Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.03.2010 geändert. Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer Regelungsanordnung wird abgelehnt. Kosten des Antragstellers werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Der 1985 geborene Antragsteller wohnt mit seiner 1986 geborenen Lebensgefährtin , die von Beruf Friseurin ist, zusammen. Die Miete der Wohnung beträgt 780,00 EUR.
Nach Abschluss der Ausbildung zum Bürokaufmann meldete sich der 1985 geborene Antragsteller arbeitslos. Durch Bescheid vom 02.07.2009 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Arbeitslosengeld ab dem 01.07.2009 für die Dauer von 360 Tagen.
Am 09.07.2009 schloss der Antragsteller einen Handels-Vertretervertrag mit der Firma W ab. § 1 des Vertrages sah vor, dass er ab dem 14.07.2009 als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut war, auf Provisionsbasis für die Firma W Geschäfte mit Endverbrauchern zu vermitteln oder abzuschließen. Am 10.07.2009 beantragte der Antragsteller die Erteilung einer Reisegewerbekarte. Am 26.08.2009 erteilte das Ordnungsamt der Stadt E dem Antragsteller eine bis zum 26.02.2010 befristete Reisegewerbekarte zum Vertrieb von W-produkten. Die Reisegewerbekarte wurde am 02.03.2010 bis zum 26.08.2010 verlängert.
Am 06.07.2009 händigte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ein Antragsformular hinsichtlich der Gewährung eines Gründungszuschusses nach § 57 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) aus. Am 13.07.2009 meldete sich der Antragsteller wegen der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zum 14.07.2009 aus dem Leistungsbezug ab. Durch bestandskräftigen Bescheid vom 27.07.2009 hob die Antragsgegnerin den Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 13.07.2009 auf.
Am 25.09.2009 ging das vom Antragsteller am 09.07.2009 unterzeichnete Antragsformular hinsichtlich der Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Handelsvertreter für Elektrogeräte bei der Antragsgegnerin ein. Der Antragsteller legte eine Stellungnahme des Steuerberaters T zur Tragfähigkeit der Existenzgründung nach § 57 Abs. 2 Nr. 3 SGB III vor und gab an, dass die zeitliche Differenz zwischen dem Abschluss des Handelsvertreter-Vertrages und dem Ausstellungsdatum der Reisegewerbekarte ausschließlich aus der Bearbeitungszeit des Gewerbeamtes resultiere. Durch Bescheid vom 11.11.2009 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab.
Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein. Er trug vor, dass er die Dauer der Bearbeitung seines Antrags auf Ausstellung der Reisegewerbekarte durch das Ordnungsamt nicht zu vertreten habe. Er habe lediglich aus Kostengründen von der Beantragung der unbefristeten Reisegewerbekarte abgesehen. Nach der Vertragsunterzeichnung habe ihm die Firma W Vorführgeräte, Verkaufsunterlagen, Schulungsunterlagen zum Selbststudium, Kaufverträge, Teilzahlungstabellen und diverse verkaufsfördernde Hilfsmittel ausgehändigt. Er habe sich mit diesen Instrumentarien vertraut gemacht und in beiden Wochen nach der Vertragsunterzeichnung täglich an einer gruppeninternen Trainings- und Schulungsmaßnahme teilgenommen. Ab dem 04.08.2009 habe er ergänzend an der firmmeninternen sog. Neulingsschulung teilgenommen, die in 12 Module aufgegliedert sei. Des weiteren habe er seine Gruppenleiterin bis zum 26.08.2009 im Verkaufsgebiet begleitet. Er sei bei den Vorführungen unterstützend tätig gewesen. Ab dem 26.08.2009 habe er eigenständig agiert. Durch Widerspruchsbescheid vom 19.01.2010 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Hiergegen erhob der Antragsteller Klage, S 19 AL 123/10.
Am 12.02.2010 hat der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab Antragstellung bei Gericht einen Gründungszuschuss in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Er hat vorgetragen, dass er seit dem 14.07.2009 eine selbständige Tätigkeit ausübe und von der Firma W für seine Tätigkeit in der Zeit vom 13.07. bis 24.08.2009 Provisionen in Höhe von insgesamt 1.616,23 EUR erhalten habe. Ein Anordnungsgrund sei gegeben. Er benötige den Gründungszuschuss zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er erziele durchschnittlich einen monatlichen Verdienst von 750,00 EUR. Die auf ihn entfallenden Wohnkosten betrügen 400,00 EUR. Hinzuträten berufsbedingte Kosten für Unterhaltung und Nutzung seines Kraftfahrzeuges von ca. 200,00 EUR sowie Kosten der Krankenversicherung in Höhe von 171,95 EUR mtl. Deshalb sei er nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt aus seinem Verdienst zu bestreiten. Durch den Gründungszuschuss werde er in die Lage versetzt, seine selbständige Tätigkeit in den nächsten Monaten auf eine solidere Basis zu stellen. Ihm sei nicht zumutbar, sich auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) verweisen zu lassen. Aus dem Regelsatz könnten nicht sämtliche Betriebsausgaben bestritten werden. Des weiteren wohne er mit seiner Lebensgefährtin in einer sog. Bedarfsgemeinschaft zusammen.
Durch Beschluss vom 10.03.2010 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 14.02.2010 bis 13.04.2010 einen Gründungszuschuss in Höhe von monatlich 780,00 EUR zu gewähren. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Am 14.04.2010 ist die Gutschrift der durch den Beschluss vom 10.03.2010 zuerkannten Leistungen auf das Konto des Antragstellers erfolgt.
Durch Beschluss vom 28.04.2010 hat das Sozialgericht Düsseldorf den Antrag der Antragsgegnerin auf Aussetzung des Vollzugs des Beschlusses nach § 175 SGG abgelehnt.
Gegen den ihr am 17.03.2010 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 06.04.2010 Beschwerde eingelegt.
Sie ist der Auffassung, dass der Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht habe.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.03.2010 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -).
Den für den Erlass eine Regelungsanordnung erforderlichen Anordnungsgrund – Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Regelung – hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes ist erforderlich, dass der Antragsteller glaubhaft macht, alle zumutbaren Möglichkeiten der Selbsthilfe erfolglos ausgeschöpft zu haben.
Vorliegend hat der Antragsteller diese Möglichkeiten nicht ausgeschöpft, da er nach eigenen Angaben eine Antragstellung auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unterlassen hat. Bei einem Streit um die einstweilige Zuerkennung von Leistungen nach dem SGB III, die u. a. zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmt sind, ist eine Verweisung auf die Inanspruchnahme von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II grundsätzlich möglich. Eine einstweilige Anordnung der Gewährung eines Gründungszuschusses, der wie die Leistungen nach § 19 ff. SGB II u. a. zur Sicherung des Lebensunterhalts eines Selbständigen bestimmt ist (vgl. zur Zweckidentität eines Existenzgründungszuschusses mit der Regelleistung BSG Urteil vom 06.12.2007 B 14/7b As 14/06 R= BSGE 99, 240), kommt daher nur in Betracht, wenn dieser Anspruch offensichtlich begründet ist und ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB II abgelehnt wurde (vgl. LSG NRW Beschlüsse vom 14.10.2010 – L 19 B 31/09 AL ER und vom 23.10.2009 – L 19 B 37/09 AL ER zur einstweiligen Anordnung der Gewährung von Arbeitslosengeld). Kann keine Antragsstellung auf Leistungen nachgewiesen werden, fehlt es bereits aus diesem Grund an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes.
Dem Antragsteller ist eine solche Antragstellung auch zumutbar gewesen. Zwar trägt er vor, dass sich seine wirtschaftliche Lage nicht durch die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, sondern nur durch die Gewährung eines Gründungszuschusses – vorliegend in Höhe von 780,00 EUR bis zum Ablauf der Bezugsdauer von 9 Monaten nach § 58 Abs. 1 SGB III, also für etwa zwei Monate ab Antragstellung bei Gericht – verbessern werde und er deshalb von einer Antragstellung abgesehen habe. Insoweit handelt es sich aber um eine Hypothese, da sich die genaue Höhe der Leistungen nach dem SGB II erst nach der Durchführung des Verwaltungsverfahrens ermitteln lässt und eine Sicherung des Lebensunterhalts über den 14.04.2010 hinaus, also über den Zeitpunkt des Ablaufs der Bezugsdauer nach § 58 Abs. 1 SGB II, durch die Weitergewährung eines Gründungszuschusses – insbesondere im Hinblick darauf, dass es sich dann nach § 58 Abs. 2 SGB III um eine Ermessensleistung der Antragsgegnerin handelt -, offen ist. Unter Zugrundelegung von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,00 EUR und einer Regelleistung von 359,00 EUR bzw. 323,00 EUR ergibt sich ohne Anrechnung eines Einkommens nach den Vorschriften des SGB II ein Anspruch von fast 700,00 EUR zuzüglich eines Zuschusses zu den Beiträgen zur privaten Krankenkasse nach § 26 SGB II.
Im Hinblick auf das für Leistungen nach dem SGB II maßgebende Aktualitätsprinzip, wonach Leistungen nach dem SGB II nach § 37 SGB II erst ab Antragstellung gewährt werden, ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen der Antragsteller eine Antragstellung nach § 37 SGB II zumindest zur Wahrung seiner Ansprüche unterlassen hat.
Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass es nicht offensichtlich ist, dass dem Antragsteller ein Anspruch auf den Gründungszuschuss zusteht. Offen ist, ob die Voraussetzung des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a SGB III – Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit – gegeben ist.Eine Aufnahme der selbständigen Tätigkeit i.S.d. § 57 Abs. 2. Nr. 1 SGB IIII ist erst gegeben, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen, also dauerhaften und nachhaltigen, Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wird. Lediglich mittelbar der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit dienende Tätigkeiten, insbesondere Vorbereitungshandlungen reichen nicht aus (siehe Zusammenfassung der Rechtsprechung in LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.05.2007 – L 7 AL 4485/05 = nach juris Rn 20), wobei das Bundessozialgericht eingeräumt hat, dass im Bereich der Gründung von selbstständigen Unternehmen die Existenzgründung kaum jemals in einem Akt erfolgen wird, vielmehr vom Arbeitslosen auf dem Weg zur Selbstständigkeit zahlreiche "vorbereitende Handlungen" erforderlich sind, die es im Einzelfall schwierig erscheinen lassen, jeweils exakt den Zeitpunkt der "Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit" zu bestimmen (Urteil vom 01.06.2006 – B 7 a AL 34/05 R = juris Rn 10). Es spricht vieles dafür, dass die Teilnahme des Antragstellers an den firmeninternen Schulungen ab dem 14.07.2010, in denen der Antragsteller mit den Produkten und der Vertriebspraxis der Firma W vertraut gemacht wurde, eher zu den Vorbereitungshandlungen zu rechnen ist. Ob die unterstützende Begleitung seiner Gruppenleiterin bei Vorführungen und Verkaufsgesprächen in der Zeit vom 13.07. bis 24.08.2009, verbunden mit einer Beteiligung an den erwirtschafteten Provisionen, als eine berufsmäßige, also auf dauerhaften und nachhaltigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung des Antragstellers gewertet werden kann, wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 20.05.2010
Zuletzt verändert am: 20.05.2010