Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 10.09.2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf weitere Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) – in der Zeit vom 01.08.2007 bis 31.01.2008.
Die am 00.00.1956 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie erwarb nach einem Studium von 1989 bis 1995 die Qualifikation als Diplom-Ingenieurin im Bereich Architektur. Vom 24.10.2005 bis 31.03.2006 bezog sie von der Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Die Klägerin lebte im streitigen Zeitraum in einem gemeinsamen Haushalt mit der am 15.03.1990 geborenen Tochter E.
Seit dem 01.09.2006 hat die Klägerin an einer Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin (PTA) teilgenommen, die in Form einer schulischen Ausbildung vom 01.09.2006 bis August 2008 sowie eines halbjährigen Apothekenpraktikums in der Folgezeit bis zum 28.02.2008 durchgeführt wurde.
Mit Bescheid vom 02.07.2007 bewilligte die Beklagte der aus der Klägerin und ihrer Tochter bestehenden Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum vom 01.08.2007 bis zum 31.01.2008 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 453,04 EUR unter Zugrundelegung eines monatlichen Anspruches der Tochter E auf Regelleistungen in Höhe von 278,00 EUR und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 329,04 EUR.
Mit weiterem Bescheid vom 02.07.2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01.08.2007 bis 31.01.2008 Leistungen nach § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II in Höhe von 42,00 EUR monatlich und lehnte einen weitergehenden Anspruch mit der Begründung ab, die Klägerin sei nach § 7 Abs. 5 SGB II aufgrund der unternommenen Ausbildung von weiteren Ansprüchen nach dem SGB II ausgeschlossen.
In dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes S 11 AS 225/07 ER, L 19 B 173/07 AS ER machte die Klägerin erstmalig am 17.10.2007 geltend, sie habe mit Schreiben vom 12.07.2007 gegen den Bescheid vom 02.07.2007 Widerspruch eingelegt.
Auf den Hinweis der Beklagten vom 13.11.2007, ein Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.07.2007 sei nicht registriert, legte die Klägerin bei Einlegung ihrer Beschwerde vom 27.11.2007 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 19.11.2007 den Ausdruck eines Widerspruchsschreibens vom 12.07.2007 gegen den Bescheid vom 02.07.2007 vor.
Die Beklagte sah diesen Vorgang als erstmalige Widerspruchseinlegung gegen den Bescheid vom 02.07.2007 an und verwarf den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 14.01.2008 wegen Verspätung als unzulässig.
Gegen den Bescheid vom 02.07.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2008 hat die Klägerin am 18.01.2008 Klage erhoben und vorgetragen, der Widerspruch vom 12.07.2007 sei zusammen mit der Begründung des Widerspruchs vom 29.06.2007 gegen den Bescheid vom 04.05.2007 aus dem Büro einer Ratsfraktion in C abgeschickt worden. Die Klägerin hat zudem ein Schreiben des Stadtverordneten H G vom 12. Juli 2007, gerichtet an die Oberbürgermeisterin der Stadt C in Sachen der Klägerin, übersandt, dem – nach seinem Inhalt – die beiden Schreiben der Klägerin vom 12.07.2007 beigefügt waren.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 10.09.2008 die Klage abgewiesen. Zwar sei der Widerspruch als rechtzeitig eingelegt anzusehen, die Klage sei jedoch nicht begründet, weil die Klägerin nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ausgeschlossen sei. Auf die weitere Begründung wird Bezug genommen.
Gegen den ihr am 20.09.2008 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin vom 14.10.2008, mit der sie einen eigenen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II unter Hinweis auf einen Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16.08.2005 – L 5 B 52/05 AS ER – geltend macht. Der Anspruchsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II greife nicht, wenn eine Weiterbildung im Sinne von § 77 SGB III absolviert werde. Hierzu legt die Klägerin den ihr erteilten Bildungsgutschein vom 21.06.2006 betreffend ihre Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin vor.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 10.09.2008 zu ändern und ihr weitere Leistungen nach dem SGB II in der Zeit vom 01.08.2007 bis 31.01.2008 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich der Begründung der angefochtenen Entscheidung an.
Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozess- und Verwaltungsakten sowie der beigezogenen Akten Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens sind über den bewilligten Mehrbedarfszuschlag hinausgehende Ansprüche der Klägerin auf Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.08.2007 bis 31.01.2008, über die die Beklagte mit Bescheiden vom 02.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2008 entschieden hat.
Zu Unrecht ist die Beklagte davon ausgegangen, der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 02.07.2007 sei verspätet eingelegt worden. Auch zur Überzeugung des Senats hat die Klägerin durch Vorlage des an die Oberbürgermeisterin der Stadt C gerichteten Schreibens des Stadtverordneten H vom 12.07.2007 nachgewiesen, dass der Widerspruch noch vor Ablauf der Widerspruchsfrist bei einer anderen inländischen Behörde als derjenigen, welche den Ausgangsbescheid erlassen hat, eingegangen ist. Nach § 84 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist somit fristwahrend Widerspruch eingelegt worden. Der Senat nimmt insofern auf die Begründung des Sozialgerichts im angefochtenen Gerichtsbescheid gem.§ 153 Abs. 2 SGG Bezug.
Weitere Ansprüche als der mit Bescheid vom 02.07.2007 zuerkannte Anspruch auf einen Mehrbedarfszuschlag für Alleinerziehende nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II für die Erziehung der seinerzeit noch minderjährigen Tochter E stehen der Klägerin im streitigen Zeitraum jedoch nicht zu, weil sie nach § 7 Abs. 5 SGB II aufgrund ihrer Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen war.
Nach § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder nach §§ 60 – 62 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
Die Ausschlussregelung ist auf die Erwägung zurückzuführen, dass bereits die Ausbildungsförderung nach dem BAföG oder nach §§ 60 – 62 – SGB III die Kosten des Lebensunterhalts umfasst. Im Grundsatz dient die Grundsicherung nicht dazu, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausschlussregelung soll die nachrangige Grundsicherung mithin davon befreien, eine Ausbildungsförderung auf einer zweiten Ebene zu ermöglichen (BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 67/08 R).
Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II greift bei der Klägerin, weil sie eine nach dem BAföG dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung im streitigen Zeitraum absolvierte und die Förderung nach dem BAföG aus individuellen Versagensgründen, die im Verhältnis zum Träger der Förderungsleistung eingetreten sind, nicht gefördert werden konnte (vgl. Urteil des BSG vom 06.09.2007 – B 14/7b AS 36/06 R – = SozR 4 – 4200 § 7 Nr. 6 = BSGE 99, 67 f.; Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 28/07 R; Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 67/08 R).
Die von der Klägerin im September 2006 aufgenommene Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 BAföG förderbar. Hiernach wird Ausbildungsförderung geleistet für den Besuch von Berufsfachschulklassen und Fachschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt, sofern sie in einem zumindest zweijährigen Bildungsgang einen berufsqualifizierenden Abschluss vermitteln. Diese Vorausetzungen sind bezüglich der von der Klägerin absolvierten Ausbildung nach den vom Senat im vorhergehenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes L 19 B 173/07 AS ER eingeholten Auskünften der Bezirksregierung Köln und der Ausbildungsstätte erfüllt. Die Bezirksregierung Köln hat dort unter dem 11.10.2008 auf Anfrage des Senats geantwortet, die von den C-Schulen C angebotene Ausbildung zur staatlich anerkannten pharmazeutisch-technischen Assistentin sei nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 BAföG förderungsfähig, und einen entsprechenden Auszug aus dem Ausbildungsstättenverzeichnis NRW vorgelegt. Die Schulleiterin der C-Schulen C hat mit Schreiben vom 14.01.2008 bestätigt, dass die von der Klägerin aufgenommene Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin nach § 2 BAföG förderbar sei.
Dem Leistungsausschluss innerhalb des SGB II steht nicht entgegen, dass die Ausbildung der Klägerin nach dem BAföG nicht gefördert wird. Die Klägerin, bei der keine Ausnahmen nach § 10 Abs. 3 S. 1 BAföG in Betracht kommen, hatte bereits bei Aufnahme der Ausbildung das 30. Lebensjahr überschritten (vgl. § 10 Abs. 3 S. 1 BAföG). Die Überschreitung der vom BAföG vorgegebenen Altersgrenze stellt – ebenso wie die nach § 7 Abs. 2 BAföG in Betracht kommenden Ausschlusstatbestände einer weiteren Ausbildung nach Abschluss der Erstausbildung – einen individuellen Versagensgrund dar, der der Annahme prinzipieller Förderfähigkeit des Ausbildungsganges nach dem BAföG im Sinne von § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II nicht entgegensteht (BSG im Urteil vom 01.07.2009, a.a.O.).
Eine Ausnahme vom hiernach geregelten Ausschluss der Klägerin von weiteren Leistungen nach dem SGB II besteht auch nicht deshalb, weil die Ausbildung der Klägerin aufgrund des ihr erteilten Bildungsgutscheins nach § 77 SGB III gefördert worden ist.
Der mit der Berufungsbegründung in Bezug genommenen Rechtssprechung, wonach § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II nicht für Weiterbildungen gelte, die nach § 77 SGB III förderungsfähig sind, weil diese Förderung im Gegensatz zur Förderung nach §§ 60 – 62 SGB III nicht ausdrücklich erwähnt werde (Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 16.08.2005 – L 5 B 52/05 AS ER; Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 04.07.2008 – L 3 AS 47/07) folgt der Senat zumindest im vorliegenden Falle nicht.
Nach § 7 Abs. 5 SGB II haben Personen keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 60-62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig sind. Im Falle der Klägerin greift die erste Variante (eine dem Grunde nach im Rahmen des BAföG förderbaren Ausbildung) ein. Deshalb kann es dahin stehen, ob der Gesetzgeber bewusst und gewollt von einer Regelung hinsichtlich der nach § 77 SGB III förderbaren Maßnahmen Abstand genommen hat.
Unabhängig davon ist die genannte Rechtssprechung allerdings schon deshalb nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, weil es sich bei der von der Klägerin absolvierten Ausbildung nicht um eine nach § 77 SGB III förderbare berufliche Weiterbildung handelt.
Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden.
Die Abgrenzung, ob es sich bei einer Maßnahme um eine Ausbildung i.S. der §§ 59 ff SGB III oder um eine Weiterbildung gemäß §§ 77 ff SGB III handelt, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (u.a. Urteile vom 27.01.2005 – B 7a/7 AL 20/04 R = SozR 4 – 4300 § 77 Nr. 2, vom 17.11.2005 – B 11a AL 23/05 R, vom 29.01.2008 – B 7/7a AL 68/06 R) ausschließlich unter Berücksichtigung des Charakters der Maßnahme nach objektiven Kriterien vorzunehmen. Entscheidend sind Ausbildungsziel und konkrete Ausgestaltung der Maßnahme, nicht die Perspektive des Teilnehmers.
Danach handelt es sich bei der von der Klägerin absolvierten Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin um eine nicht nach § 77 SGB III förderbare Berufsausbildung. Denn diese Ausbildung zielt auf den Erwerb der erforderlichen Kenntnisse in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf ab (Gesetze über den Beruf des pharmazeutisch-technischen Assistenten, BGBl. 1997 I, 2349).
Ausbildung und Prüfung unterliegen staatlicher Regelung (vgl. Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für pharmazeutisch-technische Assistenten/Assistentinnen vom 23.09.1997, BGBl. I, 2352). Die Teilnahme an der auch von der Klägerin absolvierten Ausbildung setzt einen mittleren Bildungsabschluss, jedoch keine berufliche Vorerfahrung oder Qualifikation voraus (Quelle: www.berufenet.arbeitsagentur.de/berufe/, Suchwort: PTA).
Nach § 7 Abs. 5 S. 2 SGB II können auch bei bestehendem Anspruchsausschluss nach § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen geleistet werden. Ein solches Darlehen begehrt die Klägerin jedoch nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt.
Erstellt am: 18.11.2009
Zuletzt verändert am: 18.11.2009