Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 10.11.2009 geändert. Der Antragstellerin zu 2) und dem Antragsteller zu 3) wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren bewilligt und Rechtsanwalt C beigeordnet. Die Beschwerde des Antragstellers zu 1) wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die zulässigen Beschwerden der Antragstellerin zu 2) und des Antragstellers zu 3) sind begründet. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers zu 1) ist unbegründet.
Nach § 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114, 115 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Der Antrag der Antragstellerin zu 2) und des Antragstellers zu 3) hat hinreichende Erfolgsaussicht geboten. Sie haben die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zur vorläufigen Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 20.08.2009 begehrt. Zwar ist ein Anordnungsgrund hinsichtlich der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vor der Antragstellung bei Gericht am 05.10.2009 nicht gegeben, da in der Regel kein Anordnungsgrund bei Geldleistungen für die Vergangenheit besteht (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rn 29a mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Hinsichtlich des Zeitraums ab dem 05.10.2009 hat jedoch hinreichende Erfolgsaussicht bestanden. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO).
Nach summarischer Prüfung sind Anordnungsanspruch und -grund im Sinne hinreichender Erfolgsaussicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin zu 2) und der Antragsteller zu 3) haben nicht über die finanziellen Mittel zur Sicherung ihrer Existenz verfügt. Sie haben kein Erwerbseinkommen erzielt. Ein Abwarten auf das Hauptsacheverfahren ist ihnen nicht zumutbar gewesen.
Die Antragstellerin zu 2), die nach § 7 Abs. 3 Nr. a SGB II als Ehefrau eine Bedarfsgemeinschaft mit dem Antragsteller zu 1) bildet, erfüllt die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie ist 30 Jahre alt. Sie ist hilfebedürftig gewesen, da sie über kein Einkommen und Vermögen verfügt hat. Bedenken gegen die Erwerbsfähigkeit nach §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II, 8 SGB II bestehen nicht, da ihr in der nach § 28 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilten Aufenthaltserlaubnis entsprechend § 28 Abs. 5 AufenthG die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gestattet wurde. Sie hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik.
Ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu Ungunsten der Antragstellerin zu 2) eingreift, ist nach summarischer Prüfung der Rechtslage offen. Die Ausschlussgründe des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 SGB II liegen nicht vor. Ob die Antragstellerin zu 2) dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II als nachzugsberechtigte Ehefrau eines deutschen Staatsangehörigen unterfällt, ist durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II sind Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörige für die ersten drei Monate von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Offen ist, ob die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II sämtliche Ausländer erfasst, die erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland einreisen (so anscheinend Sozialgericht Duisburg Beschluss vom 19.11.2009 – S 31 AS 414/09 ER – und vom 10.11.2009 – S 32 AS 323/09 ER) oder nur Unionsbürger, die dem Freizügigkeitsgesetz/EU unterfallen. Selbst wenn von der Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II grundsätzlich sämtliche Ausländer erfasst werden, die erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland einreisen, ist zweifelhaft , ob die Antragsstellerin zu 2) dem Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II unterliegt. Denn Familienangehörige, die zu einem sich im Bundesgebiet länger aufenthaltsberechtigten Ausländer einreisen, werden von diesem Leistungsausschluss nicht erfasst (Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 7 Rn 31). Vorliegend ist die Antragstellerin zu 2) zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit einem deutschen Staatsangehörigen eingereist. Ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung ist nicht ersichtlich. Auch unter Beachtung des Schutzes der Ehe durch Art. 6 GG, der ein Grundrecht auf Schutz vor Eingriffen des Staates, eine Institutsgarantie wie auch eine wertentscheidende Grundsatznorm für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts enthält, der auch für Ausländer gilt und das Interesse des deutschen Ehepartners schützt, seine Ehe als eine Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner im Bundesgebiet fortzusetzen (BVerfG Beschluss vom 18.07.1979 – 1 BvR 650/77 = BVerfG 51, 386), spricht vieles für eine einschränkende Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II im Fall des Nachzugs eines ausländischen Familienangehörigen zu dem deutschen Ehepartner (siehe auch Dienstanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 7 SGB II), zumal der Gesetzgeber hinsichtlich der Vorgängervorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der ab dem 01.04.2006 bis zum 27.08.2007 geltenden Fassung in der Gesetzesbegründung ausdrücklich ausgeführt hatte, dass Unionsbürger – wie vorliegend die Antragstellerin zu 2) -, die als Familienangehörige eines Deutschen in die Bundesrepublik einreisen, von dem Leistungsausschluss nicht erfasst werden (BT-Drs. 16/5065 S. 234). Des weiteren ist umstritten , ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH gemeinschaftsrechtskonform ist (vgl. zum Meinungsstand LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 29.09.2009 – L 15 AS 905/09 B ER mit weiteren Rechtsprechungs- und Literaturhinweisen).
Nach summarischer Prüfung spricht aber vieles dafür, dass bei der – im Fall, dass eine abschließende Klärung der Rechtslage wegen derer Komplexität im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht möglich erscheint – vorzunehmenden Folgenabwägung (vgl. BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05) das Interresse der Antragstellerin zu 2) am Erlass der Regelungsanordnung überwogen hätte. Bei der Folgenabwägung sind die grundrechtlichen Belange der Antragstellerin zu 2) umfassend in die Abwägung einzubeziehen. Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 ). Daher scheint es nicht als ausgeschlossen, dass bei einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls – Schutz der Bedarfsgemeinschaft durch Art. 6 GG und Aufenthaltsrechts des nachzugsberechtigten ausländischen Ehegatten aus § 28 AufenthG im Regelfall ohne das Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts(vgl. hierzu Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerecht, § 28 Rn 1f) – das Interesse der Antragstellerin zu 2) am Erlass der Regelungsanordnung überwogen hätte, weil ohne die zuerkannten Leistungen das Existenzminimum der Antragstellerin zu 2) nicht gedeckt gewesen wäre und die Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit dem Antragsteller zu 1), die durch Art. 6 GG geschützt ist, gefährdet gewesen wäre, zumal der Antragsteller zu 1) nicht in der Lage gewesen ist, die Antragstellerin zu 2) ohne Gefährdung seines soziokulturellen Existenzminimums aus eigenen Mitteln zu unterstützen. Durch die vorläufige Gewährung der Leistung wäre auch die Entscheidung in der Hauptsache schon deshalb nicht vorweggenommen worden, weil die Leistungen nur darlehensweise gewährt werden müssten.
Die gleichen Erwägungen gelten auch für den Antragsteller zu 3), der nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit dem Antragsteller zu 1) ist. Nach § 7 Abs. 2, 28 Abs. 1 SGB II erhalten nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen -vorliegend der Antragsteller zu 1) – in Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld. Ungeklärt ist wie bei der Antragstellerin zu 2), ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II zu Ungunsten des Antragstellers zu 3) eingreift (vgl. zur Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf Leistungsberechtigte nach § 28 SGB II LSG NRW Urteil vom 28.07.2008 – L 19 AS 13/08). Es spricht vieles dafür, dass bei einer Folgenabwägung sein Interesse an der Folgenabwägung überwogen hätte.
Die teilweise Erfolgsaussicht der Begehren genügt für die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Die Antragstellerin zu 2) und der Antragsteller zu 3) sind nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 73a SGG i.V.m. §§ 114, 115 ZPO).
Das Sozialgericht hat die Erfolgsaussicht des erstinstanzlichen Begehrens des Antragstellers 1) zu Recht verneint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht des Begehrens ist nicht gegeben gewesen. Der Antrag des Antragstellers zu 1) auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 20.08.2009 ist wegen Fehlens eines Rechtschutzbedürfnisses unzulässig. Denn die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller zu 1) durch Bescheid vom 17.06.2009 Leistungen nach dem SGB II, einschließlich der vollen Kosten für Unterkunft und Heizung, für die Zeit vom 01.07.2009 bis 31.12.2009 gewährt. Eine Abänderung dieser Entscheidung zu Ungunsten des Antragstellers ist seitens der Antragsgegnerin bislang nicht erfolgt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 14.12.2009
Zuletzt verändert am: 14.12.2009