Auf die Beschwerde der Antragsteller vom 30.11.2009 wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 16.11.2009 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit vom 10.09.2009 bis 28.02.2010 vorläufig Leistungen in Höhe von 699,97 EUR monatlich zu erbringen. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen dem Grunde nach. Den Antragstellern wird für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens für die Zeit ab Antragstellung Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Dr. T, D, beigeordnet.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Bedürftigkeit der Antragsteller streitig.
Der im Februar 1959 geborene Antragsteller zu 1 befand sich vom 15.10.2007 bis 11.08.2008 in Strafhaft in der JVA D. Die Reststrafe ist mit dreijähriger Frist zur Bewährung ausgesetzt. Die zu Haftbeginn von dem Antragsteller zu 1 angemietete Wohnung wurde vom Vermieter aufgelöst. Die Wohnungseinrichtung wurde entfernt. Die im Oktober 1978 geborene Antragstellerin zu 2, Ehefrau des Antragstellers zu 1, und deren im Februar 1999 geborene Tochter O, Antragstellerin zu 3, lebten bis zur Haftentlassung des Antragstellers zu 1 in der Wohnung der Mutter des Antragstellers zu 1, der Zeugin H N.
Der Antragsteller zu 1 hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 mit dem Merkzeichen "G" und bezieht eine Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Dem Antragsteller zu 1 wurde bei der Haftentlassung ein Betrag von 1.440,47 EUR ausgezahlt. Hiervon wurden im Entlassungschein 1.404 EUR als Überbrückungsgeld bezeichnet. Der Antragsteller zu 1 behauptet in diesem Zusammenhang, es handele sich um Geld der Zeugin N. Den Betrag habe er in Polen für sie entgegen genommen und bei seiner Verhaftung im Oktober 2007 bei sich geführt.
Am 12.08.2008 stellte der Antragsteller zu 1 einen Antrag auf Hilfe zum Lebensunterhalt und Unterstützung bei der Beschaffung einer Wohnung und von Möbeln bei der Antragsgegnerin. Zum Zeitpunkt der Antragstellung wohnte er bei der Zeugin. In seinem Antrag führte der Antragsteller zu 1 neben den Antragstellerinnen zu 2 und 3 eine weitere Tochter seiner Ehefrau, L E, auf.
L und O sind Töchter der Antragstellerin zu 2 aus deren erster Ehe. Ihr fließt für beide Kinder Kindergeld zu.
Mit Bescheid vom 10.09.2008 lehnte die Antragsgegnerin eine Leistungsgewährung ab. Die Antragsteller zu 1 bis 3 hätten derzeit keine Mietaufwendungen, da sie bei der Zeugin untergekommen seien. Der Gesamtbedarf an Regelleistung betrage 843,00 EUR. Dem seien 651,53 EUR, d.h. die Nettorente von 403,53 EUR und Kindergeld von 2 x 154,00 EUR abzüglich des zweifachen Versicherungsfreibetrages (2 x 30,00 EUR) entgegen zu stellen. Auf den Differenzbetrag von 191,47 EUR sei das auf einen angemessenen Zeitraum von 7 Monaten aufzuteilende Überbrückungsgeld anzurechnen, so dass ein Anspruch nicht gegeben sei.
Hiergegen erhoben die Antragsteller am 15.10.2008 Widerspruch. Der Antragsteller zu 1 legte eine Bescheinigung der Zeugin vor, dass er am 13.10.2007, d.h. bei seiner Verhaftung, 1.400,00 EUR bei sich gehabt habe, die seine Mutter dem C E geliehen habe.
Anschließend reichte der Antragsteller zu 1 ein Mietangebot vom 15.09.2008, betreffend die Anmietung einer Wohnung in der Q-straße 00, bei der Antragsgegnerin ein. Für die 77 qm große Wohnung war eine Nettokaltmiete von 364,50 EUR zzgl. 60 EUR Heizkosten und 80,00 EUR Betriebskosten, zzgl einer Kaution von 729,00 EUR ausgewiesen. Die Wohnung wurde ab dem 15.10.2008 tatsächlich angemietet.
Nunmehr trug der Antragsteller zu 1 anwaltlich vertreten vor, dass das Überbrückungsgeld nach Haftentlassung für die dringend notwendige Reparatur seines PKW verwendet worden sei. Den Rest der Reparaturrechnung habe die Zeugin getragen. Auch könne er nicht nachvollziehen, warum das Kindergeld der L voll angerechnet werde, obwohl diese in Polen im Internat untergebracht werde und hierzu Aufwendungen anfielen.
Auf die Nachfrage der Antragsgegnerin, wie der Lebensunterhalt der Antragsteller zu 2 und 3 bis zur Haftentlassung sichergestellt wurde und wie die Internatsunterbringung der Tochter L und der PKW finanziert wurden, reichte der Antragsteller zu 1 aktuelle Rentenbescheide der Mutter (Witwenrente und Altersrente aus eigener Versicherung) ein.
Mit "Ersetzungsbescheid" vom 29.12.2008 führte die Antragsgegnerin noch einmal näher aus, warum nach ihrer Einschätzung das Überbrückungsgeld über einen längeren Zeitraum als in § 51 StVollzG vorgesehen aufgeteilt werden musste. Die Antragsgegnerin wies darauf hin, dass der Bescheid Gegenstand des Widerspruchsverfahrens werde.
Mit Bescheid vom 19.01.2009 lehnte die Antragsgegnerin sodann den Leistungsantrag vom 12.08.2008 (erneut) mit der Begründung ab, es sei zu unterstellen, dass die Antragsteller Unterstützung durch Dritte erhalten würden. Da der Sachverhalt trotz aller behördlichen Bemühungen unaufgeklärt geblieben sei, trügen die Antragsteller hier den Nachteil der Unerweislichkeit ihrer Bedürftigkeit. Auch dieser Bescheid werde Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Gegen den Bescheid vom 19.01.2009 erhoben die Antragsteller am 30.01.2009 Klage. Das Verfahren wird vor dem Sozialgericht Dortmund unter dem Aktenzeichen S 5 AS 37/09 geführt. Der Bevollmächtigte verwies darauf, dass die Antragsgegnerin abweichend von der Rechtsmittelbelehrung eine endgültige Entscheidung im Widerspruchsverfahren gefällt habe. Der Bescheid vom 19.01.2009 sei also tatsächlich ein Widerspruchsbescheid, der mit der Klage angegriffen werden könne.
Mit Bescheid vom 20.03.2009 wies die Antragsgegnerin sodann den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.09.2008 in der Fassung des Bescheides vom 19.01.2009 als unbegründet zurück. Alte Leitsungsanträge aus 2007 seien mangels Mitwirkung bestandskräftig abgelehnt worden. Auch die derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse ließen keine Bedürftigkeit erkennen. Es seien weder Mietrückstände vorgetragen noch ein Eilverfahren eingeleitet worden. Auch sei die Tragung der Kosten für das Internat unklar.
Im Zuge des Klageverfahren vertrat die Antragsgegnerin die Ansicht, dass die Klage zum Zeitpunkt ihrer Erhebung mangels Widerspruchsbescheid unzulässig gewesen sei. Der Bescheid vom 19.01.2009 könne schon deshalb nicht als Widerspruchsbescheid angesehen werden, da dieser nicht von der dafür zuständigen Behörde erlassen worden sei. Hiergegen wandte sich der Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 08.04.2009 (Eingang bei Gericht am 14.04.2009).
Nach einem Anfang September erteilten Hinweis, dass eine Entscheidung im Klageverfahren aufgrund einer Vielzahl älterer Verfahren nicht absehbar sei, haben sich die Antragsteller am 10.09.2009 mit einem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes an das Sozialgericht gewandt und unter anderem vorgetragen, sie hätten ihren Lebensunterhalt bislang mit Blick auf das laufende Klageverfahren mit geliehenem Geld betritten. Diese Mittel seien jetzt erschöpft. Weitere Darlehen seien nicht zu erlangen. Miet- und Stromzahlungen seien eingestellt worden. Der Vermieter drohe mit einer Kündigung des Mietverhältnisses.
Folgende Darlehen seien ihnen eingeräumt worden:
B D: insgesamt 2.800,00 EUR innerhalb eines nicht näher bezeichneten Zeitraums
E F: insgesamt 3.500,00 EUR für Dezember 2008 bis August 2009
F L: insgesamt 3.200,00 EUR für November 2008 bis April 2009
Zudem habe die Zeugin den Antragstellern am 10.10.2008 einen Betrag von 4.500,00 EUR für Möbel und 1.300,00 EUR für Miete und Kaution geliehen.
Der bereits benannte PKW sei im März 2008 gekauft worden und auf den Namen des Antragstellers zu 1 angemeldet worden, weil er den geringsten Versicherungsbetrag leisten musste. Sowohl der gehbehinderte Antragsteller zu 1 als auch die Zeugin seien auf den PKW angewiesen.
Die Antragsteller haben schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einschließlich der Kosten der Unterkunft und Heizung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hat darauf verwiesen, dass es völlig unklar sei, wie die Zeugin den Betrag für die Darlehensgabe aufgebracht habe. Sie habe lediglich Renteneinkünfte in Höhe von 700 bis 800 EUR. Der benannte Darlehensgeber D habe bis Dezember 2008 selbst im Leistungsbezug der Antragsgegnerin gestanden. Mit dem Vortrag korrespondierende Zuflüsse seien auf dem Konto der Antragsteller nicht erkennbar. Es seien zwar teilweise Bareinzahlungen erfolgt, die aber in der Summe nicht die behaupteten Darlehensbeträge erreichten.
Mit Schreiben vom 11.11.2009 hat der Vermieter das Mietverhältnis unter Verweis auf rückständige Mietzahlung in Höhe von 2.021,00 EUR (ab August 2009 bis einschließlich November 2009) fristlos gekündigt und zur Räumung bis 04.12.2009 aufgefordert.
Mit Beschluss vom 16.11.2009 hat das Sozialgericht den Erlass einer Regelungsanordnung abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Für den Zeitraum vor Eilantragstellung bestehe regelmäßig kein Anordnungsgrund. Gleiches gelte ab Dezember 2009, da sich die Einkommenssituation der Antragsteller günstig verändern könne.
Auch in der Zeit vom 10.09. bis 30.11.2009 komme eine Regelungsanordnung nicht in Betracht, da ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht sei. Selbst wenn die behaupteten Darlehen tatsächlich wie vorgetragen von Dritten eingeräumt worden seien, könne angesichts der sonstigen – unstreitigen – Einnahmen nicht davon ausgegangen werden, dass diese Mittel bereits vollständig verbraucht seien. Es sei auch nicht ersichtlich, warum die bisher großzügige Unterstützung nunmehr ihr Ende gefunden habe.
Hiergegen haben die Antragsteller am 30.11.2009 Beschwerde eingelegt und zur Begründung diverse Rechnungen über Möbeleinkäufe vorgelegt, die aus den Darlehen getätigt worden seien. Die Darlehen seien darüber hinaus zur Tragung der Miete, von Versicherungen und sonstigen laufenden Kosten und zur Unterstützung der Tochter L verwendet worden.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialge- richts Dortmund vom 16.11.2009 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen ab 10.09.2009 vorläufig Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie vertritt weiterhin die Ansicht, dass die Antragsteller ihre Hilfebedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht haben.
Auf telefonische Nachfrage des Senats hat der Vermieter mitgeteilt, bis 23.12.2009 von der Erhebung einer Räumungsklage abzusehen.
Der Antragsteller zu 1 ist im Erörterungstermin vom 21.12.2009 befragt und die Zeugin N gehört worden. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Der Antragsteller zu 1 hat im Termin Originalkontoauszüge für die Zeit vom 15.10. bis 17.12.2009 vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf dem sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, der Verfahrensakte S 5 AS 37/09 des Sozialgerichts Dortmund und der die Antragsteller betreffenden Verwaltungsakte der Antragsgegnerin, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Zu Unrecht hat es das Sozialgericht abgelehnt, eine einstweilige Anordnung zugunsten der Antragsteller zu treffen.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrten Leistungen besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt. Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind grundrechtliche Belange des Antragstellers umfassend in der Abwägung zu berücksichtigen. Insbesondere bei Ansprüchen, die darauf gerichtet sind, als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern, ist ein nur möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch, vor allem wenn er eine für die soziokulturelle Teilhabe unverzichtbare Leistungshöhe erreicht und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum zu gewähren ist, in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt (BVerfG vom 12. 05. 2005 – 1 BvR 569/05 – unter Hinweis auf BVerfGE 82, 60, 80). Denn im Rahmen der gebotenen Folgenabwägung hat dann regelmäßig das Interesse des Leistungsträgers ungerechtfertigte Leistungen zu vermeiden gegenüber der Sicherstellung des ausschließlich gegenwärtig für den Antragsteller verwirklichbaren soziokulturellen Existenzminimums zurückzutreten (LSG NRW, Beschluss vom 27. 07.2005 – L 7 AS 18/05 ER – ).
Sowohl Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. etwa Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rn. 42). Deshalb sind auch Erkenntnisse, die erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens zutage getreten sind, vom Senat zu berücksichtigen (LSG NRW, Beschluss vom 6.01.2006 – L 7 AS 87/05 ER -).
Dies zugrundegelegt haben die Antragsteller einen Anordnungsanspruch ausreichend glaubhaft gemacht.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten Leistungen nach diesem Gesetz Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben. Zu den zu gewährenden Leistungen gehören als Arbeitslosengeld II insbesondere die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II). Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten grundsätzlich Sozialgeld, das die sich aus § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II ergebenden Leistungen umfasst (§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder aus den zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Der Leistungsempfänger ist dabei hinsichtlich seiner Hilfebedürftigkeit darlegungs- und beweisbelastet. Allerdings dürfen Leistungsträger existenzsichernde Leistungen nicht aufgrund von bloßen Mutmaßungen verweigern, die sich auf vergangene Umstände stützen, wenn diese über die gegenwärtige Lage eines Anspruchstellers keine eindeutigen Erkenntnisse ermöglichen. Die schlichte Behauptung des Sozialleistungsträgers, es seien weitere Einnahmen vorhanden, ist daher für die Leistungsverweigerung nicht ausreichend (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 7.12.2005 – L 7 AS 81/05 ER -).
Vorab ist festzustellen, dass dem Anspruch der Antragsteller nicht die Bestandskraft des ablehnenden Bescheides vom 10.09.2008 in der Fassung des Ersetzungsbescheides vom 29.12.2008 und des weiteren Bescheides vom 19.01.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2009 entgegen steht. Denn der Widerspruchsbescheid ist zumindest durch das Schreiben des Bevollmächtigten vom 08.04.2009 als fristgerecht klagweise angegriffen zu erachten. Denn es bringt gegenüber dem Sozialgericht ausreichend klar zum Ausdruck, dass die Antragsteller die dort getroffene Regelung nicht gegen sich gelten lassen wollen.
Es ist auch von einer Bedürftigkeit der Antragsteller im tenorierten Umfang auszugehen.
Jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Eilantragstellung vermag der Senat nicht zu erkennen, welche zusätzlichen Einkünfte oder verwertbaren Vermögensbestandteile die Antragsteller über die Berufsunfähigkeitsrente des Antragstellers zu 1 und das Kindergeld für die Töchter der Antragstellerin zu 2 haben sollen. Die Erklärung des Antragstellers zu 1, dass jedenfalls derzeit keine weiteren Mittel zur Verfügung stehen, ist glaubhaft.
Bei dieser Feststellung kommt dem Streit um die Frage, ob es sich bei der nach der Haftentlassung gezahlten Summe von rund 1.400 EUR um Überbrückungsgeld im Sinne des § 51 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) handelt oder um Geld, welches tatsächlich der Zeugin zustand, keine maßgebliche Bedeutung zu. Dass der Antragsteller zu 1 das Geld zur Reparatur des auf ihn zugelassenen PKW verwendet hat, ist zwischen den Beteiligten – soweit ersichtlich – unstreitig und angesichts seiner Gehbehinderung und der betagten Zeugin, zu deren Transport das Fahrzeug ebenfalls angeschafft wurde, auch nachvollziehbar. Ob der Betrag stattdessen zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes hätte aufgewendet werden müssen, ist eine Frage des unwirtschaftlichen Verhaltens im Sinne der §§ 31 Abs. 4, § 34 Abs.1 SGB II, ist also evt. sanktionierbar oder hat Schadensersatzansprüche zur Folge. Dies führt aber nicht dazu, dass in dieser Höhe dem Hilfebedarf fiktives Einkommen entgegen gehalten werden kann.
Allenfalls ist der Vortrag zum Ursprung des Geldbetrages bei der Feststellung zu gewichten, ob der Antragsteller zu 1 insgesamt als glaubwürdig eingestuft werden kann. Auch wenn man angesichts der Bezeichnung des Geldbetrages im Entlassungschein als "Überbrückungsgeld" insoweit an der – nicht immer eindeutigen – Darstellung des Antragstellers zu 1 durchaus Zweifel gewinnen kann, ist zu berücksichtigen, dass der Vortrag ansonsten und insbesondere auf die gegenwärtige Lage bezogen in sich schlüssig und nachvollziehbar ist.
Es ist zunächst durchaus nachvollziehbar, dass die Zeugin N die Antragstellerinnen zu 2 und 3 während der Haft des Antragstellers zu 1 aufgenommen und unterhalten hat. Insoweit geht die Antragsgegnerin fehlerhaft davon aus, dass die Zeugin lediglich Renteneinkünfte in Höhe von 700 bis 800 EUR hat. Aktenkundig sind vielmehr zwei Renten, eine Witwenrente und eine Altersrente aus eigener Versicherung, die zusammen netto mehr als 1.200 EUR betragen und damit ausreichenden finanziellen Spielraum schaffen. Dies gilt auch für die vorgetragene Darlehensgabe. Die Zeugin hat insoweit bei ihrer Befragung noch einmal bestätigt, dass sie ihrem Sohn einen Betrag von rund 6.000 EUR geliehen hat, um einen Teil der Wohungseinrichtung, die Miete und die Kaution zu finanzieren. Diese Anschaffungen hat der Antragsteller zu 1 zumindest teilweise durch Vorlage entsprechender Quittungen belegt. Ob die Anschaffung einer Wohnungseinrichtung, die diese und weitere Darlehensmittel ausschöpft, wirtschaftlich war, mag in dieser Stelle dahinstehen. Es erweist sich schließlich auch als nachvollziehbar, dass die Aufwendungen für die Internatsunterbringung der Tochter Karolina durch den Schwiegervater des Antragstellers zu 1 getragen wurden. Die Erklärung des Antragstellers zu 1, sie hätten die Tochter lediglich zusätzlich mit monatlich 150 bis 200 EUR unterstützt, erscheint ebenfalls plausibel. Der Antragsteller zu 1 hat insoweit im Erörterungstermin ausgeführt, man habe im wesentlich das für die Tochter gezahlte Kindergeld weiter gereicht. Auch die Finanzierung der Heimfahrten der Tochter durch Bekannte des Antragstellers zu 1 liegt zumindest im Bereich des Möglichen, vermag die Konsistenz der Erklärungen also nicht zu erschüttern.
Aus den aktuell vorgelegten Kontoauszügen sind keine sonstigen Zuflüsse ersichtlich. Eine Fortschreibung der Bereitschaft Dritter, darlehensweise für den Lebensunterhalt der Antragsteller aufzukommen, ist damit nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach der Mitteilung des Sozialgerichts über die Unabsehbarkeit der Terminierung der Hauptsache eine baldige Aussicht auf Rückzahlung nicht (mehr) bestand.
Besonderes Gewicht kommt den Erklärungen des Antragstellers zu 1 schließlich insoweit zu, als dass er das Fehlen weiterer Einkünfte und den Verbrauch der bisherigen Darlehen auch unter ausdrücklichem Hinweis auf die laufende Bewährungszeit und die Möglichkeit der Verwirklichung eines Betrugstatbestands noch einmal verneint hat.
Nach vorstehenden Erwägungen besteht bei den Antragstellern ein ungedeckter Bedarf. Dieser ist auf monatlich 699,97 EUR zu beziffern. Es besteht nach der Neufassung der Regelsätze zum 01.07.2009 ein Bedarf von 2 x 323 EUR für die beiden erwachsenen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft und von 251 EUR für die mehr als sieben-, aber noch nicht vierzehnjährige Tochter O nebst Kosten der Unterkunft von 504,50 EUR, insgesamt also von 1.401,50 EUR. Dem stehen bereinigte Einkünfte von 701,53 EUR gegenüber. Hierbei ist nach den aktuellen Kontoauszügen von einem Renteneinkommen des Antragstellers zu 1 von netto 403,53 EUR und von Kindergeld in Höhe von 328 EUR auszugehen. Nach § 6 Alg II-V in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Alg-II/Sozialgeld VO vom 23.07.2009 ist von dem Einkommen des Antragstellers zu 1 eine Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR in Abzug zu bringen. Das für die Tochter L zufließende Kindergeld hat der Senat vollständig als Einkommen zum Ansatz gebracht, da Nachweise für eine regelmäßige tatsächliche Auskehr an die Tochter bislang nicht vorliegen, § 1 Abs. 1 Nr. 8 Alg II-V.
Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass die Antragsteller derzeit einen erheblichen Teil ihres Bedarfs nicht selbst aufbringen können.
Der Zeitraum der einstweiligen Regelung war auf den regulären Bewilligungszeitraum von sechs Monaten nach dem SGB II zu begrenzen.
Einen Antrag auf Tragung weiterer rückständiger Mietforderungen nach § 22 Abs. 5 SGB II haben die Antragsteller bislang nicht gestellt. Hierüber war daher nicht zu befinden.
Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
III. Auch dem Prozesskostenhilfeantrag für das Beschwerdeverfahren war stattzugeben.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragsteller bot im Sinne der §§ 73 a SGG, 114 ZPO Aussicht auf Erfolg und erschien nicht mutwillig. Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erschien insoweit auch erforderlich.
Da die Antragsteller nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande sind, die Kosten der Prozessführung zu tragen, war die beantragte Prozesskostenhilfe zu gewähren; §§ 73 a SGG i.V.m. 114 ZPO. Die Antragsteller können ihren Bedarf nach dem SGB II nicht durch Einkommen oder verwertbares Vermögen decken, so dass ihnen ratenfreie Prozesskostenhilfe zusteht.
Dieser Beschluss ist insgesamt unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 23.12.2009
Zuletzt verändert am: 23.12.2009