Der Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 17.04.2009 wird aufgehoben und der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die der Antragsgegnerinnen sowie der Beigeladenen zu 5) zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen trägt die Antragstellerin. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerinnen und der Beigeladenen zu 5) trägt die Antragstellerin. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerinnen und die Beigeladene zu 5) im Verfahren vor der Vergabekammer sowie im Beschwerdeverfahren wird für notwendig erklärt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (AS) – eine pharmazeutische Unternehmerin, die auf den Gebieten Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Kontrastmitteln tätig ist – wendet sich gegen aus ihrer Sicht bestehende Vergabefehler im Rahmen einer Ausschreibung für Kontrastmittel.
Die Antragsgegnerinnen und Beschwerdeführerinnen (AG) sind gesetzliche Krankenkassen und haben die "Lieferung von Kontrastmitteln" für radiologisch tätige Vertragsarztpraxen im Freistaat Sachsen in einem EU-weit bekannt gemachten offenen Verfahren durch Bekanntmachungen vom 11.12.2008 (Veröffentlichung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am 16.12.2008) in insgesamt 12 Ausschreibungen mit jeweils ca. 90 Fachlosen für eine Vertragslaufzeit vom 01.04.2009 bis 30.06.2010 ausgeschrieben (Ende der Angebotsfrist: 02.02.2009). Jedes Fachlos bezieht sich auf eine Pharmazentralnummer (PZN). Die PZN wird von der Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten GmbH (IFA) an die dort gemeldeten, in Deutschland oder EU-weit zugelassenen Fertigarzneimittel unter Angabe der Arzneimittelbezeichnung, des Arzneimittelherstellers, des Wirkstoffs, der Wirkstoffmenge, der Darreichungsform und der Packungsgröße vergeben. Die jedem Fertigarzneimittel zugeordnete PZN erlaubt die Identifizierung sämtlicher Arzneimittel nach den dargestellten Kriterien. Das hier anhängige Verfahren betrifft die PZN 1072763 bis 1996958 (Vergabe-Nr.: 0046-KM-Sachsen-2008), PZN 248249 bis 3019856 (Vergabe-Nr.: 0048-KM-Sachsen-2008), PZN 3180586 bis 3571795 (Vergabe-Nr.: 0050-KM-Sachsen-2008), PZN 3950297 bis 4597696 (Vergabe-Nr.: 0052-KM-Sachsen-2008), PZN 4597704 bis 6970395 (Vergabe-Nr.: 0053-KM-Sachsen-2008).
Nicht von den Ausschreibungen erfasst sind die nach Maßgabe des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) abgegoltenen vertragsärztlichen Leistungen. Die AG beabsichtigen, pro Fachlos jeweils einen Rahmenvertrag (RV) mit dem obsiegenden Bieter zu schließen. Die RV sollen die Belieferung und die Bezugspreise der jeweiligen Einzelaufträge bestimmen. Das Angebot der Bieter zum Abschluss der Rahmenvereinbarung soll dessen Bezugspreis je Verpackungseinheit für die jeweilige PZN bestimmen. Als Bezugspreis ist der in den jeweiligen Angeboten genannte Angebotseinheitsnettopreis je Verpackungseinheit der jeweiligen PZN einschließlich sämtlicher Nebenkosten für die Dauer der RV vorgesehen. Alleiniges Zuschlagskriterium für die Vergabe ist der Preis (Nr. 8 der Verdingungsunterlagen).
Kontrastmittel sind Arzneimittel, die gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. d) Arzneimittelgesetz (AMG) nicht an den Bezugsweg über öffentliche Apotheken gebunden sind. Radiologisch tätige Vertragsärzte beziehen Kontrastmittel i.d.R. über Hersteller, Großhändler und Händler (Leistungserbringer), indem sie die ärztliche Verordnung bei den Krankenkassen einreichen und diese sodann die Belieferung durch Leistungserbringer veranlassen. Nach der zwischen den AG und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Sachsen geschlossenen "Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf" (Sprechstundenbedarfsvereinbarung) werden Kontrastmittel für sämtliche AG einheitlich über die AG zu 1) bezogen. Gemäß Anlage 2 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung haben die Krankenkassen die Lieferung von Kontrastmitteln ohne Änderung von Wirkstoff und Menge in entsprechenden Behältnissen (z.B. Flaschen, Einwegspritzen, Kartuschen) an den Vertragsarzt innerhalb von fünf Arbeitstagen nach Eingang der Anforderung unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse sicherzustellen. In der Regel werden Kontrastmittel von den Radiologen quartalsweise im Voraus bestellt. Eine Prüfung der Ärzte im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Verordnungen von Sprechstundenbedarf (SSB) findet grundsätzlich im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) – insbesondere nach Maßgabe der Prüfvereinbarung – statt (§ 5 Abs. 5 Sprechstundenbedarfsvereinbarung).
Nach Abschluss der RV sollen die Leistungserbringer die radiologischen Praxen auf Basis der Sprechstundenbedarfsvereinbarung, den Verdingungsunterlagen sowie der Einzelaufträge mit den angeforderten Kontrastmitteln beliefern und unmittelbar mit der AG zu 1) als Kostenträger für Kontrastmittel im Freistaat Sachsen abrechnen. Ein Austausch mit wirkstoffgleichen Arzneimitteln soll nicht durchgeführt werden.
Im Vorfeld der Ausschreibungen wurde durch die AG erörtert, ob auch eine Vergabe unterteilt nach den in den jeweiligen Kontrastmitteln enthaltenen Wirkstoffen durchgeführt werden könne. In einem Protokoll der gemeinsamen Besprechung vom 25.06.2008 wird u.a. ausgeführt:
"AOK Plus und Barmer stellen gemeinsam fest, dass sie aufgrund der gesetzlichen Vorgaben eine wirkstoffbezogene Ausschreibung nach ATC-Code vorziehen würden. Eine wirkstoffbezogene Ausschreibung ist jedoch nur dazu geeignet, den Beschaffungsbedarf für die Krankenkassen zu decken, wenn die Verordnungen bereits wirkstoffbezogen erfolgen oder von Kassenseite eine Substitution der verordneten PZN durch Kontrastmittel des selben Wirkstoffes vorgenommen werden kann. Dies ist jedoch in Sachsen nicht durchsetzbar.
Klärung des Sachverhaltes
Die Vertreter der AOK Plus erläutern, dass die Radiologen des betroffenen Ausschreibungsgebiets darauf bestehen, Hersteller, Produkt und Darreichungsform beziehungsweise Verpackungsgröße autonom bestimmen zu können. Eine Substitution der verordneten PZN durch Produkte des selben Wirkstoffes ist derzeit weder juristisch noch politisch durchsetzbar.
Die Radiologen vertreten den Standpunkt, dass die Produkte des selben Wirkstoffes nicht vergleichbar sind. Die Ärzte verweisen auf das besondere Risiko tödlicher allergischer Reaktionen, das auch bei Produkten desselben Wirkstoffes ihrer Ansicht nach unterschiedlich hoch ist. Die Ärzte betonen, dass die Verordnungen nicht auf einen bestimmten Patienten abgestimmt werden können, sondern vierteljährlich für den gesamten Sprechstundenbedarf geordert werden und es ihnen somit nicht möglich ist, dieses Risiko durch patientenbezogene Anamnese zu reduzieren.
( …)
Politisch sind mehrere Versuche, die Radiologen von den Vorzügen einer hersteller- bzw. produktneutralen Form des Bezugs zu überzeugen, gescheitert (Angebot der Beteiligung am Einsparungspotential, Angebot der Einbeziehung in die Vorbereitung der Ausschreibung, etc.). Die Ärzte bestehen darauf, die Produkte der PZN zu erhalten, die sie geordert haben.
Vor diesem Hintergrund ist eine PZN-neutrale, also wirkstoffbezogene Ausschreibung nicht möglich.
( …)."
Mit Schreiben vom 16.07.2008 richtete das Beschaffungsmanagement der AG zu 1) ein Schreiben an die Vergabestelle (Abteilung 0830 – bei der AG zu 1] angesiedelt), in dem auch die Zulässigkeit einer PZN-bezogenen Ausschreibung thematisiert wurde. Es heißt dort u.a.:
"Wirtschaftlich wäre eine wirkstoffbezogene Ausschreibung, in der es zu einem Preiswettbewerb aller Kontrastmittel eines Wirkstoffes kommt, wünschenswert, weil erhebliche Einsparpotentiale zu erwarten wären.
( …)
Der Widerstand der Vertragsärzte kann sich auf die Besonderheiten des Sprechstundenbedarfs stützen. Im Gegensatz zu Arzneimitteln im Sinne des § 129 Abs. 1 SGB V wird Sprechstundenbedarf nicht patientenspezifisch verordnet. Eine flexible patientenbezogene Regelung wie § 129 Abs. 1 lit. b) SGB V ist also nicht übertragbar. Die Ärzte tragen daher vor, dass sie den Schutz ihrer Patienten nur dann gewährleisten können, indem sie für den gesamten Bedarf an Kontrastmitteln nicht nur die Wirkstoffe, sondern alle identifizierenden Merkmale bestimmen können und bestehen darauf, die PZN der Kontrastmittel bestimmen zu können. Sie stützen sich auf Anlage 2 der Sprechstundenvereinbarung.
( …)
Im Gegensatz zur Rechtslage bei Arzneimitteln i.S. des § 129 Abs. 1 SGB V haben die Kassen bei Kontrastmitteln keine direkte oder indirekte Steuerungsmöglichkeit auf die Entscheidung der Ärzte, welches Produkt verordnet wird. Die Einschränkung erfolgt also nicht durch die Kassen, sondern durch die radiologisch tätigen Ärzte in Sachsen.
( …)."
Die AS rügte mit Schreiben vom 15.12.2008 gegenüber den AG, dass die Ausschreibungen gegen zahlreiche Grundsätze des Vergaberechts verstießen. Insbesondere machte sie geltend, dass die AG das Wettbewerbsprinzip verletzt hätten. Diesen Rügen halfen die AG nicht ab (Schreiben vom 15.01.2009). Die AS gab auf zahlreiche Fachlose, die sich über sämtliche Ausschreibungen erstreckten, Angebote ab. Unter dem 20.02.2009 teilten die AG der AS mit, dass sie teilweise Zuschläge erhalten solle, teilweise ihre Angebote jedoch nicht berücksichtigt werden könnten, weil sie preislich unterlegen seien.
Mit Schriftsatz vom 04.03.2009 hat die AS mehrere Nachprüfungsanträge bei der Vergabekammer (VK) des Bundes gestellt. Diese hat die VK zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (Beschluss vom 13.03.2009).
Im Nachprüfungsverfahren hat die AS im Wesentlichen geltend gemacht, dass die AG mit der Art der durchgeführten Ausschreibungen gegen das Wettbewerbsprinzip, das Gebot der zweckmäßigen Losbildung sowie das Gebot der Produktneutralität verstoßen hätten. Der Verstoß gegen das Gebot der Produktneutralität resultiere insbesondere daraus, dass in jedem Los ein bestimmtes Produkt in einer bestimmten Packungsgröße und Darreichungsform von einem exakt bestimmbaren Hersteller benannt worden sei. Kontrastmittel seien in der jeweiligen Gruppe gemäß der zugelassenen Anwendungsgebiete überwiegend substituierbar. Auf dem Markt existierten sowohl Originalpräparate als auch Generika, die hinsichtlich Wirk- und Trägerstoffe identisch seien. Es existiere kein empirischer Befund, der einen Zusammenhang zwischen allergischen Reaktionen und Trägerstoffen belege. Eine Rechtfertigung für den Verstoß gegen das Gebot der Produktneutralität ergebe sich auch nicht aus der Sprechstundenbedarfsvereinbarung. Diese sei nämlich nicht geeignet, zwingende wettbewerbs- und krankenversicherungsrechtliche Bestimmungen auszuhebeln. Insbesondere lasse sich die Ausschreibung nicht unter dem Gesichtspunkt der ärztlichen Therapiefreiheit rechtfertigen. Denn diese stehe von vornherein unter dem Vorbehalt des Wirtschaftlichkeitsgebots. Angesichts dessen müssten gesetzliche Krankenkassen gegenüber Vertragsärzten eine wirtschaftliche Beschaffung durchsetzen. Ein Schaden ergebe sich daraus, dass sie – die AS – sich nicht auf eine wettbewerbskonforme wirkstoff- oder indikationsbezogene Ausschreibung habe bewerben können. Bei einer solchen Ausschreibung hätte die Möglichkeit bestanden, in einen wirksamen Wettbewerb mit wirkstoffgleichen Originalpräparaten einzutreten und als Ergebnis dieses Wettbewerbs einen erhöhten Anteil an den zu vergebenden RV zu erhalten. Gerade der Markteintritt eines Generikaherstellers werde durch die gewählte Form der Ausschreibungen erschwert. Abgesehen davon sei durch die Losbildung der Wettbewerb beschränkt und gegen § 5 Nr. 1 Verdingungsordnung für Leistungen -Teil A (VOL/A) verstoßen worden.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. die Ausschreibungsverfahren "Lieferung von Kontrastmitteln" aufzuheben und den Antragsgegnerinnen bei Fortbestand ihrer Beschaffungsabsicht aufzugeben, die Ausschreibung der Röntgenkontrastmittel und der MRT-Kontrastmittel nicht nach PZN vorzunehmen, sondern nach Wirkstoffen oder Wirkstoffgruppen auszuschreiben,
2. der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu erteilen,
3. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Antragstellerin für notwendig zu erklären,
4. den Antragsgegnerinnen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung durch die Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerinnen haben beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen,
2. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin für notwendig zu erklären,
3. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin aufzuerlegen.
Sie haben im Wesentlichen geltend gemacht: Vor dem Hintergrund, dass die AS die Möglichkeit gehabt habe, sich auf eine Vielzahl von Losen zu bewerben, könne ein Schaden nicht dargelegt werden. In der Sache stehe es jeder Vergabestelle frei, ihren Bedarf nach ihren eigenen individuellen Vorstellungen zu definieren und den Wettbewerb lediglich insoweit zu eröffnen. Kein Bieter habe einen Anspruch darauf, dass eine Ausschreibung so durchgeführt werde, dass unternehmerische Produktionsentscheidungen und Strategien optimal berücksichtigt würden. Angesichts des Umstandes, dass sämtliche auf dem Markt befindlichen PZN ausgeschrieben worden seien, sei der Grundsatz der Produktneutralität bereits nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht einschlägig. Abgesehen davon werde dem Wirtschaftlichkeitsgebot hinreichend Rechnung getragen, da die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise gemäß § 106 SGB V im Rahmen der (nachträglichen) Wirtschaftlichkeitsprüfungen berücksichtigt werde. Ferner bestehe eine den Maßgaben des § 129 SGB V vergleichbare Austauschpflicht der Vertragsärzte gerade nicht.
Die Beigeladene zu 5) hat schriftsätzlich beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag kostenpflichtig als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen,
2. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten für die Beigeladene zu 5) für notwendig zu erklären.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sei. In der Sache hat sich die Beigeladene zu 5) auf die Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg und der 3. VK des Bundes bezogen.
Die Beigeladenen zu 4) und 6) haben ebenfalls geltend gemacht, dass die Ausschreibung vergaberechtlich nicht zu beanstanden sei. Anträge haben sie wie auch die Beigeladenen zu 1) bis 3) nicht gestellt.
Mit Beschluss vom 17.04.2009 hat die VK den AG untersagt, auf der Grundlage der streitgegenständlichen Vergabeverfahren Zuschläge zu erteilen und ihnen aufgegeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht die Vergabe unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der VK durchzuführen. Sie hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die hier gewählte Gestaltung der Ausschreibung gegen den Grundsatz der Produktneutralität verstoße. Denn die AG hätten für jedes Los eine konkrete Produktvorgabe in Gestalt einer PZN gemacht. Auch der Umstand, dass durch sämtliche Ausschreibungen sowie der innerhalb der Ausschreibungen gebildeten Lose alle PZN und damit sämtliche in Deutschland zugelassene Kontrastmittel erfasst worden seien, könne die gebotene Produktneutralität nicht herstellen. Die PZN definiere ein ganz bestimmtes Arzneimittel im Hinblick auf Hersteller, Wirkstärke, Darreichungsform und Packungsgröße. Dem vergaberechtlich beabsichtigten Wettbewerb untereinander austauschbarer Produkte werde die Ausschreibungskonzeption der AG nicht gerecht. Denn ein Wettbewerb finde nur auf der Ebene der unterschiedlichen Vertreiber identischer Produkte, nicht jedoch auf der Ebene der Hersteller statt. Damit werde jedoch die Tatsache, dass Kontrastmittel unterschiedlicher Hersteller austauschbar sein können, völlig ausgeblendet. Dass ein Wettbewerb zwischen pharmazeutischen Herstellern im Rahmen der streitgegenständlichen Ausschreibung so gut wie gar nicht stattgefunden habe, werde dadurch dokumentiert, dass auf die einzelnen Lose im Wesentlichen ein bis vier Angebote abgegeben worden seien und für manche Lose gar keine Angebote vorlägen. Auch unter Berücksichtigung der von den Vertragsärzten geltend gemachten – möglicherweise sogar tödlichen – allergischen Reaktionen hätten die AG prüfen müssen, zwischen welchen Kontrastmitteln Austauschbarkeit gegeben sei. Die gegen den Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung verstoßende Ausschreibung sei schließlich nicht durch die Art der zu vergebenden Leistung gerechtfertigt. Eine Rechtfertigung durch die Sprechstundenbedarfsvereinbarung sei bereits im Ansatz nicht möglich, weil diese nicht gesetzliche Regelungen außer Kraft setzen könne. Ebenso wenig sei es möglich, unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Substitutionspflicht in Verbindung mit der ärztlichen Therapiefreiheit zu einer Rechtfertigung zu gelangen. Denn die ärztliche Therapiefreiheit stehe von vornherein unter dem Vorbehalt des Wirtschaftlichkeitsgebots.
Gegen den ihnen am 17.04.2009 zugestellten Beschluss haben die AG am 30.04.2009 und die Beigeladene zu 5) am 04.05.2009 sofortige Beschwerde eingelegt.
Die AG hält daran fest, dass der Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung nicht verletzt worden sei. Denn allein der Auftraggeber entscheide, was er haben wolle und wie er es haben wolle. Im Einzelfall könne es sogar zulässig sein, dass der Auftraggeber die zu erbringende Leistung so stark eingrenze, dass praktisch nur ein bestimmtes Produkt angeboten werden könne. Kein Bieter habe demgegenüber einen Anspruch darauf, dass eine Ausschreibung so durchgeführt werde, dass die von ihm getroffenen unternehmerischen Produktionsentscheidungen und Vertriebsstrategien möglichst optimal berücksichtigt werden. Selbst wenn man von einem Verstoß gegen den Grundsatz der Produktneutralität ausginge, wäre die PZN-bezogene Ausschreibung jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Dem Auftraggeber stehe letztlich ein in der Privatautonomie wurzelndes Beurteilungsermessen zu, das lediglich einer Vertretbarkeitskontrolle unterzogen werden könne. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Dabei müsse insbesondere berücksichtigt werden, dass sich eine wirkstoffbezogene Ausschreibung gegenüber den Vertragsärzten aufgrund der von dort aus erhobenen medizinischen Bedenken nicht habe durchsetzen lassen.
Die Antragsgegnerinnen beantragen:
1. Die Entscheidung der 1. Vergabekammer des Bundes vom 17.04.2009, Geschäftszeichen VK 1-35/09, wird aufgehoben.
2. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin.
3. Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beschwerdeführerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren notwendig war.
Die Antragstellerin beantragt,
die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung der 1. Vergabekammer des Bundes vom 17.04.2009, Az. VK 1-35/09, zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und trägt vor: Es liege eine produktspezifische Ausschreibung vor. Denn die PZN sei genauso aussagekräftig wie der Name eines Produktes. Es handele sich nicht um eine zulässige Definition des Beschaffungsbedarfs, weil das Wahlrecht des Auftraggebers im Hinblick auf die Leistungsbeschreibung seine Grenzen in den Vorgaben über die produktneutrale Ausschreibung finde. Diese Grenzen hätten die AG überschritten, weil sich die getroffene Entscheidung nicht sachlich rechtfertigen lasse. Die Sprechstundebedarfsvereinbarung sei hierzu nicht geeignet, weil diese als eine Vereinbarung zwischen Körperschaften öffentlichen Rechts nicht gesetzliche Regelungen außer Kraft setzen könne. Die Therapiefreiheit der Vertragsärzte werde – wie die VK zutreffend erkannt habe – durch die Regelungen zum Wirtschaftlichkeitsgebot im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) überlagert.
Die Beigeladene zu 5) beantragt,
1. die Entscheidung der 1. Vergabekammer des Bundes (Bundeskartellamt) vom 17. April 2009, Az.: VK 1-35/09, aufzuheben und den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen, soweit er sich gegen die Vergabe-Nummern 0052-KM-Sachsen-2008 und 0053-KM-Sachsen-2008 wendet;
2. die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 5. für notwendig zu erklären.
Sie macht geltend, dass der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig sei. Denn ein öffentlicher Auftrag i.S.d. § 99 Abs. 1 und 2 GWB liege nicht vor. Darüber hinaus fehle der AS die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB, da ihr kein Schaden entstanden sei oder zu entstehen drohe. Ein Schaden hätte lediglich dann eintreten können, wenn die AS nicht die Möglichkeit gehabt hätte, während der Laufzeit der RV Kontrastmittel zu liefern. Diese Gefahr bestehe jedoch deshalb nicht, weil die Verordnung nach wie vor in der Therapiehoheit des Vertragsarztes verbleibe. Verordne der Vertragsarzt ein Produkt der AS, seien, die AG verpflichtet, dieses zu liefern. Abgesehen davon sei der Nachprüfungsantrag unbegründet, weil ein Verstoß gegen den Grundsatz der Produktneutralität nicht gegeben sei.
Die Beigeladene zu 4) tritt den Ausführungen AG und der Beigeladenen zu 5) im Wesentlichen bei.
Die Beigeladenen zu 1) bis 4) sowie zu 6) stellen keine Anträge.
Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- sowie der Vergabekammer- und Vergabeakten.
II.
Die sofortige Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluss der VK ist aufzuheben und der Nachprüfungsantrag zurückzuweisen. Denn die streitgegenständliche Ausschreibung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Produktneutralität. Auch die Loszuschnitte sind unter vergaberechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.
Die Anwendbarkeit der §§ 97 – 115, 128 GWB für die Zeit ab 18.12.2008 ergibt sich aus § 69 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl I S. 2426); für die Zeit vor dem 18.12.2008 folgt dies aus einer EU-Richtlinien-konformen Auslegung der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung des § 69 SGB V (§ 69 in der Fassung des Gesetzes vom 23.04.2002, BGBl. I S. 1412). Demgegenüber sind auf das vorliegende Vergabeverfahren nicht die Regelungen des GWB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009 (BGBl. I S. 790) anwendbar, weil das Vergabeverfahren vor dem Inkrafttreten am 24.04.2009 begonnen hat (vgl. § 131 Abs. 8 GWB n.F.).
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
Die AG sind öffentliche Auftraggeber i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB. Gesetzliche Krankenkassen werden – jedenfalls mittelbar durch Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber zur GKV – durch den Bund finanziert (vgl. §§ 3, 271 SGB V) und unterliegen einer engmaschigen staatlichen Rechtsaufsicht (EuGH, Urteil vom 11.06.2009 – C-300/07; vgl. auch Senat, Beschluss v. 26.03.2009 – L 21 KR 26/09 SFB). Dies reicht für die Qualifikation als öffentlicher Auftraggeber aus.
Bei den streitigen RV handelt es sich um öffentliche Lieferaufträge nach § 99 Abs. 1 und 2 GWB. Ob Arzneimittelrabattverträge nach § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V ausnahmslos als öffentliche Lieferaufträge i.S.d. vorgenannten Regelungen qualifiziert werden können (vgl. Senat, Beschluss vom 26.03.2009 – L 21 KR 26/09 SFB; Engelmann in: jurisPK-SGB V, § 69, Rdn. 226 ff. m.w.N.), kann hier dahinstehen. Denn die AG haben nicht Verträge nach § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V ausgeschrieben, sondern Festpreisvereinbarungen für Kontrastmittel als SSB. Sie haben sich nämlich nicht nur an pharmazeutische Unternehmer (§ 4 Abs. 18 AMG) gewandt. Es liegt hier somit keine der Ausschreibung von Arzneimittelrabattverträgen nach § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V vergleichbare "Beschaffungssituation" vor. Die Annahme eines öffentlichen Auftrages rechtfertigt sich hier im Ergebnis jedenfalls nach Art. 32 Abs. 2 RL 2004/18 EG. Danach befolgen öffentliche Auftraggeber bei dem Abschluss von Rahmenvereinbarungen die Verfahrensvorschriften der RL 2004/18 EG in allen Phasen bis zur Zuschlagserteilung der Aufträge. Dies gilt auch dann, wenn dem Auftragnehmer vertraglich nicht die Abnahme von Produkten zugesichert wird. Gemäß § 3a Nr. 4 Abs. 1 Satz 1 VOL/A sind Rahmenvereinbarungen öffentliche Aufträge, die die Auftraggeber an ein oder mehrere Unternehmen vergeben können, um die Bedingungen für Einzelaufträge, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere über den in Aussicht genommenen Preis (vgl auch § 3 Abs. 8 Satz 2 Vergabeverordnung (VgV)).
Dass die AG vorliegend Rahmenvereinbarungen ausgeschrieben haben, unterliegt zur Überzeugung des Senats keinen durchgreifenden Zweifeln. Denn durch die RV sollen die Bedingungen für die Einzelaufträge – insbesondere die Preise -, die in der vorgesehenen Laufzeit vergeben werden sollen, festgelegt werden. Zwar werden die Kontrastmittel von Radiologen abgerufen, indem diese ihre Verordnungen bei der AG zu 1) einreichen, die Vertragsärzte die Kontrastmittel von den Leistungserbringern erhalten, die wiederum mit den AG auf Basis des bezuschlagten Angebotes abrechnen sollen (vgl. § 6 Abs. 1 und 2 RV). Jedoch können die von den Vertragsärzten ausgestellten Kontrastmittelverordnungen den AG im Rahmen ihrer Sachleistungspflicht zugerechnet werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 19.12.2007 – VII-Verg 50/07, NZBau 2008, 194; Gabriel, NZS 2007, 344 (348); Dreher/Hoffmann, NZBau 2009, 273 (277); Schickert, PharmaR 2009, 164 (166) jeweils m.w.N.). Denn der Vertragsarzt ist "Schlüsselfigur" der Arzneimittelversorgung. Er verordnet ein bestimmtes Arzneimittel zu Gunsten der Versicherten, das er als medizinisch notwendig bewertet. Bei der Ausstellung der Verordnung handelt er kraft der ihm durch das Vertragsarztrecht verliehenen Kompetenzen als Vertreter der Krankenkassen (BSG, Urteil v. 17.01.1996 – 3 RK 26/94, SozR 3-2500 § 129 Nr. 1 = BSGE 77, 194 ff. m.w.N.). Ohne vertragsärztliche Verordnung besteht grundsätzlich kein Sachleistungsanspruch der Versicherten gegen die Krankenkassen (BSG, Urteil v. 19.06.1996 – 1 RK 15/96, SozR 3-2500 § 13 Nr. 13 = BSGE 79, 257).
Es ist unschädlich, dass in der vorliegenden Konstellation kein Rabattvertrag nach § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V ausgeschrieben wurde, nachdem sich die AG nicht nur an pharmazeutische Unternehmer i.S.d. § 4 Abs. 18 AMG, sondern auch an Großhändler gewandt und Festpreise nachgefragt hat. Denn zum Abschluss von öffentlich-rechtlichen Verträgen, wie sie hier geschlossen werden sollen, bedürfen Krankenkassen keiner speziellen Ermächtigung. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass § 130a Abs. 8 SGB V nicht eine Ermächtigungsgrundlage für den Abschluss von Vereinbarungen durch Krankenkassen, sondern vielmehr eine Verfahrensvorschrift darstellt (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss v. 13.09.2005 – 2 BvF 2/03, BVerfGE 114, 196).
Ebenso wie die VK in dem angefochtenen Beschluss geht der Senat davon aus, dass die AS i.S.d. § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB antragsbefugt ist. Die AS macht geltend, dass sie bei der von ihr bevorzugten wirkstoff- oder indikationsbezogenen Ausschreibung die Möglichkeit gehabt hätte, mit den Produkten anderer Hersteller in einen wirksamen Wettbewerb zu treten und ein erhöhtes Auftragsvolumen zu erhalten. Sie hat mithin dargelegt, dass ein Schaden in Form entgangenen Gewinns zu entstehen droht. Dies reicht für die Annahme der Antragsbefugnis aus. Ein Bieter muss darüber hinausgehend nicht darlegen, dass er bei einem rechtmäßigen Vergabeverfahren eine "echte Chance" auf den Zuschlag gehabt hätte (BVerfG, Beschluss v. 29.07.2006 – 2 BvR 2248/03, NVwZ 2004, 1224; Bundessozialgericht (BSG), Beschluss v. 22.04.2009 – B 3 KR 2/09 D, Rdn. 18 m.w.N.).
In der Sache erweist sich der Nachprüfungsantrag jedoch als unbegründet.
Der von der AS gerügte Verstoß gegen der Grundsatz der Produktneutralität ist nach keinem rechtlichen Ansatz gegeben. Nach § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A dürfen bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren sowie bestimmte Ursprungsorte nur dann ausdrücklich vorgeschrieben werden, wenn dies durch die Art der zu vergebenden Leistung gerechtfertigt ist. Gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 5 VOL/A dürfen Bezeichnungen für bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren (z.B. Markennamen) ausnahmsweise, jedoch nur mit dem Zusatz "oder gleichwertiger Art", verwendet werden, wenn eine Beschreibung durch hinreichend genaue, allgemeinverständliche Bezeichnungen nicht möglich ist. § 8a Nr. 5 Satz 1 VOL/A ordnet an: Soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, darf in den technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen, einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Produktion verweisen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden. Gemäß § 8a Nr. 5 Satz 2 VOL/A sind solche Verweise jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann; solche Verweise sind mit dem Zusatz "oder gleichwertig" zu versehen.
Die vorgenannten Regelungen schließen es zumindest dann nicht aus, bei der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Auftragsgegenstandes – hier: Nachfrage nach Festpreisen für ohnehin von den AG zu vergütende Arzneimittel – an die auf dem Markt anerkannte Lauer-Taxe mit den dort "gelisteten" PZN anzuknüpfen, wenn alle in Betracht kommenden PZN Gegenstand der Ausschreibung sind. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, sind die Bestimmungen zur Produktneutralität solche, die "Leistungsbeschreibungen" bzw. "technische Spezifikationen" betreffen. Diese o.g. Normen sind von vornherein nicht einschlägig bei der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs. Die Anknüpfung an die jeweilige PZN gewährleistet zudem die Beachtung des § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A, wonach die Anforderungen an die Leistung/Lieferung so genau zu fassen sind, dass sie den Bietern ein klares Bild vom Auftragsgegenstand vermitteln und dem Auftraggeber die Erteilung des Zuschlags ermöglichen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 26.03.2009 – L 21 KR 26/09 SFB; Beschluss vom 02.04.2009 – L 21 KR 35/09 SFB).
Die maßgeblichen Bestimmungen des Vergaberechts beinhalten nicht, was die öffentliche Hand zu beschaffen hat. Wie Private können demnach auch gesetzliche Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber die zu vergebende Leistung und den Auftragsgegenstand autonom bestimmen (Scharen, GRUR 2009, 345 (345); vgl. auch OLG Koblenz, Beschluss v. 05.09.2002 – 1 Verg 2/02, NZBau 2002, 699 ff.). Die Wahl der jeweiligen Leistung ist der Ausschreibung und Vergabe vorgelagert und muss zunächst vom Auftraggeber in einem selbständigen Entscheidungsprozess getroffen werden, bevor im nächsten Schritt die Interessen einzelner interessierter Unternehmen berührt sein können. Das Vergaberecht greift mithin erst nach dieser Entscheidung ein; ein vom öffentlichen Auftraggeber ausgewählter Beschaffungsgegenstand ist für die Leistungsbeschreibung nicht in Frage zu stellen. Diese Betrachtungsweise findet nicht zuletzt in den Regelungen der Art. 23 Abs. 8 RL 2004/18 EG, § 8a Nr. 5 Satz 1 VOL/A ihre Stütze. Danach greifen die Regelungen zur "Produktneutralität" erst dann ein, wenn etwas anderes "nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist". Hat der Auftraggeber jedoch seinen Auftragsgegenstand definiert, rechtfertigt dieser das Verlangen (vgl. Scharen, GRUR 2009, 345 (346 sowie Fn. 19)). Ein Anspruch der Bieter auf Mitgestaltung im Rahmen der Bedarfsdefinition besteht demgegenüber nicht.
Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen ist die von den AG durchgeführte Anknüpfung an die jeweiligen PZN nicht zu beanstanden. Unter Berufung auf den Grundsatz der Produktneutralität kann ihnen nicht aufgegeben werden, eine wirkstoff- oder indikationsbezogene Ausschreibung vorzunehmen, weil allein sie im Rahmen eines autonomen Willensbildungsprozesses über die zu beschaffenden Kontrastmittel zu entscheiden hatten. Allein aus dem Umstand, dass die AG ihren Beschaffungsbedarf auch anders hätten definieren können, resultiert vergaberechtlich kein Zwang, entsprechend zu verfahren.
Der Nachprüfungsantrag ist selbst dann unbegründet, wenn man mit VK und AS davon ausgeht, dass die in der Leistungsbeschreibung vorgenommene Festlegung auf sämtliche PZN nicht der freien Willensbildung der AG unterlag. Auch unter dieser Prämisse trifft der Auftraggeber die Entscheidung, welche Leistung oder welcher Gegenstand beschafft werden soll, grundsätzlich ebenfalls zunächst in eigener Verantwortung. Die Vorschriften in den Verdingungsordnungen – hier insbesondere §§ 8 Nr. 3 Abs. 3 und 5, 8a Nr. 5 VOL/A – schränken die in der Leistungsbeschreibung vorgenommene Festlegung auf ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Leistung nach dieser Ansicht lediglich dahingehend ein, dass es einer sachlichen Rechtfertigung durch die Art der zu vergebenden Leistung bedarf. Dabei steht dem Auftraggeber ein in der Privatautonomie wurzelndes Beurteilungsermessen zu, das letztlich nur darauf kontrolliert werden kann, ob seine Entscheidung vertretbar ist (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.10.2008 – VII-Verg 46/08, VergabeR 2009, 173; Beschluss vom 14.04.2005 – VII Verg 93/04, VergabeR 2005, 513; Dreher in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl. 2007, § 99, Rdn. 9; Weyand, ibr-online-Kommentar, § 9 VOB/A, Rdn. 4205 f.; Lausen in: jurisPK-VergabeR, § 9 VOB/A, Rdn. 112 ff., jeweils m.w.N.). Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen ist die Ausschreibung nach einzelnen PZN sachlich gerechtfertigt und daher von der AS hinzunehmen.
Es muss zunächst berücksichtigt werden, dass eine – wie die AG zu 1) zutreffend mit Schreiben vom 16.07.2008 ausgeführt hat – den Maßgaben des § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V vergleichbare Ersetzungspflicht für Vertragsärzte im Rahmen des SSB nicht existiert. Denn § 129 Abs. 1 SGB V richtet sich seinem eindeutigen Wortlaut nach ausschließlich an Apotheken bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte. Vertragsärzte können mithin nicht zu einer Substitution von wirkstoffgleichen Kontrastmitteln im Rahmen des Sprechstundenbedarfs veranlasst werden. Eine derartige Möglichkeit besteht auch nicht über den Abschluss wirkstoff- oder indikationsbezogener Rahmenvereinbarungen. Wenn aber eine Ersetzungspflicht für Vertragsärzte bei der Verordnung von SSB – also auch von Kontrastmitteln – nicht existiert, macht es keinen Sinn, den AG wirkstoff- oder indikationsbezogene Ausschreibungen vorzugeben. Denn letztlich müssen die im Rahmen der Verordnung von SSB gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten auch vergaberechtlich hingenommen werden.
Die AG haben im Rahmen des ihnen zustehenden Beurteilungsermessens weiterhin das Für und Wider einer wirkstoff- bzw. indikationsbezogenen Ausschreibungskonzeption gegeneinander abgewogen. Sie haben dabei selber den Standpunkt vertreten, dass unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit wirkstoffbezogene Ausschreibungsmodelle zu bevorzugen seien, für eine Durchsetzbarkeit gegenüber radiologisch tätigen Vertragsärzten vor allem wegen einer fehlenden gesetzlich normierten Ersetzungspflicht jedoch keinerlei Handhabe bestehe (vgl. Protokoll der gemeinsamen Besprechung vom 25.06.2008; Schreiben vom 16.07.2008 – Vergabevermerk). Die wirkstoffbezogene Ausschreibung ist entgegen der Ansicht der VK nicht aus "politischen" Gründen nicht weiter verfolgt worden, sondern vor dem Hintergrund der bereits oben skizzierten fehlenden Ersetzungspflicht von Vertragsärzten. Dabei mag es zwar zutreffen, dass z.B. durch wirkstoffbezogene Ausschreibungen möglicherweise größere Wirtschaftlichkeitsreserven erschlossen worden wären. Gleichwohl zeigt der Gang der Ausschreibung auch, dass auf eine nicht unerhebliche Zahl von Losen bis zu vier Wettbewerber Angebote abgegeben haben und somit der Wettbewerb zumindest auf der Vertriebsebene eröffnet wurde.
Die AG durften außerdem die von den Radiologen erhobenen Bedenken im Hinblick auf etwaige allergische – möglicherweise tödliche – Reaktionen bei ausschließlich wirkstoffbezogenen Verordnungen aufgreifen und diese Gesichtspunkte bei der Bestimmung ihres Beschaffungsbedarfs einbeziehen. Dabei geht der Senat nicht davon aus, dass es sich lediglich um pauschale Behauptungen der Vertragsärzte gehandelt hat, zumal es für die Annahme einer solchen These an durchgreifenden Anhaltspunkten fehlt.
Abgesehen davon ist zu berücksichtigen, dass Radiologen jedenfalls bei der Verordnung von SSB nicht unter Berufung auf den Grundsatz der Produktneutralität oder unter abstrakter Benennung des Wirtschaftlichkeitgebotes (§§ 2 Abs. Abs. 1 und 4, 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SGB V) zu einer Substitution wirkstoffgleicher Kontrastmittel gezwungen werden können. Zwar haben die VK und die AS zutreffend darauf verwiesen, dass die ärztliche Therapiefreiheit durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt wird und dass Vertragsärzten demzufolge nicht die uneingeschränkte Dispositionsbefugnis darüber zukommt, was gesetzliche Krankenkassen als Sachleistung (oder ggf. im Wege der Kostenerstattung) zu gewähren haben. Wie bereits oben skizziert, existiert jedoch keine gesetzliche (oder vertragliche) Grundlage, die Vertragsärzten eine Ersetzungspflicht auferlegt.
Würde man jedoch Vertragsärzten unter abstrakter Berufung auf das Wirtschaftlichkeitsgebot eine Substitutionspflicht für die Verordnung von Kontrastmitteln auferlegen, sähen sich diese mit einer über die Vorgaben des § 129 Abs. 1 SGB V hinausgehenden Verpflichtung konfrontiert. Denn § 129 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. b) SGB V eröffnet Vertragsärzten die Möglichkeit, die Ersetzung auszuschließen. Eine solche wäre bei konsequenter Weiterverfolgung des von der VK gewählten Ansatzes nicht möglich. Für den hier zu beurteilenden Sachverhalt muss es somit dabei bleiben, dass der Durchsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots in der vertragsärztlichen Versorgung nach der gesetzlichen Konzeption des SGB V u.a. durch Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen (§§ 106, 106a SGB V) Rechnung getragen wird (zur Wirtschaftlichkeitsprüfung bei SSB vgl. BSG, Urteil vom 06.05.2009 – B 6 KA 2/08 R).
Der Senat setzt sich mit seinen Ausführungen zum Grundsatz der Produktneutralität nicht in Widerspruch zu dem Beschluss des LSG Baden-Württemberg v. 17.02.2009 – L 11 WB 381/09. Das LSG Baden-Württemberg hat dort die Auffassung vertreten, dass Unterschiede zwischen wirkstoffgleichen Arzneimitteln für die Ausschreibung nur erheblich seien, wenn und soweit sich die Arzneimittel in ihrer therapeutischen Wirkung unterschieden. Der geschützte Markenname sei jedoch kein Kriterium, das bei der Ausschreibung von Rabattverträgen berücksichtigt werden müsse oder dürfe. Diese Ausführungen stehen ersichtlich im Zusammenhang mit der in dem dortigen Rechtsstreit zu beurteilenden Frage, ob pharmazeutische Unternehmer, die zwei Arzneimittel mit identischen Wirkstoffen unter verschiedenen Marken, jedoch erheblichen Preisunterschieden herstellen und vertreiben, im Rahmen einer Ausschreibung gezwungen werden können, Angebote für beide Präparate und sämtliche PZN abzugeben. Das LSG Baden-Württemberg verhält sich jedoch nicht ausdrücklich und tragend zum Grundsatz der Produktneutralität. Zudem ist unstreitig, dass – wie oben aufgezeigt – jedenfalls aus sachlichen Gründen u.a. auch Markennamen verwendet werden dürfen und die AG für die von ihnen durchgeführten PZN-bezogenen Ausschreibungen sachliche Gründe hatten. Eine Vorlage an das BSG gemäß § 142a Abs. 4 Satz 1 SGG war daher nicht erforderlich.
Schließlich ist ein Verstoß gegen § 5 Nr. 1 Satz 1 und 2 VOL/A nicht erkennbar. Denn der Wettbewerb wurde – wie bereits ausgeführt – jedenfalls auf der Vertriebsebene eröffnet. Zu berücksichtigen ist auch im vorliegenden Zusammenhang, dass eine Vergabestelle berechtigt ist, Inhalt und Umfang der auszuschreibenden Leistung nach funktionalen Notwendigkeiten zu bestimmen (Otting in: Bechtold, GWB, 5. Aufl. 2008, § 97, Rdn. 17 m.w.N.). Dies ist jedoch, wie die obigen Ausführungen zeigen, geschehen. Ungeachtet dessen ist zweifelhaft, ob ein Bieter rügen kann, dass durch die Aufteilung in zu viele Fachlose eine unwirtschaftliche Zersplitterung i.S.d. § 5 Nr. 1 Satz 2 VOL/A entstanden sei. Denn die Möglichkeit eines Auftraggebers, unter der Voraussetzung der Unwirtschaftlichkeit auf eine Losaufteilung ganz zu verzichten, dient allein der Berücksichtigung haushaltsrechtlicher Aspekte. Unwirtschaftlich kann die Zersplitterung einer Leistung nur zu Lasten des Auftraggebers sein, so dass ein Bieter grundsätzlich nicht mit Erfolg geltend machen kann, dass eine "Gesamtvergabe" hätte durchgeführt werden müsse (vgl. Weyand, ibr-online-Kommentar Vergaberecht, § 97 GWB, Rdn. 268 m.w.N.). Der Senat neigt dazu, diese Gesichtspunkte auch dann anzuwenden, wenn Bieter eine Aufteilung in zu viele Lose rügen. Letztlich kann diese Frage hier jedoch offen bleiben.
Die Kostenentscheidung für das Verfahren vor der VK beruht auf § 128 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 GWB. Der Beigeladenen zu 5) sind in entsprechender Anwendung des § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten, weil sie sich an dem Verfahren streitig beteiligt hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 26.11.2008 – VII-Verg 54/08; Lausen, NZBau 2005, 440 (441) m.w.N.). Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für sie notwendig (§ 128 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 80 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)).
Für das Beschwerdeverfahren folgt die Kostenentscheidung aus einer entsprechenden Anwendung des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht im Übrigen gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO schon deshalb der Billigkeit, der AS auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 5) aufzuerlegen, weil sich diese auch im Verfahren der sofortigen Beschwerde streitig beteiligt und erfolgreich Anträge gestellt hat (vgl. BSG, Urteil vom 31.05.2006 – B 6 KA 62/04 R, NZS 2007, 391).
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§§ 177, 142a SGG).
Erstellt am: 22.10.2009
Zuletzt verändert am: 22.10.2009