Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 08.06.2006 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Wege des Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Versorgung nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG) bzw. dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Die am 00.00.1983 geborene Klägerin erhielt folgende Impfungen:
16.01.1984 Polio oral
17.01.1984 Diphtherie, Keuchhusten und Tetanus (Kombinationsimpfstoff DPT, enthaltend nicht vermehrungsfähige Impfstoffe = angeschuldigte Impfung).
Danach erfolgten im Jahre 1984 noch folgende Impfungen:
21.02.1984 Diphtherie, Keuchhusten, Tetanus
22.03.1984 Diphtherie, Keuchhusten, Tetanus, Polio oral.
Am 24.07.1995 beantragte die Klägerin über ihre Eltern die Anerkennung cerebraler Krampfanfälle bzw. eines Anfallsleidens als Impfschaden. Hierzu trugen die Eltern vor, die Klägerin habe Stunden nach der Impfung am 17.01.1984 mit starken Zuckungen der Arme und Schultern (wie starkes Erschrecken) reagiert.
Das Versorgungsamt C zog daraufhin eine Auskunft der Innungskrankenkasse I über Erkrankungen der Klägerin sowie Behandlungs- bzw. Befundberichte des Praxisnachfolgers des seinerzeit behandelnden praktischen Arztes Dr. S, Dr. M, des Kreiskrankenhauses E, des Epilepsie-Zentrums C, des Allgemeinmediziners Dr. U, des B-Krankenhauses I sowie von Dr. V bei. Das Versorgungsamt befragte dann die Mutter und die Großmutter der Klägerin zu den Geschehnissen nach der Impfung. Die Mutter führte aus, dass familiäre Vorbelastungen nicht in besonderem Maße vorlägen. Lediglich zwei Cousinen in der großen Verwandtschaft hätten als Kind jeweils einen einmaligen Fieberkrampf gehabt. Vor der Geburt der Klägerin sei es zu vorzeitigen Wehen gekommen. Der eigentliche Geburtsverlauf sei normal gewesen. Einige Zeit nach der Impfung am 17.01.1984 habe sie bei der Klägerin ein merkwürdiges Zucken festgestellt. Auch die Großmutter habe die Zuckungen anschließend beobachtet. Vor der Impfung habe sie ein entsprechendes Zucken nicht beobachten können. Am Tag nach der ersten Impfung sei das Zucken nicht mehr festzustellen gewesen; ebenfalls nicht in der Folgezeit. Erst am 11.04.1984 sei das Zucken wieder aufgetreten. Es habe sich dann gesteigert. Die Klägerin habe auch Fieber gehabt. Während der Fahrt zu dem Hausarzt Dr. U sei es dann zu einem regelrechten Fieberkrampf gekommen. Die Klägerin sei steif und nach ihrer Ansicht auch bewusstlos geworden. Seit dem ersten Auftreten eines regelrechten Fieberkrampfes seien diese Krämpfe häufiger aufgetreten. Im Zeitraum zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr hätten sich diese sehr stark gesteigert. Die Großmutter gab an, dass die Klägerin nach der Impfung am 17.01.1984 zunächst geschlafen habe. Nachmittags habe sie dann mit den Händen gezuckt. Dies sei ihr sofort aufgefallen, weil sie die Klägerin ja vorher betreut habe. Definitiv könne sie sich außerdem an das Zucken an dem Tag erinnern, als der erste große Krampfanfall aufgetreten war. An dem Tag des ersten großen Krampfanfalles habe die Klägerin zunächst in der Wohnung der Großmutter im Kinderwagen geschlafen. Danach habe diese die Klägerin in die Wippe gesetzt. Dort sei sie unruhig geworden, habe Arme und Beine hochgezogen. Die Augen hätten sich geweitet. Dies sei mehrmals passiert. Das Versorgungsamt holte dann ein neurologisches Gutachten nach Aktenlage des Chefarztes der Neurologischen Klinik des Klinikums M Prof. Dr. N vom 26.01.1998 ein. Dieser vertrat die Auffassung, dass es – ausgehend von den Aussagen der Mutter und Großmutter – zumindest möglich sei, dass die DPT-Impfung für die Manifestation des Anfallsleidens wichtig gewesen war. Er könne sich sogar denken, dass die erste DPT-Impfung bei angenommenen konkurrierenden Ursachen eine rechtlich wesentliche Teilursache gewesen sei. Er empfehle die Beauftragung eines kompetenten Impfarztes mit der Begutachtung. Dieser müsse sich dazu äußern, ob die DPT-Impfung nur als unwesentliche Gelegenheitsursache oder rechtlich wesentliche Teilursache für die Manifestation des Anfallsleidens anzusehen sei. Das Versorgungsamt holte daraufhin ein weiteres Gutachten vom 21.12.1999 von dem Leiter des Bereichs Neuropädiatrie der Klinik und Poliklinik für Kinderheilkunde der WWU N, Prof. Dr. L, ein. Dieser vertrat die Auffassung, das Krankheitsbild der Klägerin sei am ehesten in den Formenkreis der schweren frühkindlichen Epilepsien mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen und früher myoklonischer Komponente einzuordnen. Die Klägerin habe weder am Abend der ersten Impfung, dem 17.01.1984, noch am 11.04.1984, dem Tage des ersten fiebergebundenen Grand-mal-Anfalles ein enzephalopathisches Bild geboten. Die Myoklonien nach der ersten Impfung seien ein Zufall bei genetischer Disposition zum beschriebenen Epilepsie-Syndrom. Auch sei es erst 84 Tage nach der ersten und 20 Tage nach der dritten Impfung zum ersten fiebergebundenen Grand-mal-Anfall gekommen. Aufgrund des fehlenden klinischen Bildes einer Enzephalopathie und des Fehlens lang anhaltender cerebraler Anfälle innerhalb der geforderten Inkubationszeit bis zu 72 Stunden bestehe kein Zusammenhang zwischen der durchgeführten DTP-Impfung und dem Epilepsie-Syndrom. Es handele sich insofern um ein eigenständiges Epilepsie-Syndrom, welches durch die Impfung nicht ausgelöst worden sei. Soweit die Myoklonien am 17.01.1984 ein erstes Anfallssymptom gewesen seien (wofür vieles spreche), handele es sich hier um ein zufälliges Zusammentreffen von Impfung und Erstmanifestation bei bestehender Disposition. Eine Nichtimpfung hätte das Epilepsie-Syndrom der Klägerin nicht verhindert.
Mit Bescheid vom 10.02.2000 lehnte das Versorgungsamt den Antrag ab und berief sich zur Begründung auf das Gutachten von Prof. Dr. L.
Am 26.02.2002 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 10.02.2000 gemäß § 44 SGB X. Sie führte aus, es sei bereits wenige Stunden nach der ersten DPT-Impfung zu "Zuckungen" gekommen, welche sie zuvor nie gehabt habe. Diese Verhaltensauffälligkeit sei innerhalb des Zeitrahmens einer Inkubationszeit von 3 Tagen aufgetreten. Der Sachverständige Prof. Dr. L sei auch unzutreffend von familiären Belastungen ausgegangen. Die Mutter der Klägerin habe lediglich 2 Cousinen erwähnt, die als Kind einen folgenlosen Fieberkrampf gehabt hätten. Der in ihrem Fall verwandte Vollkeimvaccine-Impfstoff sei im übrigen bis 1991 gerade wegen der Gefahr cerebraler Dauerschäden über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren nicht empfohlen worden und auch 1991 noch Gegenstand heftiger Kontroversen in der medizinischen Wissenschaft gewesen. Ein Impfschaden liege vor.
Mit Bescheid vom 16.05.2003 lehnte das Versorgungsamt C den Überprüfungsantrag ab. Von einem Impfschaden könne weiter nicht ausgegangen werden. Der Sachverständige Prof. Dr. L habe die Ablehnung eines Impfschadens nicht mit der Begründung einer familiären Belastung verneint. Die Ablehnung sei vielmehr aufgrund des fehlenden klinischen Bildes einer Encephalopathie und fehlender cerebraler Anfälle innerhalb der geforderten Inkubationszeit erfolgt. Den hiergegen am 10.06.2003 eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2003 zurück.
Am 22.08.2003 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass in dem Gutachten von Prof. Dr. L eine Auseinandersetzung mit den Vorgaben in den Anhaltspunkten, insbesondere mit einer "blanden Enzephalopathie" fehle. Diese Verlaufsform habe auch in einem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12.09.2001 (L 10 VJ 45/96) eine große Rolle gespielt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2003 zu verurteilen, den Bescheid vom 10.02.2000 zurückzunehmen und der Klägerin unter Anerkennung eines therapieresistenten Anfallsleidens mit anfallbedingten Sekundärschäden auch im intellektuellen, affektiven und motorischen Bereich Versorgung nach einer MdE um 100 vH nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die im Jahr 2006 noch zuständige Bezirksregierung Münster hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat zunächst ein Gutachten von Dr. I vom 04.12.2004 eingeholt. Dieser hat die Auffassung vertreten, eine eigentliche Enzephalopathie oder Enzephalitis mit akuten Erscheinungen wie "Bewusstseinseintrübung bis zur Bewusslosigkeit", "Fieber", "seitenbetonten oder generalisierten Krampfanfällen (besonders oft bei der Enzephalopathie), Gliedmaßenlähmung, gelegentlich isolierten Hirnnervenlähmungen, seltener Meningismus" sei bei der Klägerin am 17.01.1984 nach der ersten DTP-Impfung nicht aufgetreten. Soweit eine "blande Enzephalopathie" in Rede stehe, sei neben einer genauen Feststellung der Krankheitserscheinungen und Verhaltensauffälligkeiten (z.B. Apathie, abnorme Schläfrigkeit, Nahrungsverweigerung, Erbrechen), die während der Inkubationszeit nach der Impfung vorgelegen haben, eine eingehende Ermittlung und Würdigung des weiteren Verlaufs notwendig. Dabei sei vor allem zu prüfen, ob auf einen Entwicklungsknick (deutlicher Entwicklungsstillstand, Verlust bereits erworbener Fähigkeiten) im Anschluss an die Impfung geschlossen werden könne oder eine Progredienz von hirnorganischen Störungen zu erkennen sei. Bei einem Impfschaden sei eine solche Progredienz nicht zu erwarten, wenn nicht hirnorganische Anfälle den Hirnschaden mitbestimmten. Auch sei nach einer symptomarmen Enzephalopathie nicht mit einem sehr schweren Hirnschaden zu rechnen. Ein Entwicklungsknick könne nicht festgestellt werden. Ebenso spreche die Progredienz von Epilepsie und Entwicklungsstörungen in der Folge gegen einen ursächlichen Zusammenhang mit der angeschuldigten Impfung. Auffälligkeiten des Hirnstromkurvenbildes seien bei den ersten EEG nicht gefunden worden, sondern erst im Verlauf der Erkrankung. Eine Parallelität zwischen der Schwere der postulierten "blanden Enzephalopathie" und der schweren Epilepsie und Entwicklungsstörung im Verlauf lasse sich nicht feststellen. Die Gesundheitsstörungen der Klägerin seien nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die DTP-Impfung vom 17.01.1984 zurückzuführen. Für die Gesamtheit der bei der Klägerin festgestellten Gesundheitsstörungen betrage die MdE 100. Dem Gutachten von Prof. Dr. L sei zuzustimmen.
Auf Antrag der Klägerin hat das Sozialgericht ein Gutachten gemäß § 109 SGG von Prof. Dr. L1 vom 18.07.2005 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, bei der Klägerin liege ein therapieresistentes Anfallsleiden mit anfallsbedingten Sekundärschäden auch im intellektuellen, affektiven und motorischen Bereich vor. Es handele sich um ein genetisch determiniertes spezifisches Anfallsleiden, dessen klinische Manifestation auf Grundlage der Aussagen von Mutter und Großmutter der Klägerin sechs bis acht Stunden nach der ersten DPT-Impfung vom 17.01.1984 in Form einer myoklonischen Anfallsserie erfolgt sei. Es spreche deutlich mehr dafür als dagegen, dass der Keuchhusten-Vollbakterien-Impfstoff, welcher in der am 17.01.1984 verabreichten Kombinationsimpfung enthalten war, die klinische Manifestation dieses Anfallsleidens provoziert habe. Die Texte in den Anhaltspunkten zu Schäden nach verschiedenen Impfstoffen seien (ausgenommen der Darlegungen zur Pocken-Schutzimpfung) sehr kurz und nicht die volle Klinik abdeckend. Krampfanfälle in der Phase des akuten Impfschadens seien keineswegs obligatorisch mit der Symptomatik von Enzephalopathie oder blander Enzephalopathie verknüpft. Sie könnten – wie im vorliegenden Fall – febril oder afebril auftreten als einziges pathologisches zentralnervöses Symptom innerhalb der postvakzinalen Inkubationszeit, im Falle der Pertussis-Vollkeim-Impfung bevorzugt innerhalb der ersten 48 Stunden nach Impfung, zum Teil auch mit Dauerfolgen. Die myoklonische Anfallsserie vom 17.01.1984 sei die Erstmanifestation des bis heute therapieresistent andauernden Anfallsleidens. Genetische Determination einerseits und impfbedingte Manifestationsprovokation andererseits seien als ursächlich gleichgewichtige Faktoren einzuordnen. Es gehe nicht an, im Falle einer impfbedingten Manifestationsprovokation eines genetisch determinierten Anfallsleidens obligatorisch Symptome einer Enzephalopathie oder einer sog. blanden Enzephalopathie zu erwarten oder gar zu fordern. Die MdE betrage für das therapieresistente Anfallsleiden 100, für die mentale, intellektuelle und affektive Behinderung 80 und für die motorischen Defizite 20. Insgesamt sei seit dem 01.01.1998 eine MdE von 100 anzusetzen.
Der Beklagte hat daraufhin ein Gutachten nach Aktenlage des Arztes für Mikrobiologie und Kinderheilkunde Prof. Dr. T vom 18.08.2005 vorgelegt. Dieser hat die Auffassung vertreten, die von der Mutter glaubhaft geschilderten Muskelzuckungen gehörten nicht zum in den Anhaltspunkten beschriebenen Nebenwirkungsprofil einer DPT-Impfung. Der am 11.04.1984 stattgefundene große Krampfanfall stehe mit allen 3 DPT-Impfungen (vom 17.01., 21.02. und 22.03.1984) in einem weit über den üblichen zeitlichen Rahmen von 3 bis 7 Tagen hinausgehenden Zusammenhang, so dass für die Gesundheitsstörungen – Muskelzuckungen und erster großer komplizierter Fieberkrampf mit nachfolgender Epilepsie – ein ursächlicher Zusammenhang mit den DPT-Impfungen sehr unwahrscheinlich sei. Überdies werde eine Epilepsie als mögliche Folge einer Pertussis-Ganzkeim-Impfung in der neueren Impfliteratur überwiegend abgelehnt.
Das Sozialgericht hat eine weitere ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. L1 vom 15.12.2005 eingeholt. Der Beklagte hat daraufhin eine erneute gutachterliche Stellung-nahme von Prof. Dr. T vom 23.01.2006 vorgelegt, die wiederum zur Einholung einer Stellungnahme von Prof. Dr. L1 vom 21.07.2006 geführt hat. Beide Sachverständigen haben unter Auseinandersetzung mit der jeweiligen Gegenposition weiterhin ihre bisherige Auffassung vertreten.
Mit Urteil vom 08.09.2006 hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, den Bescheid vom 10.02.2000 zurückzunehmen und der Klägerin unter Anerkennung eines therapieresistenten Anfallsleidens mit anfallbedingten Sekundärschäden auch im interlektuellen, affektiven und motorischen Bereich als Impfschaden Versorgung nach einer MdE um 100 vH zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzung des § 44 SGB X vorlägen, da der Beklagte die genannten Gesundheitsstörungen mit Bescheid vom 10.02.2000 nicht als Impfschadensfolge anerkannt und entsprechend Versorgung gewährt habe. Die Voraussetzungen der §§ 60 Abs 1 IfSG bzw. 51 Abs 1 BSeuchG in Verbindung mit dem BVG lägen vor. Die Klägerin habe am 17.01.1984 eine DPT-Impfung erhalten. Diese sei aufgrund öffentlicher Empfehlung erfolgt. Es stehe mit an Sicherheit grenzender, ernste vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit fest, dass die Klägerin als Folge dieser Impfung einen Impfschaden erlitten habe. Bei der Klägerin liege ausweislich der Ausführung der Sachverständigen Dr. I, Prof. Dr. L1 sowie Prof. Dr. L eine schwere frühkindliche Epilepsie mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen und früher myoklonischer Komponente, welche genetisch determiniert sei, vor. Diese habe zu ihrer klinischen Manifestation eines zusätzlichen exogenen Realisationsfaktors bedurft, der entsprechend der Ausführungen des Prof. Dr. L1 in der Impfung zu sehen sei. Nummer 57 Ziffer 11 der Anhaltspunkte (AHP) 1983, 1996 sowie 2004 beschrieben die üblichen Impfreaktionen und Impfschäden des 1984 noch gebräuchlichen Vollbakterienimpfstoffs bei einer Pertussis-Schutzimpfung. Danach könne gelegentlich nach anhaltenden schrillen Schreien, dabei oft hirnorganische Anfälle, innerhalb von drei Tagen eine Enzephalopathie auftreten. Vorliegend seien weder schrille Schreie noch hirnorganische Anfälle innerhalb der Inkubationszeit nachgewiesen. Dies stehe dem geltenden gemachten Anspruch jedoch nicht entgegen. Zu Recht habe Prof. Dr. L1 darauf hingewiesen, dass die Ausführungen zu Ziffer 57 der AHP zu Schäden nach den verschiedenen Impfstoffen sehr kurz seien und damit nicht sämtliche denkbare Erscheinungsformen erfassen könnten. Mit Prof. Dr. L1 sei davon auszugehen, dass die Erstmanifestation der verbliebenen Gesundheitsstörung in Form eines genetisch determinierten spezifischen Anfallsleidens 6 bis 8 Stunden nach der ersten DPT-Impfung erfolgte und zwar in Form der durch die Mutter der Klägerin beschriebenen myoklonischen Anfallsserie. In Übereinstimmung mit den Anhaltspunkten sei Prof. Dr. L1 von einer postvakzinalen Inkubationszeit im Anschluss an die Keuchhusten-Vollbakterien-Impfung von 1 bis 3 Tagen ausgegangen. Auch sei es möglich, dass Krampfanfälle – wie im Falle der Klägerin – febril oder afebril, als einziges pathologisches zentralnervöses Symptom innerhalb der postvakzinalen Inkubationszeit aufträten. Es spreche deutlich mehr dafür als dagegen, dass der Keuchhusten-Vollkeim-Impfstoff die klinische Manifestation dieses Anfallsleidens provoziert habe. Einer enzephalopathischen oder bland – enzephalopathischen Symptomatik bedürfe es insoweit nicht. Prof. Dr. L1 habe dargestellt, dass auch für Krampfanfälle, die innerhalb der anerkannten postvakzinalen Inkubationszeit für den Keuchhusten-Vollkeim-Impfstoff auftreten, ein impfbedingt ursächlicher Zusammenhang zu bejahen sei. Solche Krampfanfälle seien weit über der statistischen Erwartung eines zufälligen Zusammentreffens spezielle Manifestationsprovokation bzw. Erstmanifestation der genetisch determinierten schweren frühkindlichen Epilepsie. Auch die Anhaltspunkte sähen vor, dass Impfreaktionen zu Aktivierungen ruhender Prozesse führen und demzufolge Ursache der Manifestation einer anderen Krankheit sein könnten. Mit dem Sachverständigen Prof. Dr. L1 sei davon auszugehen, dass die Impfung dabei nicht nur Gelegenheitsursache, sondern wesentliche Mitursache sei. Prof. Dr. L1 habe darauf hingewiesen, dass die Quote klinischer Manifestationen des hier in Rede stehenden polygen determinierten Anfallsleidens sehr niedrig sei. Die Unterstellung, ein genetisch determiniertes Anfallsleiden hätte so oder so zur Manifestation angestanden, sei somit zwangsläufig spekulativ.
Gegen das am 11.10.2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 10.11.2006 Berufung eingelegt. Er führt zur Begründung aus, dass ein Impfschaden im Sinne einer postvakzinalen Enzephalopathie innerhalb der Inkubationszeit, wie von den AHP gefordert, nicht nachgewiesen sei. Die Muskelzuckungen gehörten nicht zum Nebenwirkungsprofil einer DPT-Impfung. Ein zeitlicher Zusammenhang reiche nicht aus. Ein Entwicklungsknick im Anschluss an die Impfung sei nicht festzustellen gewesen. Auch hätten die weiteren DPT-Impfungen keine Krampfanfälle innerhalb der Inkubationszeit nach sich gezogen. Fieberreaktionen hätten nicht stattgefunden. Es handele sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine zeitliche Koinzidenz der Impfung vom 17.01.1984 mit dem nach klinischer Erfahrung als eigenständig einzuschätzenden, anlagebedingten Krankheitsbild einer Epilepsie. Der Beklagte hat eine entsprechende gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. T vom 30.10.2006 vorgelegt. Dieser hat die Auffassung vertreten, dass bei mindestens 50 Prozent aller Kinder mit einem Anfallsleiden die Ursache nicht zu ermitteln sei. In der Literatur werde die verwendete DPT-Impfung nicht als möglicher Auslösefaktor genannt. Ausweislich der Anhaltspunkte setze die Feststellung eines Kausalzusammenhangs zwischen Impfung und hirnorganischen Anfällen das Auftreten einer Enzephalopathie innerhalb von drei Tagen nach der Impfung voraus. Eine solche habe bei der Klägerin nicht vorgelegen. Soweit ein rein zeitlicher Zusammenhang zwischen Impfung und Krampfanfällen als ausreichende Begründung für eine ursächliche Wahrscheinlichkeit postuliert worden sei, werde dies den heutigen wissenschaftlichen Anforderungen in keiner Weise gerecht. Nach den Kriterien für die Kausalitätsfrage eines fraglichen Impfschadens der IOM/WHO sei die Kausalitätsfrage im Falle der Klägerin mit unwahrscheinlich zu beantworten. Es handele sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Koinzidenz der DPT-Impfung vom 17.01.1984 mit dem nach klinischer Erfahrung als eigenständig einzuschätzende anlagebedingten Krankheitsbild einer Epilepsie.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 08.09.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat eine weitere Stellungnahme von Prof. Dr. L1 vom 15.02.2007 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, dass Epilepsien als Krankheit mit fortlaufendem Erleiden von Krampfanfällen rund 1 % der Bevölkerung beträfen. Im ersten Lebensjahr erkrankten 2 Promille der Säuglinge an Epilepsie. Die bei der Klägerin vorliegende Form der Epilepsie mache nur 2 % aller Epilepsien der ersten 15 Lebensjahre aus. Die seitens des Prof. Dr. T zitierten AHP beträfen offensichtlich die impfbedingte enzephalopathische Vollverursachung von Anfallsleiden (impfbedingte Residual-Epilepsie). Hiervon sei der vorliegende Fall eines impfbedingten Krampfanfalls mit Provokation der Erstmanifestation eines genetisch determinierten Anfallsleidens zu unterscheiden. Es handele sich damit nicht um die Frage einer enzephalopathischen Schädigung des Gehirns. Bei dem bei der Klägerin vorliegenden spezifischen Anfallsleiden genüge zur klinischen Manifestation ein einziger Krampfanfall. Ein innerhalb realistischer Spanne postvakzinaler Inkubationszeit aufgetretener Krampfanfall sei solange mit der nötigen Wahrscheinlichkeit als impfbedingt einzuordnen, solange nicht eine andere Ursache mit höherer Wahrscheinlichkeit festzumachen sei.
Jede Impfung initiiere im Impfling einen Ablauf, der immunologisch und ggf auch toxisch zwangsläufig in enger Analogie zur Infektion stehe. Infekte/Infektionen seien geeignet, bei Säugling und Kind nicht selten Krämpfe auszulösen (ohne Fieber: Infektkrämpfe oder Okkasionskrämpfe). Dies gelte besonders häufig auch für den verwandten Keuchhusten-Ganzkeim-Impfstoff. Entsprechende Studien über Krampfanfälle nach solchen Impfungen seien reichlich vorhanden.
Das Fehlen der Re-Exposition bei den Folgeimpfungen sei darauf zurückzuführen, dass die Nebenwirkungen von Keuchhusten-Ganzkeim-Impfstoffen vorwiegend toxisch bedingt seien. Im Falle von Wiederholungsimpfungen komme es durch die inzwischen angelaufene Immunisierung zum frühzeitigen Abfangen dieser toxischen Substanzen. Anders sei dies bei Impfstoffen mit immunvermittelten Nebenwirkungen. Hier sei das Kriterium der Re-Exposition brauchbar. Die Kausalitätsbeurteilung nach IOM wie WHO laute "wahrscheinlich". Eine Impfreaktion liege in Form der Krämpfe vor. Ein progredientes Leiden, welches gegen Impfschäden spräche, liege nicht vor. Vielmehr seien Krampfanfälle geeignet, zufallsbedingte Schäden im Gehirn zu verursachen. Es handele sich insofern nicht um eine progrediente Erkrankung, sondern um leidens – inhärente Sekundärschäden.
In einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme vom 30.03.2007 hat Prof. Dr. T an seiner Auffassung festgehalten.
Der Senat hat dann ein Gutachten von Prof. Dr. E vom 02.10.2007 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, dass ein Zusammenhang zwischen der DPT-Impfung und dem Anfallsleiden der Klägerin nicht wahrscheinlich zu machen sei. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung sei es weder zu einem Fieberkrampf noch zu einer Enzephalopathie gekommen. Hinsichtlich der Impfung und dem Anfall am 11.04.1984 fehle es an einem zeitlichen Zusammenhang. Darüberhinaus bestehe Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft, ob der unmittelbar nach der Impfung einsetzende myoklonische Anfall ein genetisch determiniertes Anfallsleiden zur Manifestation bringen könne. Ein entsprechender Zusammenhang könne weder wahrscheinlich gemacht, noch ausgeschlossen werden. Dies rechtfertige eine "Kann-Versorgung" nach Absatz 39 der Anhaltspunkte. Es sei wahrscheinlich, dass ein bei der Klägerin vorliegendes genetisch determiniertes Anfallsleiden sich auch ohne die DPT-Impfung manifestiert hätte. Mit Wahrscheinlichkeit habe die Impfung den Zeitpunkt der Manifestation vorverlegt. Es handele sich um eine Verschlimmerung einer determinierten Anfallserkrankung. Die Verschlimmerung durch die Impfung und die genetisch determinierte Anfallserkrankung seien keine gleichwertigen Ursachen. Der Anteil der Impfung sei mit einer MdE von 15 % einzuschätzen.
Hierzu hat Prof. Dr. T in einer weiteren Stellungnahme vom 05.11.2007 ausgeführt, dass nach neuesten Erkenntnissen die genetische Grundlage des hier vorliegenden Anfallsleidens ursächlich im Vordergrund stehe und den auslösenden bzw. triggernden Einfluss des Pertussis-Ganzkeim-Impfstoffs eher unwahrscheinlich mache. Insofern sei die wissenschaftliche Frage der Triggerfunktion der Impfung nicht mehr ungelöst. Eine "Kann-Versorgung" komme nicht in Betracht.
Der Senat hat daraufhin eine Auskunft des Robert-Koch-Instituts vom 29.01.2008 eingeholt, wonach Nummer 57. 11 a der AHP 2005 im wesentlichen noch dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu Impfschäden bei Pertussis-Impfung entspräche.
Auf Antrag der Klägerin hat der Senat ein weiteres Gutachten gemäß § 109 SGG von Prof. Dr. E1 vom 25.11.2008 eingeholt. Dieser hat dargelegt, dass bei der bis dahin gesunden Klägerin ohne die geringsten Hinweise auf eine vorbestehende Krankheit nach einem typischen kurzen Intervall von 6 bis 8 Stunden myoklonische (also regelrechte) epileptische Anfälle aufgetreten seien, in deren Folge sich später das selten aber überaus typische Bild einer schwere Epilepsie des Typs SMEI/SME-B mit ihren charakteristischen negativen Auswirkungen auf den psychomentalen Status der Klägerin entwickelt habe. Bei der Klägerin sei molekulargenetisch der unbezweifelbare Befund einer Mutation des SCN1A-Genes erhoben worden. Dieser Befund stütze die Diagnose einer schweren frühkindlichen Epilepsie vom Typ SMEI/SME-B wesentlich. Diese genetische Disposition führe aber nicht zwangsläufig zum Ausbruch der Krankheit. An ihrer Pathogenese seien außer der Mutation nachweisbar auch andere Veranlagungsfaktoren beteiligt. Genetische Faktoren und exogene Realisationsfaktoren (z.B. eine Impfung) würden im Sinne eines komplexen multifaktoriellen Bedingungsgefüges zusammenwirken. Die typische Zeitrelation zur Impfung und das gänzliche Fehlen anderer äthiologischer Hinweise sprächen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Epilepsie mit der vorhergegangen DPT-Impfung. Die MdE für therapieresistente Epilepsie betrage 100, für psychomentale 80 und für motorische Behinderungen 20. Die Gesamt MdE betrage 100.
Hiergegen hat sich der Beklagte unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme der leitenden Landesmedizinaldirektorin Dr. C am P vom 22.12.2008 gewandt, wozu Prof. Dr. E1 auf Anforderung des Senats unter dem 17.01.2009 nochmals Stellung genommen hat. Hierauf ist eine weitere ärztliche Stellungnahme von Dr. C am P vom 17.02.2009 erfolgt. Diese hat die Auffassung vertreten, es handele sich um die Manifestation eines an sich schicksalhaften Anfallsleidens bei entsprechender genetischer Belastung in einer Situation, die neben anderen als typischerweise anfallsauslösend (im Sinne einer Bagatellursache) gelte.
Der Senat hat schließlich eine Auskunft des Robert-Koch-Instituts vom 24.11.2009 eingeholt, worin dieses ausgeführt hat, dass in den AHP lediglich häufige sogenannte Regelfälle und/oder schwierige Sachverhalte dargestellt würden. Zwar könne die Frage, ob die durch Prof. Dr. L1 und Prof. Dr. E1 vorgenommenen Beurteilungen dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechen, in Ermangelung eigener Expertise nicht abschließend beurteilt werden. Die Argumentation dieser Gutachten sei jedoch durchaus im Einklang mit der bekannten Datenlage. Die Ganzbakterien-Pertussis-Impfung sei mit einem kleinen aber signifikant erhöhten Risiko für das Auftreten akuter neurologischer Ereignisse assoziiert. Auch sei es nicht mit absoluter Sicherheit zu beweisen, dass das aufgetretene Leiden durch einen anderen Trigger zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert worden wäre, auch wenn dies wahrscheinlich erscheine. Die Argumentation der Gutachter L1 und E1, dass von Personen mit EEG-Mustern, die mit einer genetischen Prädisposition für ein Anfallsleiden einhergingen, ein hoher Anteil kein Anfallsleiden entwickele, verdeutliche dies schlüssig. Weitere geeignete Sachverständige seien nicht bekannt.
In einer weiteren Stellungnahme vom 10.12.2009 hat Frau Dr. C am P an ihrer Auffassung festgehalten.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der vom Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten und der Schwerbehindertenakte der Klägerin verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Bescheid vom 10.02.2000 zurückgenommen und den Anspruch der Klägerin auf Anerkennung eines therapieresistenten Anfallsleidens mit anfallbedingten Sekundärschäden auch im intelektuellen, affektiven und motorischen Bereich als Impfschaden und Versorgung nach einem GdS von 100 nach dem IfSG iVm dem BVG zuerkannt.
Richtiger Klagegegner im Berufungsverfahren ist seit dem 01.01.2008 der für die Klägerin örtlich zuständige Landschaftsverband Westfalen-Lippe (vgl. zur Komunalisierung der Versorgungsverwaltung im Bereich des Sozialen Entschädigungsrechts, Urteil des BSG vom 23.04.2009, B 9 VG 1/08 R, juris Rn 24 zum Opferentschädigungsgesetz; Urteile vom 11.12.2008, B 9 VS 1/08, juris Rn 21 ff zum Soldatenversorgungsgesetz und B 9 V 3/07 R, juris Rn 22 f zum BVG).
Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gliedert sich das Überprüfungsverfahren des § 44 SGB X – ähnlich wie das Wiederaufnahmeverfahren nach § 179 SGG iVm § 578 ff Zivilprozessordnung – in drei Abschnitte (BSG, Urteil vom 03.02.1998, 9/9a RV 18/86, BSGE 63, 33 f = SozR 1300 § 44 Nr 33, juris Nr 17). Ergibt sich im Rahmen eines Antrags auf Erlass eines Zugunstenbescheides nichts, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung des früheren Bescheides berufen. Denn sie soll nicht durch aussichtslose Anträge, die beliebig oft wiederholt werden können, wieder zu einer neuen Sachprüfung gezwungen werden (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 1). Werden zwar neue Tatsachen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte tatsächlich nicht vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Verwaltung ebenfalls auf die Bindungswirkung berufen. Nur wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht beachtete Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, ist ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu bescheiden. Maßgebend für die Beurteilung der Rechtslage ist der Erkenntnisstand im Zeitpunkt der Überprüfung durch die Verwaltungsbehörde (vgl Hauck, SGB X, I, 2 -, Kommentar – K § 44 Rn 18). Vorliegend hat die Klägerin zwar mit ihrem Antrag auf Erlass eines Zugunstenbescheides keine neuen Tatsachen oder Beweismittel benannt, die für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnten. Die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens noch zuständige Bezirksregierung Münster hat sich aber gerade nicht auf die Bindungswirkung des Bescheides vom 10.02.2000 berufen, sondern ist in eine erneute Sachprüfung eingetreten und hat die Klägerin entsprechend beschieden. Hat die zuständige Widerspruchsbehörde aber die Sachprüfung – wenn auch ohne erkennbaren konkreten Anlass – erneut eröffnet, ist das Ergebnis dieser Überprüfung auch der gerichtlichen Überprüfung im Sinne einer Sachprüfung zugänglich. Da das IfSG am 01.01.2001 bei zeitgleichem Außerkrafttreten des BSeuchG ohne Übergangsvorschrift in Kraft getreten ist, ist im Hinblick auf den strittigen Entschädigungsanspruch bis zum Inkrafttreten des IfSG das BSeuchG weiter anzuwenden. Streitbefangen ist im vorliegenden Falle der vier Jahre ab Stellung des Antrags gem § 44 SGB X rückwirkende Zeitraum (Abs 4), also die Zeit ab dem 01.01.1998. Für die Zeit vom 01.01.1998 bis 31.12.2000 sind daher die Vorschriften des BSeuchG, für die Zeit ab dem 01.01.2001 die im wesentlichen inhaltsgleichen Vorschriften des IfSG zugrunde zu legen (vgl. BSG, Urteil vom 20.07.2005, B 9a/9 VJ 2/04 R. juris Rn 14, LSG, Urteil v. 10.11.2005, L 7 VJ 10/04). Gem. § 51 Abs 1 BSeuchG/60 Abs 1 IfSG erhält derjenige, der durch eine Impfung, die gesetzlich vorgeschrieben oder aufgrund dieses Gesetzes angeordnet oder von einer zuständigen Behörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen oder aufgrund der Verordnung zur Ausführung von internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, einen Impfschaden erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirschaftlichen Folgen des Impfschadens auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BV soweit dieses Gesetz nichts abweichendes bestimmt. Ein Impfschaden ist gem § 52 Abs 1 S 1 BSeuchG/§ 2 Nr 11 IfSG ein über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden.
Als anspruchsbegründende Tatsachen müssen die schädigende Einwirkung (die Impfung), die gesundheitliche Schädigung (unübliche Impfreaktion) und die Schädigungsfolge (Dauerleiden) nachgewiesen sein (BSG, SozR 3850, § 51 Nr 9). Der Vollbeweis setzt voraus, dass die Tatbestandsmerkmale mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bzw. mit einem so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können, dass kein vernünftiger Mensch noch Zweifel hat (BSG, Urteil vom 28.06.2000, B 9 VG 3/99 R mwN). Lediglich für den Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der (Primär-)Schädigung sowie zwischen dieser und den Schädigungsfolgen genügt es, wenn die Kausalität wahrscheinlich gemacht ist (§ 52 Abs 2 S 1 BSeuchG/§ 61 S 1 IfSG). Wahrscheinlich in diesem Sinne ist die Kausalität nur dann, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen sie spricht, d.h. die für den Zusammenhang sprechenden Umstände mindestens deutlich überwiegen (vgl AHP 2008 Nr 38/Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) Teil C 3a; vgl auch BSG, Urteil vom 19.03.1986, 9a RVi 2/84, mwN; BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Senat ist hiervon aufgrund der ausführlichen und sorgfältig begründeten Gutachten von Prof. Dr. L1 und Prof. Dr E1 überzeugt.
Ausweislich der Eintragung im Impfbuch ist die Klägerin am 17.01.1984 gegen Diphterie, Tetanus und Pertussis geimpft worden. Diese sog. Dreifachimpfung erfolgte auch aufgrund öffentlicher Empfehlungen.
Infolge dieser Impfung ist es auch zu einer gesundheitlichen Schädigung iS einer unüblichen Impfreaktion gekommen. Die Definition des § 52 Abs. 1 BSeuchG, § 2 Nr 11 IfSG stellt klar, dass ein Impfschaden nicht jede Gesundheitsstörung ist, die mit Wahrscheinlichkeit auf der Impfung beruht, sondern nur die über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende. Welche Impfreaktionen danach als Impfschaden anzusehen sind, ließ sich in der Vergangenheit im allgemeinen den AHP entnehmen. Entsprechend Ziff. 57. 11. a) AHP 2005 waren als übliche Impfreaktionen insbesondere der Pertussis-Schutzimpfung mit Vollbakterienimpfstoffen "häufig Lokalreaktionen mit Schwellung der regionären Lymphknoten, Temperaturerhöhung zwischen 1. und 3. Tag; Inappetenz, Erbrechen. Außerdem sehr selten innerhalb weniger Stunden nach der Injektion schockähnliche Zustände" aufgeführt. Zwar ist mit Erlass des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 12.12.2006 (IV c/48064 -3) die Nr. 57 der AHP dahingehend geändert worden, dass nunmehr auf die durch die beim Robert-Koch-Institut eingerichtete, ständige Impfkommission (Stiko) entwickelten Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende Schädigung verwiesen wird. Auf Nachfrage des Senats hat das Robert-Koch-Institut am 29.01.2008 jedoch mitgeteilt, dass die aktuellen von der Stiko mitgeteilten "Hinweise für Ärzte zum Aufklärungsbedarf über mögliche unerwünschte Wirkungen bei Schutzimpfungen" nicht auf die heutzutage nicht mehr gebräuchlichen Impfstoffe mit Vollbakterien – Pertussis – Komponente – wie sie vorliegend verwandt wurden – bezogen sind. Insofern bleibt die Nr. 57.11. a) der AHP 2005 maßgebend. Die Mutter und die Großmutter der Klägerin haben gegenüber der Beklagten ausgesagt, dass in einem Zeitraum von 6 – 8 Stunden nach der Impfung bei der Klägerin heftige und abrupte Zuckungen, seitengleich mit beiden Schultern, Armen und Händen "wie Erschrecken" aufgetreten seien. Es habe sich um eine Abfolge mehrerer Zuckungen im Verlauf weniger Sekunden gehandelt. Dann sei eine Pause eingetreten. Danach seien wiederum Zuckungen aufgetreten. Insgesamt habe es sich um eine Serie von ca. sechs solcher Abfolgen im Zeitraum von mehreren Minuten gehandelt. Prof. Dr. L1 und Prof. Dr. E1 haben insoweit übereinstimmend ausgeführt, dass es sich bei den Zuckungen um unübliche Impfreaktionen in Form von serienhaft myoklonischen, d.h. epileptischen Anfällen, gehandelt habe. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an. Zunächst besteht keinerlei Anlass, an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Mutter und Großmutter der Klägerin zu zweifeln. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte die Schilderung des Geschehensablaufs als "sehr authentisch" angesehen und seinen weiteren Ermittlungen zugrunde gelegt hat. Wie die Sachverständigen Prof. Dr. L1 und Prof. Dr. E1 ausgeführt haben, handelt es sich auch nicht um die üblichen, unter Ziff. 57.11.a) AHP 2005 aufgezählten Impfreaktionen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegt bei der Klägerin auch ein Impfschaden in Form einer schweren myoklinischen Epilepsie mit demenziellem Verlauf (Prof. Dr. E1) bzw. eines therapieresistenten Anfallsleidens mit anfallbedingten Sekundärschäden auch im intelektuellen, affektiven und motorischen Bereich (Prof. Dr. L1) vor.
Welche Impfreaktion als Impfschaden anzusehen ist, lässt sich grundsätzlich den AHP 2005 entnehmen (s.o.). Die AHP geben den in der herrschenden medizinischen Lehrmeinung aktuellen Kenntnis- und Wissensstand wieder, u.a. auch über Auswirkungen und Ursachen von Gesundheitsstörungen nach Impfungen (BSG, Urteil vom 27.08.98, B 9 VJ 2/97 R, juris Rn 14). Die als medizinische Sachverständige tätigen Gutachter sind an die in den AHP enthaltenen Erkenntnisse für Begutachtungen gebunden (BSG aa0 mwN). Zwar beruhen die AHP weder auf einem Gesetz, noch einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften, so dass sie keinerlei Normqualität haben. Dennoch wirken sie in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit, haben deshalb normähnlichen Charakter und sind im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen heranzuziehen (BSG aa0 mwN).
In Ziff. 57.11.a) AHP 2005 sind Impfschäden nach Pertussis-Schutz-Impfung folgendermaßen beschrieben:
"Selten. Gelegentlich nach anhaltendem schrillen Schreihen – innerhalb von drei Tagen Auftreten einer Encephalopathie, dabei oft hirnorganische Anfälle, manchmal progredienter Verlauf. Nach Encephalopathie selten auch Dauerschäden (spastische Lähmung und geistige Retadierung). Selten Neuritis (insbesondere Hirnnerven), selten Nephrose."
Ein Impfschaden iS dieser Beschreibung ist weder durch die Sachverständigen Prof. Dr. L1 und Prof. Dr. E1 noch durch die weiteren im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gehörten Sachverständigen festgestellt worden. Dies steht dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegen. Die AHP unterstehen zumindest soweit der gerichtlichen Kontrolle, als sie als sog. antizipierte Sachverständigengutachten dem aktuell herrschenden Wissens- und Erkenntnisstand der sozialmedizinischen Wissenschaft entsprechen (müssen). Sobald sich aufgrund geänderter Ergebnisse und Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft Abweichungen von den AHP ergeben, muss eine systemgerechte Korrektur erfolgen; d. h. entsprechend den aktuellen Kenntnissen der med. Wissenschaft verfahren werden (vgl. BSG, Urteil vom 01.09.99, B 9 V 25/98 R; BSG, Beschluss vom 21.10.98, B 9 S 46/98 B; zur seit dem 01.01.2008 geltenden Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV -: BSG, Urteil vom 23.04.2009, B 9 SB 3/08 R, juris Rn 27 ff).
Prof. Dr. L1 und Prof. Dr. E1 haben im Wesentlichen übereinstimmend ausgeführt, dass es sich bei den bei der bis dahin normal entwickelten Klägerin am 17.01.1984 aufgetretenen Muskelzuckungen in Schultern und Armen angesichts des Fehlens jeglicher anderer differenzialdiagnostischer und äthiologischer Hinweise bei typischer normierter Latenz zur Impfung und auch im Hinblick auf das sich später bei der Klägerin entwickelnde Vollbild einer generalisierten myoklinischen Epilepsie vom Typ SMEI/SME -B um myoklonische epileptische Anfälle gehandelt habe. Die innerhalb der postvakzinalen Inkubationszeit von drei Tagen aufgetretenen postvakzinalen Krampfanfällen ohne sonstige encephalopatische Symptomatik seien als impfbedingte Erstmanifestation eines genetisch determinierten Anfallsleidens zu werten. Prof. Dr. L1 hat dazu ausgeführt, dass das Vorliegen genetischer Determination einerseits und die impfbedingte Manifestationsprovokation andererseits als ursächlich gleichgewichtige Faktoren einzuordnen seien. Ein – wie vorliegend – innerhalb realistischer Spanne – bevorzugt innerhalb der ersten 48 Stunden – postvakzinaler Inkubationszeit aufgetretener Krampfanfall sei so lange mit der nötigen Wahrscheinlichkeit als impfbedingt einzuordnen, so lange nicht eine andere Ursache mit höherer Wahrscheinlichkeit festzumachen sei. Jede Impfung initiiere in dem Impfling einen Ablauf, der imunologisch und ggf. auch toxisch zwangsläufig in enger Analogie zur Infektion stehe. Infekte/Infektionen seien geeignet, bei Säuglingen und Kindern nicht selten Krämpfe aufzulösen (ohne Fieber: Affektkrämpfe oder Occasionskrämpfe). Dies gelte besonders häufig auch für den verwandten Keuchhusten – Ganzkeim-Impfstoff. Entsprechende Studien bei Krampfanfällen nach solchen Impfungen seien reichlich vorhanden.
Entsprechend hat Prof. Dr. E1 die Auffassung vertreten, die genetische Dispostion führe nicht zwangsläufig zum Ausbruch der Krankheit. An ihrer Pathogenese seien außer der Mutation nachweisbar andere Veranlagungsfaktoren beteiligt. Genetische Faktoren und exogene Realisationsfaktoren (wie z.B. eine Impfung) würden im Sinne eines komplexen multifaktoriellen Bedingungsgefüges zusammenwirken. Die typische Zeitrelation zur Impfung und das gänzliche Fehlen anderer äthiologischer Hinweise sprächen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Epilepsie und vorhergegangener DPT-Impfung. Zur weiteren Begründung verweist Prof. Dr. E1 auf die Studien zu der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankung, aus denen sich ergibt, dass ein signifikanter Anteil der Erstanfälle im Rahmen der Erkrankung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zur Pertussis-Impfung steht. So fanden sich unter 101 Fällen mit schwerer frühkindlicher Grand mal-Epilepsie (SME-B) in 9 Fällen (9 %) der erste Anfall nach der Pertussis-Impfung, 6 mal innerhalb der ersten 48 Stunden. Unter 33 Kindern mit Epilepsiebeginn in den ersten sechs Lebensmonaten hatten 6 (18 %) den ersten Anfall innerhalb 48 Stunden nach der Pertussis-Impfung. Nieto-Barrera et al. sahen unter 28 Kindern mit Dravet-Syndrom (SMEI/SME-B) 16 mal (57 %) den ersten Anfall nach der DPT-Impfung, in 12 Fällen (43 %) während der ersten 72 Stunden. Entsprechend hat Prof. Dr. L1 unter Bezugnahme auf die Studien von Prof. Dr. E1 darauf hingewiesen, dass lediglich 5 – 10 % der laut EEG genetisch Anfallsdisponierten die Manifestation ihres Anfallsleidens erleben würden. In diesen Fällen seien Infekte oder überzufällig häufig Impfungen der Manifestationsfaktor. Insbesondere bei dem konkret vorliegenden Anfallsleiden habe unter den impfbedingten Fällen die Impfung mit Keuchhusten-Vollbakterien-Impfstoff dominiert.
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen, angesichts des Fehlens einer Vorerkrankung und der fehlenden Feststellbarkeit von Alternativursachen geht der Senat davon aus, dass mehr für als gegen den Zusammenhang zwischen der Manifestation des genetisch determinierten Anfallsleidens und der Impfung spricht. Eine rein zeitliche Koinzidenz von Impfung und Erstmanifestation des Anfallsleidens erscheint demgegenüber angesichts der aufgezeigten Erkenntnisse unwahrscheinlich.
Unerheblich ist zur Überzeugung des Senats, dass das bei der Klägerin infolge der Impfung aufgetretene Krankheitsbild nicht den in den AHP 2005 beschriebenen Impfschäden entspricht. Prof. Dr. L1 hat darauf hingewiesen, dass es nicht angehe, im Falle impfbedingter Manifestationsprovokation eines genetisch determinierten Anfallsleidens obligatorisch Symptome einer Enzephalopathie oder einer sogenannten blanden Enzephalopathie zu erwarten oder zu fordern. Er hat weiter darauf hingewiesen, dass die Anhaltspunkte offensichtlich die impfbedingte enzephalopathische Vollverursachung von Anfallsleiden (impfbedingte Residual-Epilepsie) betreffen. Hiervon sei der vorliegende Fall eines impfbedingten Krampfanfalls mit Provokation der Erstmanifestation eines genetisch bedingten Anfallsleidens zu unterscheiden. Es handele sich nicht um die Frage einer enzephalopathischen Schädigung des Gehirns. Vielmehr genüge bei dem vorliegenden spezifischen Anfallsleiden zur klinischen Manifestation ein einziger Krampfanfall. Jede Impfung iniziiere in dem Impfling einen Ablauf, der imunologisch und ggf. auch toxisch zwangsläufig in enger Analogie zur Infektion stehe. Infekte/Infektionen seien geeignet, bei Säugling und Kind nicht selten Krämpfe auszulösen. Dies gelte besonders häufig auch für den verwandten Keuchhusten-Ganzkeim-Impfstoff. Die Anhaltspunkte seien insofern sehr kurz gefasst und würden nicht die volle Klinik abdecken. Auch Prof. Dr. E1 hat ausgeführt, dass die Anhaltspunkte mit dem aktuellen wissenschaftlichen Schrifttum nicht in Einklang zu bringen seien, soweit sie Myoklon und myoklonische Anfälle nicht zum Wirkungsprofil einer DPT-Impfung zählen. Die AHP müssten unter Berücksichtigung des neuen Schrifttums in vielfacher – vor allem epileptologischer Hinsicht – Veränderungen erfahren. Die Auffassung der Sachverständigen Prof. Dr. L1 und Prof. Dr. E1 wird durch die auf entsprechende Anfrage des Senats am 24.11.2009 erteilte Auskunft des Robert-Koch-Instituts im Wesentlichen bestätigt. Danach können die AHP kein Lehrbuch ersetzen und alle medizinischen Sachverhalte aufführen. Es sei den ärztlichen Gutachtern erlaubt, nicht aufgeführte Konstellationen im Analogieschluss qualifiziert zu beurteilen. Zwar könne in Ermangelung eigener Expertisen nicht abschließend beurteilt werden, ob die Beurteilung der Sachverständigen dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand entspricht. Die Argumentation der Sachverständigen stehe aber im Einklang der bekannten Datenlage. Auch sei die Ganzbakterien-Pertussis-Impfung mit einem kleinen, aber signifikant erhöhten Risiko für das Auftreten akuter neurologischer Ereignisse asoziiert, wozu auch die Erstmanifestation eines Anfallsleidens gehöre. Zwar erscheine es wahrscheinlich, dass dieses Leiden durch einen anderen Träger zu einem späteren Zeitpunkt ohne Impfung aufgetreten wäre. Dies könne jedoch nicht mit absoluter Sicherheit bewiesen werden. Dies werde durch die Argumenation der Sachverständigen, dass von Personen mit EEG-Mustern, die mit einer genetischen Prädisposition für ein Anfallsleiden einhergehen, ein hoher Anteil kein Anfallsleiden entwickele, schlüssig verdeutlicht.
Unter Berücksichtigung dieser Auskunft und der Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. E1 und Prof. Dr. L1 geht der Senat davon aus, dass die AHP 2005 insofern nicht abschließend sind und nicht dem neuesten medizinischen Kenntnisstand entsprechen, sodass sie dem durch die Klägerin geltend gemachten Anspruch nicht entgegenstehen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der weiteren im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten von Prof. Dr. N, Prof. Dr. L, Dr. I und Prof. Dr. E. Prof. Dr. N hat in seinem Gutachten einen ursächlichen Zusammenhang zwischen angeschuldigter Impfung und Manifestation des Anfallsleidens im Sinne einer rechtlich wesentlichen Teilursache für möglich gehalten. Zur abschließenden Beurteilung hat er sich aber nicht imstande gesehen und die Beauftragung eines kompetenten Impfarztes angeregt. Soweit Prof. Dr. L, Dr. I und Prof. Dr. E einen Zusammenhang zwischen DPT-Impfung und Anfallsleiden der Klägerin als unwahrscheinlich beurteilt haben, beruht dies darauf, dass sie sich im Wesentlichen darauf beschränkt haben, Symptome und Krankheitsbild der Klägerin mit den Vorgaben der AHP 2005 abzugleichen und aufgrund der Nichtfeststellbarkeit der dort genannten Symptome und Gesundheitsstörungen – insbesondere aufgrund des Fehlens einer enzephalopathischen Symptomatik – zu einem aus Sicht der Klägerin negativen Ergebnis gelangt sind. Die Gutachten greifen insofern zu kurz, da nach dem oben Gesagten die Ausführungen in den AHP nicht erschöpfend sind. Die Verneinung eines Kausalzusammenhangs aufgrund des Fehlens der in den Anhaltspunkten konkret beschriebenen Impfschäden kann daher nicht überzeugen. Die darüber hinaus gehenden Einwände gegen ihre Gutachten haben Prof. Dr. L1 und Prof. Dr. E1 in ihren ergänzenden Stellungnahmen, auf die der Senat voll inhaltlich Bezug nimmt, überzeugend widerlegt. Dies gilt umso mehr, als Prof. Dr. L1 und Prof. Dr. E1 ihre Gutachten ersichtlich nach besonders sorgfältigem Aktenstudium unter Auswertung aller bekannten Tatsachen und unter Berücksichtigung der aktuellen medizinischen Erkenntnisse erstellt haben.
Auch die seitens des Beklagten vorgelegten Stellungnahmen von Prof. Dr. T und Dr. C am P führen zu keinem abweichenden Ergebnis. Auch diese Ärzte stellen im Wesentlichen auf die Vorgaben der AHP 2005 ab und berücksichtigen damit nicht die darüber hinausgehenden Ausführungen von Prof. Dr. L1 und Prof. Dr. E1. Prof. Dr. T hat darüber hinaus – sowohl durch Prof. Dr. L1 als auch durch Prof. Dr. E1 in deren Auseinandersetzung mit dessen Stellungnahmen belegt – die von ihm zitierte Literatur verkürzt oder unzutreffend zitiert und von seiner Auffassung abweichende Stimmen in der Wissenschaft schlicht ignoriert.
Infolge der Impfung leidet die Klägerin unter einem therapieresistenten Anfallsleiden mit anfallsbedingten Sekundärschäden auch im intellektuellen, affektiven und motorischem Bereich. Der sich hieraus ergebene GdS beträgt nach insoweit übereinstimmender Auffassung der Sachverständigen Dr. I, Prof. Dr. L1 und Prof. Dr. E1 100 und entspricht damit Teil B Ziff. 3. 1, 3.4.2 der VersMedV bzw. Ziff. 26.3 AHP 96, 04 und 05.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) sind nicht gegeben.
Erstellt am: 14.04.2010
Zuletzt verändert am: 14.04.2010