PKH-Antrag und Beschwerde unzulässig
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Duisburg vom 08.09.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Einstellung der Zahlung von Grundsicherungsleistungen durch die Beklagte ab Februar 2009.
Der 1967 geborene Kläger bezieht seit Jahren von der Beklagten Leistungen nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Mit Bescheid vom 16.12.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum Januar 2009 bis Dezember 2009 Grundsicherungsleistungen unter Anrechnung einer Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 212,88 EUR. Hierbei legte sie als anerkannte Unterkunftskosten für die vom Kläger bewohnte Wohnung einen Betrag von insgesamt 300,15 EUR zugrunde.
Mit Schreiben vom 07.01.2009 erhielt die Beklagte eine Mitteilung des Amtsgerichts Oberhausen, dass dort eine die vom Kläger bewohnte Wohnung betreffende Räumungsklage wegen Mietrückständen erhoben worden war. Mit Schreiben vom 12.01.2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Zahlung der Grundsicherungsleistungen werde aufgrund der Räumungsklage zum 01.02.2009 vorläufig eingestellt, da der Kläger die Leistungen – die Miete betreffend – nicht zweckentsprechend eingesetzt habe. Die Grundsicherungsleistung für Februar werde erst überwiesen, wenn der Kläger die Einzahlung der Februarmiete nachgewiesen habe.
Der Kläger erhob hiergegen mit Schreiben vom 20.01.2009 Widerspruch.
Am 04.03.2009 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage erhoben, indem er einen an das Amtsgericht P gerichteten Schriftsatz vom 28.12.2008 ohne weitere Erläuterungen an das Verwaltungsgericht faxte. In diesem eigentlich auf den Mietrechtsstreit bezogen Schriftsatz hat der Kläger verschiedene Klageanträge formuliert und u.a. darauf hingewiesen, dass die Stadt P nunmehr widerrechtlich die Grundsicherungsleistungen eingestellt habe und er deshalb gar keine Miete mehr zahlen könne. Er hat diesen Passus des Schreibens mit der Formulierung abgeschlossen: "Daher hier auch Klage gegen Stadt P".
Das Verfahren des Verwaltungsgerichts ist unter dem Aktenzeichen 21 K 2319/09 geführt worden. Auf Nachfrage und Hinweis des Verwaltungsgerichts hat der Kläger mitgeteilt, dass das Schreiben als Klage zu verstehen sei und er Verweisung "zur zuständigen Stelle/Behörde/Amt/Gericht" beantrage.
Zum 01.04.2009 ist der Kläger mit seiner Lebensgefährtin, die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezieht, in eine gemeinsame Wohnung in P gezogen.
Am 12.04.2009 hat der Kläger die dem hiesigen Verfahren zugrunde liegende Klage vor dem Sozialgericht Duisburg gegen die Stadt P erhoben. Er hat "zur Begründung" auf beigefügte Schriftsätze verwiesen. Beigefügt war insbesondere der o.g. Schriftsatz an das Amtsgericht P vom 28.12.2009. Weiter hat der Kläger darauf verwiesen, dass er "bereits einige Anträge … bei der Stadt P eingereicht" habe, die schon über Gebühr lange nicht bearbeitet worden seien. Er erhebe insoweit Dienstaufsichtsbeschwerde und Untätigkeitsklage. Insoweit ist ein Schreiben vom 27.03.2009 beigefügt gewesen, mit dem der Kläger an die Bescheidung seiner Widersprüche erinnert hatte. Wörtlich ist dort formuliert: "Stichwort: U.a. Wohnungen/Einstellung meiner Grundsicherungsleistungen/ meine Versicherungen (Haftpflicht/Hausrat), Umzug-Umzugskosten/Renovierungs(kosten-Übernahme) u.v.a.m."
Das Verwaltungsgericht hat sich mit Beschluss vom 29.04.2009 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Duisburg verwiesen. Dieses Verfahren ist unter dem Aktenzeichen S 16 SO 60/09 geführt worden und derzeit in einem weiteren Berufungsverfahren unter dem Aktenzeichen L 12 SO 52/09 anhängig.
Mit Änderungsbescheid vom 19.06.2009 hat die Beklagte dem Kläger ab April 2009 bis Dezember 2009 Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII bewilligt und hierbei u.a. den Zusammenzug mit seiner Lebensgefährtin berücksichtigt. Außerdem hat sie die einbehaltenen Leistungen ab Februar bis Juni 2009 ausweislich der aktenkundigen Zahlblätter am 19.06.2009 rückwirkend wie folgt ausgezahlt: Die Grundsicherungsleistungen für Februar und März 2009 sind direkt an den ehemaligen Vermieter des Klägers überwiesen worden. Die Zahlung für den Monat April sind direkt an die ARGE Duisburg geleistet worden, da diese für den Monat April noch die volle Miete für die Lebensgefährtin des Klägers überwiesen hatte. Ab Mai 2009 hat die Beklagte die monatlichen Grundsicherungsleistungen direkt an den neuen Vermieter überwiesen.
Das Sozialgericht hat den Kläger mit Schreiben vom 23.06.2009 gefragt, ob er das hiesige Klageverfahren für erledigt erklären würde. Mit der Auszahlung der ausstehenden Leistungen sei die Beklagte nicht – mehr – untätig. Die Frage der Leistungseinstellung sei Gegenstand des Verfahrens S 16 SO 60/09. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 27.06.2009 auf seine bisherigen Ausführungen verwiesen und die Mitteilung des Beklagten über die Leistungsnachzahlung mit Nichtwissen bestritten. Einen entsprechenden Bescheid habe er immer noch nicht erhalten.
Der Kläger hat nach Auslegung des Sozialgerichts sinngemäß beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, ihm ab 01.02.2009 fortlaufend Leistungen nach dem SGB XII zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, dass die Klage bereits unzulässig sei. Zum einen sei das erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt worden, zum anderen liege durch die bereits am 04.03.2009 erhobene gleichlautende Klage beim Verwaltungsgericht Düsseldorf doppelte Rechtshängigkeit vor.
Das Sozialgericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 29.07.2009 zur Entscheidung mit Gerichtsbescheid angehört. Die Anhörung ist mit einer Fristsetzung zum 19.08.2009 versehen gewesen und ist dem Kläger mit Postzustellungsurkunde vom 30.07.2009 zugestellt worden.
Anschließend hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 08.09.2009 die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Antrag des Klägers als Leistungsbegehren – gerichtet auf die Zahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII aus dem Bewilligungsbescheid vom 16.12.2008 für die Zeit von Februar bis Juni 2009 – auszulegen sei.
Diese Klage sei bereits unzulässig, denn es liege doppelte Rechtshängigkeit vor.
Gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) könne während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Hintergrund dessen sei der Rechtsgrundsatz, dass über einen Streitgegenstand zwischen denselben Beteiligten nur eine gerichtliche Entscheidung ergehen dürfe. Das Prozesshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit wirke hierbei über den Rechtsweg hinaus. Als der vorliegende Rechtsstreit beim Sozialgericht Duisburg am 14.04.2009 anhängig und damit gemäß § 94 SGG rechtshängig geworden sei, sei die Sache bereits seit dem 04.03.2009 beim Verwaltungsgericht Düsseldorf rechtshängig gewesen. Die Klage betreffe auch denselben Streitgegenstand zwischen denselben Beteiligten wie die zuvor beim Verwaltungsgericht erhobene Klage. Der Kläger wende sich in beiden Verfahren gegen die Einstellung der Grundsicherungsleistungen ab Februar 2009 durch die Beklagte.
Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 10.09.2009 zugestellt worden.
Hiergegen hat der Kläger am 14.09.2009 per elektronischer Post, am 16.09.2009 sodann per eigenhändig unterschriebenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Die Beklagte habe ihm bis dato nicht die ihm zustehenden Leistungen ausbezahlt. Er sei nicht entmündigt und schulde dem Vermieter den Mietzins. Die Beklagte habe daher ihm die Leistungen zu erbringen und er könne dann seinerseits die Zahlungen an den Vermieter tätigen. Die Beklagte habe ihm widerrechtlich nicht sein zustehendes Geld gezahlt und dieses habe er eingeklagt. Es liege auch keine anderweitige Rechtshängigkeit beim Verwaltungsgericht vor, denn dieses habe den Rechtsstreit an das Sozialgericht verwiesen. Auch habe das Sozialgericht nicht durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen, denn dazu habe er seine Zustimmung nicht erteilt.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 08.09.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die mit Bescheid vom 16.12.2008 bewilligten Leistungen für die Zeit vom 01.02.2009 bis 30.06.2009 an ihn auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf die Gründe des Gerichtsbescheides verwiesen.
Der Kläger ist zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladen worden. Die Ladung enthielt den Hinweis, dass auch ohne sein Erscheinen entschieden werden kann. Der Kläger ist zu dem Termin weder selbst erschienen noch hat er einen Vertreter entsandt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, der Verfahrensakte L 12 SO 52/09 des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, die ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, da er mit der Ladung auf eine solche Möglichkeit hingewiesen wurde.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zur Begründung nimmt der Senat zunächst gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die Erwägungen der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht.
Zur Verdeutlichung ist auszuführen, dass der Senat die erkennbare Einschätzung des Sozialgerichts teilt, dass der Kläger mit der hier allein streitgegenständlichen Klage vom 12.04.2009 eine Untätigkeit der Beklagten zuletzt nicht mehr geltend gemacht und damit seine Klage entsprechend beschränkt hat.
Zwar hat der Kläger zunächst auf eine nach seiner Einschätzung bestehende Untätigkeit in einer Vielzahl von Verwaltungsverfahren verwiesen. Diesen ohnehin nicht näher bestimmten Vorwurf hat er allerdings im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens nicht mehr verfolgt. Andernfalls hätte es nahe gelegen, dieses Begehren in seiner Reaktion vom 27.06.2009 auf die Anfrage des Sozialgerichts vom 23.06.2009 noch einmal ausdrücklich zu erklären. Auch die Berufungsschrift wirft die Frage der Untätigkeit nicht mehr auf, sondern befasst sich allein mit dem Begehren der Auszahlung der bereits bewilligten Leistungen an den Kläger.
Die hierauf gerichtete Klage ist, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, aufgrund anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass anderweitige Rechtshängigkeit nicht nur bei Rechtshängigkeit vor einem anderen Gericht, sondern auch bei Rechtshängigkeit desselben Streitgegenstandes vor demselben Gericht vorliegt.
Auch das übrige Berufungsvorbringen ist nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen. Dass der Kläger der Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht zugestimmt hat, ist unerheblich. Die mittels Postzustellungsurkunde nachgewiesene tatsächliche Anhörung vom 29.07.2009 ist gemäß § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG ausreichend, um sein rechtliches Gehör zu wahren.
Die Richtigkeit des klageabweisenden Urteils in dem älteren und damit vorrangigen Verfahren S 16 SO 60/09 ist in dem Berufungsverfahren L 12 SO 52/09 gesondert zu prüfen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Erstellt am: 22.06.2010
Zuletzt verändert am: 22.06.2010