Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 20.04.2009 wird zurückgewiesen. Kosten haben sich die Beteiligten nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die Dauer des der Klägerin zu gewährenden Elterngelds; die Klägerin hält die Regelung über die so genannten Partnermonate für verfassungswidrig.
Die Klägerin ist die Mutter des am 00.00.2007 geborenen Kindes K. Sie ist mit dem Vater von K verheiratet und lebt mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft.
Vor der Geburt des Kindes war die Klägerin bis zum 10.10.2007 berufstätig. Im Dezember 2007 beantragte sie Elterngeld für den 1. bis zum 14. Lebensmonat von K.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin Elterngeld mit Bescheid vom 22.01.2008 für zwölf Monate.
Auf den Widerspruch der Klägerin legte die Beklagte mit Bescheid vom 18.02.2008 dem Elterngeld durchschnittliche monatliche Nettoeinkünfte vor der Geburt des Kindes K in Höhe von 1.607 Euro anstatt 1.571,64 Euro zugrunde. Die Erhöhung ergab sich daraus, dass die Beklagte die steuerliche Belastung durch von der Klägerin erhaltene Einmalzahlungen berücksichtigte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2008 wurde der weitergehende auf Zahlung von Elterngeld für 14 Monate gerichtete Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klägerin hat am 16.09.2008 Klage erhoben. Die Regelung, dass ein Elternteil für höchstens 12 Monate Elterngeld beziehen könne, sei verfassungswidrig und verstoße gegen Artikel 6 Abs. 1 GG. Unter den in § 4 BEEG genannten Voraussetzungen könnten Alleinerziehende für 14 Lebensmonate Elterngeld beanspruchen. Der Zwang, dass bei zusammen lebenden Eltern zur Ausschöpfung der vollen Anspruchsdauer ein Elternteil für mindestens 2 Monate in Elternzeit gehen müsse, stelle einen unzulässigen Eingriff in den Kernbereich der Ausgestaltung des konkreten Erziehungsrechts durch die Eltern dar.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 20.04.2009 hat das Sozialgericht die auf Gewährung von Elterngeld für 14 Lebensmonate des Kindes K und Berücksichtigung der von der Klägerin im Bemessungszeitraum empfangenen Einmalzahlungen gerichtete Klage abgewiesen.
Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Elterngeld für mehr als 12 Kalendermonate zu, weil die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 S. 2 BEEG – Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit für zwei weitere Monate – nicht erfüllt seien. Unerheblich sei der Hinweis der Klägerin auf die in § 4 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 BEEG geregelten Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Elterngeld durch einen Elternteil. Diese Bestimmungen regelten Fälle, in denen entweder aus rechtlichen oder aus tatsächlichen Gründen nur ein Elternteil das Kind betreue und erziehe. Da in diesen Fällen nur eine anspruchsberechtigte Person vorhanden sei, sei der Gesetzgeber aufgrund des Artikel 3 Abs. 1 GG verpflichtet gewesen, für diese Fallgestaltungen Regelungen zu treffen, die die Inanspruchnahme von Elterngeld für 14 Kalendermonate ermöglichten.
Entgegen der Auffassung der Klägerin verletze die Regelung in § 4 Abs. 2 S. 2 BEEG nicht Artikel 6 Abs. 1 GG. Der Schutzbereich dieser Verfassungsbestimmung werde von der Vorschrift des § 4 Abs. 2 S. 2 BEEG überhaupt nicht betroffen. Aus der Wertentscheidung des Artikel 6 Abs. S 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip lasse sich die allgemeine Pflicht des Gesetzgebers zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht jedoch die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein sozialer Ausgleich vorzunehmen sei. Allerdings dürfe nicht allein aus fiskalischen Erwägungen eine Gruppe von Personen, gegenüber denen der Staat aus Artikel 6 Abs. 1 GG und Artikel 20 Abs. 1 GG grundsätzlich zu einem Familienlastenausgleich verpflichtet ist, ohne sachliche Rechtfertigung von einer bestimmten Leistung ausgeschlossen werden (unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.04.2004, Az.: 1 BvL 4/97). Artikel 6 Abs. 1 GG schließe es daher nicht aus, dass der Gesetzgeber die Gewährung von familienpolitischen Leistungen in Form des Elterngelds von der Erfüllung bestimmter Anspruchsvoraussetzungen, wie z.B. der Aufgabe bzw. der Einschränkung einer Erwerbstätigkeit, abhängig mache.
Einen unzulässigen Eingriff in das elterliche Erziehungsrecht könne die Kammer nicht erkennen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen sei der Staat zur Gewährung des Elterngelds nicht verpflichtet. Die verfassungsrechtlich gebotene Freistellung des Existenzminimums des den Elterngeldanspruch begründenden Kindes erfolge durch das Kindergeld. Schutz gegen finanzielle Notlagen der Eltern gewährten darüber hinaus die Regelungen der Sozialhilfe. Ziel des Elterngelds sei vielmehr – unabhängig von einer wirtschaftlichen Notlage – die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Familie und die Förderung der Entscheidung der Eltern für ein Kind (Bundestags-Drucksache 16/1889 S. 14 ff.). Die Regelungen über die sogenannten Partnermonate sollten insbesondere Vätern die Möglichkeit eröffnen, eine aktivere Rolle in der Familie zu übernehmen, und ihnen auch gegenüber Dritten die Entscheidung erleichtern, sich eine Zeit lang der Betreuung des neugeborenen Kindes zu widmen (Bundestags-Drucksache 16/1889 S. 16). In der Eröffnung dieser Möglichkeit könne kein unzulässiger Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern nicht gesehen werden.
Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Berufung stellt die Klägerin zuletzt nur noch die Verfassungsmäßigkeit von § 4 Abs. 3 S. 1 BEEG in Frage. Ehepaare würden beim Elterngeld gegenüber allein Erziehenden beziehungsweise nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern, bei denen ein Lebenspartner kein Elternteil sei, benachteiligt. Bereits das Schaffen zusätzlicher Voraussetzungen für den Elterngeldbezug benachteilige Ehepaare in verfassungswidriger Weise gegenüber allein Erziehenden.
Zudem benachteilige das Gesetz Ehepaare auch gegen über so genannten Patchworkfamilien, in denen ein Elternteil zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht zustehe oder nicht mit dem anderen Elternteil in einer Wohnung lebe. Ein solcher Elternteil erhalte ohne weitere Voraussetzungen für 14 Monate Elterngeld, anders als ein Elternteil in verheirateten Erziehungsgemeinschaften.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sei auch Art. 6 Abs. 1 GG verletzt, der als Abwehrrecht die Freiheit garantiere, über die Art und Weise der Gestaltung des ehelichen und familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden. Wie die Eheleute ihre Tätigkeiten aufteilten, gehe den Staat nichts an. Deshalb dürfe er keine Rechtsfolgen an die eheinterne Aufgabenteilung knüpfen, jedenfalls dann nicht, wenn das Gesetz allein dazu diene, die Aufgabenteilung zu beeinflussen. Das Bundeselterngeldgesetz ziele sogar ausdrücklich davon ab, die von den Eheleuten getroffene eheinterne Aufgabenteilung zu beeinflussen und damit die Freiheit der Eheleute und damit den Kernbereich des Art. 6 GG einzuschränken.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Münster vom 20.04.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 22.01.2008 und 18.02.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18.08.2008 zu verurteilen, ihr Elterngeld für zwei weitere Lebensmonate des Kindes K zu zahlen,
hilfsweise
das Verfahren auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 GG die Regelungen des §§ 4 Abs. 2 S. 2 und 4 Abs. 3 BEEG dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen.
II. Der Senat kann nach § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Elterngeld für zwei weitere Lebensmonate ihrer Tochter K, weil die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 S. 2 BEEG nicht erfüllt sind.
Auch der Hilfsantrag der Klägerin bleibt ohne Erfolg, weil der Senat die Regelungen der §§ 4 Abs. 2 S. 2 und 4 Abs. 3 BEEG nicht für verfassungswidrig hält.
Ein Verstoß der Normen gegen Art. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG vermag der Senat nicht zu erkennen. Hinsichtlich des Vergleichs der Klägerin mit Alleinerziehenden verweist der Senat insoweit auf die Gründe des sozialgerichtlichen Urteils, denen er folgt, und sieht von einer weiteren Darstellung in den Entscheidungsgründen ab, § 153 Abs. 2 SGG.
Soweit die Klägerin eine verfassungswidrige Benachteiligung von verheirateten zusammenlebenden Eltern gegenüber zusammenlebenden Mitgliedern einer "Patchwork-Familie" oder gegenüber Erziehung- und der Lebensgemeinschaften nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz sieht, weist der Senat darauf hin, dass der Gesetzgeber bei einem Gesetz über Familienleistungen nicht alle denkbaren mannigfaltigen Fallkonstellationen regeln kann und muss, sondern sich auf die erkennbaren häufigsten und typischen Konstellationen beschränken darf, die sich sinnvollerweise mit abstrakt-generellen gesetzlichen Normen erfassen lassen. Er durfte bei Erlass des Bundeselterngeldgesetzes davon ausgehen, dass zusammenlebende – nicht notwendig verheiratete, vergleiche § 4 Abs. 3 S. 4 Ziffer 3 BEEG – Eltern ihre gemeinsamen Kinder auch zusammen erziehen und sie daher bei der Zumessung von 14 Elterngeldbezugsmonaten als Einheit betrachten. Dagegen erscheint es für den Senat schwer vorstellbar, wie der Gesetzgeber den Elterngeldbezug beim Zusammenlebenden nicht verheirateter Menschen mit Kindern, die nur von einem der Erwachsenen abstammen, sinnvoll und für die Verwaltung praktikabel hätte ausgestalten können. Denn in den von der Klägerin mit dem Sammelbegriff "Patchworkfamilie" bezeichneten Konstellationen hätte es im Einzelfall gerichtlich überprüfbarer Feststellungen bedurft, ob der Mitbewohner des ledigen Elternteils tatsächlich ein Partner ist, der auch Erziehungsaufgaben übernimmt und deshalb beim Elterngeld ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG mit dem Elternteil als Einheit betrachtet werden darf.
Ebenso wenig liegt nach Ansicht des Senates eine Verletzung der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten elterlichen Freiheit vor. Zwar dürfen Eltern nach Art. 6 Abs. 1 GG ihr familiäres Zusammenleben nach eigenen Vorstellungen gestalten und insbesondere in autonomer Verantwortung entscheiden, ob, wann und in welchem Umfang Kinder von einem Elternteil allein oder von beiden Elternteilen in wechselseitiger Ergänzung betreut werden (vgl. BVerfGE 47, 46 (70); BVerfG NJW 1999, 557 (558)). Indes greift die Regelung über Partnermonate nicht in diese grundsätzlich geschützte Freiheit ein.
Ob ein oder beide Elternteile ihre Berufstätigkeit unterbrechen und die Partnermonate wählen, bleibt ihre eigene Entscheidung. Sie werden zu einer bestimmten Gestaltung ihres Familienlebens weder durch ein staatliches Ge- noch ein Verbot gezwungen. Es handelte sich – in den Worten des von der Klägerin zu den Akten gereichten Aufsatzes des Verfassungsrechtlers Professor Kirchhof – um ein Angebot, das der Freiheitsberechtigte annehmen oder eben ausschlagen kann. Dieses Angebot drängt Eltern nicht quasi unwiderstehlich zu einem bestimmten Freiheitsgebrauch, weil es sie weder rechtlich noch tatsächlich zu einer bestimmten Entscheidung zwingt. Daher fehlt es sowohl an einer unmittelbaren wie auch an einem final-mittelbaren Eingriff in die beschriebene elterliche Freiheit (vgl. Seiler, NVwZ 2007, S. 129, 132 f.). Dies unterscheidet die Regelung über Partnermonate wesentlich von der vom Bundesverfassungsgericht in den 50er Jahren (vor der Einführung des Ehegattensplittings) beanstandeten Verfolgung eines "Edukationseffekts" – "die Ehefrau ins Haus zurückzuführen" – durch die zwingende steuerliche Zusammenveranlagung von Ehegatten und die damit beabsichtigte steuerliche Privilegierung der so genannten Hausfrauenehe (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urt. v. 17.01.1957 – 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55, Juris Rz. 84 ff.). Dabei hatte der Gesetzgeber an eine bestimmte Ausgestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse, die Erzielung bestimmter Arten von Einkommen durch beide Ehegatten, unmittelbar einen Eingriff, nämlich eine höhere Besteuerung, geknüpft. Im Gegensatz dazu fehlt es in der vorliegenden Konstellation an einem rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte elterliche Freiheit.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und folgt aus der Entscheidung in der Hauptsache.
Die Revision brauchte der Senat nicht zuzulassen, weil sich die aufgeworfene verfassungsrechtliche Frage aus dem Grundgesetz und der dazu ergangenen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung beantworten lässt.
Erstellt am: 22.07.2011
Zuletzt verändert am: 22.07.2011