Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 30.03.2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für medizinische Sachverständigengutachten, die im erstinstanzlichen Verfahren auf ihren Antrag eingeholt wurden, auf die Landeskasse.
In der Hauptsache stritten die Beteiligten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Im Rahmen der im Klageverfahren eingeleiteten medizinischen Ermittlungen ließ das Sozialgericht die Klägerin von Amts wegen durch die Sachverständigen Dres. P und X begutachten. Ferner wurden Dres. N und L sowie Prof. Dr. I auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz – SGG – mit weiteren Sachverständigengutachten beauftragt. Mit Urteil vom 31.07.2008 wies das Sozialgericht die Klage mit der Begründung ab, dass die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei. Dabei stützte sich die Kammer auf die Gutachten der Dres. P und X sowie teilweise des Dr. N, während sie sich der abweichenden Leistungsbeurteilung der Sachverständigen Dr. L und Prof. Dr. I nicht anzuschließen vermochte.
Mit Beschluss vom 24.09.2008 folgte das Sozialgericht dem Antrag der Klägerin, die für das Gutachten des Dr. N entstandenen Kosten auf die Landeskasse zu übernehmen, lehnte eine Übernahme der Kosten für die Gutachten des Dr. L und Prof. Dr. I hingegen mit der Begründung ab, dass diesen im Ergebnis nicht zu folgen gewesen sei und sie daher die Aufklärung des für die Sachentscheidung wesentlichen Sachverhalts nicht gefördert hätten. Gegen den ihr am 02.10.2008 zugestellten Beschluss legte die Klägerin – ebenso wie die Beklagte – kein Rechtsmittel ein.
In dem von der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts eingeleiteten Berufungsverfahren schlossen die Beteiligten in einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 17.02.2009 auf Vorschlag der Berichterstatterin einen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, der Klägerin ausgehend von einem im Juni 2005 eingetretenen Leistungsfall Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Zeit bis zum 30.11.2007 zu gewähren. Zuvor hatte die Berichterstatterin laut Sitzungsniederschrift erklärt, dass die Klägerin unter Zugrundelegung der Leistungsbeurteilung des Sachverständigen Dr. X seit Juni 2005 nicht mehr in der Lage sei, in ihrem erlernten Beruf zu arbeiten und sozial zumutbare Verweisungstätigkeiten, die sie mit dem ihr seither verbliebenen Restleistungsvermögen noch verrichten könne, nicht ersichtlich seien.
Anschließend beantragte die Klägerin erneut, die Kosten für die erstinstanzlich nach § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachten auf die Landeskasse zu übernehmen. Mit Beschluss vom 30.03.2009 lehnte das Sozialgericht die Übernahme der Kosten für die Gutachten des Dr. L und Prof. Dr. I unter Wiederholung der Gründe des Beschlusses vom 24.09.2008 erneut ab. Darüber hinaus führte die Kammer aus, dass der Abschluss des Vergleichs in zweiter Instanz auf der Leistungsbeurteilung des Sachverständigen Dr. X, nicht hingegen auf den Gutachten der Dres. L und N sowie des Prof. Dr. I beruht habe.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 14.04.2009 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 17.04.2009 Beschwerde erhoben. Sie macht geltend, dass nicht nur das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Dr. X, sondern insbesondere die nach § 109 SGG erstellten Gutachten des Prof. Dr. I und Dr. N für ihr teilweises Obsiegen ebenfalls streitentscheidend gewesen seien.
II.
Die gemäß §173 SGG form- und fristgerecht erhobene Beschwerde war zurückzuweisen.
Soweit die Klägerin die Übernahme der Kosten für das Gutachten des Sachverständigen Dr. N auf die Landeskasse begehrt, ist die Beschwerde mangels einer entsprechenden Beschwer der Klägerin bereits unzulässig; denn Gegenstand des angefochtenen Beschlusses des Sozialgerichts vom 30.03.2009 war laut dessen Beschlussformel lediglich die Ablehnung der Kostenübernahme für die Gutachten der Sachverständigen Dr. L und Prof. Dr. I, nicht hingegen der für das Gutachten des Dr. N entstandenen Kosten. Letztere hatte das Sozialgericht vielmehr bereits mit Beschluss vom 24.09.2008 auf die Landeskasse übernommen.
Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht den erneuten Antrag der Klägerin auf Übernahme der Kosten für die gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten des Dr. L und Prof. Dr. I abgelehnt. Dieser ist bereits unzulässig, weil die Rechtskraft des Beschlusses vom 24.09.2008 einer erneuten Entscheidung entgegen steht. Dieser, mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehene Beschluss ist für die Klägerin am 03.11.2008, also dem Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist von einem Monat nach seiner (am 02.10.2008 erfolgten) Bekanntgabe (vgl. § 173 Abs.1 S. SGG), formell rechtskräftig geworden. Darüber hinaus ist er auch in materieller Rechtskraft erwachsen mit der Folge, dass die Beteiligten und das Gericht – unabhängig von der Richtigkeit seines Inhalts – an die darin getroffene Entscheidung gebunden sind.
Zwar binden nach dem Wortlaut des § 141 Abs.1 SGG lediglich rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden ist. In Rechtsprechung und Schrifttum herrscht jedoch weitgehend Einigkeit darüber, dass auch Beschlüsse der materiellen Rechtskraft fähig sind, sofern sie eine Entscheidung treffen, die nach Sinn und Zweck des in § 141 SGG zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedankens Gegenstand der inneren Rechtskraft sein kann (vgl. Peters, Sautter, Wolf, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Loseblattsammlung, Band 3, 4. Auflage, Stand Mai 2009, § 142 Rdnr. 48 bzw. BGH, Beschluss vom 03.03.2004 – IV ZB 43/03 – zu §§ 322, 325 Zivilprozessordnung – ZPO -), namentlich selbständig, vorbehaltlos und endgültig über eine von einem Beteiligten beanspruchte Rechtsfolge befinden (vgl. z.B. Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 9. Auflage München 2008, § 141 Rdnr. 5; Zeihe, Sozialgerichtsgesetz, Sozialrechtliche Gesetzgebung und Praxis, Loseblattsammlung, Stand 01.07.2009, § 142 Rdnr. 11 d). Dazu gehören beispielsweise Kosten(festsetzungs)beschlüsse nach §§ 197, 193 Abs.1 S.3 SGG (Peters, Sautter, Wolff, a.a.O., § 142 Rdnr. 48) sowie Entscheidungen im vorläufigen Rechtsschutz (vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 18.12.1991 – II B 112/91 – für Beschlüsse in Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 114 Finanzgerichtsordnung – FGO – m.w.N.), nicht hingegen Beschlüsse mir nur deklaratorischem Inhalt (Peters, Sautter, Wolff, a.a.O., § 142 Rdnr. 49) und Prozesskostenhilfe versagende Beschlüsse (BGH, Beschluss vom 03.03.2004 – IV ZB 43/03 -). Ist der Antrag eines Beteiligten durch einen solchen, der materiellen Rechtskraft fähigen Beschluss rechtskräftig als unbegründet abgelehnt worden, so sind die Beteiligten und das Gericht an diese Entscheidung gebunden, ohne dass es darauf ankommt, ob sie inhaltlich zu Recht ergangen ist. Ein wiederholter Antrag kann trotz dessen früherer rechtskräftiger Ablehnung allerdings dann – zulässiger Weise – gestellt werden, wenn nach der früheren Entscheidung bzw. nach dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt neue Tatsachen entstanden sind, welche eine andere Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts rechtfertigen (vgl. für Beschlüsse im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO BFH, Beschluss vom 18.12.1991 – II B 112/91 – ; ferner OVG Münster in NJW 1975, 992; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 3. Auflage, Rdnr. 106 und 111 m.w.N.; ähnlich Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, a.a.O., § 141 Rdnr. 8c und Zeihe, a.aO., vor § 141 Anm. 1d). Ist eine solche wesentliche Änderung eingetreten, so entfällt die – grundsätzlich zeitlich unbegrenzte – Rechtskraftwirkung (vgl. BSG SozR 4100 § 151 Nr.19 = Breithaupt 1979 S. 912; BVerwG, JR 1957 S. 356 und NJW 1963 S. 172; Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, a.a.O., § 141 Rdnr. 19; Zeihe, a.a.O., vor § 141 Anm. 1d).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Beschluss vom 24.09.2008, mit dem das Sozialgericht die Übernahme der Kosten für die Gutachten der Sachverständigen Dr. L und Prof. Dr. I auf die Landeskasse (erstmals) abgelehnt hat, unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des in § 141 SGG zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedankens nicht nur in formeller, sondern auch in materieller Rechtskraft erwachsen; denn bei der Entscheidung, ob die Kosten für ein auf Antrag des Versicherten eingeholtes Gutachten nach § 109 Abs.1 S.2 letzter Halbsatz SGG auf die Landeskasse übernommen werden, handelt es sich um eine selbständige Entscheidung, mit der vorbehaltlos und endgültig über dessen Kostenübernahmeantrag befunden wird. Ein solcher Beschluss ist insbesondere auch nicht mit einer Prozesskostenhilfe versagenden Entscheidung vergleichbar, die nicht in materieller Rechtskraft erwächst (s.o.). Zwar ist beiden gemeinsam, dass es sich um nicht streitige Antragsverfahren handelt, in denen sich als Beteiligte nur der Antragsteller und das Gericht als Bewilligungsstelle gegenüberstehen, so dass der wesentliche Zweck des § 141 SGG, einen kontradiktorischen Parteienstreit im Interesse des Ansehens der Gerichte, der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens der Parteien endgültig zu befrieden (so BGH, Beschluss vom 03.03.2004 – IV ZB 43/03 – zu §§ 322, 325 ZPO; ferner Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, a.a.O., § 141 Rdnr. 3a), nicht unmittelbar auf diese übertragen werden kann. Jedenfalls der Gedanke des Ansehens des Gerichts und der Rechtssicherheit gebieten es jedoch, Beschlüssen in Verfahren auf Übernahme der Kosten für ein Gutachten nach § 109 Abs.1 S.2, letzter Halbsatz SGG materielle Rechtskraft zuzusprechen. Gleiches gilt mit Blick auf den weiteren Sinn des § 141 SGG, die Parteien mit nachträglichem Vorbringen auszuschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 03.03.2004 – IV ZB 43/03 – zu §§ 322, 325 ZPO); denn das Verfahren auf Übernahme der Kosten für ein auf Antrag des Versicherten eingeholtes Gutachten ist – anders als das Verfahren auf Gewährung von Prozesskostenhilfe – gerade nicht lediglich darauf gerichtet, dem mittellosen Antragsteller erst den Zugang zu dem gerichtlichen Verfahren und zu einem angemessenen juristischen Beistand zu eröffnen. Das vor diesem Hintergrund dort fehlende Präklusionsbedürfnis (vgl. BGH, Beschluss vom 03.03.2004 – IV ZB 43/03 -) besteht in Kostenübernahmeverfahren vielmehr in gleicher Weise wie beispielsweise in Kosten(festsetzungs)verfahren, die ebenfalls mit einer in materieller Rechtskraft erwachsenden Entscheidung abschließen (s.o.).
Die – somit eingetretene – materielle Rechtskraft des Beschlusses vom 24.09.2008 ist vorliegend auch nicht durch die weitere Entwicklung in dem Hauptsacheverfahren entfallen. Zwar ist nach Ablehnung des erstmaligen Antrags auf Übernahme der Kosten für die Gutachten des Dr. L und Prof. Dr. I durch Beschluss vom 24.09.2008 insofern eine neue Tatsachen eingetreten, als die Beteiligten am 17.02.2009 einen Vergleich über die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit geschlossen haben. Dies rechtfertigt jedoch keine andere Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Zwar kann der Abschluss eines Vergleichs die Übernahme der Kosten eines Gutachtens, das auf Antrag des Versicherten eingeholt wurde, begründen, wenn dieses Grundlage der zwischen den Beteiligten getroffenen einvernehmlichen Regelung war (vgl. Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, a.a.O., § 109 Rdnr. 16a). Vorliegend beruhte der geschlossene Vergleich jedoch – wie sich aus dem Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 17.02.2009 ergibt und worauf das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss zu Recht hingewiesen hat – ausschließlich auf dem von Amts wegen eingeholten Gutachten des Dr. X, nicht hingegen (auch nicht teilweise) auf den Gutachten der Sachverständigen Dr. L und Prof. Dr. I.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Gegen diese Entscheidung findet eine Beschwerde nicht statt (§ 177 SGG).
Erstellt am: 07.01.2010
Zuletzt verändert am: 07.01.2010