenken teile der Beklagte nicht. Der Gesetzgeber habe mit der Norm den Anforderungen an Praktikabilität und Rechtssicherheit Rechnung tragen wollen. Er dürfe aus Gründen der Rechtssicherheit und des Bürokratieabbaus Typisierungen vorzunehmen, die zwar in einzelnen Fällen den primären Regelungsgedanken nicht vollkommen abbildeten, sich dafür aber einfach ermittelbarer Kriterien bedienten. In der Gesamtbetrachtung führe das gefundene Lösungsmodell nicht zu grob unbilligen Ergebnissen, da es sich bei der Anwendung in der Praxis sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten berechtigter Personen auswirken könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakte und die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Der Senat lässt offen, ob bereits die Entscheidung des Sozialgerichtes in der Form des Gerichtsbescheids zu dessen (formeller) Rechtswidrigkeit führt (1.). Denn der Gerichtsbescheid ist jedenfalls in der Sache aufzuheben, weil der Klägerin höheres Elterngeld zusteht (2.).
1.
§ 105 Abs. 1 S. 1 SGG erlaubt die Entscheidung durch Gerichtsbescheid nur, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Ein Gerichtsbescheid scheidet dagegen aus, wenn ein Fall schwierige Rechtsfragen aufwirft, weil er die Auslegung und Anwendung neuer Normen erfordert, die vom bisherigen Rechtszustand abweichen und die höchstrichterlich nicht geklärt sind (Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 105 Rz. 6 unter Hinweis auf BSG 88, 274,277 f.).
Demnach dürfte das Sozialgericht zu Unrecht durch Gerichtsbescheid entschieden haben. Mit dem neu geschaffenen § 2 Abs. 7 BEEG hat der Gesetzgeber die Elterngeldberechnung mit Normen des Einkommensteuerrechts verknüpft, die normalerweise anderen Zwecken dienen. Die noch nicht ober – oder höchstgerichtlich vorgeprägte Prüfung des Sozialgerichts, ob das Zusammenspiel dieser Normen geglückt ist, wirft mehr rechtliche Schwierigkeiten auf als der einfache Durchschnittsfall, dessen rascher Erledigung § 105 SGG allein dienen soll (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 105 Rz. 2).
Der Senat lässt es dahinstehen, ob die Entscheidung des Sozialgerichts für einen Gerichtsbescheid aus einer groben Fehleinschätzung resultiert und dieser auf einem wesentlichen Verfahrensmangel beruhen kann. Denn jedenfalls erschiene dem Senat eine Zurückverweisung an das Sozialgericht nicht ermessensgerecht i.S.d. § 159 Abs. 1 SGG, weil dadurch zu viel Zeit verloren ginge. Der Verlust einer Tatsacheninstanz für die Beteiligten wiegt demgegenüber weniger schwer, da der Fall tatsächlich geklärt ist.
2.
Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Der angefochtene Elterngeldbescheid ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte die ihr im März 2007 gewährte Gehaltsnachzahlung in Höhe von 1562,42 EUR bei der Berechnung des Elterngeld berücksichtigt und entsprechend höheres Elterngeld zahlt, § 54 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 4 SGG.
a) Nach § 2 Abs. 1 BEEG wird Elterngeld in Höhe von 67 % des in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit gezahlt. Die Klägerin hat die streitgegenständliche Lohnnachzahlung im Bemessungszeitraum erzielt, weil sie ihr innerhalb der 12 Monate vor der Geburt ihres Kindes zugeflossen ist (vergleiche dazu im einzelnen Senat, Urteil vom heutigen Tage in der Sache L 13 EG 24/09).
Allerdings schließt der Wortlaut des § 2 BEEG trotzdem einen Anspruch der Klägerin auf Berücksichtigung der Gehaltsnachzahlung aus, weil § 2 Abs. 7 S. 2 BEEG "sonstige Bezüge" im Sinne von § 38a Abs. 1 S. 3 EStG von der Bemessungsgrundlage, dem erzielten Einkommen, ausnimmt. Unter sonstige Bezüge fällt – neben Gratifikationen, Boni etc. – auch Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn, sondern später (nach)gezahlt wird, wie die der Klägerin im März 2007 gewährte Nachzahlung für Lohnzeiträume im Jahr 2006 (vgl. auch § 39 b Abs. 2 Nr. 8 LStR 2008).
Ein Ausnahmefall nach § 38 a Abs. 1 S. 2 EStG liegt nicht vor. Danach gilt laufender Arbeitslohn in den Kalenderjahr bezogen, indem in der Lohnzahlungszeitraum endet. Diese Vorschrift durchbricht das steuerrechtliche Zuflussprinzip des § 11 EStG nur für solche Lohnbestandteile, die zu Zeiträumen um den Jahreswechsel gehören. § 38 a Abs. 1 S. 2 EStG umfasst dagegen nicht Lohnzahlungen für Lohnzahlungszeiträume eines bereits abgelaufenen Jahres (vgl. Bundesfinanzhof Urteil vom 22.07.1993 – VI R 104/92 Juris Rz. 9 m.w.Nw. für den Fall der Auszahlung einer gerichtlich erstrittenen Lohnnachzahlung für die Jahre 1987 bis 1989 im Jahr 1990). Hinsichtlich solcher Nachzahlungen im Folgejahr für Lohnzahlungszeiträume, die im Vorjahr geendet haben, bleibt es nach § 38 a Absatz 1 S. 3 EStG beim steuerrechtlichen Zuflussprinzip. Sie gelten in dem Kalenderjahr als bezogen, in dem sie zufließen. Die Argumentation der Klägerin, bei der Behandlung nachgezahlten Gehaltes als sonstige Bezüge handele es sich um einen "Sonderfall", trifft daher nicht zu.
b) Der Senat sieht sich allerdings daran gehindert, beim Wortlaut der Norm stehenzubleiben, weil er damit erkennbar die Absicht des Gesetzgebers verfehlen würde. Widerspricht eine Wortlautauslegung eindeutig dem Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus der historisch-kritischen Auslegung ergibt, gebietet die Bindung der Gerichte an den demokratisch legitimierten Willen des Gesetzgebers, den zu weit geratenen Wortlaut mithilfe einer teleologische Reduktion auf das vom Gesetzgeber beabsichtigte Maß zurückzuführen (vergleiche Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Auflage 2008, S. 615 und 621 mit weiteren Nachweisen; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, Studienausgabe, 2. Auflage 1992, Seite 279 ff.).
Soweit das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 19.02.2009 – B 10 EG 2/08 R – ausgeführt hat, der eindeutige Wortlaut einer Vorschrift sei die Grenze jeder Auslegung, entnimmt der Senat dem keine grundsätzlichen Einwände gegen eine teleologische Reduktion des Wortlauts anhand der gesetzgeberischen Zwecke. Die zitierte Passage steht im Zusammenhang mit der ganz anders gearteten Frage nach der Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung durch Analogie, also einer Ausdehnung – nicht Beschränkung – des Wortlauts über den gesetzgeberischen Willen hinaus. Zum anderen betont die vom Bundessozialgericht in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Auslegung eines Gesetzes entgegen seinem Wortlaut dürfe den normativen Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmen und das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlen (BVerfG Beschluss vom 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79, Juris Rz. 64 m.w.Nw.). Das schließt umgekehrt nicht aus, dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers durch eine teleologische Reduktion zu voller Geltung zu verhelfen.
Im Fall der Klägerin spricht die Gesetzgebungsgeschichte entscheidend dafür, Lohnnachzahlungen im folgenden Kalenderjahr innerhalb des Bemessungszeitraums für das Elterngeld zu berücksichtigen. Der ursprünglichen Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen (Einzelerläuterung zu § 2 Abs. 7 BEEG-E, BT-Drucks. 16/1889, S. 21) hatte als erklärtes Ziel, von ihm so bezeichnete "einmalige Einnahmen" von der Bemessung des Elterngelds auszunehmen, weil sie, so die Begründung des Gesetzentwurfs, das Elterngeld als monatliche Leistung nicht mit der gleichen Nachhaltigkeit prägten. Als Beispiel für einmalige Einnahmen nannte die Gesetzesbegründung Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Prämien und Erfolgsbeteiligungen, nicht indessen Lohnnachzahlungen. Gesetzgebungstechnisch erfolgte der Ausschluss, indem § 2 Abs. 7 S. 3 BEEG-E einmalige Einnahmen ausdrücklich von der Bemessung ausnahm.
Im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens hat der Gesetzgeber auf Vorschlag des Bundesrats den sozialrechtlichen durch den steuerrechtlichen Einkommensbegriff ersetzt (vgl. BR-Drucks. 426/06 B, S. 1). Den Ausschluss einmaliger Einnahmen hat der Gesetzgeber regelungstechnisch ersetzt durch den Verweis auf § 38a Abs. 1 S. 3 EStG.
Der Senat geht aus zwei Gründen davon aus, dass der Gesetzgeber damit inhaltlich keine so weitgehende Regelung treffen wollte, wie die isolierte Wortlautbetrachtung ergibt. Zum einen heißt in der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses (Beschlussempfehlung des 13. Ausschusses, BT-Drucks. 16/2785, S. 37) ausdrücklich, die Neuregelung sei mit der Regelung zu den einmaligen Einnahmen im bisherigen Entwurf vergleichbar, indem sie "sonstige Bezüge" nicht als Einkommen berücksichtige. Indes führt die Bezugnahme auf die steuerrechtliche Begrifflichkeit, wie ausgeführt, dazu, dass auch Lohnnachzahlungen für das vorangegangene Kalenderjahr nicht beim Elterngeld berücksichtigt werden, selbst wenn sie im Bemessungszeitraum erfolgen. Diese strenge Konsequenz hat der Gesetzgeber nach Ansicht des Senates so nicht gesehen. Dies zeigt schon der von der Beschlussempfehlung des zuständigen Ausschusses angeführte Beispielskatalog für "sonstige Bezüge": Er nennt weiterhin 13. und 14. Monatsgehälter, Gratifikationen und Weihnachtszuwendungen, aber eben nicht Gehaltsnachzahlungen. Diese beschränkte Aufzählung ist folgerichtig, denn die Begründung des ursprünglichen Gesetzentwurfs, einmalige Zahlungen seien weniger prägend für die Einkommenssituation als laufende Gehaltszahlungen (BT-Drucks. 16/1889, S. 37), trifft auf Gehaltsnachzahlungen gerade nicht zu.
Zum anderen führt die Beschlussempfehlung aus, die jetzt getroffene Regelung entspreche derjenigen beim Mutterschaftsgeld (BT-Drucks. 16/2785, S. 37). Beim Mutterschaftsgeld werden indes Gehaltsnachzahlungen im Bemessungszeitraum berücksichtigt, wenn sie sich einem bestimmten Lohnzahlungszeitraum zuordnen lassen. Das ergibt sich aus § 14 Abs. 1 S. 4 MuSchG. Danach bleibt bei der Höhe des Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld lediglich einmalig gezahltes Arbeitsentgelt im Sinne des § 23 a SGB IV außer Betracht. Für die Frage, ob einmalig gezahltes Arbeitsentgelt im Sinne des § 23 a SGB IV vorliegt, spielt der Zeitpunkt der Auszahlung nach der ständigen Rechtsprechung des BSG aber keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr, ob das gezahlte Entgelt als Vergütung für die in einem einzelnen, das heißt bestimmten Abrechnungszeitraum geleistete Arbeit gezahlt wird (vergleiche zuletzt Bundessozialgericht, Urteil vom 03.06.2009 – B 12 R 12/07R -, Rz. 16 des amtlichen Entscheidungsumdrucks mit weiteren Nachweisen).
Die Gehaltsnachzahlung, deren Berücksichtigung die Klägerin verlangt, hat ihr Arbeitgeber ihr für klar bestimmte Abrechnungszeiträume im Jahr 2006 gezahlt. Die Nachzahlung fällt damit nicht unter den Begriff des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts im Sinne des § 23 a Abs. 1 S. 1 SGB IV. Sie wäre damit für die Höhe des Mutterschaftsgelds zu berücksichtigen. Nach der in den Materialien geäußerten Absicht des Gesetzgebers wollte er eine solche Nachzahlung auch nicht von der Bemessungsgrundlage für das Elterngeld ausnehmen.
Objektiv – teleologische Erwägungen stützen das gezeigte Ergebnis der teleologischen Wortlautreduktion. § 38 a Abs. 1 S. 3 EStG dient im Steuerrecht dazu, dem Arbeitgeber den Aufwand zu ersparen, bei Lohnzahlungen für kalenderübergreifende Lohnzahlungszeiträume die Arbeitslöhne nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt auf das abgelaufene und das neue Kalenderjahr aufzuteilen. Zu diesem Zweck können Lohnzahlungen, die zu Zeiträumen um den Jahreswechsel gehören, ausnahmsweise im Folgejahr berücksichtigt werden (vgl. Bundesfinanzhof Urteil vom 22.07.1993 – VI R 104/92 -). Bemessungszeitraum für das Elterngeld ist indes anders als der Veranlagungszeitraum bei der Einkommenssteuer nicht das Kalenderjahr, sondern sind nach § 2 Abs. 1 S. 1 BEEG regelmäßig die 12 Monate vor der Geburt des Kindes. Im Elterngeldrecht kann die steuerrechtliche Regelung des § 38 a EStG ihre Funktion daher nicht erfüllen. Ihre Rechtsfolge, die Berücksichtigung einer Lohnzahlung an das Kalenderjahr des Zuflusses zu knüpfen, erscheint für das Elterngeld daher sachfremd. Im Fall der Klägerin führte dies bei reiner Wortlautauslegung des § 2 Abs. 7 S. 2 BEEG i.V.m. § 38 a Abs. 1 S. 3 EStG zu dem ungereimtem Ergebnis, dass Nachzahlungen für dasselbe Kalenderjahr berücksichtigt wurden, diejenigen für das Vorjahr jedoch unberücksichtigt blieben.
Die darin liegende Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte lässt sich vor dem Maßstab von Art. 3 Abs. 1 GG nicht rechtfertigen. Dem Senat erschließt sich insbesondere nicht, welche Gründe der Verwaltungsvereinfachung oder Bedürfnisse der Praxis es erfordern könnten, im Bemessungszeitraum zugeflossene und in der Gehaltsmitteilung ausgewiesene Lohnnachzahlungen aus dem Vorjahr für das Elterngeld nicht zu berücksichtigen. Ob eine von einer Gehaltsbescheinigung ausgewiesene Nachzahlung einem konkreten Lohnabrechnungszeitraum zuzuordnen ist, kann die Elterngeldbehörde durch eine einfache Nachfrage beim Arbeitgeber ohne unzumutbaren Aufwand klären. Dass sich die bei einer strengen Wortlautbetrachtung ergebene Ausnahme der erwähnten Gehaltsnachzahlungen von der Elterngeldbemessung gelegentlich auch zu Gunsten der Betroffenen auswirken kann, vermag die gleichheitsrechtlichen Bedenken im Fall der Klägerin nicht zu beseitigen.
§ 2 Abs. 7 S. 3 BEEG ist somit einschränkend dahingehend auszulegen, dass sonstige Bezüge i.S.d. § 38 a EStG (nur) dann nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, wenn es sich zugleich um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt i.S.d. § 23 a SGB IV handelt. Diese vom Senat gefundene Auslegung macht den Verweis des § 2 Abs. 7 S. 2 BEEG auf § 38 a EStG auch nicht, wie der Beklagte meint, funktionslos, weil der Verweis Einmalzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld – entsprechend der Absicht des Gesetzgebers – aus der Bemessungsgrundlage des Elterngeldes ausklammert.
Der Beklagte wird deshalb die an die Klägerin erfolgte Gehaltsnachzahlung in der tenorierten Höhe zu berücksichtigen und das Elterngeld der Klägerin auf dieser Grundlage neu zu berechnen haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Die Revision lässt der Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache für eine Vielzahl von Streitfällen zu, § 160 Abs. 2 Nummer 1 SGG zu.
Erstellt am: 06.07.2010
Zuletzt verändert am: 06.07.2010