Der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 24.08.2009 wird aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig die Kosten für die Ausbildung zum Fachinformatiker (Anwendungsentwicklung) an der Deutschen Blindenstudienanstalt in N in Höhe von 1.840,50 EUR monatlich bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch bis zum Abschluss der Maßnahme, beginnend ab 01.09.2009 zu gewähren. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben streitig.
Der am 00.00.1991 geborene Antragsteller (nachfolgend: Ast) ist hochgradig sehbehindert (verbliebene Sehschärfe 8-10 % bei Schädigung des Sehnervs ohne Möglichkeit des Ausgleichs mit einer Brille) und seit seiner Geburt an einer Nierenfunktionsstörung erkrankt. Eine ebenfalls bestehende Hörschädigung ist durch Hörgeräte überwiegend ausgeglichen. Er bezieht Blindengeld vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe sowie eine Halbwaisenrente.
Im November 2006 wurde über den Ast ein psychologisches Gutachten zur Festlegung konkreter Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben angefertigt. Der Sachverständige Dipl.-Psych. W kam zu dem Ergebnis, dass eine Berufsfindung vor Ort erfolgen müsse, um einen angemessenen Kompromiss zwischen den Behinderungen und den vielseitigen Interessen zu finden. Im Vergleich zu Hauptschulabsolventen sei die Gesamtbegabung schwach durchschnittlich ausgeprägt. Auffällig sei die absolut problembewusste und korrekte Arbeitsweise. Alle Aufgaben würden dem Ast gelingen, wenngleich dies noch in zu starkem Umfang auf Kosten der Zeit erfolge. Die besten Ergebnisse erziele der Ast auf sprachlichem Gebiet, die logische Denkfähigkeit sei knapp durchschnittlich, das rechnerische und räumliche Denken hingegen schwach durchschnittlich ausgeprägt. Es sei zu unterstellen, dass der Ast ein höheres Leistungspotential hätte zeigen können, wenn er mehr Zeit gehabt hätte. Allerdings seien im Arbeitsleben Leistungen nur wirtschaftlich zu erbringen,wenn man sie auch in der vorgegebenen Zeit schaffe.
Nach Besuch einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation, an der er die Fachoberschulreife erlangte, besuchte der Ast die 11. Klasse der Blindenstudienanstalt in N (nachfolgend: Blista).
Im November 2008 wurde – ebenfalls in N – eine Nierentransplantation durchgeführt. Aufgrund der hierdurch verursachten Fehlzeiten war die Versetzung des Ast in die Klasse 12 gefährdet, so dass ihm seitens der Schule angeraten wurde, über Alternativen in Gestalt einer Berufsausbildung nachzudenken. Am 10.07.2009 beantragte der Ast bei der Antragsgegnerin (nachfolgend: Ag) die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Gestalt der Ausbildung zum Fachinformatiker an der Blista. Das Bewerbungsverfahren zu den Ausbildungsgängen Informatikkaufmann und Fachinformatiker habe er im Mai 2009 erfolgreich abgeschlossen. Die zuvor bestehende Dialysepflichtigkeit und der krankheitsbedingte Ausfall nach der Transplantation habe sich zwar beschränkend auf seine schulischen Leistungen ausgewirkt. Nunmehr sei seine Leistungsfähigkeit aber wieder hergestellt und er könne Defizite aufarbeiten.
Die Ag schlug dem Ast zunächst die Erstellung eines aktuellen psychologischen Gutachtens vor. Mit Bescheid vom 13.07.2009 lehnte sie sodann die Bewilligung der beantragten Teilhabeleistung unter Bezug auf das in 2006 erstellte erste psychologische Gutachten ab. Die erforderliche Eignung des Ast für die angestrebte Ausbildung sei nicht festzustellen.
Am 20.07.2009 stellte sich der Ast sodann dem Dipl.-Psych. X vor. Dieser stellte zunächst fest, dass die Lernleistungen des Ast bis auf die Fächer Musik und Informatik, in denen die Leistungen mit "befriedigend" bewertet wurden, in den für einen Bildungserfolg bedeutsamen Fächern zwischen "ausreichend" und "mangelhaft" angesiedelt wurden. Bei der Einschätzung der intellektuellen Eignung seien die "milden Normen" der Berufssystematik des Berufswahltests und der Datenbank BerufeNet zugrunde gelegt worden. Im Vergleich zur Gruppe der Realschulabsolventen habe der Ast in der psychologischen Untersuchung eine insgesamt unterdurchschnittlich ausgeprägte allgemeine intellektuelle Leistungsfähigkeit gezeigt. Er besitze eine Leistungsreserve, die er aber vor allem beim Arbeiten unter zeitlicher Anspannung nicht sicher genug ausschöpfen könne. Für die Ausbildung zum Fachinformatiker bringe der Ast die Mindesteignungsvoraussetzungen nicht mit sich. Geeignet sei er für eine mittelanspruchsvolle Qualifikation auf Hauptschulniveau.
Gegen die ablehnende Entscheidung vom 13.07.2009 erhob der Ast am 13.07.2009 Widerspruch.
Zugleich hat er vor dem Sozialgericht Dortmund den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Die angestrebte Ausbildung entspreche seiner Neigung. Er habe mit der mittleren Reife die schulischen Voraussetzungen hierfür erfüllt. Die Blista habe eine blindenspezifische Arbeitserprobung durchgeführt und die Eignung für den Ausbildungsgang festgestellt. Besonders spreche für den Ausbildungsgang in N, dass der Ast dort seit vielen Jahren nephrologisch behandelt werde und ein entsprechendes Vertrauensverhältnis zu den dortigen Ärzten entwickelt habe. Die Angelegenheit sei besonders eilbedürftig, weil der Ausbildungsgang nur einmal im Jahr, zum 01.09.2009, beginne. Zum einen sei gerade die Zeit nach der erfolgreichen Transplantation von der Motivationslage her besonders geeignet. Zum anderen trete er durch die Erkrankung bedingt ohnehin später als üblich in den Arbeitsmarkt ein. Ein Zuwarten für ein weiteres Jahr sei ihm daher nicht zuzumuten.
Zur Untermauerung des Vortrags hat der Leiter des Ausbildungsbereiches IT der Blista eine eidesstattliche Versicherung dahingehend abgegeben, dass die Bilsta seit 1985 IT-Spezialisten ausbilde und die Eingliederungsquote der Absolventen bei über 80 % liege. Nahezu 100 % der Teilnehmer würden die externe Abschlussprüfung vor der IHK L bestehen. Diese hohe Erfolgsquote liege auch in der Auswahl der Teilnehmer durch eine Eignungsfeststellung. Der Ast habe im Mai 2009 eine solche Eignungsfeststellung mit weit überdurchschnittlichen Ergebnissen erfolgreich abgeschlossen. Es sei daher mit sehr großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Ast die angestrebte Ausbildung zum Fachinformatiker mit zumindest gutem Erfolg abschließen werde.
Die Ag hat die eidesstattliche Versicherung dem Dipl.-Psych. X zur Stellungnahme vorgelegt. Dieser hat mitgeteilt, dass er die Einschätzung der Schule für unbeachtlich halte. Das psychologisch-berufskundliche System des Berufswahltests basiere auf der Erhebung von testpsychologischen Untersuchungen und der damit in Verbindung stehenden späteren Berufsausbildung bzw. -ausübung. Hieraus ließen sich – auch für den Fachinformatiker – kognitive Mindestanforderungen beschreiben, an denen der Ast in den Untersuchungen in 2006 und 2009 gemessen worden sei. Ob die Feststellungen der Blista standardisierten Regeln folge, sei nicht festzustellen. Es sei auch unklar, ob die Feststellung "überdurchschnittlich" sich auf die Vergleichsgruppe der Realschüler oder z.B. auf die Gruppe der Sehbehinderten beziehe.
Mit Beschluss vom 24.08.2009 hat das Sozialgericht den Antrag auf einstweilige Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Eignung des Ast für die gewählte Ausbildung im Eilverfahren zweifelhaft sei. Unter Bezug auf Personen mit einem mittleren Bildungsabschluss seien für die Ausbildung zum Fachinformatiker (Anwendungsentwicklung) erforderlich: – gut durchschnittliches allgemeines Leistungsvermögen – gut durchschnittliches abstrakt-logisches Denken – gut durchschnittliches rechnerisches Denken – gut durchschnittliches räumliches Vorstellungsvermögen.
Hinsichtlich der Frage, ob der Ast diesen Anforderungen genügen kann, stünden sich die Einschätzung des Psychologischen Dienstes der Ag und die Ergebnisse der Eignungsfeststellung der Blista widersprüchlich gegenüber. Im Hauptsacheverfahren müsse daher ein Sachverständigengutachten eingeholt werden.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sei hingegen im Rahmen einer Folgenabwägung zu entscheiden. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache grundsätzlich unzulässig sei. Eine positive Entscheidung sei nur ausnahmsweise zulässig, wenn durch den zu erwartenden Zeitablauf eines Hauptsacheverfahrens der bisher erreichte Ausbildungsstand eines jungen behinderten Menschen gefährdet sei. Eine solche Gefährdung sei nicht ersichtlich. Zudem habe die Ag den grundsätzlichen behinderungsbedingten Förderbedarf eingeräumt, so dass es dem Ast frei stehe, bis zur Entscheidung in der Hauptsache andere Fördermöglichkeiten der Ag zu nutzen.
Der Beschluss ist dem Ast am 27.08.2009 zugestellt worden.
Am 04.09.2009 hat er hiergegen Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass die Besonderheiten seines bisherigen Ausbildungsweges nicht berücksichtigt worden seien. Er habe eine Förderschule für Hörbehinderte besucht. Gerade die Vermittlung von Wissen im Fach Mathematik erfolge hier durch optische Darstellung. Bei der gleichzeitig vorliegenden Sehbehinderung und der zusätzlichen Einschränkungen durch die nächtliche Dialyse sei eine unterdurchschnittliche Benotung im Fach Mathematik nicht verwunderlich. Dass sich an der Blindenschule in der Klasse 11 keine wesentliche Verbesserung, sondern eine insgesamt unterdurchschnittliche Benotung ergeben habe, sei der dort durchgeführten Transplantation und der damit verbundenen Fehlzeiten geschuldet.
Die schwache Leistung in der testpsychologischen Untersuchung am 13.07.2009 sei darauf zurückzuführen, dass er keine behinderungsgerechten Hilfsmittel zur Verfügung gestellt erhalten habe. Es habe insbesondere keine Möglichkeiten der Vergrößerung der Texte gegeben. Auch sei der Einsatz der Tastatur, die er blind beherrsche, nur gelegentlich erforderlich gewesen. Statt dessen habe er vornehmlich die Maus einsetzen müssen. Der durch die Sehbehinderung erforderliche größere Zeitaufwand für die Erfassung gerade optischer Aufgaben sei ihm nicht eingeräumt worden.
Das Ermessen der Ag sei annähernd auf Null reduziert. Unter Berücksichtigung des Ausbildungswunsches, der hochgradigen Sehbehinderung und der erforderlichen medizinischen Nachsorge durch die Transplantationseinrichtung in N komme eigentlich nur der Ausbildungsgang der Blista in N in Betracht.
Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 24.08.2009 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig die Kosten für die Ausbildung zum Fachinformati ker (Anwendungsentwicklung) an der Deutschen Blindenstudienanstalt in N in Höhe von 1.840,50 EUR monatlich bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Hauptsacheverfahrens beginnend ab dem 01.09.2009 zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie vertritt weiterhin die Ansicht, dass der Antragsteller für die angestrebte Ausbildung ungeeignet sei. Der Psychologische Dienst hat ergänzend mitgeteilt, dass nach Rücksprache mit dem Stützpunktpsychologen für die Begutachtung von Blinden und Sehbehinderten eine auf die Sehbehinderung angepasste psychologische Untersuchung nicht für erforderlich erachtet wurde, zumal die im Jahre 2006 durchgeführte Untersuchung an einem 15-Zoll-Monitor durchgeführt worden sei. Die jetzige Untersuchung sei an einem 17-Zoll Flachbildschirm erfolgt. Die Aufgabendarbietung umfasse einen Großteil des Bildschirms. Die eignungspsychologischen Untersuchungen seien üblicherweise zeitgesteuert. Weder 2006 noch 2009 habe der Ast über einen unzureichenden Kontrast oder eine zu kleine Schrift geklagt.
Die Ag hat mit Bescheid vom 01.09.2009 den Widerspruch des Ast zurückgewiesen. Sie hat die Durchführung einer Ausbildungserprobung vorgeschlagen. Den Widerspruchsbescheid hat der Ast mit Klageschrift vom 28.09.2009 angegriffen.
Die Blista lässt den Ast einstweilen am Studiengang teilnehmen, ist aber nicht bereit, die Teilnahme vollständig vorzufinanzieren. Die Ergebnisse des – für blinde und sehbehinderte Menschen barrierefrei ausgestalteten – Bewerbungsverfahrens seien durch die zwischenzeitlich gezeigten Leistungen der begonnenen Ausbildung bestätigt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der den Antragsteller betreffenden Verwaltungsakte der Antragsgegnerin, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Zu Unrecht hat es das Sozialgericht abgelehnt, eine einstweilige Anordnung zugunsten des Antragstellers zu treffen.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrten Leistungen besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind grundrechtliche Belange des Antragstellers umfassend in der Abwägung zu berücksichtigen.
Sowohl Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. etwa Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86 b Rn. 42). Deshalb sind auch Erkenntnisse, die erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens zutage getreten sind, vom Senat zu berücksichtigen (LSG NRW, Beschluss vom 6.01.2006 – L 7 AS 87/05 ER -).
Unter Zugrundelegung der vorgenannten Abwägungskriterien war die Antragsgegnerin einstweilen zur Leistung zu verpflichten.
Der Senat erachtet einen Klageerfolg in der Hauptsache für überwiegend wahrscheinlich.
Der geltend gemachte Anordnungsanspruch ergibt sich aus §§ 97, 98 Abs. 1 Nr. 2, 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a, 103 Satz 1 Nr. 3, 109 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) i.V.m. § 33 Abs. 1, 3 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX).
Bei den geltend gemachten Kosten für die Durchführung der Ausbildung handelt es sich um besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Der Ast erfüllt die Förderungsvoraussetzungen der genannten Vorschriften. Insbesondere ist er aufgrund der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Aktenlage dergestalt behindert, dass er zur Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben der Gewährung von Teilhabeleistungen bedarf. Im Sinne des § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a SGB III ist hierfür die Teilnahme am Unterricht in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen unerlässlich. Dies ergibt sich schon aus der erheblichen Sehbehinderung des Ast, die durch aktenkundige ärztliche Unterlagen und den Bezug von Blindengeld dokumentiert ist.
Nach § 102 Abs. 1 SGB III verbleibt der Ag grundsätzlich nur ein Ermessen hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Förderung.
Im Hauptsacheverfahren kann der Ast daher grundsätzlich nur die Verpflichtung erstreiten, dass die Ag erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts entscheiden muss. Im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Erlass einer Regelungsanordnung ist dann eine Ausnahme von diesem Grundsatz geboten, wenn durch eine entsprechende Regelungsanordnung kein wirksamer Rechtsschutz erreicht werden könnte. Deswegen kann einstweilen im Rahmen der Regelungsanordnung eine Verpflichtung zur Gewährung einer streitigen Ermessensleistung dann ausgesprochen werden, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass bei einer erneuten Ermessensbetätigung eine Entscheidung zugunsten des Anspruchstellers ergehen würde. Der Senat schließt sich insoweit der Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 16.10.2006 – L 12 AL 202/06 ER – an. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Qualität der Blista als besondere Einrichtung für behinderte Menschen, hier für Sehbehinderte, unstreitig ist. Auch hält die Ag den Ausbildungsgang Fachinformatik als solchen für Sehbehinderte für geeignet. Berücksichtigt man zudem die zumindest als sinnvoll zu erachtende medizinische Anbindung des Ast an das Transplantationszentrum in N, so spricht viel dafür, dass die Ag – bei Eignung des Ast – für den von ihm angestrebten Ausbildungsgang eine entsprechende Förderentscheidung treffen wird. Sie kann sich demgegenüber nicht ohne weiteres darauf zurückziehen, dass auch andere Leistungen geeignet sein könnten, das Teilhabeziel zu erreichen. Sie muss insoweit bei Ablehnung eines bestimmten Ausbildungswunsches konkrete und geeignete Gegenvorschläge machen und den Versicherten insoweit "an die Hand nehmen" (vergl. BSG, Urt. v. 12.08.1982 – 11 RA 62/81- ). Ausreichend konkretisierte Vorschläge sind bislang nicht ersichtlich. Die vorgeschlagene Durchführung einer Arbeitserprobung ist – mit Blick auf das Hauptsacheverfahren – sicherlich sinnvoll, stellt aber keine gleichwertige Alternative dar, wenn sich das von dem Ast ins Auge gefasste Bildungsziel bereits als geeignet erweist.
Hinsichtlich der Eignung geht der Senat von einer ausreichenden Glaubhaftmachung durch den Ast aus.
Maßgeblich ist insoweit, ob der Versicherte die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit besitzt, um die Maßnahme erfolgreich abzuschließen. Mit Blick auf das angestrebte Eingliederungsziel der Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben ist zudem zu verlangen, dass der Ast durch die Maßnahme in die Lage versetzt wird, im Vollbild des erlernten Berufs tätig zu werden.
Hiervon ist unter Zugrundelegung der Erklärungen der den Ast betreuenden Personen an der Blista auszugehen. Der Ast besitzt nach ihrer Einschätzung die intellektuellen Fähigkeiten, die Ausbildung zum Fachinformatiker erfolgreich abzuschließen. Dies ist durch die behinderungsspezifisch ausgestaltete Eignungsfeststellung, deren Objektivität durch die hohe Rehabilitationsquote untermauert wird, belegt. Die in der bereits aufgenommenen Ausbildung gezeigten Leistungen des Ast belegen nach Auskunft der Blista die zunächst gewonnene Einschätzung.
Die vorangegangenen schulischen Leistungen, die auf den ersten Blick teilweise gegen die Eignung sprechen könnten, lassen sich durch die krankheitsbedingten Einschränkungen und Fehlzeiten erklären, sind daher nicht zwingend Ausdruck einer eingeschränkten intellektuellen Leistungsfähigkeit. Insbesondere die optische Darbietung von mathematischen Lehrinhalten an einer vornehmlich auf Hörbehinderung bezogenen Förderschule dürften einen zusätzlich Sehbehinderten beim Lernen beschränken, ohne dass dies zwingend für ein – gemessen an der Realschule – unterdurchschnittliches mathematisches Verständnis spricht.
Die gegenteilige Auffassung des psychologischen Dienstes der Ag wird auf Testergebnisse gestützt, die erkennbar nicht auf die behinderungsbedingten Einschränkungen des Ast Rücksicht genommen haben. Es ist für den Senat kaum nachvollziehbar, wie durch bloße telefonische Rücksprache mit einem weiteren, wenn auch mit der Untersuchung Sehbehinterter betrauten Psychologen, die Feststellung getroffen werden konnte, dass eine behindertengerecht angepasste Testsituation nicht erforderlich war. Dass der Ast schon in 2006 einer solchen – unangepassten – Testsituation unterworfen wurde, kann nicht nunmehr zur Stützung der Auffassung der Ag herangezogen werden. Insoweit hatte der damalige Untersucher vielmehr ausgeführt, dass der Ast ein höheres Leistungspotential besitzt, welches er hätte abrufen können, wenn er denn nur mehr Zeit gehabt hätte. Dass sich der Ast damals wie heute nicht gegen die Untersuchungssituation gewandt hat, ist nicht zwingend Ausdruck einer behinderungsadäquaten Ausgestaltung, sondern vielmehr des Umstandes, dass der Ast die Untersuchung als unabänderlich hingenommen hat. Die entsprechende Erklärung des Ast erachtet der Senat als glaubhaft. Auch von einem 18-jährigen ist nicht zwingend zu erwarten, dass er sich gegen eine behördliche Untersuchungsvorgabe wendet. Dass der Ast – wie zuletzt von der Ag vorgetragen – auf Nachfrage ausdrücklich erklärt haben soll, die Untersuchungsbedingungen seien ausreichend, erscheint dem Senat angesichts des detaillierten abweichenden Vortrags des Ast zweifelhaft.
Angesichts der erheblichen Zweifel daran, dass die Untersuchungen der Beklagten das effektive intellektuelle Leistungsniveau des Ast abbilden, hat der Senat der Einschätzung der Blista den Vorrang eingeräumt, wenngleich er nicht verkennt, dass diese Einschätzung möglicherweise auch von einem wirtschaftlichen Eigeninteresse getragen sind.
Der Senat hat schließlich auch keine Veranlassung dazu, an der Darstellung der Blista zu zweifeln, dass die bisherigen Absolventen des Ausbildungsgangs Fachinformatik zu über 80 % einen Arbeitsplatz erlangt haben. Damit spricht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch im Falle des Ast eine spätere Einsatzfähigkeit im Vollbild des angestrebten Berufs besteht.
Angesichts des damit überwiegend wahrscheinlichen Prozesserfolges sind an den Anordnungsgrund nur geringe Anforderungen zu stellen. Der Senat erachtet es insoweit als unzumutbar, den Ast noch ein weiteres Jahr oder ggf noch länger auf noch nicht näher spezifizierte andere Förderungsmögklichkeiten zu verweisen. Gerade bei jungen Behinderten ist die berufliche Rehabilitation von dem Gedanken geprägt, bestehende Kenntnisse und Fertigkeiten sowie offene Lernpotentiale möglichst effektiv auszuschöpfen. Dies spricht vorliegend für einen möglichst nahtlosen Anschluss der Ausbildung.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 01.12.2009
Zuletzt verändert am: 01.12.2009