Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.11.2009 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
Der Antragsteller ist derzeit wieder zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassener Zahnarzt.
Im Februar 1997 eröffnete der Antragsteller in einer Zeit, in der er sich wegen einer Freiheitsstrafe von November 1996 bis Februar 1999 im offenen Strafvollzug befand, eine privatzahnärztliche Praxis. Einen Teil der Praxisräumlichkeiten überließ er dem Zahnarzt S, der mit Beschluss vom 19.11.1997 als Vertragszahnarzt zugelassen wurde. In der Folgezeit rechnet der damalige Vertragszahnarzt S als "Strohmann" Leistungen ab, die der Antragsteller bei Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht hatte. Für den Zeitraum vom 12.01.1998 bis 10.04.2000 zahlte die Antragsgegnerin Honorar und Kosten auf vom Zahnarzt S unterzeichnete Abrechnungen aus. Das Landgericht Düsseldorf hat den Antragsteller mit Urteil vom 20.12.2001 wegen gemeinschaftlichen Betrugs und versuchten gemeinschaftlichen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt (bestätigt durch Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 05.12.2002 – 3 StR 161/02 – MedR 2003, 298 ff.). Der Schaden beläuft sich nach den Berechnungen des Landgerichts auf 1.011.244,50 DM (517.041,11 EUR).
Mit bestandskräftig gewordenem Neufestsetzungs- und Rückforderungsbescheid vom 01.06.2004 forderte die Antragsgegnerin zu Unrecht ausgezahlte Vergütungen bzw. zu Unrecht erstattete Kosten für die Quartale IV/1997 bis I/2000 in Höhe von 517.041,11 EUR von Zahnarzt S zurück. Hiervon realisierte sie einen Teilbetrag von 20.681,36 EUR.
Der Berufungsausschusses-Zahnärzte ließ den Antragsteller zum 01.07.2006 zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung zu. Mit Schreiben vom 25.06.2008 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, sie wolle auf sein Angebot zur Schadenwiedergutmachung zurückkommen; sie schlage vor, den Betrag von 496.359,75 EUR durch Einbehalte von 25 % des durchschnittlich Quartalsumsatzes zurückzuführen. Hierauf erklärte der Antragsteller, die in der Sitzung des Berufungsausschusses abgegebene Erklärung, den Schaden wieder gut zu machen, sei ein von der Antragsgegnerin nicht angenommenes Angebot gewesen; er bezweifle, dass überhaupt ein Schaden entstanden sei und bitte um den Nachweis, dass bei Zahnarzt S erfolglos vollstreckt worden sei. Im übrigen erhebe er die Einrede der Verjährung. Nach weiterer Korrespondenz kündigte die Antragsgegnerin an (Schreiben vom 20.10.2008), dass sie von künftigen Zahlungsansprüchen Einbehalte in Höhe von 10 % vornehmen werde. Mit Schreiben vom 22.10.2008 teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie das auszuzahlende Honorar III/2008 um den Einbehalt von 337,84 EUR reduzieren werde.
Unter dem 17.11.2008 legte der Antragsteller unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren Widerspruch gegen die mit Schreiben vom 20.10.2008 angekündigten und durchgeführten Einbehalte ein. Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 27.08.2009). Die Antragsgegnerin führte u.a. aus: Vom Zahnarzt S habe lediglich ein Betrag in Höhe 20.681,36 EUR realisiert werden können. Dieser habe zum 22.08.2000 auf seine Zulassung verzichtet und verfüge über kein weiteres Vermögen. Die Ansprüche aus dem Bescheid vom 01.06.2004 seien daher ihm gegenüber nicht durchsetzbar. Hierfür hafte der Antragsteller gesamtschuldnerisch. Er habe über seinen Bevollmächtigten in der Sitzung des Berufungsausschusses erklären lassen, grundsätzlich zur Schadenswiedergutmachung beizutragen. Damit werde dem Grunde nach ein Rückforderungsanspruch anerkannt. Auf die Einrede der Verjährung könne sich der Antragsteller nicht berufen. Angesichts seiner Erklärung in der Sitzung des Berufungsausschusses handele es sich um eine unzulässige Rechtsausübung. Die Bereitschaft, den Schaden auszugleichen, sei erkennbar conditio sine qua non für die Zulassung gewesen.
Hiergegen hat der Antragsteller in der Hauptsache am 07.09.2009 zum Aktenzeichen S 2 KA 172/09 Klage erhoben. Am 25.08.2009 hat er zudem um vorläufigen Rechtsschutz ersucht.
Der Antragsteller hat sinngemäß beantragt,
festzustellen, dass die Klage vom 07.09.2009 gegen den Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 27.08.2009 (S 2 KA 172/09) aufschiebende Wirkung hat.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch seien nicht gegeben.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat mit Beschluss vom 16.11.2009 antragsgemäß entschieden. Nach § 85 Abs. 4 Satz 9 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) habe die Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung keine aufschiebende Wirkung. Dies gelte auch für Bescheide der Honorarrückforderung. Diese Voraussetzungen seien jedoch nicht gegeben. Die Antragsgegnerin habe nicht ihm erteilte Honorarbescheide aus der Zeit von 1998 bis 2000 geändert und Überzahlungen zurückgefordert, denn der Antragsteller habe mangels Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung gerade keine Abrechnungen bei der Antragsgegnerin eingereicht. Vielmehr mache die Antragsgegnerin zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen ihn geltend, die sie gegen seine sozialrechtlichen Honoraransprüche aufrechne. Dies sei kein jedoch kein Fall eines Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung. Der Antragsteller habe auch ein Rechtsschutzbedürfnis daran, dass die aufschiebende Wirkung durch deklaratorischen Beschluss festgestellt werde. Das erforderliche Rechtsschutzinteresse sei gegeben, wenn die Verwaltung die aufschiebende Wirkung nicht beachte oder zu erkennen gebe, dass sie den Eintritt der aufschiebenden Wirkung als gegeben ansehe. Habe das Gesetz für derartige Fälle selbst entschieden, dass die Klage aufschiebende Wirkung habe, so bedürfe es einer einzelfallbezogenen Würdigung der widerstreitenden Interessen nicht.
Diese Entscheidung greift die Antragsgegnerin mit der Beschwerde an. Entgegen der Auffassung des SG habe die Klage keine aufschiebende Wirkung. Sie – die Antragsgegnerin – habe mit dem Abrechnungsbescheid III/2008 vom 18.01.2009 einen 10%-igen Einbehalt festgesetzt. Die Höhe dieses Einbehalts habe sie dem Antragsteller mit Schreiben vom 20.10.2008 angekündigt und mit Schreiben vom 22.10.2008 nominal konkretisiert. Damit liege entgegen der Auffassung des SG ein Fall der Honorarfestsetzung mit der Folge vor, dass die Klage keine aufschiebende Wirkung entfalte.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des SG Düsseldorf vom 16.11.2009 aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er macht geltend: Die Antragsgegnerin versuche verjährte zivilrechtliche Ansprüche mittels sozialrechtlicher Instrumente durchzusetzen. Sie missbrauche hierzu den Regelungsgehalt des § 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V. Einen Rückforderungsbescheid habe sie bislang nicht erlassen. Sie habe vielmehr eine zivilrechtliche Forderung, der sie sich zu Unrecht berühme, zum Anlass genommen, seine Honorarforderungen zu kürzen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere der gewechselten Schriftsätze sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin.
II.
Nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG in der Fassung des 6. SGG-ÄndG vom 17.08.2001 (BGBl. I 2001, 2144) haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese entfällt nach Abs. 2 der Vorschrift in den Fällen der Nrn. 1 bis 3 und 5 sowie nach Nr. 4 in durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Die Nrn. 1 bis 3 sind ersichtlich nicht einschlägig. Die aufschiebende Wirkung entfällt vorliegend allenfalls auf der Grundlage von § 86a Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V in der ab 02.01.2002 geltenden Fassung. Hiernach haben Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung keine aufschiebende Wirkung. Bescheide über die Honorarfestsetzung sind neben der vorläufigen und endgültigen Honorarfestsetzung auch die sachlich-rechnerische Richtigstellung und die hierauf fußende Honorarrückforderung einschließlich der Verrechnung solcher Forderungen mit dem Honoraranspruch (hierzu Senat, Beschluss vom 02.04.2009 – L 11 KA 7/09 KA ER – m.w.N.; Beschluss vom 06.01.2004 – L 11 B 17/03 KA ER – Breithaupt 2004, 263 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.4.2003 – L 10 B 21/02 KA ER in GesR 314 f. und MedR 2004 233 ff. sowie Beschluss vom 15.01.2003 – L 10 B 22/02 KA ER – in MedR 2003, 598 ff. und GesR 2003, 115 ff.).
1. Der Quartalsabrechnungsbescheid vom 18.01.2009 stellt einen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar. Ungeachtet dessen ist zu differenzieren.
a) Dieser Bescheid setzt das dem Antragsteller auszukehrende Honorar fest. Diese auf Seite 2 des Bescheides als "Restguthaben" formulierte Regelung wird in den Zeilen zuvor abrechnungstechnisch erläutert, indem zunächst die Rubrik "Guthaben" spezifiziert wird und die Addition der einzelnen Gutschriften sodann als "Summe Gutschrift gesamt" einen Betrag von 20.772,68 EUR ausweist. Dem werden in der nachfolgenden Rubrik "Lastschriften" negative Rechnungsposten in Höhe von 1.298,50 EUR gegenübergestellt. Dieser Rubrik ist auch der "Einbehalt für Rückforderung i.S. S" mit einem Betrag von 337,84 EUR zugeordnet. In einem dritten Schritt werden von den Gutschriften bereits geleistete Zahlungen in Höhe von insgesamt 16.753,71 EUR abgezogen. Die Summe der Gutschriften abzüglich der Lastschriften und abzüglich der Zahlungen führt schließlich zu dem Restguthaben von 2.720,47 EUR (hierzu Seite 2 des Bescheides).
b) Eine Regelung liegt vor, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat, also durch die Maßnahme ohne weitere Umsetzungsakte Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder festgestellt werden (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 6. Auflage, 2008, § 31 Rdn. 24 mw.w.N.). Einen Verfügungssatz (Bescheidtenor) enthält der Bescheid nicht. Dennoch ist ihm als Regelung zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin das dem Antragsteller zustehende Honorar auf 2.720,47 EUR festsetzt. Der eigentliche Bescheidtenor (Verfügungssatz) müsste mithin lauten: "Das Ihnen zustehende Honorar wird auf 2.720,47 EUR festgesetzt." In diesem Sinne ist die Honorarfestsetzung "Restguthaben 2.720,47 EUR" (Seite 2 des Bescheides) eine Regelung. Alle anderen Postionen des Bescheides hingegen stellen keine Regelung i.S.d. § 31 Satz 1 SGB X dar. Es handelt sich um schlichte Begründungselemente. Nach § 35 Abs. 1 SGB X ist ein schriftlicher Bescheid zu begründen. Das ist hier insofern geschehen, als die Antragsgegnerin die tatsächlichen und rechnerischen Ansätze, die zum Verfügungssatz "Restguthaben 2.720,47 EUR" führen, im Bescheid im einzeln dargestellt hat. So gilt auch für das Leistungsrecht, dass sich die Bindungswirkung von Bewilligungsentscheidungen auf den Verfügungssatz – d.h. die Entscheidung über Art, Dauer (Beginn und Ende) und Höhe der Leistung – beschränkt. Hingegen erwachsen die einzelnen Begründungselemente (Mietzinsen, Nebenkosten, Heizkosten) nicht in Bestandskraft (BSG, Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 8/09 R – m.w.N.; vgl. auch BSG, Urteil vom 28.04.1999 – B 9 SB 5/98 R -). So liegt es hier. Die in den in Rubriken Gutschriften und Zahlungen gelisteten Rechnungsposten sind lediglich deskriptiver Art. Es handelt sich nicht um selbständig anfechtbare, isolierter Bindung fähige Teilentscheidungen, vielmehr um spezifizierte Rechnungsposten mittels derer der Verfügungssatz begründet wird. Sind einzelne Rechnungsposten fehlerhaft, ist deswegen nicht isoliert deren Ansatz anzugreifen. Widerspruch und/oder Klage haben sich gegen den Bescheid als solchen zu richten, da die Fehlerhaftigkeit eines unselbständigen, aber den Tenor rechnerisch tragenden Begründungselements immer auch den Tenor fehlerhaft macht.
2. Auch soweit es den Rechnungsposten "Einbehalt für Rückforderung i.S. S" anlangt, gilt im Ergebnis nichts anders. Dieser Ansatz besagt zunächst nur, dass die Antragsgegnerin aus dem insoweit nur kursorisch dargelegten Sachverhalt einen Einbehalt vornimmt, indem sie die zuvor errechneten Gutschriften um den fraglichen Betrag reduziert und damit ein geringeres Restguthaben auszahlt. Dieser Vorgang ist schon dem Grunde nach keine Rückforderung. Vielmehr realisiert die Antragsgegnerin mittels des Einbehalts unmittelbar und sich selbst vollziehend einen Anspruch, dessen sie sich berühmt. Der 10. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen hat zutreffend entschieden, dass die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs die Aufrechnung mit einer Gegenforderung ausschließt (Beschluss vom 16.04.2004 – L 10 B 21/02 KA – in GesR 2003, 314 ff. und MedR 2004, 233 f.). Für den hier streitigen Einbehalt gilt im Ergebnis nichts anderes. Die Antragsgegnerin hat mittels eines Bescheides eine zivilrechtliche Schadensersatzforderung geltend gemacht. Der hiergegen gerichtete Widerspruch hat aufschiebende Wirkung. In der Folge kann die Antragsgegnerin den Bescheid derzeit nicht vollziehen.
Im Einzelnen:
a) Soweit die Antragsgegnerin meint, das Schreiben vom 25.06.2008 stelle einen – nicht angefochtenen – Rückforderungsbescheid dar, ist dem nicht zu folgen. Dieses Schreiben hat keinen Regelungscharakter (§ 31 SGB X). Die Erklärung der Behörde muss von einem Regelungswillen getragen sein, die auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet ist. Für die Auslegung der Behördenerklärung maßgeblich ist der objektive Sinngehalt der Erklärung, d.h. wie der Empfänger sie bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv verstehen konnte. Abzustellen ist auf den Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann. Hierzu ist auch die äußere Form der Maßnahme mit zu berücksichtigen (Engelmann a.a.O. Rdn. 25 f. m.w.N.). Ausgehend hiervon stellt das Schreiben vom 25.06.2008 keinen Verwaltungsakt dar. Die Antragsgegnerin hat es weder als Verwaltungsakt noch als Bescheid bezeichnet. Zudem fehlt die Rechtsbehelfsbelehrung. Auch der Inhalt spricht gegen einen Regelungswillen. Bis einschließlich des dritten Absatzes wird lediglich der bisherige Sachverhalt referiert. Erst im vierten Absatz geht es um die eigentliche Sache. Darin schlägt die Antragsgegnerin vor, für die Rückführung des Betrags von 496.359,75 EUR pro Quartal 25 % des durchschnittlichen Umsatzes des letzten Jahres von den Quartalsabrechnungen für die Schadenswiedergutmachung einzubehalten. Ein Vorschlag ist indessen schon denknotwendig keine von einem Regelungswillen getragene Maßnahme. Auch der nachfolgenden Satz
"Da sie in der Sitzung des Berufungsausschusses bereits Ihre Bereitschaft zur Schadenswiedergutmachung erklärt haben, gehen wir davon aus, dass sie mit der Verfahrensweise einverstanden sind"
belegt, dass die Antragsgegnerin versucht, auf eine einvernehmliche Verfahrensweise hinzuwirken, mithin zu diesem Zeitpunkt noch keine einseitige hoheitliche Maßnahme ergreifen wollte. Folgerichtig hat der Bevollmächtigte des Antragstellers dieses Schreiben auch nicht als Verwaltungsakt verstanden, denn seine Erwiderung vom 01.07.2008 enthält keinerlei Hinweis darauf, dass er Widerspruch eingelegt hat oder auch nur einlegen wollte. Nach alledem kann das Schreiben vom 25.06.2008 allenfalls als Annahme des etwaigen Angebots "Schadenswiedergutmachung" gewertet werden.
b) Anders verhält es sich hingegen mit dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 30.07.2008. Die Formulierung
"Wir bitten um Mitteilung, wie Ihr Mandant den Betrag von 496.359,75 EUR zurückzuführen gedenkt. Sollten wir von Ihnen bis zum 22.08.2008 hierzu keine Mitteilung erhalten haben, werden wir mit den von uns angekündigten Honorareinbehalten bei Ihrem Mandanten beginnen."
enthält eine von einem Regelungswillen getragene Regelung. Mittels dieser Erklärung löst sich die Antragsgegnerin von ihren bisherigen Versuchen, die Schadenswiedergutmachung einvernehmlich zu gestalten. Zwar enthält der Text eine Ankündigung und stellt insoweit noch nicht die eigentliche Maßnahme dar. Indessen wird deren Realisierung nur an einen Umstand geknüpft, nämlich einen Rückführungsvorschlag des Antragstellers. Ohne seine Rückäußerung will die Antragsgegnerin unmittelbar und ohne weiterer Zwischenschritte mit dem Einbehalt beginnen. Ob und inwieweit hierin eine Nebenbestimmung i.S.d. § 32 SGB X zu sehen ist, kann dahinstehen, denn an der Verwaltungsaktqualität würde sich dadurch nichts ändern. Zwar fehlt wiederum die Bezeichnung dieses Schreibens als Verwaltungsakt oder als Bescheid, zudem ist keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt. Dies ist jedoch angesichts des inhaltlich unmissverständlichen Regelungswillens unschädlich.
Soweit sich der Antragssteller hiergegen mit Schreiben vom 14.08.2008 richtet, hat dies den Charakter eines Widerspruchs. Zwar ist auch dieses Schreiben nicht formgerecht als Widerspruch bezeichnet, indessen ist der Formulierung,
"Die von Ihnen angekündigte Verrechnung von sozialrechtlich begründeten Honorarforderungen mit allein zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen ist unzulässig. Im Übrigen dürfte ein solche Verrechnung nur aufgrund eines rechtskräftigen Bescheides möglich sein. Ein solcher Bescheid liegt mir nicht vor."
zu entnehmen, dass der Antragsteller sich inhaltlich gegen das Schreiben vom 30.07.2008 wendet. Wird diesem die Qualität eines Verwaltungsaktes beigemessen, können die hiergegen gerichteten rechtlichen und tatsächlichen Einwände des Antragstellers nur als Widerspruch interpretiert werden.
3. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.07.2008 hat aufschiebende Wirkung. Zwar hat die Antragsgegnerin über diesen Widerspruch bislang nicht entschieden, denn der Widerspruchsbescheid vom 27.08.2009 betrifft den Widerspruch vom 16.02.2009 gegen den in der Quartalsabrechnung III/2008 vom 18.01.2009 enthaltenen Einbehalt von 337,84 EUR. Das ist im hier interessierenden Zusammenhang indes unschädlich. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 14.08.2008 tritt ein, weil es sich bei dem Bescheid vom 30.07.2008 nicht um einen Honorarrückforderungsbescheid handelt. Dieser Bescheid beruht nicht auf einer Änderung zuvor erteilte Honorarbescheide. Nach Aktenlage versucht die Antragsgegnerin vielmehr, wie das SG zutreffend dargelegt hat, mittels dieses Bescheides zivilrechtliche Schadensersatzansprüche aus §§ 823 Abs. 2, 840 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 263 Strafgesetzbuch (StGB) durchzusetzen. Soweit die Antragsgegnerin dem entgegenhält, dass es dennoch um Honorarfestsetzung gehe, da sie mit dem angefochtenen Quartalsabrechnungsbescheid vom 18.01.2009 das Honorar unter Abzug eines 10%-igen Einbehalt festgesetzt habe, führt dies nicht weiter. Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung ist nicht bei dem Bescheid vom 18.01.2009 sondern bei jenem vom 30.07.2008 anzusetzen. Anderenfalls bliebe unberücksichtigt, dass der Bescheid vom 30.07.2008 keinen Honorarrückforderungsbescheid darstellt, mithin § 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V nicht greift und der Widerspruch demzufolge aufschiebende Wirkung hat.
Ob und inwieweit der gegen den Quartalsabrechnungsbescheid vom 18.01.2009 gerichtete Widerspruch aufschiebende Wirkung bewirkt, kann dahinstehen. Denn schon infolge der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 30.07.2008 darf die Antragsgegnerin von dessen Regelungsgehalt keinen Gebrauch machen. Hierzu hat der 10. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 16.04.2003 – L 10 B 21/02 KA ER – (a.a.O.) ausgeführt:
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es bezieht sich ganz überwiegend allein auf die Frage, ob die Aufrechnung als Vollstreckungssurrogat ebenfalls vom Suspensiveffekt erfasst wird. Das SG hat dies bejaht und die Antragsgegnerin verpflichtet, die seit vom Antragsteller zu 1) und den Antragstellerinnen zu 2) und 3) seit dem Quartal I/2001 erworbenen Honoraransprüche auszuzahlen. Die Rechtsfrage ist umstritten. Das Bundesverwaltungsgericht und ihm folgend die Instanzgerichte entscheiden in ständiger Rechtsprechung, dass die Aufrechnung mit einer Gegenforderung keine Vollziehung eines die betreffende Forderung konkretisierenden Leistungsbescheides (Rückforderungsbescheides) darstelle (BVerwG vom 27.10.1982 – 3 C 6/82 – E 66, 218 ff. und vom 27.01.1994 – 2 C 19/92 – E 95,94; VGH Baden-Württemberg vom 09.03.1992 – 2 S 3215/91 -; OVG für das Saarland vom 24.02.1989 – 1 W 36/89 – OVG Bremen vom 16.06.1999 – 2 B 93/99 -; a.A. VGH Hessen vom 14.03.1975 – VII TH 91/74 -). Demgegenüber wird in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhof ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass die Aufrechnung eines Finanzamtes mit einem Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis sich als Vollziehung des zugrundeliegenden Bescheides darstelle (BFH vom 31.08.1995 -VII R 58/94 – E 178,306). Der BFH grenzt insoweit ausdrücklich von der Rechtsprechung des BVerwG in E 66, 218 ff. ab. In späteren Entscheidungen wird die Auffassung, dass die Aufrechnung eine Vollziehung sei, vertieft (BFH vom 24.10.1996 – V II B 122/96 -; 14.11.2000 VII R 85/99 – E 193,254; FG Düsseldorf vom 16.03.1998 – 14 V 9110/97 -; FG Hamburg vom 15.07.1999 – IV 56/99 -). In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung hat sich dem das LSG Berlin (Urteil vom 30.03.1998 – L 7 Ka-SE 12/98 -) angeschlossen. Auch der 11. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen hat sich mit dieser Frage bereits auseinandergesetzt und ausgeführt, dass entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs die Aufrechnung mit einem Rückforderungsanspruch ausschließt (Beschluss vom 29.06.1988 – L 11 S (Ka) 10/98 -). Der erkennende Senat tritt dem bei. Die Aussetzung der Vollziehung eines Bescheides bewirkt ebenso wie der Suspensiveffekt (§ 86a Abs. 1 SGG) die aufschiebende Wirkung des gegen den Bescheid eingelegten Rechtsbehelfs (BFH vom 31.08.995 – VII R 58/94 -). Die Bedeutung der aufschiebenden Wirkung ist streitig. Teilweise wird sie als Wirksamkeitshemmung, teilweise als Vollziehbarkeitshemmung verstanden (Frehse aaO § 21 Rdn. 112 m.w.N). Das kann hier dahin stehen, denn sowohl im Falle einer Vollziehbarkeitshemmung als auch – erst Recht – im Falle einer Wirksamkeitshemmung darf der Verwaltungsakt nicht vollzogen werden (vgl. auch Meyer – Ladewig, SGG, 7. Auflage, 2003, § 86a Rdn. 4 m.w.N.). Das BVerwG hat sich auf den Standpunkt gestellt, die aufschiebende Wirkung beseitige nicht die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes, sie habe vielmehr nur zur Folge, dass der angefochtene Verwaltungsakt vorläufig nicht vollzogen werden dürfe und ist damit von einer Vollziehbarkeitshemmung ausgegangen. Vollziehbarkeitshemmung bedeutet, dass der Behörde nunmehr jegliches Gebrauchmachen von den Wirkungen des Verwaltungsaktes einstweilen untersagt ist. Dann aber ist auch die Aufrechnung als Vollziehung anzusehen. Denn eine Aufrechnung ist ohne Gebrauchmachen von dem materiellen Regelungsinhalt des Verwaltungsaktes nicht möglich, weil erst der materielle Regelungsgehalt die entsprechend § 387 BGB notwendigen Voraussetzungen für eine Aufrechnung – u.a. Fälligkeit der Forderung – schafft bzw. herbeiführt (zutreffend BFH vom 31.08.1995 – VII R 58/94 -). Daß die von der Antragsgegnerin erklärte Aufrechung keine hoheitliche Maßnahme sondern die rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts darstellt, steht dem nicht entgegen. Insoweit verkennt die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, dass als "Vollziehung" nicht nur die zwangsweise Durchsetzung sondern jedes Gebrauchmachen vom Regelungsinhalt eines Verwaltungsaktes anzusehen ist. Ein derartiges Verständnis ist zur Überzeugung des Senats auch verfassungs-rechtlich zwingend. Unter Zugrundelegung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung würde nämlich die Bitte um vorläufigen Rechtschutz ins Leere gehen. Denn auch wenn das Gericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs feststellen oder anordnen würde, könnte das eigentliche Ziel des Verfahrens, nämlich die Auszahlung der vertragsärztlichen Vergütung infolge der Aufrechnung nicht erreicht werden. Soweit also das Bundesverwaltungsgericht seine Auffassung damit begründet, dass die Aufrechnungserklärung die Ausübung eines schuldrechtlichen Gestaltungsrechts sei und für sich allein keinen Verwaltungsakt darstelle, mithin dem eines die betreffende Forderung konkretisierenden Leistungsbescheides vollziehe, wird der durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) zu gewährleistende Rechtsschutz unangemessen verkürzt. Daher ist die Aufrechnung mit einer Forderung, die in dem angefochtenen Verwaltungsakt ihren Grund hat, ausgeschlossen (so auch Meyer-Ladewig aaO § 86a Rdn. 4 m.w.N.).
Hieran ist festzuhalten. Danach ist als "Vollziehung" nicht nur die zwangsweise Durchsetzung sondern jedes Gebrauchmachen vom Regelungsinhalt eines Verwaltungsaktes anzusehen (hierzu auch Beschluss vom 16.04.2004 – L 10 B 21/02 KA – a.a.O.). Daher kann die durch Bescheid vom 30.07.2008 geltend gemachte Schadensersatzforderung infolge des hiergegen gerichteten Widerspruchs einstweilen weder durch einen Einbehalt noch durch eine Aufrechnung vollzogen werden. 4. Soweit der Senat mit Beschluss vom 06.01.2004 – L 11 B 17/04 KA ER – (in SGb 2004, 114; NZS 2004, 672; MedR 2004, 262; Breithaupt 2004, 263 ff.) entschieden hat, dass Widerspruch und Klage gegen die Anordnung des Sicherungseinbehalts von vertragszahnärztlichem Honorar durch eine Kassenzahnärztliche Vereinigung keine aufschiebende Wirkung haben, kann die Antragsgegnerin hieraus nichts zu ihren Gunsten herleiten. Jenes Verfahren betraf einen Fall im Zuständigkeitsbereich der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KZVWL). Ausweislich § 6 Abs. 1 der Satzung ist die KZVWL berechtigt, über sie abgewickelte Vergütungen zurückzuhalten, wenn sich aus konkreten Tatsachen, die von der KZVWL, den Prüfungseinrichtungen bei der KZVWL, den Krankenkassen, den Strafverfolgungsbehörden oder Gerichten ermittelt worden sind, der begründete Verdacht ergibt, dass ein Mitglied Fehlabrechnungen vorgenommen hat und die Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Beiträge zurückgefordert werden. Eine solche Regelung enthält die Satzung der Antragsgegnerin nicht.
5. Sollte die Antragsgegnerin befürchten, die Forderung nicht realisieren zu können, bleibt es ihr unbenommen, einen Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zu stellen. Damit ist ihrem Sicherungsinteresse hinreichend Rechnung getragen.
Die Beschwerde konnte nach alledem keinen Erfolg haben.
III.
Die Entscheidung über den Streitwert ergeht durch gesonderten Beschluss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 27.10.2010
Zuletzt verändert am: 27.10.2010