Siehe Berichtigungsbeschluss !!!
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.05.2007 abgeändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist das Honorar der Klägerin für ärztliche Leistungen, die sie aufgrund vertragszahnärztlicher Überweisungen im Quartal II/2004 erbracht hat.
Die Klägerin ist als Fachärztin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in H niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit der Quartalsabrechnung II/2004 stellte sie u.a. ärztliche Leistungen in 117 Behandlungsfällen in Rechnung, denen Überweisungen von Vetragszahnärzten zugrunde lagen. Die Beklagte reichte diese Überweisungsfälle ohne weitere inhaltliche Prüfung jeweils mit dem Vermerk "zurückgestellt" zurück und lehnte die Abrechnung ab (Bescheid vom 30.08.2004). Die Behandlungsausweise seien ungültig, da sie von Zahnärzten ausgestellt worden seien. Der Klägerin wurde ausweislich des Bescheides nachgelassen, in den fraglichen Behandlungsfällen von allen Patienten, ggf. von vorher behandelnden Ärzten, Überweisungen für II/2004 anzufordern und diese mit der Abrechnung III/2004 nachzureichen.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch hat die Klägerin vorgetragen, aus den Informationen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) Nordrhein gehe nicht eindeutig hervor, dass die Patienten in diesen Fällen auch noch eine Überweisung vom Hausarzt vorlegen müssten bzw. hier 10,00 EUR Praxisgebühr zu erheben seien. Deswegen und angesichts der Vorgaben der Praxissoftware habe sie die strittigen Fälle datenmäßig als Patienten mit Überweisungsschein-Zahnarzt und ohne erneute Erhebung einer Praxisgebühr erfasst. Sie bitte um Mitteilung, wie sie in den 117 Fällen und weiterhin verfahren solle.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 03.01.2005 zurück. Nach Änderung des Bundesmantelvertrages – Ärzte (BMV-Ä) sowie des Ersatzkassenvertrags (EKV-Ä) zum 01.01.2004 sei eine vom Vertragszahnarzt ausgestellte formlose Überweisung nur an einen ausschließlich auftragnehmenden Vertragsarzt möglich. Danach könnten nur Ärzte für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Nuklearmedizin, Pathologie, Radiologische Diagnostik bzw. Radiologie, Strahlentherapie und Transfusionsmedizin auf Überweisung in Anspruch genommen werden. Im Informationsdienst der KZV 4/2004 sei auf die Änderung des BMV-Ä zum 01.01.2004 hingewiesen worden.
Auf telefonische Nachfrage der Klägerin wegen des weiteren Vorgehens schlug die Beklagte ihr vor, entweder die Überweisungsscheine der Hausärzte innerhalb der Jahresfrist nachzureichen oder die Behandlungsfälle als Nachzügler in Form der Selbstausstellung mit der Quartalsabrechnung IV/2004 einzureichen und unter Verzicht auf die Praxisgebühr abzurechnen. Da die nachträgliche Anforderung von Überweisungsscheinen der Klägerin als nicht praktikabel erschien, reichte sie die "zurückgestellten" Behandlungsscheine im Quartal IV/2004 nochmals ein. Mit Honorarbescheid vom 11.04.2005 erkannte die Beklagte für die im Quartal IV/2004 erbrachten Leistungen einen Betrag von 1.132,27 EUR an und kürzte im Übrigen das Honorar der Klägerin für das Quartal IV/2004 wegen Überschreitung des Individualbudgets um 19.398,65 EUR. Gegen den Abrechnungsbescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, da die im Quartal II/2004 erbrachten Leistungen nunmehr den Leistungen des Quartals IV/2004 hinzugerechnet worden seien, was eine erhebliche Überschreitung des Individualbudgets zur Folge habe. Die Abrechnungsscheine seien jedoch fristgerecht für das Quartal II/2004 eingereicht worden. Die im Quartal II/2004 erbrachten und abgerechneten Leistungen seien auch diesem Quartal zuzurechnen.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 22.12.2005). Die eingereichten Behandlungsfälle seien ungültig und daher nicht abrechenbar gewesen. Der Klägerin sei zwar die Möglichkeit gegeben worden, die Behandlungsfälle mit der Scheinart "Selbstaussteller" abzurechnen. Dies habe jedoch nicht zur Konsequenz, dass die Budgetierungsregeln des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) bzw. Honorarverteilungsvertrages (HVV) unberücksichtigt blieben. Die Berechnung der Vergütung erfolge in dem Quartal, in dem die Behandlungsfälle zur Abrechnung eingereicht worden seien.
Die Klägerin hat Klage erhoben und zur Begründung u.a. darauf hingewiesen, dass die im Quartal II/2004 fristgerecht eingereichten Abrechnungsscheine nur insoweit fehlerhaft gewesen seien, als sie auf Überweisungen von Zahnärzten beruhten. Daher sei fraglich, ob es sich tatsächlich um fehlerhaft abgerechnete Leistungen handele, denn die den Scheinen zugrunde liegenden Leistungen selbst seien nicht fehlerhaft gewesen. Folge einer nicht zulässigen Überweisung sei nur, dass die Behandlung der Patienten nicht von den Ausnahmeregelungen des BMV-Ä zur Einziehung der Praxisgebühr erfasst werde und von dem Honoraranspruch des Arztes daher – wie erfolgt – die tatsächlich nicht eingezogenen Praxisgebühren abzuziehen seien. Eine fehlerhafte Überweisung führe indessen nicht dazu, dass die gesamte Behandlung als falsch angesehen werden könne. Es sei ihr auch ohne eine förmliche Überweisung möglich gewesen, die Patienten im Quartal II/2004 zu behandeln. Für diese Behandlung hätte nur ein Selbstausstellerschein ausgestellt werden müssen, was nachträglich erfolgt sei. Das Nachreichen der – zuvor fristgerecht vorgelegten – Abrechnungsscheine sei nicht als verspätete Einreichung der Scheine zu qualifizieren. Diese Situation sei daher nicht mit der in § 4 Abs. 5 HVM ("Abrechnungsscheine, die der Arzt erst nach diesem Zeitpunkt erhält, können erst mit der nächsten Quartalsabrechnung eingereicht werden") geregelten Situation vergleichbar. Dies gelte umso mehr, als nach der nunmehr geltenden HV die Regelung in § 4 Abs. 5 HV wie folgt laute: "Nachträglich abgerechnete Abrechnungsscheine nehmen an der Honorarverteilung im Einreichungs-quartal nach dem im Leistungsquartal bestehenden Status teil". Im Übrigen sei die Unrichtigkeit der Abrechnungsscheine mit Wissen und Wollen der Beklagten richtig gestellt worden. Zudem habe die Beklagte die fehlerhaften Abrechnungen im Quartal I/2004 noch akzeptiert. Wäre sie von der Beklagten bereits im Quartal I/2004 auf diese Mängel hingewiesen worden, wäre es im Quartal II/2004 nicht dazu gekommen. Sie habe aufgrund der Zusage der Beklagten auf die Abrechnung für das Quartal II/2004 vertrauen dürfen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Honorarbescheides für das Quartal IV/2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2005 zu verurteilen, über das Honorar für das Quartal IV/2004 und für die 117 Behandlungsscheine für ärztliche Leistungen des Quartals II/2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, aufgrund der Änderungen des BMV-Ä zum 01.01.2004 seien mit Ausnahme der in § 13 Abs. 4 BMV-Ä genannten Fälle Überweisungen von Zahnärzten zu Ärzten nicht mehr möglich. Über die Änderungen sei die Klägerin durch Veröffentlichungen im Deutschen Ärzteblatt und auch über den kassenzahnärztlichen Informationsdienst rechtzeitig informiert worden. Die Selbstausstellerscheine seien erst im Quartal IV/2004 zur Abrechnung eingereicht worden. Sie nähmen daher an der Abrechnung des Einreichungs- quartals teil. Eine nachträgliche Teilnahme an der Honorarverteilung des Leistungsquartals sei weder möglich noch zu irgendeinem Zeitpunkt praktiziert worden. Insbesondere habe sich durch die Neuregelung des § 4 Abs. 5 HVV in der ab 01.04.2005 gültigen Fassung nichts geändert. Durch die Neufassung werde lediglich klargestellt, dass jeweils der im Leistungsquartal bestehende Status maßgeblich sein solle.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage mit Urteil vom 23.05.2007 stattgegeben und ausgeführt: Die Klägerin habe für das Quartal IV/2004 u.a. auf Veranlassung eines Zahnarztes erbrachte ärztliche Leistungen abgerechnet. Überweisungen eines Zahnarztes an einen Arzt der vertragsärztlichen Versorgung seien jedoch seit dem 01.01.2004 infolge Änderungen des BMV-Ä nicht mehr möglich. Entsprechende Informationen seien in der KVNO-Aktuell 4/2004 und den Informationsdiensten der KZV Nordrhein enthalten gewesen. Demgemäß habe die Beklagte die von der Klägerin eingereichten 117 Behandlungsscheine zur Mit-/Weiterbehandlung auf Veranlassung eines Vertragszahnarztes zu Recht beanstandet. Die Klägerin habe keine gültigen Behandlungsausweise im Sinne des BMV-Ä zur Abrechnung gebracht. In der Folge habe die Beklagte der Klägerin jedoch zugestanden, diese Behandlungsfälle ausnahmsweise als ambulante Behandlungsfälle in der Form des Selbstausstellers mit der nächsten Quartalsabrechnung, d.h. derjenigen für das Quartal IV/2004, einzureichen und abzurechnen. Konsequenz dieser Abrechnungsform sei u.a., dass von dem Honorar der Klägerin die Praxisgebühr in Abzug gebracht werde. Unter welchen Abrechnungsvoraussetzungen diese Behandlungsscheine zur Abrechnung hätten kommen sollen, sei dem Zugeständnis der Beklagten nicht zu entnehmen. Auch aus dem HVM ergebe sich insoweit keine eindeutige Regelung. Danach seien die Abrechnungsunterlagen jeweils nach Beendigung eines Kalendervierteljahres der zuständigen Bezirksstelle einzureichen. Abrechnungsscheine, die der Arzt erst nach diesem Zeitpunkt erhalte, könnten erst mit der nächsten Vierteljahresabrechnung eingereicht werden. Erst in dem ab 01.04.2005 geltenden HVV sei geregelt, dass nachträglich eingereichte Abrechnungs- scheine an der Honorarverteilung im Einreichungsquartal nach dem im Leistungsquartal bestehenden Status teilnehmen. Dieser Regelung sei eindeutig zu entnehmen, dass mit Ausnahme des Status die Bedingungen des Einreichungsquartals für die Berechnung des Honorars maßgebend sein sollten. Auch wenn einiges dafür spreche, dass mit dieser Regelung lediglich eine Klarstellung bezweckt sei, ergebe sich hieraus keine Schlussfolgerung für das vorliegende Verfahren. Die Beklagte habe die Behandlungsscheine mit dem Vermerk "zurückgestellt" versehen. Wenn sie der Klägerin sodann mit einem Selbstausstellerschein eine erneute Einreichung der Abrechnungsunterlagen ermögliche, sei bereits fraglich, ob ein Fall der "verspäteten" Einreichung angenommen werden könne. Für die Klägerin sei jedenfalls der Eindruck entstanden, dass die Abrechnungsscheine dem Leistungsquartal zugeordnet werden. Ihr sei zugute zu halten, dass die bisherige Überweisungspraxis geändert und die betroffenen Ärzte hiervon erst im Laufe des Quartals II/2004 unterrichtet worden seien. Die Beklagte habe zudem die Abrechnung für das Quartal I/2004 unbeanstandet gelassen, obwohl die Klägerin auch in diesem Quartal entsprechende Behandlungsscheine eingereicht habe. Schließlich könne der Klägerin auch nicht entgegengehalten werden, dass der HVM grundsätzlich eine nachträgliche Korrektur bereits eingereichter Abrechnungsscheine ausschließe. Von dieser Regelung habe die Beklagte Abstand genommen, als sie der Klägerin zugestanden habe, die Scheine als Selbstausstellerscheine erneut einzureichen. Angesichts der Gesamtumstände und der finanziellen Auswirkungen für die Klägerin sei es sachgerecht, dass die Beklagte die von ihr zurückgestellten Abrechnungsscheine unter den Bedingungen des Quartals II/2004 erneut abrechne.
Diese Entscheidung greift die Beklagte fristgerecht mit der Berufung an. Sie trägt vor: Die von der Klägerin vorgelegten "ungültigen Fälle" seien im Original zurückgereicht und damit generell nicht zur Abrechnung angenommen worden. Der hiergegen gerichtete Widerspruch sei bestandskräftig zurückgewiesen worden. Die Klägerin habe von der ihr eingeräumten Möglichkeit zur Abgabe – bezogen auf die streitigen Behandlungsfälle – neuer Abrechnungsunterlagen mit der Abrechnung ihrer Leistungen für das Quartal IV/2004 Gebrauch gemacht, so dass die Behandlungsfälle der Abrechnung des Einreichungsquartals unterlägen. Eine wie auch immer geartete Zusage sei ihr nicht gemacht worden. Sie – die Beklagte – habe ihr auf telefonische Nachfrage lediglich Möglichkeiten zum weiteren Vorgehen aufgezeigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.05.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurück zuweisen.
Sie verweist auf das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Die Beklagte habe die ursprünglichen Abrechnungsunterlagen selbst mit dem Vermerk "zurückgestellt" versehen. Hieraus folge, dass diese gerade nicht, wie von der Beklagten behauptet, "zurückgewiesen" worden seien. Es handele sich damit nicht um neue zur Abrechnung eingereichte Behandlungsfälle, sondern allenfalls um eine von der Beklagten selbst gebilligte Korrektur der fristgerecht eingereichten Abrechnungsunterlagen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten Bezug genommen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte und im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Honorarbescheid nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da dieser rechtmäßig ist. Das erstinstanzliche Urteil ist daher abzuändern.
I. Streitgegenstand ist allein der Honorarbescheid vom 11.04.2005 für das Quartal IV/2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2005. Der Honorarbescheid für das Quartal II/2004 ist bestandskräftig geworden. Zwar hat die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt, indessen hat die Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 03.01.2005 zurückgewiesen. Die Klägerin hat versäumt, diesen Bescheid mittels Klage (§§ 87 ff. SGG) anzugreifen. In der Folge ist der Bescheid bindend geworden (§ 77 SGG). Damit ist bestandskräftig entschieden, dass die fraglichen 117 Behandlungsfälle nicht im Quartal II/2004 zur Abrechnung gelangen. Streitgegenstand des Berufungsverfahren ist damit allein die Frage, ob die im Quartal IV/2004 nachgereichten 117 Behandlungsfälle zu den rechtlichen Bedingungen dieses Quartals oder zu jenen des Quartals II/2004 abzurechnen sind.
II.
Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung höheren vertragsärztlichen Honorars ist § 85 Abs. 4 Satz 1 bis 3 SGB V in der Fassung des GKG-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14.11.2003 (BGBI l 2190). Danach verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte, in der vertragsärztlichen Versorgung getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung (Satz 1). Sie wendet dabei ab dem 01.07.2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig bis zum 30.04.2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an (Satz 2 1. Halbsatz). In diesem Rahmen steht jedem Vertragsarzt ein Anspruch auf Teilhabe an den von den Krankenkassen entrichteten Gesamtvergütungen entsprechend der Art und dem Umfang der von ihm erbrachten – abrechnungsfähigen – Leistungen nach Maßgabe der Verteilungsregelungen des HVM/HVV zu (BSG, Urteil vom 28.05.2008 – B 6 KA 49/07 R -).
1. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 HVV in der für die Abrechnung der im Quartal III/2004 erbrachten ärztlichen Leistungen maßgeblichen ab 01.07.2004 geltenden Fassung (- a.F. – Rhein. Ärzteblatt 6/2004 Seite 76 ff.) unterliegen Leistungen, die eine vertragsärztliche Praxis über das jeweils zugeordnete maximale Punktzahlvolumen (Individualbudget) hinaus abrechnet, einer Kürzung auf dieses Punktzahlvolumen. Die im Quartal II/2004 erbrachten und für das Quartal IV/2004 abgerechneten Leistungen wurden im oben dargestellten Umfang über das der Klägerin für das maßgebliche Abrechnungsquartal IV/2004 zugeordnete maximale Punktzahlvolumen (455.133) hinaus abgerechnet, was zur beanstandeten Kürzung führte. Anhaltspunkte dafür, dass die Vertragspartner des HVV das in § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V angesprochene Gebot leistungsproportionaler Verteilung des Honorars sowie den aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) herzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht beachtet haben, liegen nicht vor (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.2004 – B 6 KA 44/03 -). Überdies ergeben sich nach Aktenlage keinerlei Hinweise darauf, dass die Beklagte ein zu niedriges Individualbudget zugrunde gelegt hat bzw. die Berechnung als solche fehlerhaft ist. Die Klägerin hat dies auch nicht geltend gemacht.
Die Kürzung ist auch im Übrigen rechtmäßig. Nach § 4 Abs. 1 HVM vom 17.04.1999 in der Fassung vom 30.11.2002 (Rhein. Ärzteblatt 1/2003, S. 76 ff.) ist die Rechnungslegung auf gültigen Abrechnungsscheinen nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen, insbesondere des BMV-Ä bzw. AEV (Arzt-Ersatzkassenvertrag; im Folgenden: EKV-Ä) sowie der hierzu ergangen Beschlüsse und der Vorschriften des HVM vorzunehmen. Ergänzend bestimmt § 4 Abs. 3 Satz 1 HVM, dass für die Abrechnungsfähigkeit von Überweisungsscheinen insbesondere die Bestimmungen des § 24 BMV-Ä bzw. § 27 EKV-Ä maßgeblich sind. Die von der Klägerin vorgelegten Behandlungsausweise entsprachen dem nicht. Sie hat nicht beachtet, dass infolge von zum 01.01.2004 wirksam gewordenen Änderungen des BMV-Ä / EKV-Ä (§ 24 Abs. 10 BMV-Ä bzw. § 27 Abs. 10 EKV-Ä) vom Vertragszahnarzt ausgestellte formlose Überweisungen nur noch an einen auftragnehmenden Vertragsarzt nach § 13 Abs. 4 BMV-Ä bzw. § 7 Abs. 4 EKV-Ä zulässig sind. Als Fachärztin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie rechnet die Klägerin hierzu nicht. Die Abrechnung für das Quartal II/2004 hat die Beklagte auf dieser Grundlage – wie dargestellt – bestandskräftig verweigert. Ungeachtet dessen hat sie der Klägerin konzilianterweise, d.h. ohne jegliche Rechtspflicht, angeboten, die fraglichen Behandlungsfälle dennoch zur Abrechnung zu bringen. Dem SG ist zuzustimmen, dass die Abrechnungsmodalitäten insoweit ungeklärt waren. Das indessen ist unschädlich. War die Beklagte nicht mehr verpflichtet, die fraglichen Fälle abzurechnen, und verweist sie im Wege des Entgegenkommens auf eine Möglichkeit, die an sich ausgeschlossene Rechnungslegung nunmehr doch noch, nämlich im Quartal IV/2004 durchzuführen, so mutet es durchaus als befremdlich an, wenn die Klägerin aus dem Entgegenkommen der Beklagten meint, einen Anspruch herzuleiten zu können, die ihr an sich für II/2004 verschlossene Abrechnung auch noch zu den ihr günstigeren Bedingungen dieses Quartals vorzunehmen. M.a.W.: Die Beklagte war zu diesem Entgegenkommen nicht verpflichtet. Die Klägerin hatte keinen Anspruch darauf, dass die Abrechnung der 117 Behandlungsfälle in späteren Quartalen gleichsam nachgeholt und ihr insoweit die Möglichkeit eingeräumt wird, den von ihr verursachten Abrechnungsfehler zu kompensieren. Das bedeutet weiter: Da sie keinen Abrechnungsanspruch hat, kann sie naturgemäß schon gar keinen Anspruch darauf haben, dass die Abrechnung zu den HVM-Modalitäten des Quartals II/2004 erfolgt.
Aus § 4 Abs. 5 Satz 7 HVV in der ab dem 01.04.2005 geltenden Fassung (Rhein. Ärzteblatt 3/2005, S. 88 ff.) folgt nichts anderes. Hiernach nehmen nachträglich eingereichte Abrechnungsscheine an der Honorarverteilung im Einreichungsquartal nach dem im Leistungsquartal bestehenden Status teil. Der Begriff "Status" ist zulassungsrechtlich zu verstehen und bezieht sich auf den Zulassungsstatus (Einzelpraxis, Praxisgemeinschaft, Gemeinschaftspraxis usw.). Ausweislich des eindeutigen Wortlauts regelt § 4 Abs. 5 Satz 7 HVV mithin nur, dass der Zulassungsstatus des Leistungsquartals auf das (spätere) Abrechnungsquartal einwirkt. Ungeachtet dessen kann die Klägerin aus § 4 Abs. 5 Satz 7 HVV schon deswegen nichts zu ihren Gunsten herleiten, weil diese Regelung nicht rückwirkend gilt. Vielmehr merkt die Präambel des HVV ausdrücklich an, dass für den Zeitraum ab dem 01.04.2005 der am 30.06.2004 gültige HVM mit den zuletzt für den Zeitraum vom 01.07.2004 bis 31.03.2005 geltenden Änderungen in der nachstehenden Fassung, also modifiziert um die §§ 1 ff. des HVV vom 01.04.2005 anzuwenden ist.
2. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihr außerhalb des Individualbudgets eine Nachvergütung zugesagt worden ist. Nach § 34 Abs. 1 SGB Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) kann die zuständige Behörde eine Zusage erteilen, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung); diese bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Abgesehen davon, dass eine solche Zusage jedenfalls nicht schriftlich erteilt wurde, lässt auch der Inhalt der "Goodwill-Entscheidung" der Beklagten nicht auf eine derartige Zusage schließen. Das bedarf keiner weiteren Darlegungen.
3. Die Klägerin kann sich ferner nicht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen. Vertrauensschutz setzt einen gegenüber dem betroffenen Arzt gesetzten besonderen Vertrauenstatbestand voraus (Senat, Urteile vom 14.11.2007 – L 11 KA 36/07 -, 14.11.2007 – L 11 KA 112/06 -, 10.12.2008 – L 11 KA 16/07 -). Schon daran fehlt es. Das BSG hat in anderem Zusammenhang wiederholt ausgeführt, dass sachlich-rechnerische Richtigstellungen aus Vertrauensschutzgründen nicht erfolgen dürfen, wenn die KV über einen längeren Zeitraum eine systematisch fachfremde oder eine ohne ausreichende fachliche Qualifikation ausgeübte Tätigkeit wissentlich geduldet und der Vertragsarzt im Vertrauen auf die weitere Vergütung solcher Leistungen weiterhin entsprechende Leistungen erbracht hat (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 9 S. 38 f und BSGE 84, 290, 296 f = SozR 3-2500 § 95 Nr. 21 S. 91; BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 6 S. 35). Es hat dafür eine längere Verwaltungspraxis gefordert, die über eine Zeit von wenigen Monaten hinausgehen muss (BSGE 84, 290, 296 f = SozR 3-2500 § 95 Nr. 21 S. 91). Hinsichtlich der rückwirkenden Korrektur von Honorarbescheiden hat das BSG in der bloßen Duldung einer objektiv fehlerhaften Abrechnungspraxis durch eine Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung keinen Vertrauenstatbestand gesehen (BSG SozR 4-2500 § 106a Nr. 1; s. auch SozR 4-2500 § 95 Nr. 8). Übertragen bedeutet dies: Selbst wenn die Abrechnung der Klägerin im Quartal I/2004 unbeanstandet geblieben ist, wäre das nach diesen Maßstäben unbeachtlich. Der "Fehler" der Beklagten betrifft nur die Abrechnung für das Quartal I/2004. Soweit es das Quartal II/2004 anlangt, kann die Klägerin sich schon deswegen nicht auf einen Vertrauenstatbestand berufen, weil sie den Abrechnungsfehler eigenverantwortlich verursacht hat. Auf die Änderungen des BMV-Ä/EKV-Ä ist die Klägerin – wie auch alle anderen Vertragsärzte im Zuständigkeitsbereich der Beklagten – zeitig hingewiesen worden, nämlich durch Veröffentlichungen im Deutschen Ärzteblatt Jahrgang 101, Heft 11 vom 12.03.2004 (Seite A 743, 744) und Heft 4 vom April 2004 (S. 183, 184) sowie in der KVNo Aktuell 4/2004 und dem Informationsdienst der KZV Nordrhein 4/2004.
Soweit die Klägerin sich darauf bezieht, aus der KVNo Aktuell 4/2004 und dem Informationsdienst der KZV Nordrhein 4/2004 gehe nicht eindeutig hervor, wie zu verfahren sei, führt dies nicht weiter. Eine unklare Rechtslage kann nicht zum Vertrauensschutz führen. Eine unklare Rechtslage ist von vornherein ungeeignet, Gewissheit von der Rechtmäßigkeit eines bestimmten Handelns zu vermitteln. Allenfalls kann derjenige, der sich auf eine Rechtsposition beruft, darauf hoffen, dass sich die von ihm vertretene Ansicht als zutreffend erweist. Im Übrigen aber hat der Betreffende ebenso in Erwägung zu ziehen, dass sich die andere Ansicht durchsetzt, sich mithin sein Handeln als unzulässig erweist (vgl. Senat, Urteil vom 10.12.2008 – L 11 KA 16/07 -; Urteil vom 14.11.2007 – L 11 KA 36/07 -, bestätigt durch BSG, Urteil vom 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R -).
4. Die Klägerin kann ihr Begehren schließlich auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Ungeachtet der grundsätzlichen Frage, ob und inwieweit dieses Rechtsinstitut im Vertragsarzrecht zur Anwendung gelangt (hierzu Senat, Urteil vom 02.07.1997 – L 11 Ka 111/96 -), ist bereits fraglich, ob die Beklagte rechtswidrig bei der Klägerin den Eindruck erweckt hat, sie könne die im Quartal II/2004 aus formellen Gründen nicht abgerechneten Leistungen vollständig (unabhängig von ihrem Individualbudget) noch geltend machen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch greift nach den allgemeinen richterrechtlichen Grundsätzen bei einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung ein, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist. Auf der Rechtsfolgenseite muss durch die Vornahme einer Amtshandlung des Trägers ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2006 – B 1 KR 5/05 R – ). Abgesehen davon, dass schon zweifelhaft ist, ob die Klägerin einen solchen Anspruch dem Grunde nach überhaupt geltend machen kann, kommt eine rechtswidrige Amtshandlung (wie die Honorierung ärztlicher Leistungen über das Individualbudget hinaus) als Gegenstand des Herstellungsanspruchs von vornherein nicht in Betracht (vgl. auch Senat, Urteil vom 14.02.2007 – L 11 KR 69/06 -).
5. Auch im Übrigen existiert keine Anspruchsgrundlage, auf die das Begehren der Klägerin gestützt werden könnte.
a) Das von den Partnern der Gesamtverträge zu beachtende gesetzliche Gebot, ärztliche Leistungen angemessen zu vergüten (§ 72 Abs. 2 SGB V) scheidet als Anspruchsgrundlage aus. Diese Regelung enthält nur ein objektives Gebot, das im allgemeinen keine subjektive Rechte der Vertragsärzte begründet (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.05.2003 – L 10 KA 52/02 -). Einzelne Ärzte können sich im Rahmen einer Inzidentprüfung der für die Vergütungshöhe maßgeblichen Vorschriften des EBM-Ä und des HVM / HVV entweder dann auf dieses Gebot berufen, wenn durch eine zu niedrige Honorierung ärztlicher Leistungen das vertragsärztliche Versorgungssystem als Ganzes – beziehungsweise zumindest hinsichtlich eines Teilgebiets – und als Folge davon auch die berufliche Existenz der an dem Versorgungssystem beteiligten ärztlichen Leistungserbringer gefährdet wäre, oder dann, wenn in einem – fachlichen oder örtlichen -Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden, und dadurch in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet ist (BSG, Beschluss vom 11.03.2009 – B 6 KA 31/08 B -)
Die Klägerin hat trotz des nicht unerheblichen Kürzungsvolumens nicht ansatzweise dargetan, dass diese Voraussetzungen vorliegen.
b) Ein Anspruch auf Vergütung der im Quartal II/2004 erbrachten vertragsärztlichen Leistungen nach den Abrechnungsmodalitäten dieses Quartals ergibt sich auch nicht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Bei der Prüfung, ob normative Regelungen der Honorarverteilung den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG genügen, ist primär auf die generelle Situation der betroffenen Arztgruppe und nicht auf die Ertragssituation einer einzelnen vertragsärztlichen Praxis abzustellen. Dementsprechend ist unerheblich, in welcher Höhe der einzelne Vertragsarzt Honoraransprüche erwerben und ob seine Praxis einen ausreichenden Gewinn abwerfen kann. Die Berücksichtigung der generellen Situation einer Arztgruppe schließt zugleich aus, dass ein Anspruch auf höhere Vergütung mit Erfolg für nur einen kurzen Zeitraum oder für beliebig herausgegriffene Quartale geltend gemacht werden kann (BSG, Urteil vom 09.12.2004 – B 6 KA 44/03 R -; vgl. auch Senat, Urteil vom 03.09.2007 – L 11 KA 105/06 -).
Die Berufung der Beklagten musste nach alledem Erfolg haben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 03.08.2010
Zuletzt verändert am: 03.08.2010