Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19.04.2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
1. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).
2. Das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen hat mit dem angegriffenen Beschluss vom 19.04.2010 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht; der Senat hatte daher nicht zu entscheiden, ob ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden ist.
Ein Anordnungsgrund besteht deshalb nicht, weil der 1961 geborene Antragsteller nach eigenen Angaben (in seiner Antragsschrift vom 15.03.2010) seit dem Jahr 1974 nikotinabhängig ist und er seit März 2008 eine ohne ärztliche Begleitung durchgeführte "Substitution mit Niquitin 4mg" betreibt. Seit März 2008 hat der Antragsteller die Niquitintabletten damit offenbar erworben. Er hat nicht glaubhaft gemacht, warum ihm dies aktuell nicht (mehr) möglich ist. Eine Veränderung der tatsächlichen Umstände ist weder zu erkennen noch ersichtlich, weil der Antragsteller bereits damals im laufenden Leistungsbezug bei der Antragsgegnerin stand. Ferner war zu berücksichtigen, dass die von dem Antragsteller vorgelegten Apothekenquittungen überwiegend auf "N+X C" – den Eltern des Antragstellers – ausgestellt waren.
Der Antragsteller mit seinem Leistungsantrag vom 16.02.2010 überdies behauptet, "täglich 20 Nikotintabletten (Niquitin 4mg)" zu benötigen, "welche 7,33 EUR kosten", so dass er einen monatlichen Bedarf von 220 EUR (Antragsschrift vom 13.03.2010) bzw. 175,76 EUR (Eidesstattliche Erklärung der Mutter des Antragstellers vom 27.03.2010) habe. Der Antragsteller hat jedoch nur vier Apothekenquittungen vorgelegt, obwohl er bereits mit Schriftsatz vom 27.03.2010 ankündigte: "Die entsprechenden Belege werde ich ab jetzt sammeln." Folgende Apothekenquittungen hat der Antragsteller vorgelegt:
Quittungsdatum Kaufgegenstand Betrag 11.05.2009 1 x Nicorette Inhaler 28,88 EUR 16.02.2010 2 x Niquitin Mini 4mg, 60 St. 43,94 EUR 30.03.2010 2 x Niquitin Mini 4mg, 60 St. 43,94 EUR 06.04.2010 1 x Niquitin Mini 4mg, 60 St. 21,97 EUR
Der Antragsteller hat den von ihm behaupteten Bedarf von 220 EUR bzw. 175,76 EUR monatlich damit nicht glaubhaft gemacht, sondern nur einen erheblich geringeren Bedarf.
Gegen einen Anordnungsanspruch spricht zudem zur Überzeugung des Senats bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung auch der grundgesetzlich geschützten Interessen des Antragstellers, dass der Antragsteller mit seinem behandelnden Arzt Herrn Tilman Hahn aus Bottrop nach dessen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eingeholten Auskünften vom 05.04.2010 und 19.05.2010 noch kein Therapiekonzept entwickelt und seinen Arzt zudem "seit längerem nicht mehr wegen der Nikotinentwöhnung aufgesucht hat" (Auskunft vom 19.05.2010). Der Antragsteller trug vor, er habe mit seinem behandelnden Arzt im Frühjahr 2009 über die Möglichkeiten einer Nikotinentwöhnung gesprochen. Auf die von seinem Arzt angeregte Alternativbehandlung Hypnosetherapie wollte sich der Antragsteller nach eigenen Angaben nicht einlassen, weil er "nicht auf hypnotischen Hokuspokus" anspreche (Schriftsatz vom 28.05.2010). Aus den Auskünften des Arztes Hahn ergibt sich, dass eine Einnahme von Niquitintabletten sinnvoll sein kann, um die Entzugsfolgen bei der Durchführung einer entsprechenden Entzugstherapie zu mildern, eine Langzeitbehandlung mit Nikotin-Suchtersatzstoffen aber nur ausnahmsweise erfolgen sollte.
Ob ein Anspruch des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin auf Übernahme der Kosten für die Niquitintabletten besteht, wird folglich im sozialgerichtlichen Hauptsacheverfahren abschließend zu klären sein. Dies hat der Antragsteller zeitgleich mit seinem Antrag auf vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz bereits anhängig gemacht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
4. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 01.07.2010
Zuletzt verändert am: 01.07.2010