Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.11.2007 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Rentenbescheides vom 16.12.2005 und des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2007 verurteilt der Klägerin Regelaltersrente bereits ab dem 01.01.2000 zu zahlen. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Versicherungszeiten im Ghetto Lodz (Polen) nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) bereits ab 01.01.2000 statt wie von der Beklagten entschieden erst ab 01.02.2004 hat.
Die am 00.00.1934 in Lodz geborene Klägerin ist jüdischer Abstammung, lebt seit 1958 in Israel und besitzt die israelische Staatsangehörigkeit. Vom Regierungspräsidenten Köln als Entschädigungsbehörde wurde ihr mit Bescheid vom 14.04.1970 wegen Freiheitsentziehung in der Zeit vom 01.05.1940 bis 14.08.1944 eine Beihilfe nach dem BEG-Schlussgesetz gewährt. Unter dem 31.08.2007 teilte die Claims Conference in Frankfurt mit, dass die Klägerin von dort auch eine Entschädigung nach Art. 2 Fonds erhalten hat.
Ein im Jahre 1990 gestellter Antrag auf Anerkennung polnischer Versicherungszeiten sowie auf Zulassung zur Beitragsnachentrichtung wurde von der Beklagten im Jahre 1993 wegen fehlender Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) abgelehnt.
Mit Schriftsatz ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 29.02.2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Regelaltersrente ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt unter Hinweis auf die Vorschriften des ZRBG. Mit Rentenbescheid vom 16.12.2005 gewährte die Beklagte der Klägerin Regelaltersrente in Höhe von monatlich 33,59 Euro beginnend am 01.02.2004 unter Berücksichtigung von Beitragszeiten vom 01.10.1942 bis 30.06.1944.
Mit dem am 03.03.2006 erhobenen Widerspruch begehrte die Klägerin zunächst eine andere Anrechnung von Ausbildungszeiten als Anrechnungszeiten. Nach einem aufklärenden Schreiben der Beklagten machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 02.08.2006 dies nicht mehr geltend und bat nur noch um eine Überprüfung des Rentenbeginns im Hinblick auf eine bereits bezogene Rentenleistung aus der israelischen Rentenversicherung. Aus einem vom israelischen Versicherungsträger übersandten Versicherungsverlauf vom 04.12.2005 geht hervor, dass die Klägerin aufgrund eines am 20.02.1994 dort gestellten Antrags ab 01.05.1994 Anspruch auf israelische Altersrente hat.
Mit Schreiben vom 07.09.2006 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ein früherer Rentenbeginn nicht in Betracht komme, da der Antrag nach dem ZRBG verspätet im Februar 2004 gestellt worden sei und somit die Altersrente nur mit Beginn des Antragsmonats gewährt werden könne. Der in Israel gestellte Antrag vom 20.02.1994 auf eine israelische Altersrente sei nach Art. 27 Abs. 2 Satz 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit vom 17.12.1973 (DISVA) nicht gleichgestellt, wenn die Antragstellerin den deutschen Leistungsfall auf einen späteren Zeitpunkt verschieben wolle. Dazu vertrat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Auffassung, die von der Beklagten angeführte Regelung im Abkommen beziehe sich auf Fälle des § 1248 Abs. 6 der früheren Reichsversicherungsordnung (RVO) und treffe daher auf den vorliegenden Fall nicht zu. Nach übereinstimmender Praxis der deutschen Versicherungsanstalten würden israelische Rentenanträge insofern herangezogen, als die Rentenleistung gemäß den Verjährungsvorschriften vier Jahre vor dem deutschen Rentenantrag beginne.
Die Beklagte zog eine interne Stellungnahme vom 06.10.2006 aus einem anderen Verfahren zur Frage des Einflusses eines in Israel gestellten Rentenantrags auf den Beginn der ZRBG-Rente bei. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.2007 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie i. W. aus, bei einer Verlegung des deutschen Leistungsfalles auf einen späteren Zeitpunkt sei der in Israel gestellte Antrag auf eine israelische Altersrente nach Art. 27 Abs. 2 Satz 2 DISVA nicht mehr gleichgestellt. Das habe zur Folge, dass bei der Bestimmung des Rentenbeginns nach Art. 3 ZRBG der mutmaßliche Antrag aus dem Jahre 1994 für das ZRBG keine Wirkung mehr entfalten könne. Maßgebend sei hier der am 29.02.2004 gestellte Antrag nach dem ZRBG. Ein früherer Rentenbeginns könne somit nicht gewährt werden.
Zur Begründung der am 25.01.2007 erhobenen Klage hat die Klägerin i. W. vorgetragen eine Verschiebung des Leistungsfall nach § 3 Abs. 1 ZRBG liege tatbestandlich nicht vor, da bis zum 30.06.2003 ein Antrag auf Regelaltersrente nicht gestellt worden sei. Die von der Beklagten angeführte Regelung des Art. 27 Abs. 2 Satz 2 DIVSA beziehe sich auf den Fall des § 1248 Abs. 6 der früheren RVO und treffe auf den vorliegenden Sachverhalt nicht zu. Auch wenn man die Vorschrift entsprechend anwenden wolle, wenn jemand durch eine Willenserklärung auch in anderen Fällen auf den Rentenbeginn einwirke, liege dies sicherlich hier nicht vor. Denn sogar, wenn die Klägerin nach der ZRBG-Frist gemäß § 3 Abs. 1 ZRBG bis zum 30.06.2003 einen Antrag rechtzeitig gestellt hätte, hätte die Klägerin dadurch nicht durch eine Willenserklärung auf den ursprünglichen Rentenbeginn eingewirkt, da dies der erste Rentenantrag gewesen wäre. Im übrigen ergäbe sich aus dem israelischen Versicherungsverlauf, dass sie im Jahre 1994 bei Stellung des Antrags in Israel auch die Voraussetzungen des § 237 a des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) für eine Altersrente für Frauen ab dem 60. Lebensjahr erfüllt habe. Auch insofern liege daher keine Verschiebung des deutschen Leistungsfalls vor.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Rentenbescheides vom 16.12.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2007 zu verurteilen, die gewährte Regelaltersrente ab dem 01.01.2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihren angefochtenen Bescheid weiterhin für rechtmäßig gehalten.
Das Sozialgericht hat die o.g. Auskunft der Claims Conference vom 31.08.2007 sowie den dortigen Vorgang in Kopie beigezogen.
Mit Urteil vom 13.11.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung i. W. ausgeführt, die zulässige Klage sei unbegründet, denn die Klägerin habe schon keinen Anspruch auf Gewährung einer Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung und daher auch keinen Anspruch auf Verschiebung des Rentenbeginns auf den 01.01.2000. Ein solcher Rentenanspruch scheitere bereits deswegen, weil der Geltendmachung einer Rentenleistung aus der gesetzlichen deutschen Rentenversicherung entgegenstehe, dass die Klägerin für die Zeit im Ghetto Lodz bereits entschädigt worden sei, und zwar nach dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG). Nach § 16 Abs. 1 EVZStiftG könnten Leistungen aus Mitteln der öffentlichen Hand einschließlich der Sozialversicherung sowie deutscher Unternehmen für erlittenes nationalsozialistisches Unrecht im Sinne von § 11 nur nach diesem Gesetz beantragt werden. Etwaige weitergehende Ansprüche im Zusammenhang mit nationalsozialistischem Unrecht seien ausgeschlossen. Diese Vorschriften schlössen damit im vorliegenden Fall, da die Klägerin für den fraglichen Zeitraum im Ghetto Lodz bereits Leistungen nach dem EVZStiftG erhalten habe, weitere Ansprüche aus anderen rechtlichen Vorschriften im Zusammenhang mit der Verfolgung im Ghetto Lodz aus (wird vom Sozialgericht weiter ausgeführt). Abschließend hat das Sozialgericht in seinem Urteil ausgeführt, damit könne letztlich dahinstehen ob Rentenbeginn schon der 01.01.2000 gewesen wäre, wogegen nach Auffassung des Sozialgerichts eindeutig der Wortlaut des § 3 Abs. 1 ZRBG und die schlüssigen Ausführungen der Beklagten sprächen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen das am 29.11.2007 in Israel zugestellte Urteil hat die Klägerin am 07.01.2008 Berufung eingelegt mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung wendet sie sich zunächst gegen die vom Sozialgericht zum Stiftungsgesetz vertretene Auffassung und stellt fest, dass sich das Sozialgericht mit der hier entscheidenden Rechtsfrage nicht auseinandergesetzt habe. Das Urteil sei daher nicht haltbar und aufzuheben.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.11.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Rentenbescheides vom 16.12.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2007 zu verurteilen, die gewährte Regelaltersrente nach dem ZRBG schon ab dem 01.01.2000 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stimmt den Ausführungen der Klägerin insoweit zu, dass das Sozialgericht den eigentlichen Streitgegenstand verkannt habe und die Beklagte bereits ab Februar 2004 Regelaltersrente unter Anrechnung einer Beitragszeit im Ghetto Lodz von Oktober 1942 bis Juni 1944 gewähre. Hinsichtlich des begehrten früheren Rentenbeginns hält die Beklagte an ihren Bescheiden fest.
Nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 03.02.2010 die Beklagte um Überprüfung gebeten, ob bei der Klägerin auch für den Zeitraum von Februar 1942 bis September 1942 Ghettobeschäftigungszeiten nach den Vorschriften des ZRBG berücksichtigt werden könnten. Im Rentenbescheid vom 16.12.2005 finde sich der Hinweis, dass Kinderarbeit im Ghetto Lodz erst ab Oktober 1942 anerkannt werden könne. Diese Auffassung könne aufgrund der neuesten Erkenntnisse zum Ghetto Lodz nicht aufrechterhalten werden. In der mündlichen Verhandlung hat sich die Beklagte bereit erklärt, den Schriftsatz vom 03.02.2010 als Antrag nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) anzusehen und zu bescheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Rentenakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte die Sache verhandeln und entscheiden, obwohl weder die Klägerin noch ihr Prozessbevollmächtigter zum Termin erschienen sind. Der Prozessbevollmächtigte ist mit der ordnungsgemäß erfolgten Terminsbenachrichtigung (Empfangsbekenntnis vom 14.01.2010) auf diese zulässige Verfahrensweise (§§ 124 Abs. 1, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) hingewiesen worden.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist auch begründet. Die Klägerin hat nach Auffassung des Senats zumindest bereits ab dem 01.01.2000 Anspruch auf Regelaltersrente.
Entgegen der Rechtsansicht des Sozialgerichts scheidet der geltend gemachte Rentenanspruch mit einem früheren Rentenbeginn nicht schon deshalb aus, weil die Klägerin für die Zeit im Ghetto Lodz bereits von der Claims Conference Entschädigung nach § 16 Abs. 1 EVZStiftG erhalten hat. Diese Auffassung ist selbst von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt vertreten worden. Auch der erkennende Senat hat in mehreren Urteilen entschieden, dass Leistungen nach dem Stiftungsgesetz und solche aus der gesetzlichen Rentenversicherung zwar unterschiedliche und grundsätzlich einander ausschließende tatsächliche Sachverhalte betreffen. Eine Berücksichtigung einer Ghettobeitragszeit nach dem ZRBG scheidet aber nicht schon deshalb aus, weil die Beschäftigung zuvor als Zwangsarbeit im Sinne des Stiftungsgesetzes angesehen worden ist. Allerdings hat der Senat wiederholt ausgeführt, dass im Verfahren über Rentenansprüche nach dem ZRBG die Angaben der Betroffenen im Verfahren vor der Claims Conference im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sind (vgl. z.B. Urteil des Senats vom 13.06.2008, Az: L 14 R 269/07). Auch das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 03.06.2009 (Az.: B 5 R 26/08 R) entschieden , dass die Entschädigung nach dem EVZStiftG keine Leistung im Sinne des § 1 Abs. 1 2. Halbsatz ZRBG ist, die die Anwendbarkeit des ZRBG ausschließen würde. Im vorliegenden Fall vermag der Senat keine Gründe zu erkennen, die gegen eine Berücksichtigung der von der Beklagten bereits anerkannten Ghettobeitragszeiten sprechen würden.
Unabhängig von der unzutreffenden Rechtsauffassung des Sozialgerichts zum Stiftungsgesetz ist festzustellen, dass es sich bei dem Urteil des Sozialgerichts um eine unzulässige Überraschungsentscheidung handelt, die den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzt. Die Verfahrensbeteiligten hatten bis zu dem ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteil des Sozialgerichts ausschließlich über die Frage des Rentenbeginns unter Berücksichtigung des israelischen Rentenantrags gestritten. Das Sozialgericht hatte den Beteiligten zwar die Stellungnahme der Claims Conference vom 31.08.2007 mit dem in Kopie beigezogenen Unterlagen übersandt. Ein Hinweis auf eine evtl. Absicht des Sozialgerichts, den Rentenanspruch bzw. den früheren Rentenbeginn schon wegen der von der Claims Conference bezogenen Leistungen zu verneinen, fehlte jedoch. Wenn aber ein Gericht seiner Entscheidung rechtliche Erwägungen zu Grunde legen will, die von den Verfahrensbeteiligten bisher auch nicht ansatzweise angesprochen worden sind, gebietet es der Grundsatz eines fairen Gerichtsverfahrens, die Beteiligten vor einer Entscheidung darauf hinzuweisen. Von einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht hat der Senat gleichwohl insbesondere im Hinblick auf das Alter der Klägerin abgesehen.
Hinsichtlich der streitigen Frage des Rentenbeginns ist zunächst festzustellen, dass der mit Schriftsatz vom 29.02.2004 gestellte Rentenantrag die Antragsfrist gemäß § 3 Abs. 1 ZRBG (30.06.2003) nicht gewahrt hat. Ausgehend von diesem Antrag könnte daher die Rente – wie von der Beklagten entschieden – erst ab 01.02.2004 gewährte werden. Im vorliegenden Fall ist jedoch nach Auffassung des Senats gemäß Art. 27 Abs. 2 Satz 1 DISVA der am 20.02.1994 beim israelischen Versicherungsträger gestellte Antrag auf israelische Altersrente zu berücksichtigen. Dies gilt zwar gemäß Art. 27 Abs. 2 Satz 2 DISVA nicht, soweit der Antragsteller nach den Rechtsvorschriften dieses Vertragsstaates den Zeitpunkt bestimmen kann, der für die Erfüllung der Leistungsvoraussetzung maßgebend sein soll. Diese Abkommensregelung entspricht nahezu dem Wortlaut der Regelung in § 1248 Abs. 6 der früheren RVO, worauf der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zutreffend hingewiesen hat. Die Regelung des § 1248 Abs. 6 RVO ist jedoch nicht in das SGB VI übernommen worden. Zwar hat ein Versicherter auch ohne die frühere Regelung die Möglichkeit, den Zeitpunkt des Leistungsbeginns durch den Zeitpunkt der Rentenantragstellung zu wählen. Dies gilt bzw. galt aber für praktisch alle Rentenleistungen. Nachdem die Regelung im § 1248 Abs. 6 RVO nicht in das SGB VI übernommen worden ist, kann dies nach Auffassung des Senats nicht dazu führen, die Regelung in Art. 27 Abs. 2 Satz 2 DISVA nunmehr auf diese immer schon bestehende Möglichkeit der "Verschiebung" des Leistungsbeginns durch die Wahl des Zeitpunkts der Antragstellung zu erstrecken. Letztlich hat die Reglung in § 27 Abs. 2 Satz 2 DISVA ihren ursprünglichen Anwendungsbereich verloren, nachdem die Regelung in § 1248 Abs. 6 RVO nicht in das SGB VI übernommen worden ist. Eine Klarstellung durch die Vertragsstaaten des DISVA, dass das Abkommen nunmehr im Sinne der Beklagten anzuwenden sei, ist bisher nicht erfolgt.
Aber selbst wenn die Regelung in Art. 27 Abs. 2 Satz 2 DISVA weiterhin Bedeutung haben sollte, würde dies im vorliegenden Fall nach Auffassung des Senats nicht dazu führen, dass der in Israel gestellte Antrag unbeachtlich wäre. Die genannte Regelung in Art. 27 DISVA wie auch entsprechende Regelungen in anderen Sozialversicherungsabkommen bezwecken letztlich einen Schutz des betroffenen Versicherten davor, dass er durch einen in einem Abkommensstaat gestellten Rentenantrag seine in dem anderen Staat bestehenden rentenrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten verliert. Die Regelung zielt jedenfalls nicht primär darauf ab, zu Gunsten eines Rentenversicherungsträgers einen in dem Abkommensstaat gestellten Rentenantrag unwirksam werden zu lassen. So wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass von den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland hinsichtlich der Regelung im israelischen Sozialversicherungsabkommen wie auch in anderen Sozialversicherungsabkommen ein pragmatischer Weg bestritten wird, indem der Aufschub weiterhin zugelassen wird, wenn ein entsprechender Wille des Betroffenen erkennbar ist (vgl. Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung – KomGRV – ehemals "Verbandskommentar", Anhang 10 B I, Einführung 5.8). Im vorliegenden Fall hat aber der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zutreffend darauf hingewiesen, dass keine Willensäußerung der Klägerin erkennbar ist, mit der sie einen Aufschub des Rentenbeginns verlangt hätte. Vielmehr war ihr Begehren sowohl in Israel als auch in Deutschland erkennbar darauf gerichtet, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt Renten zu erhalten. Insoweit hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch darauf hingewiesen, dass bei Antragstellung in Israel im Jahre 1994 evtl. auch die Voraussetzungen für eine Altersrente für Frauen bei Vollendung des 60. Lebensjahres hätten erfüllt sein können. Ein Rentenantrag im Jahre 1994 war daher auch für die deutsche Rentenversicherung durchaus sinnvoll. Ein Bezug zur deutschen Rentenversicherung bestand im vorliegenden Fall auch schon durch den im Jahre 1990 gestellten Antrag der Klägerin auf Anerkennung polnischer Versicherungszeiten sowie auf Nachentrichtung freiwilliger Beiträge. Zudem ist die Berücksichtigung von Ghettobeitragszeiten nicht erst seit In-Kraft-Treten des ZRBG möglich, sondern auch schon zuvor nach den Vorschriften des FRG und des WGSVG.
Nach Auffassung des Senats ist daher der im Jahre 1994 in Israel beim israelischen Versicherungsträger gestellte Rentenantrag auch für die deutsche Altersrente zu berücksichtigen. Bereits mit Urteil vom 12.02.2004 hat das BSG (Az.: B 13 RJ 58/03 R) hinsichtlich des entsprechenden deutsch-kanadischen Sozialversicherungsabkommens entschieden, dass ein im Ausland gestellter Rentenantrag nach Abkommensrecht zugleich als ein solcher nach deutschem Recht gegenüber dem deutschen Rentenversicherungträger als wirksam gestellt gilt, auch wenn nicht alle erforderlichen Angaben vollständig gemacht wurden mit der Folge, dass der ausländische den deutschen Träger über die Antragstellung nicht in Kenntnis gesetzt hat. Weiter hat das BSG ausgeführt, die Verjährungsvorschriften des Zivilrechts, wonach ein Verfahren "betrieben" werden müsse, damit die Verjährungsunterbrechnung bestand habe, passe auf das dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegende Sozialverwaltungsverfahren nicht. Auch daraus ergibt sich, dass ein bei einem ausländischen Versicherungsträger gestellter Rentenantrag nach den Regelungen des Abkommens auch dann als wirksam beim deutschen Rentenversicherungsträger gestellt gilt, wenn der im Ausland gestellte Rentenantrag zunächst keinerlei Bezug zur deutschen Rentenversicherung erkennen lässt.
Im vorliegenden Fall war daher der im Jahre 1994 gestellte Rentenantrag auch von der Beklagten zu berücksichtigen und die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abänderung der angefochtenen Bescheide antragsgemäß zu verurteilen, der Klägerin Regelaltersrente ab 01.01.2000 zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte um Überprüfung gebeten hat, ob auch für den Zeitraum Februar 1942 bis September 1942 Ghettobeschäftigungszeiten anerkannt werden können, ist dies nicht Gegenstand dieses ausschließlich den Rentenbeginn betreffenden Verfahrens. Insoweit bleibt die Überprüfung durch die Beklagte gemäß § 44 SGB X abzuwarten.
Erstellt am: 08.04.2010
Zuletzt verändert am: 08.04.2010