Rev. der Klägerin mit Urteil zurückgewiesen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 29. Juli 2009 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin (Kl) macht (nach einem vor dem Senat geschlossenen Teil-Unterwerfungsvergleich) noch Restvergütungsansprüche über zusammen 20,26 EUR für drei Krankenhausbehandlungen von Versicherten der Beklagten (Bekl) im Zeitraum zwischen dem 15.07.2007 und dem 01.08.2007 geltend. Streitig ist, ob ihre Vergütung zu Recht um den mit Wirkung vom 01.01.2007 eingeführten Abschlag in Höhe von 0,5 % des Rechnungsbetrages als sog "Krankenhaus-Sanierungsbeitrag" nach § 8 Abs 9 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in der Fassung (idF) des Art 19 Nr 2 des "Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung" (GKV-WSG) vom 26.03.2007 (Bundesgesetzblatt – BGBl – I, 378) gemindert worden ist.
Die in H ansässige Kl betreibt als gGmbH (ua) ein nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus (KH) in X. Sie ist Mitglied der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), die wiederum Mitglied der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) ist. Zwischen der KGNW und unter anderem (-ua-) dem Landesverband der Betriebskrankenkassen, dem die Bekl angehört, ist zwecks Versorgung der gesetzlich krankenversicherten Mitglieder der Bekl mit stationären Krankenhausleistungen ein Sicherstellungsvertrag nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V geschlossen worden (Vertrag vom 06.12.1996 idF des Änderungsvertrages vom 19.08.1998 (Sicherstellungsvertrag)), der trotz zwischenzeitlicher Kündigung aufgrund einer Vereinbarung zwischen der KGNW und den Verbänden der Krankenkassen vorläufig bis zur Neuregelung des Vertragsverhältnisses weiter gilt (vgl die vom Senat im Verfahren L 16 KR 111/08 eingeholte Auskunft der KGNW vom 24.02.2009). Danach richtet sich die Rechnungslegung einschließlich der Zuzahlungen gemäß § 39 Abs 4 SGB V nach der Datenübermittlungs-Vereinbarung gemäß § 301 Abs 3 SGB V in der jeweils aktuellen Fassung.
Auf Bundesebene vereinbarte die DKG mit den Verbänden der Krankenkassen ("Empfehlungsvereinbarung zur Umsetzung der Abschlagsregelung nach § 8 Abs 9 KHEntgG" vom 04.04.2007 idF des Nachtrags vom 13.04.2007), dass der oben genannte (og) Sanierungsbeitrag nach § 8 Abs 9 KHEntgG als Abschlag zur Fortschreibung der Anlage Datenübermittlungs-Vereinbarung gemäß § 301 Abs 3 SGB V auf jeder Rechnung ausgewiesen werden solle. Dabei machte die DKG ausdrücklich folgenden Vorbehalt geltend (Schreiben an den Verband der Angestellten-Krankenkassen eV (VdAK) vom 12.04.2007):
"Der in § 8 Abs 9 KHEntgG geregelte Sanierungsbeitrag, dessen technische Realisierung ein wesentlicher Bestandteil des Nachtrags vom 13.04.2007 ist, ist nach Einschätzung der DKG verfassungswidrig. Er wird daher unberechtigt erhoben und von uns nicht akzeptiert. Die Nachtragsregelung zur technischen Durchführung und entsprechende Rechnungskürzungen erkennen wir daher nur vorläufig und unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Klärung der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Sanierungsbeitrages an."
Dieser Rechtsauffassung schloss sich die KGNW mit Schreiben an die Landesverbände der Krankenkassen in Nordrhein-Westfalen (NRW) vom 04.07.2007 voll inhaltlich an. Mit Schreiben vom 27.06.2007 behielt sich die Kl gegenüber der Bekl aufgrund des von ihr ebenfalls als verfassungswidrig erachteten Sanierungsbeitrages "alle weiteren Rechte" ausdrücklich vor, insbesondere:
" … die Geltendmachung der Rückerstattung der einbehaltenen bzw zu Unrecht gekürzten Mittel."
Für Behandlungen nach dem 30.06.2007 entlassener Patienten übermittelte die Kl der Bekl für erbrachte Krankenhausleistungen auf der Grundlage der Bundesempfehlungen nach der Datenübermittlungs-Vereinbarung nach § 301 Abs 3 SGB V zusammen 31 Schlussrechnungen (siehe Anlage 6 der Klageschrift vom 26.11.2007). Zu Gunsten der Bekl wies sie dabei jeweils einen Abschlag von 0,5 % des jeweiligen Rechnungsbetrages nach § 8 Abs 9 KHEntgG von zusammen 512,67 EUR aus und erhielt von der Bekl die entsprechend gekürzte Vergütung ausgezahlt.
Wegen des Restvergütungsanspruchs in Höhe von 512,67 hat die Kl am 18.12.2007 vor dem Sozialgericht (SG) Aachen Klage gegen die Bekl erhoben und sich zur Begründung auf ein Rechtsgutachten des Prof Dr T aus Juni 2007 (Anlage zum KGNW-Rundschreiben Nr 204/2007 vom 09.07.2007) berufen, wonach die Vorschrift des § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG verfassungswidrig sei: Der Sanierungsbeitrag stelle eine unzulässige Abgabe dar, für welche die Gesetzgebungskompetenz fehle. Die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgestellten Anforderungen an eine zulässige Sonderabgabe seien nicht erfüllt. Der Sanierungsbeitrag greife in die durch Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) gewährleistete Berufsfreiheit privater Krankenhausträger ein und verletze den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Da auch in bereits entstandene Vergütungsforderungen eingegriffen werde, werde auch Art 14 Abs 1 GG verletzt.
Die Kl hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr 512,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 18.12.2007 zu zahlen,
hilfsweise,
das Verfahren nach Art 100 Abs 1 Grundgesetz (GG) auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung vorzulegen, ob § 8 Abs 9 KHEntgG formell und materiell verfassungsmäßig ist.
Die Bekl hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten: Die reine Leistungsklage sei bereits unzulässig. Es gehe der Kl ausschließlich um die Verfassungsmäßigkeit des KHEntgG, deshalb sei sie auf die Verfassungsbeschwerde zu verweisen. Diese sei hier auch nach dem Gutachten des Prof Dr T vorrangig. Der Kl fehle ferner die Klagebefugnis, weil sie nicht Trägerin von Grundrechten sei, denn obwohl sie privatrechtlich organisiert sei, sei die Gesellschaft nicht auf menschliche Grundrechtsräger rückführbar (Hinweis auf BVerfG NJW 1990, 63, 78 ff). Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Ein über die bereits erbrachten Zahlungen hinausgehender Vergütungsanspruch stehe der Kl nicht zu. Der Sanierungsbeitrag nach § 8 Abs 9 KHEntgG sei weder aus formellen, noch aus materiellen Gründen verfassungswidrig.
Mit Urteil vom 29.07.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der in den streitbefangenen 31 Rechnungen von der Kl vorgenommene und ausgewiesene 0,5 %-ige Abschlag sei rechtmäßig. Rechtsgrundlage hierfür sei § 8 Abs 9 KHEntgG, der der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers nach Art 74 Abs 1 Nrn 12, 19a GG iVm Art 72 Abs 2 GG unterfalle. Danach habe der Bundesgesetzgeber von seiner Regelungsbefugnis auf dem Gebiet der Sozialversicherung und der Krankenhauspflegesätze Gebrauch gemacht, um eine Regelung zur Herstellung gleichwerter Lebensverhältnisse im Bundesgebiet und einer bundeseinheitlichen Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamten Interesse zu treffen. Der Sanierungsbeitrag stelle keine verfassungsrechtliche Umgehung der Vorschriften der Finanzverwaltung dar. Dies könne allenfalls in Betracht gezogen werden, wenn es sich um die Auferlegung einer nicht-steuerlichen Abgabe handele, was hier gerade nicht der Fall sei. Es handele sich hier vielmehr um einen Zwangsrabatt im Sinne einer staatlichen Preisreglementierung, ähnlich der schon vom BVerfG für zulässig erachteten Rabattverpflichtung der pharmazeutischen Unternehmen nach § 130a SGB V (BVerfG, Beschluss vom 13.09.2005 – 2 BvF 2/03 – Sozialrecht (SozR) 4-2500 § 266 Nr 9= BVerfGE 114, 196).
§ 8 Abs 9 KHEntgG sei auch materiell-rechtlich verfassungskonform: Zwar stelle die Abschlagsregelung des § 8 Abs 9 KHEntgG einen Eingriff in die von Art 12 Abs 1 GG geschützte Berufsfausübungsfreiheit dar. In Ansehung des legitimen Zwecks der Regelung (vgl Bundestagsdrucksache (BT-Drucks) 16/3100, 1, 89), der Beteiligung der Krankenhäuser an der Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, sei der Eingriff jedoch durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Die Regelung sei geeignet, weil sie zur Senkung der Ausgaben der Krankenkassen und dadurch zur Stabilität des Beitragssatzes beitrage,
– erforderlich, weil sich durch eine geringere Belastung als 0,5 % die mit dem Gesetz verfolgten Ziele nach der dem Gesetzgeber zuzubilligenden Einschätzungsprärogative nicht hätten erreichen lassen;
– angemessen und zumutbar, weil der Gesetzgeber die Interessen der Beteiligten (der Krankenhäuser an angemessener Vergütung und der Krankenkassen bzw ihrer Versicherten an der Stabilität der Beitragssätze) zu einem insgesamt angemessenen Ausgleich bringe.
In § 8 Abs 9 KHEntgG könne auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art 3 Abs 1 GG erblickt werden, denn alle Krankenhäuser, die dieser Belastung unterliegen, seien nach dem Zweck der Regelung gleich betroffen (BT-Drucks 14/4247, 64). Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG lasse sich auch nicht durch einen Vergleich mit anderen Leistungserbringern wie Vertragsärzten oder Apothekern oder mit den Leistungsempfängern begründen.
Schließlich sei § 8 Abs 9 KHEntgG mit Art 14 Abs 1 GG vereinbar. Der Abschlag stelle keine Sonderabgabe im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG dar.
Gegen das Urteil hat die Kl am 19.08.2008 Berufung eingelegt. Sie vertritt weiterhin unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die Auffassung, der auf § 8 Abs 9 KHEntgG beruhende Sanierungsbeitrag mit seinem Rechnungsabschlag von 0,5 % der Rechnungssumme verletze sie in ihren Rechten und verstoße gegen Art 3, 12 und 14 GG.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 09.09.2009 hat die Kl ihr Begehren auf drei mit der Bekl abgestimmte Behandlungsfälle der Versicherten der Bekl
Fallnummer (FN) 000 , Versicherter A.P., ( Abschlag 2,30 EUR ),
FN 001, Versicherter H.L. ( Abschlag 7,45 EUR ),
FN 002, Versicherter W.W., (Abschlag 10,51 EUR),
beschränkt und dementsprechend die Forderung auf die diesen Rechnungen zugrundeliegenden Restvergütungsansprüche von 20,26 EUR begrenzt. Hinsichtlich aller übrigen streitigen Forderungen von noch 492,41 EUR haben die Beteiligten einen Unterwerfungsvergleich (§ 101 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), bezogen auf eine abschließende, rechtskräftige Entscheidung im hier zur Entscheidung stehenden Rechtsstreit, vereinbart.
Die Kl beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 29.07.2008 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr aus Anlass der Behandlung der Versicherten A.P., H.L. und W.W. (Fallnummmern 219061908, 219062494, sowie 219063597) noch weitere 20,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 18.12.2007 (Rechtshängigkeit/Klageeingang) zu zahlen.
hilfsweise,
das Verfahren nach Art 100 Abs 1 Grundgesetz auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen, ob § 8 Abs 9 KHEntgG formell und materiell verfassungsmäßig war/ist.
Die Bekl beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die ihrer Meinung nach zutreffenden Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der die drei streitigen Behandlungsfälle betreffenden Krankenhausakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kl ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.
Die Kl ist klagebefugt, sie macht einen eigenen Vergütungsanspruch für Leistungen des von ihr betriebenen Krankenhauses geltend. Die Klagebefugnis fehlt nur dann, wenn der Kl das geltend gemachte Recht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen kann, die Möglichkeit einer Verletzung ihrer subjektiven Rechte nicht möglich erscheint (sog Möglichkeitstheorie: BSGE 43,134 = SozR 4100 § 34 Nr. 6; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 96,302). Der Anspruch der Kl auf ungekürzte Vergütung ihrer Leistungen kann zwar, worauf die Bekl richtig hingewiesen hat, nur dann bestehen, wenn die Abschlagsregelung für nichtig oder für mit der Verfassung nicht vereinbar erklärt wird, was außerhalb der Befugnise der angerufenen Fachgerichte liegt. Entgegen der Ansicht der Bekl kann die Klägerin aber nicht auf die Verfassungsbeschwerde verwiesen werden. Die Verfassungsbeschwerde gemäß Art 93 GG ist subsidiär; die Erschöpfung des Rechtswegs ist in den Fällen erforderlich, in denen ein Rechtsweg prinzipiell eingeräumt ist (vgl § 90 Abs 2 S 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz – BVerfGG – ). Selbst wenn eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Gesetz gegeben wäre oder die Ausschöpfung des Rechtswegs wegen der Eindeutigkeit der Rechtslage als dem Beschwerdeführer ausnahmsweise unzumutbar angesehen würde (vgl dazu Pieroth in Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, 9. Aufl 2007, Art 93 Rn 64 nwN), würde dies die gleichwohl erhobene Klage vor den Fachgerichten nicht unzulässig machen, zumal auch dieser Weg über Art 100 GG zum Erfolg führen könnte.
Die Kl verfolgt ihren Vergütungsanspruch zutreffend im Wege der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG. Die Klage eines Krankenhauses auf Zahlung der vollständigen Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine Krankenkasse ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (ständige Rechtsprechung (stRspr), vgl BSG, Urteile vom 16.12.2008 – B 1 KN 3/08 KR R und B 1 KR 10/08 R – juris. de; vom 20.11.2008 – B 3 KN 4/08 KR R – juris.de). Der Klage kann auch nicht entgegen gehalten werden, der Restvergütungsanspruch sei nicht schon vorprozessual erhoben worden, denn die Ausweisung der gekürzten Rechnungsbeträge erfolgte auf der Grundlage der Vereinbarungen der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung und der DKG vorläufig und unter Vorbehalt. Schließlich hat die Kl ihre Klageforderung auch mit 20,26 EUR konkret beziffert (zur Notwendigkeit der Bezifferung einer Klage auf Vergütung von Krankenhausleistungen, BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 3/08 KR R – aaO).
Die Klage ist aber unbegründet. Die Kl hat für die drei stationären Behandlungen (FN 000, 001, 002) keinen Restvergütungsanspruch.
Rechtsgrundlage für die Vergütungsansprüche der Kl ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm §§ 7 und 8 KHEntgG und dem Fallpauschalen-Katalog nach § 9 Abs 1 Nrn 1-3 KHEntgG sowie dem zu § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V in NRW geschlossenen Sicherstellungsvertrag vom 06.12.1996 idF vom 19.08.1998 (zur Abrechnung von Vergütungsleistungen im DRG-System, BSG, Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R – juris.de).
Das Klinikum der Kl hat an den Versicherten A.P., H.L. und W.W. notwendige stationäre stationäre Krankenhausbehandlungen durchgeführt (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V), und diese richtig gegenüber der Beklagten abgerechnet. Das ergibt sich aus den vom Senat beigezogenen Behandlungsunterlagen und der Überprüfung der Rechnungen anhand des WebGroupers des Universitätsklinikums N. Ohne die hier streitige Kürzung des Vergütungsanspruchs um den sog Sanierungsbeitrag hätte sich danach, wie unter den Beteiligten unstreitig ist, für die hier noch in Rede stehenden stationären Behandlungen ein um insgesamt 20,26 EUR höherer Vergütungsanspruch ergeben. Die Kl kann aber diesen Restbetrag nicht verlangen, denn die Kürzung ist zu Recht erfolgt.
Das ergibt sich aus § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG. Danach ist bei gesetzlich krankenversicherten Patienten, die nach dem 31.12.2006 entlassen werden, ein Abschlag von 0,5 % des Rechnungsbetrages vorzunehmen und auf der Rechnung des Krankenhauses auszuweisen. Das ist in den drei zur Entscheidung gestellten stationären Behandlungsfällen geschehen, was zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht umstritten ist. Sachlich und rechnerisch richtig und in Übereinstimmung mit der in § 1 der "Empfehlungsvereinbarung zur Umsetzung der Abschlagsregelung nach § 8 Abs 9 KHEntgG" vom 04.04.2007 idF des Nachtrags vom 13.04.2007 hat die Kl auf den drei Endabrechnungen, die ausnahmslos auch nur Behandlungsfälle von gesetzlich krankenversicherten Mitgliedern der Bekl nach Juli 2007 (Entlassungsdatum) betreffen, den Abschlag von 0,5 % des Rechnungsbetrages (§ 8 Abs 9 Satz 3 KHEntgG) vorgenommen, ausgewiesen und dem technisch-maschinellen Abrechnungsverfahren zugeführt. Die um den Abschlag gekürzte Vergütung hat die Beklagte geleistet. Damit hat sie die hier allein noch streitigen Behandlungsfälle vollständig vergütet.
Weil danach die Hauptforderung der Kl nicht begründet ist, besteht auch kein Zinsanspruch.
Der Hilfsantrag der Kl ist nicht begründet, weil die Voraussetzungen des Art 100 Abs 1 GG nicht erfüllt sind. Der Senat ist nicht von der Verfassungswidrgkeit des § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG überzeugt.
Entgegen der Auffassung der Kl fällt der streitige Abschlag in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art 74 Abs 1 Nrn 12 und 19a GG.
Die konkurrierende Bundesgesetzgebung erstreckt sich gemäß Art 74 Abs 1 Nr 12 GG ua auf die Sozialversicherung und gemäß Art 74 Abs 1 Nr 19a GG auf die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze.
Die gesetzliche Krankenversicherung ist eine Sozialversicherung im Sinne von Art 74 Abs 1 Nr 12 GG. Die durch diese Vorschrift begründete Gesetzgebungskompetenz erfasst auch Regelungen zur Finanzierung der Sozialversicherung. Dazu rechnen nicht nur Regelungen über die Beitragsaufbringung, sondern insbesondere auch Regelungen zur finanziellen Entlastung der Sozialversicherungssysteme (vgl BVerfGE 113,167,196 f; Axer in Bonner Kommentar, Stand Dezember 2006, Art 74 Nr 12 Rn 40; Degenhart in Sachs, GG Kommentar, 4. Aufl 2007, Art 74 Rn 59 zum Risikostrukturausgleich). Halten sich gesetzgeberische Regelungen – wie hier die über den Abschlag nach § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG – sachlich-gegenständlich im Kompetenzbereich Sozialversicherung, sind deshalb die zur Finanzierung getroffenen Regelungen des Beitrags- und Finanzierungsrechts kompetenzrechtlich unbedenklich (vgl Sännwald in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau GG Kommentar, 2008, Art 74 Rn 162). Mit Recht hat deshalb das SG die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art 74 Abs 1 Nr 12 GG bejaht, weil § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG dem Erhalt der Leistungsfähigkeit des Krankenversicherungssystems durch Verringerung der Kosten für die Krankenhausbehandlungen dient.
Der Senat teilt ferner nicht die auf Prof. Dr. T gestützten Bedenken der Kl gegen die Qualifizierung des Abschlags nach § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG als Regelung der Krankenhauspflegesätze im Sinne des Art 74 Abs 1 Nr 19a GG. Pflegesätze sind Entgelte der Nutzer oder Kostenträger für die (teil-) stationären Leistungen der Krankenhäuser (vgl Degenhardt, aaO Rn 89; siehe auch § 2 Nr 4 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG)). Der Abschlag nach § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG setzt zwar keine Vergütung für eine bestimmte Einzelleistung des Krankenhauses fest, regelt aber mit der Kürzung um 0,5% (nach Maßgabe seines Satzes 3) das Entgelt des Krankenhauses für die insgesamt im jeweiligen Behandlungsfall erbrachten Leistungen und ist damit eine Regelung der Krankenhauspflegesätze im Sinne des Art 74 Abs 1 Nr 19a GG, für die der Bundesgesetzgeber (in Verbindung mit Art 72 Abs 2 GG) zuständig gewesen ist.
Der Senat hat sich auch nicht davon überzeugen können, dass die Kl in Grundrechten aus Art 12 Abs 1, Art 14 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG verletzt ist.
Die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob die Klägerin als juristische Person des Privatrechts nach Art 19 Abs 3 GG Trägerin dieser Grundrechte ist, kann der Senat letztlich offen lassen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG können allerdings juristische Personen des Privatrechts, wenn diese sich überwiegend im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, nicht auf den Schutz der materiellen Grundrechte berufen, soweit sie bestimmungsgemäß öffentliche Aufgaben wahrnehmen und in dieser Funktion von dem angegriffenen Hoheitsakt betroffen sind (vgl zuletzt BVerfG, Beschluss vom 18.05.2009 – 1 BvR 1731/05 mwN). So hat das BVerfG die Frage, ob sich ein mehrheitlich in öffentlicher Hand befindliches Stromversorgungsunternehmen auf materielle Grundrechte berufen kann, ausdrücklich verneint (vgl BVerfG NJW 1990, 1783; kritisch dazu zB Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, 9. Aufl 2007, Art 19 Rn 17 ff). Inwieweit die Kl von einer Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts beherrscht wird und dem bestimmenden Einfluss eines Hoheitsträgers unterliegt, kann hier, abgesehen davon, dass die Grundrechte des GG auch objektiv-rechtliche Wertentscheidungen der Verfassung darstellen, deshalb dahinstehen, weil, wie das SG richtig erkannt hat, der Abschlag nach § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG ohnehin nicht geeignet ist, mögliche Grundrechte der Kl zu verletzten.
Gemäß Art 12 Abs 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. Art 12 Abs 1 GG schützt die Erwerbszwecken dienende Tätigkeit und ist insoweit nach Art 19 Abs 3 GG im Grundsatz auch auf inländische juristische Personen oder privatrechtliche Vereinigungen anwendbar (vgl BVerfGE 114,196= SozR 4-2500 § 266 Nr 9; Hofmann aaO, § 12 Rn 7).
Da der Abschlag nach § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG die Entgelte der Krankenhäuser reglementiert, enthält er eine Berufsausübungsregelung im Sinne des Art 12 Abs 1 S 2 GG (vgl BVerfGE 114,196). Diese Berufsausübungsregelung ist jedoch entgegen der Ansicht der Kl durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls, nämlich das Ziel der Stabilisierung der GKV (BT-Drucks 16/3100, S 1, 89) gerechtfertigt. Er ist insbesondere geeignet, erforderlich und angemessen. Das hat das SG zutreffend, und durch die Rechtsprechung des BVerfG belegt, eingehend und überzeugend dargelegt, sodass der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug nehmen kann, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs 2 SGG). Auch der Senat sieht insbesondere unter Würdigung des Beschlusses des BVerfG vom 13.09.2005 (aaO) grundsätzlich keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems als Zielvorgabe mit einer staatlich vorgegebenen Preisreglementierung zu unterstützen. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass nach § 8 Abs 9 Satz 1 letzter Halbsatz KHEntgG die Maßnahme ohnehin nur zeitlich befristet angelegt war und von einer Existenzgefährdung der betroffenen Krankenhäuser durch den Abschlag nach § 8 Abs 9 Satz 1 letzter Halbsatz KHEntgG tatsächlich nicht gesprochen werden kann.
Ein unzulässiger Eingriff in das Eigentumsrecht der Kl liegt in der Abschlagsregelung des § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG nicht. Gemäß Art 14 Abs 1 GG werden Eigentum und Erbrecht gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. Träger dieses Grundrechts können auch inländische juristische Personen sein (vgl zB Hofmann aaO, Art 14 Rn 3; Wendt in Sachs, GG aaO, Art 14 Rn 16). Die bloßen Erwerbsmöglichkeiten oder Erwerbserwartungen der Kl, die sich aus dem bloßen Fortbestand der früheren – für die Kl günstigeren – Gesetzeslage ergaben, werden von Art 14 GG jedoch nicht erfasst (vgl Wendt, aaO, Rn 44 mwN). Die aus den zugrunde liegenden Behandlungsfällen resultierenden Vergütungsansprüche sind aber erst mit der Behandlung der Versicherten im Laufe des Jahres 2007 entstanden. Auch wenn man Art 14 Abs 1 GG neben Art 12 Abs 1 GG für einschlägig halten wollte, weil durch Art 14 Abs 1 GG über den Bestand des Unternehmens hinaus dessen gesamte funktionswesentliche Tätigkeit umfasst wird und deshalb der gewinnbringende Einsatz des Unternehmens überhaupt geschützt wird (vgl Wendt aaO, Rn 48) ergeben sich unter dem Blickwinkel des Art 14 Abs 1 GG keine anderen Aspekte hinsichtlich der Schrankenbestimmung und der Rechtfertigung der von der Klägerin beanstandeten Regelung, als sie vom SG zu Art 12 Abs 1 GG dargelegt worden sind. Der Einwand der Kl insbesondere, es handele sich um eine unzulässige Sonderabgabe, ist bei Preisregulierungsregelungen wie dem Abschlag nach § 8 Abs 9 KHEntgG in diesem Zusammenhang irrelevant (vgl BVerfGE 114, 196 ff).
Zu Recht hat das SG schließlich auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG) verneint.
Nach Art 3 Abs 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Selbst wenn man, wovon die Bekl auszugehen scheint, wofür der Senat jedoch keinen Anhalt hat, die Kl als von einer Gebietskörperschaft beherrscht ansehen würde (siehe oben) und einer juristischen Person des öffentlichen Rechts insoweit gleich stellte, (als für diese das Grundrecht aus Art 3 Abs 1 GG nicht gilt, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen), beanspruchte der allgemeine Gleichheitssatz gleichwohl hier jedenfalls Geltung als Wertentscheidung und fundamentales Verfassungsprinzip. Verletzt wäre Art 3 Abs 1 GG indes in jedem Falle durch den der Kl auferlegten Abschlag nicht. Auch insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug. Das SG hat dort insbesondere überzeugend ausgeführt, dass es nicht sachwidrig ist, dass bestimmte Leistungserbringer, hier die nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser, stärker an der von den am Gesundheitssystem der gesetzlichen Krankenversicherung Beteiligten (Leistungserbringern und Versicherungsträgern mit ihren Versicherten) zu leistenden Sanierung zu beteiligen. Auch hinsichtlich der Entwicklung von Unterstützungsbedürftigkeit der Krankenkassen einerseits und der Leistungsfähigkeit der anderen am System der gesetzlichen Krankenversicherung Beteiligten andererseits steht dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu, deren Grenze hier nicht überschritten worden ist.
Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen, obwohl die Regelung des § 8 Abs 9 Nr 1 KHEntgG ausgelaufen ist, denn er misst der Rechtssache wegen der Vielzahl der anhängigen Gerichtsverfahren grundsätzliche Bedeutung bei.
Erstellt am: 06.07.2010
Zuletzt verändert am: 06.07.2010