Der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 11.5.2009 wird aufgehoben. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 12.1.2009 geändert. Die Vergütung des Beschwerdeführers für das Gutachten vom 19.7.2008 wird auf 2226,32 Euro festgesetzt. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
In dem Rechtsstreit, der die Gewährung von Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zum Gegenstand hatte, hat der Beschwerdeführer aufgrund der Beweisanordnung des Sozialgerichts Dortmund vom 28.4.2008 das Sachverständigengutachten vom 19.7.2008 erstattet. Mit Schreiben vom 19.7.2008 stellte er unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 60,00 EUR nach der Honorargruppe M 2 folgende Vergütung in Rechnung:
Aktenstudium 5 Stunden
Untersuchung 4 Stunden
Abfassung 4 Stunden
Diktat 4 Stunden
Korrektur 1 Stunde
Summe 18 Stunden x 60 EUR 1080,00 EUR
Schreibgebühr 50.000 Anschläge x 0,75 EUR 37,50 EUR
Röntgen:
GOÄ 5030 20,98 EUR 1,3 x 2 54,55 EUR
GOÄ 5031 5,83 EUR 1,3 x 2 15,16 EUR
GOÄ 5040 17,49 EUR 1,3 22,74 EUR
GOÄ 5100 17,49 EUR 1,3 22,74 EUR
GOÄ 5101 9,33 EUR 1,3 12,13 EUR
GOÄ 5105 23,31 EUR 1,3 x 2 60,61 EUR
Röntgenkosten 187,92 EUR
GOÄ 5298 36,14 EUR
Laborleistungen laut Anlage 640,30 EUR
Telefon/Porto/Fax 9,00 EUR
Summe 1990,85 EUR
Umsatzsteuer 19 % 378,26 EUR
Zahlbetrag 2369,12 EUR
Für Laborleistungen stellte der Beschwerdeführer in der Anlage unter anderem die GOÄ Nrn. 4264, 4265 und 4272 jeweils zweifach in Rechnung. Mit Schreiben vom 6.8.2008 hat die Kostenbeamtin den Rechnungsbetrag mit 2170,86 EUR festgestellt und ausgeführt, die GOÄ-Ziffern 4264,4265 und 4272 seien nur jeweils einmal berechnungsfähig.
Hiergegen haben sowohl der Beschwerdeführer als auch der Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt und richterliche Festsetzung beantragt. Der Beschwerdeführer hat sich gegen die Kürzung der in Rechnung gestellten Vergütung durch die Kostenbeamtin gewandt und zur Begründung ausgeführt, die Labordiagnostik zur Frage reaktiver Arthritiden erfordere die Abgrenzung zwischen akuten und chronischen Immunreaktionen, das heißt die Bestimmung zumindest zweier verschiedener Immunglobuline, nämlich IgG und IgA.
Der Beschwerdegegner hat beantragt, die Vergütung auf 1992,36 EUR festzusetzen und die Erinnerung im übrigen zurückzuweisen. Die Festsetzung vom 6.8.2008 sei hinsichtlich der GOÄ Nrn. 4264, 4265 und 4272 nicht zu beanstanden. Der geltend gemachte Zeitaufwand für die Untersuchung erscheine mit 4 Stunden jedoch überhöht und sei aus dem Gutachten nicht ersichtlich. Insoweit halte er einen Zeitaufwand von 1,5 Stunden für Untersuchung und Exploration für gerechtfertigt. Alle im Zusammenhang mit der Fertigung von Röntgenaufnahmen sowie mit den Laboruntersuchungen stehenden Verrichtungen seien lediglich nach der GOÄ zu vergüten. Soweit der Sachverständige Leistungen erbringen, die in der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG bezeichnet sind, bemesse sich das Honorar oder die Entschädigung nach dieser Anlage. Die Höhe der Vergütung sei zunächst als 1,3-fache GOÄ-Leistung zu bestimmen. Liege der ermittelte Vergütungsanspruch im vorgegebenen Rahmen, so sei der 1,3-facher GOÄ-Satz maßgebend. Anderenfalls gelte der in der Anlage 2 zu § 10 JVEG für die betreffende Leistung ausgewiesene Mindest- bzw. Höchstbetrag. Eine Vergütung nach Zeitaufwand finde daneben nicht statt. Der von der Kostenbeamtin festgesetzte Vergütungsanspruch verringere sich daher weiter um 150 EUR (2,5 Stunden statt 4 Stunden Untersuchungszeit) sowie 28,50 EUR anteilige Umsatzsteuer.
Durch Beschluss vom 12.1.2009 hat das Sozialgericht Dortmund die Vergütung für das Gutachten vom 19.7.2008 auf 1992,36 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat das Sozialgericht auf die Stellungnahme des Beschwerdegegners Bezug genommen. Der Beschluss enthält die Rechtsmittelbelehrung: "Diese Entscheidung ist endgültig."
Gegen den am 2.2.2009 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 10.2.2009 Beschwerde erhoben und zunächst gerügt, dass das Sozialgericht ihm vor seiner Entscheidung keinerlei Gelegenheit gegeben habe, zu den Ausführungen des Beschwerdegegners Stellung zu nehmen. Weiter führt er aus, weder die Kürzung des Betrages wegen Nichterstattung von Laborkosten noch die Kürzungen der Stundensätze seien gerechtfertigt. Für die Kürzung hinsichtlich der Laborziffern sei bisher keinerlei Rechtsgrundlage benannt worden.
In einem handschriftlich abgefassten Beschluss des Sozialgerichts vom 11.5.2009 heißt es, der Beschluss vom 12.1.2009 sei unanfechtbar. Dies ergebe sich aus § 178 SGG. Die Beschwerde vom 6.5.2009 werde deshalb als unzulässig zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin, seine Beschwerde an das Landessozialgericht weiterzuleiten. Seinem Begehren ist der Antrag zu entnehmen,
den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 11. 5. 2009 aufzuheben, den Beschluss vom 12.1.2009 zu ändern und die Vergütung für das Gutachten vom 19.7.2008 in Höhe von 2369,12 EUR festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der angefochtene Beschluss sei nicht zu beanstanden. Darüber hinaus ergebe sich der nur einmalige Ansatz der betreffenden GOÄ-Ziffern aus den allgemeinen Bestimmungen der Nummer 19 (M. III des Abschnitts M – Laboratoriumsuntersuchungen).
Auf Nachfrage des Gerichts hat der Beschwerdeführer im Schreiben vom 19.11.2009 angegeben, der Kläger sei am 23.6.2009 für 11.00 Uhr einbestellt worden. Anschließend sei über 2 Stunden hinweg die Befragung und die Einsichtnahme in die mitgebrachten Befunde erfolgt. Nach Durchführung der Röntgen- und Laboratoriumsuntersuchungen sei die weitere Untersuchung über weitere 2 Stunden hinweg erfolgt. Dann habe der Kläger zwischen 16.00 und 17.00 Uhr die Praxis verlassen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Gegen den Beschluss des Sozialgerichts über die Festsetzung der Vergütung können gemäß § 4 Abs. 3 JVEG der Berechtigte und die Staatskasse Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt. Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Beschwerde nicht allein gegen die weitere Kürzung seiner Vergütung auf die Erinnerung des Beschwerdegegners hin, sondern gegen die Kürzung der geltend gemachten Vergütung von insgesamt 2369,12 EUR auf 1992,36 EUR. Damit wird die Beschwerdesumme deutlich überschritten. Ob die Beschwerde gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) binnen eines Monats einzulegen ist oder aber nach dem Regelungszusammenhang der Vorschriften des JVEG ohne Fristbegrenzung statthaft ist, kann vorliegend offen bleiben. Zum einen hat der Beschwerdeführer bereits innerhalb der Monatsfrist mit dem zwar fehlerhaft datierten, jedoch laut Eingangsstempel am 10.2.2009 beim Sozialgericht eingegangenen Schreiben sinngemäß die Verletzung rechtlichen Gehörs sowie die Verletzung der Grundsätze eines fairen gerichtlichen Verfahrens gerügt. Daraufhin hätte es dem Sozialgericht oblegen zu prüfen, ob dieses Schreiben bereits als Beschwerde zu werten ist. Doch auch dies kann letztlich offen bleiben, denn auch wenn das am 7.5.2009 eingegangene Schreiben des Beschwerdeführers erstmalig als Beschwerde anzusehen sein sollte, wäre diese fristgemäß erhoben. Gemäß § 66 Abs. 2 S. 1 SGG ist die Einlegung eines Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Zustellung des Beschlusses zulässig, wenn die Rechtsmittelbelehrung unrichtig erteilt wurde. Dies ist der Fall, weil es in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses vom 12.01.2009 fälschlich heißt, die Entscheidung sei endgültig.
Der Beschluss des Sozialgerichts vom 11.5.2009 ist schon deshalb aufzuheben, weil das Sozialgericht zur Entscheidung über die Beschwerde nicht zuständig ist, wie § 4 Abs. 3 S. 2 JVEG und auch § 176 SGG leicht zu entnehmen ist. Dies gilt auch für eine (hier zu Unrecht) für unzulässig erachtete Beschwerde.
Die Beschwerde ist teilweise begründet.
1. Für den Arbeitsschritt der gutachtlichen Untersuchung ist ein Zeitaufwand von 2 Stunden berücksichtigungsfähig. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gliedert sich die Erstellung eines Gutachtens in vier vergütungspflichtige Arbeitsschritte:
1. Zeitaufwand für Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten,
2. Zeitaufwand für Untersuchung und Anamnese,
3. Zeitaufwand für Abfassung der Beurteilung,
4. Zeitaufwand für Diktate und Durchsicht.
Diese Aufgliederung des Aufwandes in 4 Arbeitsschritte hat der Senat als Überprüfungsmaßstab zu Grunde gelegt, weil der nach § 8 Abs. 1 S. 1 JVEG für die Gutachtenerstellung erforderliche Zeitaufwand nicht von der individuellen Arbeitsweise eines Sachverständigen abhängig zu machen sondern nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen ist. Zugrundezulegen ist derjenige Zeitaufwand, den ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt (Beschlüsse vom 6.4.2005 – L 4 B 16/04 – und vom 2.5.2005 – L 4 B 5/05.
Die dem Arbeitsschritt der Untersuchung und Anamnese zuzurechnenden Tätigkeiten werden im Gutachten des Beschwerdeführers auf Seite 5 bis 24 wiedergegeben. Dabei handelt es sich um die Auswertung der anlässlich der Untersuchung beigebrachten Unterlagen, die Familienanamnese, die eigenen Anamnese, die Berufs- und Sozialanamnese sowie die Anamnese anhand der bei der Untersuchung angegebenen Beschwerden und Symptome. Ferner gehört hierzu die körperliche Untersuchung, die in dem vorliegenden orthopädisch-rheumatologischen Gutachten einen quantitativ und qualitativ erheblichen Umfang ausmacht (Seite 10 bis 24 des Gutachtens). Für die Röntgen- und Laboratoriumsuntersuchungen hat der Beschwerdeführer keine gesonderten Zeitanteile geltend gemacht.
Ohne den Wahrheitsgehalt der Angaben des Beschwerdeführers zum Zeitaufwand für Untersuchung und Anamnese anzuzweifeln vermag der Senat angesichts des objektivierten Maßstabs jedoch nicht zu erkennen, dass ein Sachverständiger auf diesem Fachgebiet mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität hierfür 4 Stunden benötigen würde. Vielmehr ist dem Senat aus zahlreichen orthopädischen und chirurgischen Gutachten bekannt, dass zumeist ein Zeitaufwand von 1 bis 1 ½ Stunden in Ansatz gebracht wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Zeitaufwand für die Auswertung der Röntgenaufnahmen sowie der vom Probanden mitgebrachten Befundunterlagen nicht dem Arbeitsschritt der Untersuchung und Anamnese sondern dem Arbeitsschritt der Abfassung der Beurteilung zuzurechnen ist, für den der Beschwerdeführer einen Zeitaufwand von ebenfalls 4 Stunden angegeben hat. Der Zeitaufwand für die Auswertung der bereits in den Akten vorliegenden Befundunterlagen ist dem Arbeitsschritt des Aktenstudiums und der vorbereitenden Arbeiten zuzuordnen, für den der Beschwerdeführer weitere 5 Stunden angegeben hat. Infolge dessen erscheint auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten eines rheumatologischen Gutachtens und unter Berücksichtigung von Verständigungsschwierigkeiten mit dem Kläger bei Anlegen des objektivierten Maßstabs lediglich ein Zeitaufwand von 2 Stunden für Untersuchung und Anamnese angemessen und damit berücksichtigungsfähig.
2.Die GOÄ-Ziffern 4264, 4265 und 4272 sind jeweils zweimal abrechnungsfähig, weil der Beschwerdeführer jeweils zwei Antikörper, nämlich Immunglobulin A (IgA) und Immunglobulin G (IgG) in Bezug auf die in den GOÄ-Ziffern 4264, 4265 und 4272 genannten Infektionen (Borrelia burgdorferi, Chlamydia trachomatis und Yersinien) bestimmt hat. Die Regelungen der GOÄ zu diesen Gebührenziffern lassen sich nicht dahingehend interpretieren, dass die Bestimmung mehrerer Antikörper in Bezug auf eine der in diesen Ziffern genannte Infektion jeweils nur einmal abgerechnet werden dürfen. Die allgemeine Bestimmung zu Abschnitt M III. 19. GOÄ regelt eine andere, hier nicht vorliegende Konstellation. Danach ist die Berechnung einer Gebühr für eine qualitative Untersuchung neben einer Gebühr für eine quantitative Untersuchung oder einer ähnlichen Untersuchungsmethode nicht zulässig. Der Beschwerdeführer hat jedoch ausschließlich die in der Untergruppe 4263 – 4272 aufgeführten quantitativen Antikörperbestimmungen und nicht etwa zusätzlich eine der in den Untergruppen 4220 – 4234 und 4251 – 4261 vorgesehenen qualitativen Nachweismethoden in Rechnung gestellt.
Hieraus ergibt sich unter Zugrundelegung eines Honorarsatzes von 60 EUR die folgende Vergütung:
Aktenstudium 5 Stunden
Untersuchung 2 Stunden
Abfassung 4 Stunden
Diktat 4 Stunden
Korrektur 1 Stunde
Summe 16 Stunden x 60 EUR 960,00 EUR
Schreibgebühr 50.000 Anschläge x 0,75 EUR 37,50 EUR
Röntgen:
GOÄ 5030 20,98 EUR 1,3 x 2 54,55 EUR
GOÄ 5031 5,83 EUR 1,3 x 2 15,16 EUR
GOÄ 5040 17,49 EUR 1,3 22,74 EUR
GOÄ 5100 17,49 EUR 1,3 22,74 EUR
GOÄ 5101 9,33 EUR 1,3 12,13 EUR
GOÄ 5105 23,31 EUR 1,3 x 2 60,61 EUR
Röntgenkosten 187,92 EUR
GOÄ 5298 36,14 EUR
Laborleistungen 640,30 EUR
Telefon/Porto/Fax 9,00 EUR
Summe 1870,86 EUR
Umsatzsteuer 19 % 355,46 EUR
Gesamtsumme: 2226,32 EUR
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG, § 4 Abs. 4 S. 2 JVEG).
Erstellt am: 08.03.2010
Zuletzt verändert am: 08.03.2010