Auf die Beschwerde der Beklagten vom 03. September 2009 wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18. August 2009 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass für die am 27. Juli 2009 beim Sozialgericht Gelsenkirchen erhobene Klage auf Erteilung von Auskünften über Zahlungen auf das Beitragskonto des Transportunternehmers I G in der Zeit vom 01. Juli bis zum 30. September 2005 der Sozialrechtsweg gegeben ist. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdegegner (Kläger). Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe:
I. Die Beklagte (im Folgenden: Beschwerdeführerin -Bf-) wendet sich gegen die Verweisung einer gegen sie erhobenen Klage an das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen.
Der Kläger (im Folgenden: Beschwerdegegner -Bg-) ist vom Amtsgericht – Insolvenzgericht – F mit Beschluss vom 01.12.2005 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des I G – handelnd unter der Firma I G Transportunternehmen, C – (im Folgenden: Schuldner) ernannt worden.
Mit Schreiben vom 11.12.2008 bat der Bg die Bf, ihm mitzuteilen, welche Zahlungen diese von dem Schuldner im Zeitraum vom 01.07. bis zum 30.09.2005 erhalten habe; insbesondere bat er um Übersendung eines Ausdrucks des Beitragskontos. Er stützte seinen Auskunftsanspruch auf § 1 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG; Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes vom 05.09.2005, Bundesgesetzblatt (BGBl.) I, S. 2722).
Die Bf lehnte den Antrag mit Bescheid vom 08.01.2009 ab und führte zur Begründung aus, ein Auskunftsanspruch bestehe nicht, da die geforderten Informationen aus dem "eigenen Verantwortungsbereich" (§ 9 Abs. 3 IFG) stammten. Sollten dem Bg die Informationen nicht vorliegen, gälten vorrangig die Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO). Insoweit bestehe ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Schuldner (§ 97 InsO). Auch teile sie nicht die Auffassung, sie habe Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gehabt. Den Widerspruch des Bg wies die Bf mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2009 zurück. Sie bezweifelte bereits, ob das IFG auf sie anzuwenden sei; denn sie sei ein Selbstverwaltungsträger, nicht aber eine Behörde des Bundes. Darüber hinaus stehe einem Auskunftsanspruch entgegen, dass sich der Bg die nötigen Informationen in zumutbarer Weise selbst beschaffen könne, indem er seinen Auskunftsanspruch nach § 97 InsO gegenüber dem Schuldner durchsetzen könne. Mit der Rechtsmittelbelehrung verwies die Bf den Bg auf die Klage zum Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen.
Am 27.07.2009 hat der Bg bei diesem SG gegen die Bf Klage erhoben und vorgebracht, er sei als Insolvenzverwalter wie jede andere Person berechtigt, den Informationszugangsanspruch nach dem IFG geltend zu machen. Er brauche sich nicht darauf verweisen zu lassen, den Schuldner in Anspruch zu nehmen. Aus dem IFG ergebe sich ein eigenständiger Auskunftsanspruch. Im Übrigen seien auch die wirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherung nicht beeinträchtigt (vgl. § 3 Nr. 6 IFG), da es nicht darum gehe, die Versichertendaten im Interesse von Privatunternehmen oder Dritten auszuforschen. Schließlich bezweifelte er die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den SGn.
Das SG hat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 18.08.2009 den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das VG Gelsenkirchen verwiesen, weil für Streitigkeiten nach dem Informationsfreiheitsgesetz der Rechtsweg zu den VGn gegeben sei.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Bf vom 03.09.2009. Sie meint, das Auskunftsbegehren des Bg beinhalte eine originär krankenversicherungsrechtliche Streitigkeit und falle daher unter die Zuständigkeitsnorm des § 51 Abs. Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Sie verweist dazu auf einen Beschluss des erkennenden Senats vom 14.05.2009 (L 16 B 77/09 KR).
Der Bg verweist darauf, dass § 9 Abs. 4 IFG davon ausgehe, dass der Rechtsweg (allein) zu den VGn gegeben sei. Im Übrigen gehe es ihm als Insolvenzverwalter darum, zu prüfen, ob die Bf als Einzugsstelle Versicherungsbeiträge in der Vergangenheit zu Recht (in zutreffender Höhe) einbehalten habe. Darüber hinaus solle die Einhaltung insolvenzrechtlicher Vorschriften geklärt werden. Deshalb stütze er seinen Anspruch auch auf §§ 25 und 83 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X).
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Für die Klage ist die Zuständigkeit der Sozialgerichte gegeben, was nach § 17a Abs. 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) festzustellen war.
Nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG hat das Gericht, falls der beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, dies von Amts wegen auszusprechen und zugleich den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Die Verweisung ist aber nur dann statthaft, wenn der beschrittene Rechtsweg schlechthin, d.h. für den Klageanspruch mit allen in Betracht kommenden Klagegründen ausgeschlossen ist. Dabei ist auf der Grundlage des Klageantrages und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts zu prüfen, ob für das Klagebegehren eine Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, die in dem beschrittenen Rechtsweg zulässig wäre. Außer Betracht bleiben insoweit nur geltend gemachte, aber offensichtlich nicht gegebene Anspruchsgrundlagen (BVerwG NVwZ 1991, 358, 359; BVerwG NJW 1995, 2938, 2939). Ansonsten erfolgt eine umfassende rechtliche Würdigung des Klagebegehrens, die sich nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG auch auf "rechtswegfremde" Anspruchsgrundlagen erstreckt.
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob für den Auskunftsanspruch nach § 1 IFG die alleinige Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegeben ist, auch wenn dieser Anspruch von einem Insolvenzverwalter im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend gemacht wird und sich gegen Behörden richtet, deren Verwaltungshandeln spezialverwaltungsgerichtlicher Kontrolle unterliegt (so für Klagen gegen Sozialversicherungsträger OVG Münster, Beschluss vom 28.07.2008 – 8 A 1548/07; OVG Hamburg, Beschluss vom 16.02.2009 – 5 So 31/09; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.02.2010 – 10 A 1156/09; für Auskunftsklagen gegen Finanzbehörden OVG Münster, Beschluss vom 26.08.2009 – 8 E 1044/09; a.A. insoweit FG für das Saarland, Urteil vom 17.12.2009 – 1 K 1598/08; siehe auch Senat, Beschluss vom 14.05.2009 – L 16 B 77/08 KR). Der Bg hat nämlich mit dem in Frage stehenden Antrag – auch – ein ihm als Insolvenzverwalter zustehendes Akteneinsichtsrecht (§ 25 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) geltend gemacht. Er hat mit dem Antrag vom 11.02.2008 um Auskunft gebeten, "welche Zahlung ihre Kasse auf Sozialversicherungsbeiträge in der Zeit vom 01. Juli 2005 bis zum 30. September 2005" erhalten habe. Auch wenn diese allgemeine Formulierung zunächst alle der Bf zugeflossenen Sozialversicherungsbeiträge einschloss, bezog sich der Antrag ausschließlich auf das Beitragskonto des Schuldners. Der Bg hatte nämlich nicht nur auf seine Bestellung als Insolvenzverwalter hingewiesen, sondern vor allem auch einen Ausdruck "des" Beitragskontos erbeten. Als Insolvenzverwalters ist der Bg nach § 80 Abs. 1 InsO im Rahmen seines Verwaltungs- und Verfügungsrechts zu allen die Insolvenzmasse betreffenden Maßnahmen berechtigt, die sich auf den Insolvenzzweck beziehen (Braun/Kroth, InsO, 4. Aufl., § 80 RdNr. 25). Diese Befugnis schließt, jedenfalls soweit es zur ordnungsgemäßen Verwaltung der Masse erforderlich ist, grundsätzlich das Recht ein, in die den Schuldner betreffenden Verwaltungsunterlagen der Bf Einsicht zu nehmen. Zwar war zum Zeitpunkt des Antrags kein Verwaltungsverfahren anhängig, innerhalb dessen das Akteneinsichtsrecht besteht. Nach herrschender Meinung kommt jedoch auch in der Zeit vor oder auch nach einem Verwaltungsverfahren ein Akteneinsichtsrecht in Betracht, über das die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat (vgl. BVerwGE 67, 300, 304 f; 119, 11, 13; Kasseler Kommentar/Krasney, § 25 SGB X RdNr. 4; KSW/Fichte, § 25 SGB X RdNr. 15; Lange in: LPK – SGB X § 25 RdNr. 4; siehe auch LSG NRW, Beschluss vom 10.08.2006 – L 20 B 52/06 SO). Der Bg hat zwar in seinem Antrag als Rechtsgrundlage für sein Auskunftsbegehren § 1 IFG genannt. Dies bedeutet aber nicht, dass er damit einen allein auf dieses Gesetz gestützten Auskunftsanspruch erheben wollte. In dem Antrag hat er zugleich auch die sein – mögliches – Akteneinsichtsrecht begründenden Umstände – Status als Insolvenzverwalter, Einsicht in die vom Schuldner geleisteten Zahlungen – mitgeteilt. Bei interessengerechter Auslegung seines Antrages musste die Beklagte somit auch ein Akteneinsichtsrecht entsprechend § 25 Abs. 1 SGB X in Betracht ziehen. Der Umstand, dass der Bg nunmehr im Beschwerdeverfahren seinen Auskunftsanspruch ausdrücklich auch auf §§ 25, 83 SGB X stützt, zeigt, dass er mit seinem Antrag keinesfalls einen auf § 1 IFG beschränkten Auskunftsanspruch geltend machen, sondern sein – behauptetes – Recht auf Einsicht in die Beitragsunterlagen des Schuldners umfassend verfolgen wollte.
Für Anträge auf Akteneinsicht entsprechend § 25 Abs. 1 SGB X ist nach § 51 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Zuständigkeit der SGe gegeben. Dabei kann dahinstehen, ob, soweit eine Krankenkasse als Einzugsstelle (§ 28h Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) tätig wird, eine krankenversicherungsrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG gegeben ist, da in jedem Fall die Auffangregelung der Nr. 5 a.a.O. eingreift (vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 51 RdNr. 30). Somit ist für die erhobene Klage auf Auskunft über das Beitragskonto des Schuldners der Sozialrechtsweg eröffnet; im Rahmen dieser Klage ist ggf. auch zu prüfen, ob sich das geltend gemachte Auskunftsrecht (auch) aus § 1 IFG ergibt.
Die Kostenentscheidung (zu der Notwendigkeit BSG SozR 4-1720 § 17a Nr. 3) beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der Bg hat zwar entsprechend der Rechtsmittelbelehrung Klage zum Sozialgericht erhoben, zugleich aber die Auffassung vertreten, dass die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegeben sei. An dieser Auffassung hat er auch im Beschwerdeverfahren festgehalten, so dass er als Unterliegender die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat. Gerichtskosten fallen nicht an, da keine der Gebührenziffern eingreift (s. insb. Kostenverzeichnis Nr. 7504, Anlage 1 zum GKG).
Da keine wertabhängigen Gerichtsgebühren anfallen, ist kein Streitwert nach § 63 GKG festzusetzen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., § 63 GKG RdNr. 16).
Rechtsmittelbelehrung:
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht nicht anfechtbar (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG). Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde liegen nicht vor.
Erstellt am: 06.05.2010
Zuletzt verändert am: 06.05.2010