Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 21.12.2009 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Die Antragstellerin begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung, ihr Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zu gewähren.
Die 1978 geborene, verheiratete, aber dauernd getrennt lebende Antragstellerin bezog von der Antragsgegnerin im Zeitraum 01.06.2009 bis zum 30.11.2009 Arbeitslosengeld II nach Maßgabe der Bestimmungen des SGB II. Die Antragstellerin hatte zuvor ein Lehramtsstudium mit dem ersten Staatsexamen abgeschlossen und anschließend das Referendariat absolviert, war schließlich jedoch im zweiten Staatsexamen gescheitert.
Die Antragstellerin bewohnt eine aufgrund Dauernutzungsvertrages überlassene 50 m² große Genossenschaftswohnung für die monatlich neben einer Grundnutzungsgebühr von 316 EUR Vorauszahlungen für Betriebskosten in Höhe von 74 EUR (gesamt 390 EUR) zu erbringen sind. Die Antragsgegnerin berücksichtigte im Rahmen der Leistungserbringung die tatsächlichen Unterkunftskosten.
Am 14.10.2009 schloss die Antragstellerin einen Berufsausbildungsvertrag gemäß §§ 10, 11 Berufsausbildungsgesetz zur Ausbildung im Ausbildungsberuf der Reiseverkehrskauffrau ab dem 01.11.2009. Der Aufforderung der Antragsgegnerin (Schreiben vom 07.10.2009) ggf. einen Weiterbewilligungsantrag zu stellen, kam die Antragstellerin zunächst nicht nach.
Am 27.11.2009 hat sich die Antragstellerin an das Sozialgericht (SG) Köln mit der bitte um Erlass einer einstweiligen Verfügung gewandt. Sie hat ausgeführt, ihre Ausbildungsvergütung betrage netto circa 450 EUR. Sie habe Berufsausbildungsbeihilfe beantragt. Nachdem man ihr aber mitgeteilt habe, dass die Ausbildungsvergütung lediglich bis 560 EUR aufgestockt werden könne, weil Auszubildende grundsätzlich zuhause wohnen sollten, habe sie auf entsprechende Leistungen verzichtet, um wenigstens Wohngeld bekommen zu können. Dieses liege bei etwa 200 EUR. Davon könne sie nicht leben. Man könne sie doch nicht dafür bestrafen, dass sie lieber 40 Stunden in der Woche gegen ein geringes Ausbildungsentgelt arbeite und nicht wie andere lieber komplett auf Staatskosten zuhause bleiben. Dies sei unfair und auch nicht im Sinne eines Staates, der die Eigenverantwortlichkeit der Bürger bei der Arbeitssuche fordere.
Die Antragsgegnerin hat erwidert, einen Weiterbewilligungsantrag habe sie bisher nicht bearbeiten könne, weil ein solcher nicht vorliege. Der Antragstellerin werde empfohlen, sich kurzfristig mit dem für Sie zuständigen Standort in Verbindung zu setzen.
Mit Beschluss vom 21.12.2009 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es fehle an einem Rechtsschutzinteresse, da die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin einen Fortzahlungsantrag nicht gestellt habe. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes komme nicht in Betracht, wenn sich die Antragstellerin nicht zunächst mit der Antragsgegnerin in Verbindung setze.
Der Beschluss des SG ist der Antragstellerin am 23.12.2009 zugestellt worden.
Einen Weiterbewilligungsantrag vom 28.12.2009 hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 11.01.2010 abgelehnt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die geltend gemachten Leistungen lägen nicht vor, weil sich die Antragstellerin in Ausbildung befinde und diese Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder der §§ 60 – 62 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig sei.
Am 18.01.2010 hat sich die Antragstellerin unter Bezugnahme auf den Ablehnungsbescheid vom 11.01.2010 an das SG gewandt mit der Bitte, den Fall weiter zu bearbeiten, da sie so nicht überleben könne. Zugleich hat sie eine Entgeltabrechnung hinsichtlich der Ausbildungsvergütung für den Monat Dezember 2009 übersandt. Daraus ergibt sich unter Berücksichtigung einer Ausbildungsvergütung von 547 EUR brutto und eines einmaligen Urlaubsgeldes von 40 EUR brutto für den Monat Dezember 2009 einer Ausbildungsvergütung von 466,81 EUR. Zudem hat die Klägerin einen Wohngeldbescheid vom 04.01.2010 vorgelegt, ausweislich dessen ihr für den Zeitraum 01.11.2009 bis 31.10.2010 Wohngeld in Höhe von monatlich 238 EUR bewilligt wurden. Die Antragstellerin führt aus, sie könne von einer regelmäßigen Ausbildungsvergütung in Höhe von 436 EUR netto zuzüglich des Wohngeldes nicht leben. Unter Berücksichtigung sämtlicher Fixkosten (Miete, Energie, Telefon, Internet, Monatsticket für die Verkehrsbetriebe, Handy etc.) verbleibe ihr lediglich ein Betrag von 70 EUR.
Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des SG vom 21.12.2009 abzuändern und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Antragsgegnerin hält an ihrer Auffassung fest, der Antragstellerin stehe ein Anspruch Leistungen nach dem SGB II nicht zu. Insbesondere sei die Härtefallregelung des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II nicht einschlägig, da die Antragstellerin weder alleinerziehend, noch schwanger, krank oder behindert sei. Auch befinde sie sich noch nicht in der Abschlussphase ihrer Ausbildung. Das Vorliegen einer "allgemeinen Härte" rechtfertige auch eine darlehensweise Leistungsgewährung nicht. Es müssten vielmehr außergewöhnliche, schwerwiegende, atypische und möglichst nicht selbstverschuldete Umstände vorliegen, die einen zügigen Ausbildungsdurchlauf verhindert oder die sonstige Notlage hervorgerufen hätten. Es sei der Antragstellerin zumutbar, die Finanzierungslücke durch zusätzliches Einkommen (etwa durch Wochenend- oder Abendjob) zu decken. Die Vorschrift des § 22 Abs. 7 SGB II sei nicht einschlägig, da die Antragstellerin keine Berufsausbildungsbeihilfe erhalte.
II. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen (Regelungs-) Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, die Inanspruchnahme sozialgerichtlichen Eilrechtsschutzes setze regelmäßig voraus, dass sich der Betroffene zunächst an den zuständigen Leistungsträger sendet. Obwohl von der Antragsgegnerin auf die Notwendigkeit eines Weiterbewilligungsantrages hingewiesen, kam die Antragstellerin dieser Aufforderung erst nach, nachdem das SG ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hatte.
Der Senat lässt dahinstehen, ob bei dieser Sachlage statt einer vom SG angenommenen Beschwerde nicht ein (neuer) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten gewesen wäre.
Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Leistungserbringung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil nach der gebotenen summarischen Prüfung ein Anspruch nicht besteht, mithin ein Anordnungsanspruch nicht gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht worden ist.
Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Diese Regelung geht davon aus, dass die Ausbildungsförderung nach den in Bezug genommenen gesetzlichen Regelungen auch die Kosten des Lebensunterhalts umfasst und deshalb im Grundsatz die Grundsicherung nicht dazu dient, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausschlussregelung soll die nachrangige Grundsicherung mithin davon befreien, eine – versteckte – Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu ermöglichen (vgl. zu alledem Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 67/08 R).
Die von der Antragstellerin zum 01.12.2009 aufgenommene Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau ist nach § 60 SGB III (dem Grunde nach) förderungsfähig. Unerheblich wäre, wenn die Ausbildung der Antragstellerin – was nach ihren Angaben im Übrigen nicht der Fall ist – aus individuellen Versagensgründen nicht zur Förderung berechtigte. § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II knüpft nicht daran an, ob einer Auszubildenden wegen ihrer individuellen Verhältnisse eine Berufsausbildungsförderung nach dem SGB III zusteht oder nicht, sondern allein daran, ob die von ihr besuchte Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig ist (vgl. zur Maßgeblichkeit der abstrakten Förderungsfähigkeit BSG, Urteil vom 01.07.2009, a.a.O., m.w.N.).
Die Antragstellerin erfüllt auch nicht die Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 6 SGB II, wonach Abs. 5 der Vorschrift keine Anwendung auf Auszubildende findet, die auf Grund von § 2 Abs. 1a BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung oder auf Grund von § 64 Abs. 1 SGB III keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe haben (Nr. 1) oder deren Bedarf sich nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 des BAföG oder nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB III bemisst (Nr. 2).
Auch ein besonderer Härtefall im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II liegt nicht vor. Ein besonderer Härtefall ist nur dann gegeben, wenn die Folgen des Anspruchsauschlusses über dasjenige Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung der Hilfe zum Lebensunterhalts für eine Ausbildung verbunden und vom Gesetzgeber in Kauf genommen worden ist. Deshalb müssen im Einzelfall Umstände hinzutreten, die auch im Hinblick auf den Gesetzeszweck – die Grundsicherung von den finanziellen Lasten der Ausbildungsförderung freizuhalten – den Ausschluss übermäßig hart, d.h. als unzumutbar oder in einem hohen Maße unbillig erscheinen lassen. Ein besonderer Härtefall muss über die mit dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II verbundenen Folgen, im Regelfall die Ausbildung nicht oder nur eingeschränkt fortsetzen zu können, deutlich hinausgehen. Es muss ein atypischer Lebenssachverhalt vorliegen, der es für einen Auszubildenden auch unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses objektiv nicht zumutbar erscheinen lässt, seine Ausbildung zu unterbrechen; die Folgen des Anspruchsauschlusses müssen deshalb über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung der Leistungen zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden ist (vgl. grundlegend BSG, Urteil vom 06.09.2007 – B 14/7b AS 36/06 R sowie – insbesondere zu weiteren, nach der Rechtsprechung des BSG anzuerkennenden besonderen Härtefällen – BSG, Urteil vom 01.07.2009, a.a.O.).
Der Umstand, dass die Antragstellerin nach (erstmaligem) Scheitern im zweiten Staatsexamen und von ihren Ausbildern auch nachfolgend geäußerten Zweifeln an der persönlichen Eignung für das Lehramt ihren ursprünglichen Berufswunsch erst in einem sehr späten Ausbildungsstadium aufgab und sie nunmehr eine Berufsausbildung zur Reiseverkehrskauffrau absolviert, begründet einen besonderen Härtefall nicht. Es ist nicht einmal ersichtlich, dass die Antragstellerin gezwungen wäre, die begonnene Ausbildung abzubrechen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sie neben der Ausbildungsvergütung auch Wohngeldleistungen bezieht. Daneben erscheint es auch nicht unzumutbar, dass sie entweder ihre Bedarfe reduziert (etwa was die Kosten der Unterkunft anbelangt) oder – wie von der Antragsgegnerin empfohlen – eine Nebentätigkeit ausübt, zumal dies bei steigender Ausbildungsvergütung in den folgenden Ausbildungsjahren nach Dauer und Umfang nur in überschaubarem Maße erforderlich wäre.
Für nicht ausbildungsbedingte Mehrbedarfe, die vom Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II nicht erfasst würden (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2007, a.a.O.), fehlen jegliche Anhaltspunkte.
Schließlich ist ein Anspruch aus § 22 Abs. 7 SGB II nicht gegeben, da die Antragstellerin Leistungen nach dem SGB III tatsächlich nicht bezieht (vgl. aber die verfassungsrechtlichen Bedenken von Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, Rn. 120, die vorliegend aber wegen des Verzichts auf Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe bei gleichzeitigem Bezug von Wohngeld ohnehin nicht gerechtfertigt erscheinen).
Der Antragstellerin bleibt es unbenommen, den – angegebenen – Leistungsverzicht zu überdenken, Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, neu zu beantragen und ggf. sodann einen Antrag auf Gewährung von Zuschussleistungen gemäß § 22 Abs. 7 SGB II zu stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Die Entscheidung ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Erstellt am: 08.03.2010
Zuletzt verändert am: 08.03.2010