Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 18. Mai 2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten auch für das Beschwerdeverfahren einander nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Münster (SG), mit dem sein Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes abgelehnt worden ist. Er begehrt die Versorgung mit dem Arzneimittel "Octagam".
Der 1959 geborene Beschwerdeführer bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und ist bei der Beschwerdegegnerin krankenversichert. Er leidet seit 1996 an einer Colitis ulcerosa bei nachgewiesener intestinaler Cytomegalievirus-Infektion (CMV-Infektion). Im Jahr 1999 wurde bei ihm die Diagnose "HIV-Infektion Stadium CDC C3 ED 1999" gestellt. Infolge der CMV-Infektion entstehen insbesondere Darmblutungen. 1999 war das gesamte Immunsystem des Beschwerdeführers außer Kraft gesetzt und zusammengebrochen. Der Beschwerdeführer wurde deshalb über einen Zeitraum von 26 Wochen stationär in der Uni-Klinik N behandelt. Dort wurde auch ein künstlicher Darmausgang gelegt.
Die Therapie wegen der HIV-Infektion und der CMV-Infektion und deren Folgeer-krankungen wird im Wesentlichen von dem Facharzt für Innere Medizin und Infektologie Dr. C in N geleitet. Dr. C behandelte die CMV-Infektion des Beschwerdeführers von 2000 bis 2003 mit dem Hyperimmunglobulin ""Cytotect"". Hierunter sei es nach Darstellung des Beschwerdeführers und des Dr. C zwar zu einer deutlich verzögerten Wundheilung gekommen, es hätten sich jedoch die Wundverhältnisse deutlich gebesssert und die Symptome der intestinalen CMV-Infektion seien verschwunden. Das Immunsystem sei stabilisiert worden und das Darmbluten sei zurück gegangen.
Mit der Begründung, Kosten sparen zu wollen, stellte Dr. C die Therapie von dem besonders kostenintensiven Hyperimmunglobulin auf die kostengünstigere Behandlung mit dem polyvalenten Immunglobulin "Octagam" der Firma Octapharm um; die Therapie mit diesem Medikament verursacht ca. ein Drittel der Kosten einer "Cytotect"-Therapie. "Octagam" ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht für die Behandlung von CMV bei HIV-infizierten Erwachsenen zugelassen. Wegen der Verschreibung von "Octagam" außerhalb von dessen arzneimittelrechtlicher Zulassung (Off-Label-Use) bei HIV-Kranken ist es deshalb in der Vergangenheit zu verschiedenen Regressverfahren in Deutschland (vgl. z.B. Landessozialgericht (LSG) Bayern, Urteil vom 02.03.2006 – L 12 KA 107/03; Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 31.05.2006 – B 6 KA 53/06 B) gegen behandelnde Ärzte gekommen. Auch Dr. C ist von einem entsprechenden Regressverfahren betroffen. Wegen dieses Regresses gab Dr. C dem Beschwerdeführer "Octagam" letztmalig am 13.05.2008.
Mit Blick auf den Regress und die Ausführungen des BSG im Beschluss vom 31.05.2006, wonach im Falle eines medizinisch-fachlich umstrittenen Off-Label-Use der Vertragsarzt zunächst selbst bei der Krankenkasse deren Auffassung als Kostenträger einholen könne, stellte Dr. C für den Beschwerdeführer unter dem 12.08.2008 bei der Beschwerde-gegnerin den Antrag auf Übernahme der Kosten zur Fortsetzung der Behandlung mit "Octagam"; seit dem Absetzen der "Octagam"-Therapie und einer akuten CMV-Infektion sei eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten. Die Beschwerdegegnerin holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 15.10.2008 ein und lehnte sodann den Antrag auf Kostenübernahme für das Arzneimittel "Octagam" mit Bescheid vom 25.11.2008 (Widerspruchsbescheid vom 25.06.2009 (Klageverfahren S 17 KR 9/09, anhängig)) ab.
Am 09.04.2009 hat der Beschwerdeführer beim SG Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt. Wegen der zwischenzeitlich erheblichen Verschlechterung seines Gesundheits-zustandes benötige er einmal im Monat drei kleine Ampullen "Octagam" (Kosten pro Rezept etwa 2000 EUR). Eine Alternative zu "Octagam" bestehe nur in einer Behandlung mit dem Hyperimmunglobulin "Cytotect", das aber wesentlich höhere Kosten verursache. Alle anderen in Frage kommenden Präparate hätten erhebliche Nebenwirkungen und seien für ihn unverträglich. Weitere nierenschädigende Substanzen könnten nicht eingesetzt werden, da bereits das in der Therapie der HIV-Infektion bei ihm eingesetzte Medikament "Atripla" mit dem Wirkstoff "Tenofovir" einen nephrotoxischen Wirkstoff enthalte. Der Beschwerdeführer hat sich auf ein Schreiben des Dr. C vom 26.03.2009 gestützt, in welchem nochmals die Motive für den Kostenübernahmeantrag der Behandlung der intestinalen CMV-Infektion mit "Octagam" dargelegt worden sind und ausgeführt worden ist, "Octagam" sei zwar nicht für die Behandlung der CMV-Infektion zugelassen, enthalte aber in den Chargen annähernd so viele CMV-Antikörper wie das Medikament "Cytotect". "Cytotect" habe in der Vergangenheit gut geholfen, sei aber dreimal so teuer. Wegen Regressverfahren betreffend die Verordnung der Medikamente "Octagam" bzw. "Cytotect" sei es zu einem Auslassversuch gekommen. Trotz optimaler antiretroviraler Therapie und hoher Helferzellenzahlen sei es seit Absetzen der "Octagam"-Therapie bei dem Beschwerdeführer zu einem erneuten Auftreten von Diarrhöen und einer Verschlechterung der Wundverhältnisse gekommen; es bildeten sich eitrige Wundbeläge und die Bauchhaut zeige zeitweise deutliche Ulzerationen.
Die Beschwerdegenerin hat die Auffassung vertreten, es bestehe kein Anordnungsanspruch. Der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln nach § 31 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) umfasse apothekenpflichtige Arzneimittel. Arzneimittel dürften nur verordnet werden, soweit sie nach dem Arzneimittelgesetz zugelassen seien. Die Zulassung erfolge anwendungsbezogen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG seien die Krankenkassen grundsätzlich nicht leistungspflichtig, wenn Arzneimittel außerhalb des zugelassenen Anwendungsgebietes eingesetzt würden. Allerdings könne ausnahmsweise die Leistungspflicht der Krankenkasse gegeben sein. Voraussetzung hierfür sei, dass alle drei Voraussetzungen eines Off-Label-Uses erfüllt seien. Folgeerkrankungen der HIV-Infektion seien nicht global mit intravenösen Immunglobulinen, sondern mit den hierfür jeweils speziell vorgesehenen zugelassen Medikamenten bzw. sonstigen Behandlungsmethoden zu bekämpfen. Im übrigen scheitere der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch daran, dass kein Anordnungsgrund gegeben sei. Eine Zulassung stehe nach einer Auskunft des Paul-Ehrlich-lnstitutes (Bundesamt für Sera und Impfstoffe) insbesondere auch nicht für "Octagam" weder unmittelbar noch überhaupt bevor. Es sei nicht einmal ein Antrag auf Erweiterung der Zulassung auf erwachsene Aidspatienten gestellt.
Mit Beschluss vom 18.05.2009 hat das SG den Antrag der Beschwerdegegnerin abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Begehrt werde die Behandlung mit einem nicht zugelassenen Arzneimittel. Eine solche Behandlung sei nach der Recht-sprechung des Bundesverfassungsgerichts ((BVerfG), Beschluss vom 06.12.2005 -1 BvR 347/98 – BVerfGE Bd. 115 S. 25 ff.) und des BSG auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung nur in absoluten Ausnahmefällen möglich.
Der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft gemacht, dass seine Erkrankung nach Anlegung eines künstlichen Darmausgangs im Sinne der Entscheidung des BVerfG (a.a.O.) lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich sei. Es sei mit dem MDK ferner nicht davon auszugehen, dass nur durch die Behandlung mit Immunglobulin eine Verschlechterung vermieden werden, eine bessere Heilung herbeigeführt bzw. eine Verschlechterung des Zustandes des Beschwerdeführers verhindert werden könne. Darüber hinaus sei auch die dritte Voraussetzung für einen Off-Label-Use nach der Rechtsprechung des BSG nicht erfüllt. Aufgrund der Datenlage bestehe nämlich keine hinreichend begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg (Hinweis auf BSG, Urteile vom 19.03.2002, B 1 KR 37/00 R, BSGE 89, 184 ff., und vom 26.09.2006 – B 1 KR 14/06 R mit weiteren Nachweisen (m.w.N.)). Es lägen nur unzureichende Forschungen dazu vor, dass Immunglobulin hier helfen könne. Diese Voraussetzung sei wichtig und nicht zu vernachlässigen und habe, wie hier, in zwei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG vom 06.12.2005 a.a.O. ergangenen Eilentscheidungen von Landessozialgerichten zur Ablehnung einer Verordnung außerhalb der Zulassung von Immunglobulin geführt (Hinweis auf Bayerisches LSG – L 5 B 1031/07 KR ER – Beschluss vom 29.08.2008; LSG Nordrhein-Westfalen (NRW) – L 16 B 102/07 KR ER, Beschluss vom 22.01.2008).
Für "Cytotect" gelte Entsprechendes. "Cytotect" sei ebenfalls nicht für die AIDS-Therapie Erwachsener zugelassen.
Gegen den am 19.05.2009 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 19.06.2009 Beschwerde eingelegt:
Zu Unrecht habe das SG angenommen, ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht worden. Die drei Voraussetzungen einer Kostenübernahme für Medikamente im Off-Label-Use lägen vor. Die HIV-Infektion sei eine lebensbedrohliche und regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung. Eine andere Therapie, mit der die Wundverhältnisse und die Symptome der intestinalen CMV-Infektion behandelt werden könnten und das Immunsystem stabilisiert werden könne, als der Einsatz von Immunglobulin sei nicht verfügbar. Die für bakterielle Infekte zur Verfügung stehenden anerkannten Behandlungsmethoden könnten bei ihm nicht erfolgreich eingesetzt werden, sie seien entgegen den Ausführungen des MDK kontraindiziert. Allein während der Immunglobulintherapie seien die Beschwerden zurückgegangen; die Durchfälle seien verschwunden und schwere bakterielle Infekte seien nicht mehr aufgetreten. Es bestehe damit begründete Aussicht, dass mit "Octagam" ein Behandlungserfolg erzielt werden könne.
Der Beschwerdeführer beantragt,
die Beschwerdegegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Münster vom 18.05.2009 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm als vorläufige Leistung der Krankenbehandlung die vertragsärztliche Behandlung mit dem Immunglobulin "Octagam" zu gewähren.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Soweit Dr. C gegenüber dem Senat ausführe, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Verlust eines Sinnesorgans beziehungsweise einer herausgehobenen Körperfunktionen kurzfristig bevorstehe, könne dies anhand seiner vorherigen Ausführungen nicht nachvollzogen werden. Dr. C führe dort lediglich auf, welche Symptome allgemein auftreten könnten. Konkret auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers bezogen fehlten aber entsprechende Feststellungen.
Der Senat hat Befund- und Behandlungsberichte des Dr. C, des Internisten Dr. M und des Schmerztherapeuten Dr. F sowie eine Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses ((G-BA) vom 18.08.2009) eingeholt.
Dr. F, bei dem der Beschwerdeführer seit Juli 2002 in Behandlung ist, hat als Diagnosen "chronische Schmerzen bei sekundärer Wundheilungsstörung, Anus praeter und HIV pos." mitgeteilt. Dr. M, der die Behandlung vor Ort leistet, hat unter dem 14.08.2009 einen Befundbericht erstattet und insbesondere zur Behandlung der Wundheilungsstörungen, Wundbeläge und Diarrhöen (bezogen auf den 18.07.2009) ausgeführt: Die Diarrhöen würden ausschließlich und fachspezifisch durch Dr. C behandelt. "Merkurocrom" und "Biafit" hätten bei der Wundbehandlung nicht geholfen, der Patient kaufe Propulistropfen, die effektiv und gut wirkten. Ansonsten erfolge die Wundbehandlung in Selbstregie beziehungsweise in Rücksprache mit ihm, Dr. M.
Dr. C hat im August 2009 einen ausführlichen Befundbericht erstattet. Er hat insbesondere ausgeführt: Mit "Octagam" solle die intestinale CMV-Infektion behandelt werden. Dieses Arzneimittel habe sich nach der Umstellung von "Cytotect" auf "Octagam" im März 2003 im Behandlungsversuch als wirksam und ausreichend erwiesen. Trotz optimaler antiretroviraler Therapie und hoher Helferzellenzahlen sei es seit dem Absetzen der "Octagam"-Therapie bei dem Beschwerdeführer zu einem erneuten Auftreten von blutigen Diarrhöen und einer erheblichen Verschlechterung der Wundverhältnisse gekommen. Es hätten sich rezidivierende eitrige Wundbeläge gebildet und die Bauchhaut zeige deutliche rezidivierende Ulzerationen. Andere Therapieoptionen als "Octagam" oder "Cytotect" stünden im Falle des Beschwerdeführers nicht zur Verfügung. Der Beschwerdeführer sei hochgradig durch die CMV-Infektion gefährdet. Es bestehe eine deutliche Zunahme der Konzentrationsstörungen und eine Colitis mit blutigen Absonderungen von wechselnder Schwere. Es bestehe jederzeit die Gefahr einer irreparablen Schädigung des Beschwerdeführers. Die unbehandelte CMV-Infektion (Reaktivierung) gefährde ihn akut. Es bestünde die Gefahr einer CMV-Enzephalitis, CMV-Pneumonie und einer Zunahme der Colitis. Es liege eine akute Gefahr für Leib und Leben und die Gefahr einer irreparablen Schädigung eines oder mehrerer Organe vor.
Auf Nachfrage des Senats hat Dr. C unter dem 16.11.2009 ergänzend Stellung genommen:
Eine dauerhafte oder in kurzen Abständen wiederholte Gabe der üblichen CMV-Therapeutika würde auf dem Hintergrund der lebensnotwendigen HIV-Therapie aufgrund der sich überschneidenden und potenzierenden Nebenwirkungspotenziale eine erhebliche Gefährdung des Patienten darstellen (insbesondere wegen der Nebenwirkung hinsichtlich der gastrointestinalen Beschwerden). Dies halte er für medizinisch nicht vertretbar, zumal eine nebenwirkungsarme und die Lebensqualität nicht beeinträchtigende wissenschaftlich bewiesene Behandlungsalternative der CMV-Infektion zur Verfügung stehe.
"Cytotect" sei zur Prophylaxe klinischer Manifestation einer CMV-Infektion bei Patienten unter Immunsuppressivtherapie, insbesondere Transplantatempfängern zugelassen. Bei wörtlicher Auslegung dürfe "Cytotect" zur Prophylaxe einer CMV-Infektion allein nicht gegeben werden, weil der Beschwerdeführer nicht unter einer immunsuppressiven Therapie stehe; vielmehr sei das Abwehrsystem aufgrund der HIV-Infektion geschwächt und in seiner Funktion gestört. Informationen auf der Internetseite der AOK sei seines Erachtens zu entnehmen, dass auch die gesetzlichen Krankenkassen davon ausgingen, dass der Anwendungsbereich der CMV-Immunglobuline weit auszulegen sei. Patienten, die durch HIV geschwächt sind, seien genauso zu behandeln wie Immunsupprimierte. In den Regressverfahren der Jahre 1998 bis 2001 sei "Cytotect" auch bei Anwendung als Prophylaxe nicht regressiert worden. Er habe aber das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Da "Octagam" im Test vergleichbar wie ein in Deutschland zugelassenes CMV-Hyperimmunglobulin abgeschnitten habe, aber nur 1/3 von "Cytotect" koste, sehe er sich unter dem Wirtschaftlichkeitsgedanken gezwungen, "Octagam" statt "Cytotect" zu verordnen.
In seinem Regressverfahren berufe sich der Beschwerdeausschuss auf das Urteil des bayerischen LSG vom 02.03.2005. Ein zulässiger Off-Label-Use werde dort mit der Begründung abgelehnt, dass es an der Vorlage von adäquaten Studien fehle, welche die Wirksamkeit von Immunglobulinen bei Aids belegten. Diese Aussage sei schlicht und einfach falsch, da es durchaus Studien aus den letzten Jahren gebe, die eine Wirksamkeit von polyvalentem Immunglobulin belegten, wissenschaftlich begründeten und in der Fachwelt anerkannt seien.
Eine Cytomegalieinfektion werde erst dann zur ernsthaften Bedrohung, wenn sie bei Schwangeren oder Personen mit geschwächtem Immunsystem auftrete. Bei immunschwachen Erwachsenen beginne die Erkrankung sehr häufig mit hartnäckigem hohem Fieber und starken Lymphknotenschwellungen. Besonders gefährdet seien Patienten, deren körpereigenes Immunsystem stark geschwächt sei, z.B. nach Organtransplantationen oder im Falle der durch das HI-Virus ausgelösten Immunschwäche Aids. In diesen Fällen komme es zu besonders schweren und sogar tödlichen Verläufen. Charakteristischer Weise seien das Auge (CMV-Retinitis), der Magen-Darm-Trakt und die Lunge betroffen. Es kämen jedoch auch Verläufe mit Leistungsminderungen, rezidivierenden erhöhten Temperaturen, rezidivierenden Diarrhöen und anderen scheinbar undramatischen Beschwerden vor. Diese häufig im Rahmen einer Reaktivierung zu beobachtenden Verläufe könnten bei Patienten mit einer HIV-Infektion und einer gestörten Immunfunktion jederzeit in die oben beschriebenen, nicht selten auch tödlichen Krankheitsbilder übergehen. In sehr schweren Fällen könne eine Cytomegalie auch weitere Organsysteme befallen, wie beispielsweise die Leber und das Gehirn.
Die Frage des Senats, ob der Verlust eines Sinnesorgans beziehungsweise einer herausgehobenen Körperfunktionen kurzfristig bevorstehe, könne, wie aus dem oben Gesagten herzuleiten sei, nicht ausgeschlossen werden. Vielmehr müsse diese Frage, zumal die Zunahme der ZNS-Beteiligung (Konzentrations- und Gedächtnisstörungen) bereits auf eine zunehmende Schädigung eines lebenswichtigen Organs (Gehirn) hinweise, ausdrücklich mit JA beantwortet werden. Er halte eine umgehende Wiederauf-nahme der Therapie mit entweder einem CMV-Hyperimmunglobulin oder dem preisgünstigeren "Octagam" für zwingend indiziert.
II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Das SG hat es zu Recht abgelehnt, die Beschwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Beschwerdeführer als vorläufige Leistung der Krankenbehandlung die vertragsärztliche Behandlung mit dem Immunglobulin "Octagam" zu gewähren.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) können die Gerichte der Sozial-gerichtsbarkeit einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Anordnungsanspruch) treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß §§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen. Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn sie überwiegend wahrscheinlich ist.
Ein Anordnungsgrund ist vorliegend nicht glaubhaft gemacht.
Versicherte haben gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V auch die Versorgung mit Arzneimitteln. Fertig-arzneimittel (vgl. dazu § 4 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG)) sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Abs. 1 AMG) arznei-mittelrechtliche Zulassung fehlt (st. Rspr., grundlegend BSGE 89,184 ff; BSG, Urteil vom 26.09.2006 -B 1 KR 14/06 R-; BSG, Urteil vom 28.02.2008 -B 1 KR 15/07 R-).
Nach § 21 Abs. 1 AMG dürfen Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AMG sind, in der Bundesrepublik Deutschland nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder der Rat der Europäischen Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Art. 3 Abs. 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 31.03.2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer europäischen Arzneimittel-Agentur erteilt hat. Da sich die Zulassung auf das Fertigarzneimittel (§ 4 Abs. 1 AMG) einschließlich u.a. der Darreichungsform und des Anwendungsgebiets bezieht (siehe § 25 Abs. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 4 u. Nr. 6 AMG), besteht eine arzneimittelrechtliche Zulassung im vorbezeichneten Sinne nur, wenn das Fertigarzneimittel die Zulassung gerade für dasjenige Indikationsgebiet besitzt, in dem es im konkreten Fall eingesetzt werden soll (s. § 22 AMG und vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19.03.2002 -B 1 KR 37/00 R- BSGE 89,184 ff; BSG, Urteil vom 26.09.2006 – B 1 KR 14/06 R-; Senat, Urteil vom 08.10.2009 – L 16 KR 60/07 ; Senat, Beschluss vom 13.01.2009 – L 16 KR 218/08-).
Die nach dem AMG erteilte Zulassung für "Octagam" beschränkt sich im Wesentlichen auf die Substitutionstherapie primärer Immunmangelkrankheiten sowie auf die Behandlung von Kindern mit angeborenem AIDS und rezidivierenden Infektionen (vgl. die bei den Verwaltungsakten befindliche Fachinformation der Fa. octapharm zu "Octagam" und Rote Liste 2009 , 75010). Für die Behandlung von CMV-Infektionen erwachsener HIV-Infizierter/ Patienten mit AIDS fehlt damit dem Fertigarzneimittel "Octagam" die Zulassung, wie sich auch aus dem MDK-Gutachten und den Stellungnahmen des Dr. C ergibt und wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist (s. zur Verordnung eines nur für Kinder zugelas-senen Arzneimittels ("Ritalin" bei ADHS) für Erwachsene, BSG (Zulässigkeit verneinend), Urteil vom 30.06.2009 – B 1 KR 5/09 R). Die beantragte Therapie mit "Octagam" würde danach die Zulassung dieses Arzneimittels überschreiten.
Die Voraussetzungen für einen zulässigen Off-Label-Use von "Octagam" auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung sind hier aber nicht erfüllt. Ein Off-Label-Use kommt nur in Betracht (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28.02.2008 – B 1 KR 15/07 R m.w.N.; Senat, Urteile vom 08.10.2009 – L 16 KR 60/07- und vom 26.03.2009 – L 16 KR 162/08; zuletzt ausführlich Kretschmer, Der Medizinische Sachverständige (MED SACH) 2009, 54), wenn es
1. um die Behandlung einer schwer wiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht,und wenn
2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
Nicht jede Art von Erkrankung kann einen Anspruch auf eine Behandlung mit dazu nicht zugelassen Arzneimitteln begründen, sondern nur eine solche, die sich durch ihre Schwere oder Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankungen abhebt. Ein Off-Label-Use bedeutet nämlich, Arzneimittel für bestimmte Indikationen ohne die arzneimittel-rechtlich vorgesehene Kontrolle der Sicherheit und Qualität einzusetzen, die in erster Linie Patienten von inakzeptabel unkalkulierbaren Risiken für die Gesundheit schützen soll. Ausnahmen können schon insoweit nur in engen Grenzen aufgrund einer Güterabwägung anerkannt werden, die der Gefahr einer krankenversicherungsrechtlichen Umgehung arzneimittelrechtlicher Zulassungserfordernis entgegen wirkt, die Anforderung des Rechts der GKV an Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels beachtet und den Funktionsdefiziten des Arzneimittelrechts in Fällen eines unabweisbaren anders nicht zu befriedigenden Bedarfs Rechnung trägt (vgl. BSG, Urteil vom 28.02.2008,-B 1 KR 15/07 R-). Die CMV-Infektion, zu deren Behandlung bzw. Prophylaxe der Einsatz von "Octagam" erfolgen soll, ist vor dem Hintergrund von HIV-Infektion, Colitis ulcerosa und Anus praeter beim Beschwerdeführer eine schwerwiegende Erkrankung in dem Sinne der o.g. Rechtsprechung des BSG.
Ob eine andere Therapie verfügbar ist, lässt der Senat in diesem Zusammenhang dahin stehen, denn die letzte Voraussetzung jedenfalls, die hinreichende Erfolgsaussicht der Behandlung mit "Octagam", ist hier nicht erfüllt.
Hinreichende Erfolgsaussicht einer Behandlung der CMV-Infektion mit "Octagam" im Sinne der BSG-Rechtsprechung zum Off-Label-Use lässt sich nicht schon durch die positiven Erfahrungen des Beschwerdeführers oder des Dr. C in Einzelfällen oder durch Empfehlungen oder Leitlinien der Fachgesellschaften oder einzelne Forschungsberichte begründen. Von hinreichender Erfolgsaussicht ist nach der Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use vielmehr nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das (konkrete) Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies ist der Fall, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt worden ist und Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht worden sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht werden, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht (vgl. BSGE 89,184,192; BSG, Urteil vom 28.02.2008 – B 1 KR 15/07 R-). Hieran fehlt es gegenwärtig für die Behandlung von CMV mit "Octagam".
Wie das BSG betont, entspricht die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine Zulassung überschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der GKV nachgewiesen sein muss, derjenigen für die Zulassungsreife des Arzneimittels im betroffenen Indikationsbereich. Sie ist während und außerhalb eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens regelmäßig gleich, denn der Schutzbedarf der Patienten, der dem gesamten Arzneimittelrecht zu Grunde liegt und in das Leistungsrecht der GKV einstrahlt, unterscheidet sich in beiden Situationen nicht (BSG, Urteil vom 28.02.2008 – B 1 KR 15/07 R).
Auch wenn, wie hier, gegenwärtig kein Zulassungsverfahren für "Octagam" für die Behandlung von CMV-Infektionen betrieben wird, sind somit gleichwohl Anforderungen an die Erkenntnisse über Qualität (§ 4 Abs. 15 AMG) und indikationsbezogene Wirksamkeit zu stellen, die denen des Zulassungsverfahrens nach dem AMG entsprechen. Für die Zu-lassung muss das Arzneimittel nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft und die angegebene therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Antragsteller zureichend begründet sein (vgl. §§ 22, 25 AMG). Die Wirksamkeit des Arzneimittels für die beanspruchte Indikation ist durch die klinische Prüfung und das nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 AMG vorzulegende klinische Gutachten zu belegen. Die näheren Einzelheiten zur Planung und Durchführung von klinischen Prüfungen regelt die Verordnung über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung klinischer Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen vom 09.08.2004 (BGBl. I 2004, S. 2081). Die klinische Prüfung wird allgemein in verschiedene Phasen untergliedert. In der Phase I, die sich an den tierexperimentellen Teil anschließt, erfolgt eine Verträglichkeitsprüfung an circa 10 bis 50 gesunden Probanden. Hierbei wird gleichzeitig die Pharmakokinetik und -dynamik geprüft. In der Phase II wird die pharmakologische Wirkung in einer kontrollierten Studie von bis zu 200 Probanden geprüft. Hieran schließt sich die Phase III an, in welcher in einer erweiterten klinischen Untersuchung das Arzneimittel an einer großen Zahl von Patienten geprüft wird. Die klinischen Prüfungen der Phasen I bis III werden in der Regel als Blindprüfungen bzw. Doppelblindversuche durchgeführt (vgl. zum Vorstehenden Lehmann, Arzneimittelgesetz, Kommentar, 3. Aufl 2008, Vor §§ 40-42 Rz. 4).
Eine diesen Anforderungen entsprechende wissenschaftliche Erkenntnislage zur Anwendung von "Octagam" bei CMV-Infektionen besteht nach den Erkenntnissen des Senats gegenwärtig nicht. Wie sich aus der Auskunft des Unterausschusses "Arzneimittel" des G-BA vom 18.08.2009 ergibt, hat zwar der G-BA die Expertengruppe Off-Label im Bereich Infektiologie mit der Erstellung einer Bewertung der Anwendung von intravenösen Immunglobulinen zur Behandlung von HIV/AIDS im Erwachsenenalter beauftragt, es lässt sich jedoch gegenwärtig noch keine Einschätzung abgeben, wann eine Empfehlung der Expertengruppe zur Anwendung von intravenösen Immunglobulinen bei dieser nicht zugelassen Indikation zu erwarten ist.
Nachweiserleichterungen, wie sie für so genannte Seltenheitsfälle eingeräumt werden, greifen hier nicht. Es handelt sich bei der CMV-Infektion nämlich nicht um einen so genannten Seltenheitsfall einer Krankheit, die weltweit nur extrem selten auftritt, die des-halb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann und bei der somit für den Wirksamkeitsnachweis positiven Forschungsergebnisse beziehungsweise einem bestimmten Standard entsprechende wissenschaftliche Fachveröffentlichungen nicht verlangt werden können (vgl. dazu BSGE 93, 236). Das ergibt sich zur Überzeugung des Senats bereits daraus, dass für die Behandlung von CMV-Infektionen Fertigarzneimittel existieren, die das Zulassungsverfahren durchlaufen haben. Im übrigen ist die CMV-Infektion insbesondere auch bei HIV-Infizierten Patienten häufig anzutreffen.
Schließlich ergibt sich ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Versorgung mit dem Fertigarzneimittel "Octagam" auch nicht aus der Rechtsprechung des BVerfG zum Erfordernis einer verfassungskonformen Auslegung leistungsbeschränkender Vorschriften des SGB V (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 -1 BvR 347/98, BVerfGE 115,25; s. dazu auch Kretschmer a.a.O. S. 56).
Das BVerfG hat mit Beschluss vom 06.12.2005 entschieden, dass mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende medizinische Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungs-methode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Dies gilt nach der hieran anschließenden Rechtsprechung des BSG sinngemäß auch für die Versorgung mit Arzneimitteln, jedenfalls soweit ausfüllungsbedürftige Versorgungslücken bestehen (vgl. BSGE 96,170; BSG, Urteil vom 28.02.2008 – B 1 KR 15/07 R).
Die HIV- Infektion des Beschwerdeführers wird von Dr. C mittels einer antiretroviralen Therapie erfolgreich behandelt und auch hinsichtlich der CMV-Infektion lassen sich zur Überzeugung des Senats die von der obengenannten Rechtsprechung des BVerfG aufgestellten und in der Folgerechtsprechung vom BSG weiter konkretisierten Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Verordnung des für die gegebene Indikation nicht zugelassenen Arzneimittels "Octagam" derzeit nicht feststellen.
Weil in einer notstandsähnlichen Ausnahmesituation wie der vom BVerfG ange-sprochenen die Anforderungen an den Wirksamkeitsnachweis herabgesetzt sind, sind insbesondere nicht Phase III-Studien oder diesen entsprechende Forschungsergebnisse zu verlangen. Es kommen dann als aussagekräftige Erkenntnisse für die Annahme, dass die Behandlung mit "Octagam" jedenfalls zu einer spürbar positiven Einwirkung führen würde, insbesondere die von Dr. C angeführten Empfehlungen der deutschen Arbeitsgemeinschaft der niedergelassenen Ärzte, außerdem der Umstand, dass der G-BA eine Expertengruppe zur Bewertung der Behandlung mit Immunglobulinen eingerichtet hat, sowie die von mehreren Ärzten des Beschwerdeführers geschilderte positive Erfahrung aus der vorangegangenen Behandlung mit "Octagam" in Betracht.
Der Senat konnte jedoch nicht feststellen, das eine notstandsähnliche Ausnahmesituation, wie sie vom BVerfG und BSG verlangt wird, gegenwärtig in der Behandlung der CMV-Infektion des Beschwerdeführers eingetreten ist. Es darf nämlich eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende medizinische Behandlung nicht zur Verfügung stehen und unter den konkreten Umständen des Falles muss bereits drohen, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird; entsprechendes kann für den drohenden Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktionen gelten (vgl. BSG, Urteil vom 28.02.2008 -B 1 KR 15/07 R-).
Dr. C bejaht auf Nachfrage des Senats zwar ausdrücklich eine solche Situation, lässt aber eine überzeugende Begründung dafür vermissen. Er beginnt seine entscheidenden Ausführungen damit, dass die vom Senat abgefragten Gefahren "nicht auszuschließen" seien und wendet dieses "Nichtausschließenkönnen" unmittelbar anschließend in ein ausdrückliches "Ja". Daran zeigt sich, dass Dr. C letztlich von einer abstrakten Lebensgefährlichkeit und insbesondere Gefährdung einer wichtigen Organfunktion (Gehirn) spricht, die nicht für die Annahme ausreicht, dass sich beim Beschwerdeführer ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf (bzw. drohender Verlust eines Sinnesorganes oder einer wichtigen Körperfunktion) innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird, wenn "Octagam" nicht gegeben wird. Dagegen dürften schon der Zeitablauf seit dem Absetzen von "Octagam" (Mai 2008) und auch die von Dr. C und vom Beschwerdeführer selbst geschilderten seitherigen Befundveränderungen sprechen, die zwar die nachhaltige zusätzliche Verschlechterung der Lebensqualität unverkennbar werden lassen, aber eine notstandsähnliche Situation oder ein Therapieversagen nicht verdeutlichen können. Soweit Dr. C beim Beschwerdeführer zunehmende Konzentrationsstörungen als Zeichen einer Auswirkung auf das ZNS einordnet und dem Fehlen der Octagamtherapie der CMV-Infektion zuordnet, stellt er gleichwohl nicht die Diagnose einer CMV-Enzephalitis. Das entspricht dem Umstand, dass er in seinem Befunbericht von der Gefahr einer CMV-Enzephalitis (u.a.) gesprochen hatte. In seinem Befundbericht hatte Dr. C im Übrigen Konzentrationsstörungen als mögliche Nebenwirkungen auch des zur antiretroviralen Therapie eingesetzten Medikaments "Atripla" genannt und der vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung berichtete zwischenzeitliche Gedächtnisverlust hatte sich im Jahr 2006 ereignet, mithin unter der Therapie mit Immunglobulinen. Unter Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens ist der Senat deshalb zu dem Schluss gelangt, dass eine notstandsähnliche Ausnahmesituation, wie sie nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu fordern ist, beim Beschwerdeführer gegenwärtig nicht vorliegt. Er verkennt dabei keineswegs, dass bei einer drastischen Veränderung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers kurzfristig eine andere Entscheidung notwendig werden kann, und geht davon aus, dass auch der Beschwerdegegnerin dies bewusst ist.
Eng im Zusammenhang mit der Frage der Lebensgefahr durch eine unbehandelte CMV-Infektion steht die Frage einer Alternativbehandlung, denn die Gewährung von "Octagam" würde ohnehin allenfalls dann in Betracht kommen, wenn keine andere, dem medizi-nischen Standard näher stehende Behandlungsmethode zur Verfügung steht (vgl. BSG, Urteil vom 28.02.2008 -B 1 KR 15/07 R). Der Senat kann hier jedoch letztlich offen lassen, ob bei dem Beschwerdeführer zumutbare Behandlungsalternativen bestehen, wie z.B. durch die in "HIV und AIDS ein Leitfaden" zur Akuttherapie bzw. Prohyxlaxe genannten Therapien mit den Wirkstoffen "Ganciclovir", "Valganciclovir", "Foscarnet" und "Cidofovir" (http://www. hivleitfaden.de/cms/index.asp?inst=hivleitfaden &snr= 2245&t=CMV-Infektionen). Soweit Dr. C diese Therapien in seinen für den Senat erstatteten Berichten als unwirksam oder wegen der mit ihnen verbundenen Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit den zur antiretroviralen Therapie verabreichten Arzneimitteln als kontraindiziert ansieht, sind aus Sicht des Senats allerdings Bedenken anzumelden. Denn soweit die Wirksamkeit von Alternativmedikamenten verneint wird, ist zu beachten, dass die generelle Wirksamkeit eines zugelassenen Arzneimittels für seinen Indikationsbereich (z.B. von "Cymeven" zur Behandlung einer lebens- bzw. augenlichtbedrohenden CMV-Erkrankung bei Patienten mit erworbener Immunschwäche (AIDS); vgl. Fachinformation zu "Cymeven" i.V.) sich aus der Zulassung selbst ergibt, die arzneimittelrechtlich den Wirksamkeitsnachweis voraussetzt. Und eine Abwägung von Nutzen und (bekannten) Nebenwirkungen der o.g. CMV-Therapeutika mit denen von "Octagam" leidet von vornherein unter der Schwierigkeit, dass Wirksamkeit und Nebenwirkungen von "Octagam" bei Anwendung außerhalb der Zulassung dieses Arzneimittels nicht im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren nachgewiesen bzw. festgestellt sind. Die Frage ferner, ob ggf. eher "Cytotect" zum Einsatz kommen müsste, weil sein Zulassungsbereich (Prophylaxe klinischer Manifestationen einer CMV-Infektion bei Patienten unter immunsuppressiver Therapie, insbesondere bei Transplantatempfängern) näher als der von "Octagam" an der beim Beschwerdeführer bestehenden Indikation liegt, musste der Senat im einstweiligen Rechtsschutz ebenfalls offen lassen. Schließlich wird im Hauptsacheverfahren auch zu erwägen sein, ob im Rahmen einer stationären (Akut-) Behandlung eine Therapie mit einem Hyperimmunglobulin oder polyvalenten Immunglobulin unter erleichterten Bedingungen in Betracht kommt. Dass der Beschwerdeführer, wie er in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar zum Ausdruck gebracht hat, stationäre Aufenthalte fürchtet, weil er 1999 sich einer halbjährigen Krankenhausbehandlung unterziehen musste, ist ohne weiteres verständlich, dürfte aber trotzdem unter den Bedingungen, unter denen hier ein Off-Label-Use in Betracht kommen würde, zu relativieren sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 177 SGG die Beschwerde zum Bundessozialgericht nicht gegeben.
Erstellt am: 03.02.2010
Zuletzt verändert am: 03.02.2010