L 12 B 82/09 SO
Die Beschwerde des Antragstellers (Ast) gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 03.07.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde bezüglich der Ablehnung einer einstweiligen Anordnung (L 12 B 48/09 SO ER) ist zulässig, aber nicht begründet.
Im Streit sind vorläufige Leistungen nach dem SGB XII für die Zeit ab 04.06.2009. Das SG hat den Eilantrag des Ast mit Beschluss vom 09.07.2009 abgelehnt, weil es Zweifel an den dargelegten Vermögensverhältnissen des Ast hegte. Wegen der genauen Begründung wird auf den Wortlaut der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Mit seiner Beschwerde rügt der Ast, dass ihm weiterhin Zweifel im Hinblick auf seine Mexikoreise um die Jahreswende 2008/2009 vorgehalten würden, die zudem nicht berechtigt seien. Aktuell gehe es aber um den laufenden Lebensunterhalt, den er für sich und seine Ehefrau von 106,16 EUR im Monat bestreiten müsse. Dieser Betrag verbliebe, wenn von seiner Rente in Höhe 374,16 EUR die Miet- und Stromkosten in Höhe von 268,00 EUR abgezogen würden. Er habe nur überleben können, weil er – bedingt durch die unberechtigte Weigerung der Antragsgegnerin (Ag), Leistungen zu erbringen – von Freunden und Bekannten Sach- und Geldleistungen erhalten habe. Die Schulden beliefen sich inzwischen auf 1.430,00 EUR.
Die rechtzeitig eingelegte Beschwerde ist nicht begründet.
Zu Recht hat es das Sozialgericht abgelehnt, eine einstweilige Anordnung zugunsten des Ast zu treffen.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrten Leistungen besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind grundrechtliche Belange des Antragstellers umfassend in der Abwägung zu berücksichtigen. Insbesondere bei Ansprüchen, die darauf gerichtet sind, als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern, ist ein nur möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch, vor allem wenn er eine für die soziokulturelle Teilhabe unverzichtbare Leistungshöhe erreicht und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum zu gewähren ist, in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt (BVerfG vom 12. 05. 2005 – 1 BvR 569/05 – unter Hinweis auf BVerfGE 82, 60, 80). Denn im Rahmen der gebotenen Folgenabwägung hat dann regelmäßig das Interesse des Leistungsträgers ungerechtfertigte Leistungen zu vermeiden gegenüber der Sicherstellung des ausschließlich gegenwärtig für den Antragsteller verwirklichbaren soziokulturellen Existenzminimums zurückzutreten (LSG NRW, Beschluss vom 27. 07.2005 – L 7 AS 18/05 ER -).
Sowohl Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei ist, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (BVerfG vom 12.05.2005 – a.a.O.). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 86 b Rn. 16 b, 16 c, 40). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. etwa Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rn. 42). Deshalb sind auch Erkenntnisse, die erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens zutage getreten sind, vom Senat zu berücksichtigen (LSG NRW, Beschluss vom 6.01.2006 – L 7 AS 87/05 ER -).
Der Ast hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Gemäß § 41 Abs. 2 SGB XII erhalten Leistungen nach diesem Gesetz u.a. Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen oder Vermögen nach den §§ 82 – 84 und 90 SGB XII beschaffen können, sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben. Der Leistungsempfänger ist dabei hinsichtlich seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse darlegungs- und beweisbelastet.
Zwar dürfen Leistungsträger existenzsichernde Leistungen nicht aufgrund von bloßen Mutmaßungen verweigern, die sich auf vergangene Umstände stützen, wenn diese über die gegenwärtige Lage eines Anspruchstellers keine eindeutigen Erkenntnisse ermöglichen. Die schlichte Behauptung des Sozialleistungsträgers, es seien weitere Einnahmen vorhanden, ist daher für die Leistungsverweigerung nicht ausreichend (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 7.12.2005 – L 7 AS 81/05 ER-). Andererseits trifft den Ast eine Pflicht, alles ihm Zumutbare an der Aufklärung des Sachverhalts zu leisten.
Dem Senat sind auch vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen Zweifel daran verblieben, dass der Ast hilfebedürftig ist.
Dabei lässt der Senat alle Umstände außer Betracht, die dem Ast im Zusammenhang mit seiner Mexikoreise vorgehalten worden sind. Selbst wenn man unterstellt, dass die damaligen Angaben teilweise nicht nachvollziehbar gewesen sind, so kann dies einem Ast nach dem BVerfG (aaO) nicht auf Dauer vorgehalten werden. Auch die Nichtvorlage der Kontoauszüge der Volksbank L aus dem Jahr 2008 kann dem Ast nicht auf Dauer vorgehalten werden, da das Konto bereits Ende 2008 aufgelöst worden ist.
Der Ast trägt vor, derzeit mit seiner Ehefrau von 106,16 EUR im Monat zu leben, was nur mit der Unterstützung von Freunden und Bekannten möglich sei und zu einer Verschuldung von derzeit 1.430,00 EUR geführt habe. Wäre dies hinreichend glaubhaft, wäre an den Erlass der beantragten Anordnung zu denken, weil dann das Argument, der Ast oder seine Ehefrau verfügten noch über weiteres nicht angegebenes Vermögen oder Einkommen, entkräftet würde. Der Senat hat versucht, in dieser Hinsicht Sachaufklärung zu betreiben, um den Vorgaben des BVerfG Rechnung zu tragen. Der Ast hat es jedoch abgelehnt, die Personen namentlich zu benennen, die ihm bisher ein Leben ohne Leistungen der Ag ermöglicht haben. Der Ast verhindert damit eine mögliche Sachaufklärung. Dies geht zu seinen Lasten. Nachvollziehbare Gründe, die Namen und Adressen der ihn unterstützenden Personen nicht zu nennen, hat der Ast nicht vorgetragen. Die Entscheidung des SG war daher im Ergebnis zu bestätigen.
Da der Eilantrag keinen Erfolg hat, kann auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (L 12 B 82/09 SO) für die erste Instanz nicht in Betracht. Auch der Antrag für die zweite Instanz, so er denn noch aufrecht erhalten wird, ist abzulehnen.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 14.12.2009
Zuletzt verändert am: 14.12.2009