Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.10.2008 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalles.
Der 1953 geborene Kläger befuhr mit seinem Fahrrad am 14.08.2007 auf dem Heinweg von seiner Arbeitsstelle in L die L1-straße in Richtung E S (I). Hierbei fühlte sich der Kläger von einem anderen Verkehrsteilnehmer, der mit einem PKW unterwegs war, bedrängt und gefährdet. Als dieser PKW verkehrsbedingt anhalten musste, wurde er vom Kläger eingeholt. Der Kläger stellte sein Fahrrad quer vor den PKW und wollte den Fahrer des PKW auf dessen Fahrweise ansprechen. Nachdem Fahrer und Beifahrer ausgestiegen waren, setzte sich der PKW offenbar aufgrund einer nichtangezogenen Handbremse führerlos in Bewegung und erfasste das Fahrrad des Klägers. Das Fahrrad verkeilte sich am Fahrzeug, hierbei wurde der Kläger eingeklemmt und fiel auf die Fahrbahn. Er zog sich Verletzungen am Waden-und Schienbein zu, die eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich machten. In den Ermittlungsakten des Polizeipräsidiums L Verkehrsinspektion II – VK 00 zu der Verkehrsunfallanzeige, sind Angaben des Klägers in einem Schlussvermerk vom 21.09.2007 wie folgt zusammengefasst: "Als ich die H Straße in Richtung E S befuhr, wurde ich von dem Unfallbeteiligten 01 (UB 01) mit sehr geringem Seitenabstand überholt. Da sich dort eine 30 km Zone befindet, konnte ich wieder zu dem PKW aufschließen. In der darauf folgenden Rechtskurve fuhr er wieder so weit rechts, dass mir nur noch der Ausweg über den Bürgersteig blieb, sonst hätte ich einen Sturz in Kauf nehmen müssen. Da die folgende Ampel grün zeigte, sah ich keine andere Möglichkeit mehr, als mich vor ihn zu setzen, um ihn zu stoppen und zur Rede zu stellen. Er hielt an und stieg aus. Ich wollte die Polizei rufen, was jedoch etwas dauerte. Der UB 01, der sich inzwischen wieder in sein Fahrzeug gesetzt hatte, wurde ungeduldig und hupte. Als ich nicht reagierte, stiegen Fahrer und Beifahrer wieder aus und liefen auf mich zu, so dass ich Panik bekam. Plötzlich rollte der PKW nach vorne …"
Dieser Vermerk beruht auf der Wiedergabe von Angaben des Klägers am Unfallort (Verkehrsunfallanzeige vom 21.09.2007) und bei der Betroffenenanhörung vom 15.08.2007.
Mit Bescheid vom 09.10.2007 und Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007 lehnte die Beklagte eine Anerkennung des Unfalls vom 14.08.2007 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe sich während des Unfallereignisses nicht auf einen versicherten Weg befunden. Für Wege, die allein eigenwirtschaftlich motiviert seien, z. B. um einen anderen Verkehrsteilnehmer zu maßregeln, bestehe kein Versicherungsschutz. Ein Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, nämlich der Zurücklegung des Weges vom Ort der Tätigkeit nach Hause, könne nicht festgestellt werden. Er habe den Heimweg aus rein eigenwirtschaftlich motivierten Gründen unterbrochen, als er sein Fahrrad quer zur Fahrtrichtung zum Stehen gebracht habe. Diese Unterbrechung stelle eine so deutliche Zäsur in der Zurücklegung des eigentlichen Weges dar, dass keinesweg für eine noch versicherten geringfügigen Unterbrechung des Weges auszugehen sei. Der Kläger habe deshalb zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.
Hiergegen hat der Kläger am 14.01.2008 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben und die Auffassung vertreten, eine Unterbrechung des versicherten Heimweges durch eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit könne nicht angenommen werden. Er habe sich auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstelle nach Hause befunden. Das Unfallereignis sei letztlich durch das Fehlverhalten des anderen Verkehrsteilnehmers eingeleitet worden. Dass sich im weiteren Verlauf der eigentliche Verletzungsvorgang ergeben habe, könne nicht zu einer unnatürlichen Aufspaltung des Geschehens führen. Eine eigenwirtschaftlich geprägte Motivation könne dem Gesamtgeschehen nicht unterstellt werden. Außerdem habe sich der ganze Vorfall nur in wenigen Sekunden abgespielt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2007 zu verurteilen, das Ereignis vom 14.08.2007 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist bei ihrer Ansicht verblieben.
Mit Urteil vom 24.10.2008 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Anerkennung des Ereignisses vom 14.08.2007 als Arbeitsunfall verurteilt. In den Entscheidungsgründen wird im Wesentlichen ausgeführt, der Unfall habe sich auf einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 2 Ziff. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – SGB VII – ereignet. Das Geschehen sei als unerhebliche Unterbrechung des versicherten Weges zu qualifizieren, was den inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht tangiere. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 28 – 34 der Gerichtsakte).
Gegen das am 07.11.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.12.2008 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe es sich nicht um eine geringfügige Unterbrechung gehandelt. Das Blockieren eines Fahrzeuges wegen einer vermeintlichen Ordnungswidrigkeit sei nicht nur rechtswidrig, sondern auch dem eigenwirtschaftlichen Bereich des Klägers zuzurechnen. Betrachte man den Vorgang unter dem Gerichtspunkt der finalen Handlungstendenz, so entspringe die Verletzung nicht dem Zurücklegen des Weges von der Arbeit nach Hause, sondern dem eigenwirtschaftlichen Bereich, dessen Zweck der Kläger verfolgt habe, als es zu den Verletzungen gekommen sei. Ergänzend werde Bezug genommen auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.02.2009 Az.: B 2 U 26/07 R. Danach stelle ein Regulierungsgespräch nach einem Verkehrsunfall eine relevante Unterbrechung des versicherten Weges dar.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.10.2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Entscheidung des BSG zum Regulierungsgespräch betreffe einen völlig anders gelagerten Sachverhalt. Schon wegen der kurzen Dauer der Unterbrechung sei der Unfallschutz nicht tangiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Das Sozialgericht hat die angefochtenen Bescheide zu Unrecht aufgehoben und die Beklagte zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles verurteilt.
Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Dabei ist es erforderlich, dass die unfallbringende Verrichtung der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), (BSGE 96,196,198).
Der Kläger stand zwar als Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII dem Grunde nach unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Auch hat er am 14.08.2007, als er mit seinem Fahrrad wegen der Kollision mit dem PKW stützte, einen Unfall erlitten und Verletzungen davongetragen. Dieser Unfall ist doch kein Arbeitsunfall, weil die Verrichtung des Klägers zur Zeit des Unfallereignisses – der Aufenthalt mit dem Fahrrad quer vor dem PKW stehend – nicht im sachlichen Zusammenhang mit seiner Beschäftigung stand. Der Versicherungsschutz ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer geringfügigen Unterbrechung aufrechterhalten worden.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gehört auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit zu den versicherten Tätigkeiten. Der hierdurch gekennzeichnete sachliche Zusammenhang der unfallbringenden versicherten Fortbewegung als Vor- oder Nachbereitungshandlung der versicherten Tätigkeit besteht, wenn die Fortbewegung von dem Zweck bestimmt ist, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung zu erreichen. Die darauf gerichtete Handlungstendenz muss durch die objektiven Umstände bestätigt werden; hierbei muss auch die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses im sachlichen Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges stehen. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn das Handeln des Versicherten zur Fortbewegung auf dem Weg zur oder von der Arbeitsstätte gehört (ständige Rechtsprechung des BSG vgl. u.a.SozR 3 – 2700 § 8 Nr. 9 m.w.N.; SozR 4 – 2700 § 8 Nr. 25 Rdnr. 9 m.w.N.).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist zwar festzuhalten, dass der Kläger zunächst – soweit er sich mit seinem Fahrrad auf dem Weg von seiner Arbeitsstelle nach Hause befand – grundsätzlich eine versicherte Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII verrichtete. Der Kläger übte jedoch keine versicherte Tätigkeit mehr aus, als er sich mit seinem Fahrrad quer vor das an einer roten Ampel haltende Fahrzeug stellte, um den Fahrer an einer weiteren Fortbewegung zu hindern. In diesem Augenblick wurde der zunächst zurückgelegte und versicherte Weg vom Ort der Tätigkeit ersichtlich unterbrochen, da sich der Kläger als er sein Fahrrad dazu nutzte, einen anderen Verkehrsteilnehmer an der Weiterfahrt zu hindern, nicht mehr auf dem direkten Heimweg befand. Hierdurch wurde die eigentliche Fahrstrecke unterbrochen. Unerheblich ist insoweit, dass der Kläger den öffentlichen Verkehrsraum nicht verlassen hat und sich räumlich immer noch auf der eigentlich zum Heimweg zu nutzenden Straße befand. Eine Unterbrechung des versicherten Weges tritt auch schon vor dem Überschreiten der Grenze des öffentlichen Verkehrsraumes ein, sobald deutlich wird, dass das Verhalten des Versicherten nicht mehr durch den Willen zur Fortsetzung des Weges von oder zu dem Ort der Tätigkeit, sondern durch eine andere Handlungstendenz gekennzeichnet ist. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat aus eigener Überzeugung im vollen Umfang anschließt, steht es dem Versicherten nur so lange frei, sich im öffentlichen Verkehrsraum beliebig zu bewegen, wie die Fortbewegung nach seiner objektivierten Handlungstendenz der Zurücklegung des versicherten Weges zu dienen bestimmt ist (BSG, Urteil vom 17.02.2009 – Az.: B 2 U 26/07 R – m.w.N.). Hier war die Handlungstendenz aber nach dem eigenen Bekunden des Klägers davon geprägt, den anderen Verkehrsteilnehmer zur Rede zu stellen, an einer Weiterfahrt zu hindern und dies insbesondere deshalb, weil der Kläger (wie sich aus dem Vernehmungsprotokoll ergibt), beabsichtigt hatte, die Polizei zu rufen, um eine "Ahndung der Verkehrsverstöße" des anderen Verkehrsteilnehmers herbeizuführen. Unabhängig von der rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Klägers wie auch des anderen Verkehrsteilnehmers gemäß §§ 1, 2, 49 StVO, §§ 240, 315 b StGB hat ein solches die Feststellung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bezweckendes Vorgehen nichts mehr mit der versicherten Tätigkeit des Klägers zu tun und ist dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen.
Bei der Abweichung des Klägers vom versicherten Weg handelt es sich auch nicht nur um eine geringfügige Unterbrechung, während der der Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII fortbesteht. Eine Unterbrechung ist nur dann als geringfügig zu bezeichnen, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist. Dies ist nach der Rechtsprechung des BSG nur dann der Fall, wenn sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegen in Richtung des ursprünglich aufgenommenen Ziels führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann (BSG SozR 4 – 2700 § 8 Nr. 3 Rdnr. 7 m.w.N.).
Die vom Kläger vorgenommene Richtungsänderung, nämlich das Blockieren eines anderen Verkehrsteilnehmers mit seinem Fahrrad in der beschriebenen Art und Weise bewirkte schon räumlich eine deutliche Zäsur, weil er sich in diesem Moment mit seinem Fahrrad bereits nicht mehr in der eigentlichen Fahrtrichtung befand. Die vom Kläger mit dieser Maßnahme nach seiner eigenen Bekunden gewünschte Maßregelung und Beweissicherung durch die Polizei, konnte weder nach objektiver noch subjektiver Einschätzung "nebenbei" erledigt werden. Wie sich aus seinen Angaben im Ermittlungsverfahren ergibt, hat der Kläger das Fahrzeug des anderen Verkehrsteilnehmers blockiert, so dass dieser ausgestiegen ist und ihn angeschrien hat. Sodann ist der PKW-Fahrer wieder in sein Fahrzeug eingestiegen, während der Kläger versucht hat, über sein Mobiltelefon die Polizei zu erreichen. Da dies wegen der Blendwirkung der Sonne auf das Display des Telefons "was länger angedauert" hat, hat der PKW-Fahrer ungeduldig gehupt und ist danach wieder ausgestiegen. Erst danach hat sich der Unfall ereignet, also nach Vorgängen die weder der Zeit noch der Art nach mit einer unerheblichen Unterbrechung in Einklang zu bringen sind. Selbst wenn das entgegen der Bewertung des Senats nicht anzunehmen wäre, ergibt sich eine relevante, den Unfallversicherungsschutz ausschließende Unterbrechung daraus, dass diese ohne den Unfall weitergedauert hätte, weil der Kläger seinen Intentionen zur Folge nicht nur das Eintreffen der Polizei abwarten, sondern an der Tatbestandsaufnahme mitwirken wollte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor.
Erstellt am: 20.01.2010
Zuletzt verändert am: 20.01.2010