Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 28.03.2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Durchführung der Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).
Die am 00.00.1966 geborene Antragstellerin (ASt.) war in der Zeit vom 01.07. bis zum 30.09.2009 bei der Antragsgegnerin (AG) gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V pflichtversichert. Sie beantragte am 06.11.2009 die Feststellung der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB V ab dem 01.10.2009. Zur Begründung führte sie aus, sie sei zuletzt gesetzlich krankenversichert gewesen. Ein Ausschlussgrund nach § 5 Abs. 8a SGB V liegen nicht vor. Weitere Voraussetzungen müssten nicht erfüllt werden. Sie gab weiter an, ihr Einkommen liege bei monatlich 941,02 EUR; sie sei derzeit arbeitslos. Wegen der dringend benötigten ärztliche Behandlung erbat sie eine zeitnahe Entscheidung.
Mit Bescheid vom 20.11.2009 lehnte die AG eine Weiterversicherung ab dem 01.10.2009 ab. Die Voraussetzungen für eine freiwillige Krankenversicherung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V lägen nicht vor; denn die ASt. sei vor dem 01.07.2009 durchgehend privat krankenversichert gewesen. Einer Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB V stehe § 5 Abs. 9 SGB V entgegen. Die ASt., deren vorheriger Vertrag mit dem privaten Krankenversicherungsunternehmen mindestens fünf Jahre bestanden habe, sei an dieses zu verweisen.
Parallel zu dem dagegen gerichteten Widerspruch hat die ASt. bei dem Sozialgericht (SG) Dortmund einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und im Wesentlichen zu dessen Begründung ausgeführt, sie sei als Witwe (mit Pensionsanspruch) ihres verstorbenen Ehemannes, der Polizeibeamter im Land Nordrhein-Westfalen (NRW) gewesen sei, zwar grundsätzlich beihilfeberechtigt, gehöre aber – wegen des lediglich abgeleiteten Beihilfeanspruchs – weder zum Personenkreis des § 6 Abs. 1 noch des § 6 Abs. 2 SGB V. Auch verfüge sie nicht über eine ergänzende Krankenkostenversicherung bzgl. des von der Beihilfe nicht übernommenen Kostenanteils und sei – so auch das Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände zur Kranken- und Pflegeversicherung vom 01.04.2007 – deshalb dem Personenkreis der Nichtversicherten gleich zu stellen. Wegen der Aufnahme der abhängigen Beschäftigung zum 01.07.2009 habe sie ihre private Teilabsicherung gemäß § 205 Abs. 2 S. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) gekündigt. Sie könne auch nicht auf die private Krankenversicherung verwiesen werden, da sie lediglich in der Zeit vom 01.02.2009 bis zum 30.06.2009, nicht aber mehr als fünf Jahre, dort Mitglied gewesen sei. Zuvor habe weder eine gesetzliche noch eine private Absicherung für den Fall der Krankheit bestanden. Wie die Gesetzesbegründung zu § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB V zeige, habe der Gesetzgeber die neu geschaffene Pflichtversicherung auch nur für den in § 5 Abs. 8a SGB V beschriebenen Personenkreis, zu dem sie nicht gehöre, ausschließen wollen. Eilbedürftig sei die Frage der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung, da sie als Opfer einer Straftat dringend medizinischer Behandlung bedürfe. Zur Glaubhaftmachung hat die ASt. auf Anlagen (ärztliche Atteste und Mitgliedsbescheinigung der privaten Krankenversicherung) Bezug genommen, die ihrem Antrag nicht beigefügt waren und die sie auch nicht nachgereicht hat.
Die ASt. hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die AG im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, für sie ab dem 01.10.2009 bis auf weiteres vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB V durchzuführen.
Die AG hat schriftsätzlich beantragt,
den Antrag auf einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Sie hat sich zur Begründung auf den ihrer Auffassung nach zutreffenden angefochtenen Bescheid bezogen. Ergänzend hat sie darauf hingewiesen, dass die ASt. nicht glaubhaft, gemacht, geschweige denn nachgewiesen habe, dass sie nur in der Zeit vom 01.02.2009 bis zum 30.06.2009 privat krankenversichert gewesen sei. In einem Telefonat habe sie vielmehr geäußert "ihr ganzes Leben lang" privat krankenversichert gewesen zu sein. Sie sei auf die private Krankenversicherung zu verweisen.
Mit Beschluss vom 28.03.2010 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, es mangele bereits an einem glaubhaft gemachten Anordnungsgrund. Dass sie dringend ärztlicher Behandlung bedürfe, habe die ASt. nicht belegt. Im Übrigen sei sie notfalls auf die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XII) zu verweisen. Die ASt. habe aber auch das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Hinsichtlich des Zeitraumes, für den privater Krankenversicherungsschutz bestanden habe, fehle jede Unterlage. Auch habe der Gesetzgeber dem Rückkehrrecht in die private Krankenversicherung gegenüber der gesetzlichen Auffangversicherung Vorrang eingeräumt. Nach dem Ende einer Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung sei die Rückkehr in die private Krankenversicherung bereits dann zulässig, wenn eine freiwillige Weiterführung in der gesetzlichen Krankenversicherung an der Erfüllung der Vorversicherungszeit scheitere. Der Gesetzgeber knüpfe mit den Regelungen an die bisherige Zuordnung des Versicherten zu einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung an.
Gegen den ihr am 08.04.2010 zugestellten Beschluss hat sich die ASt. durch kommentarlose erneute Übersendung der Antragsbegründungsschrift vom 10.12.2009, eingegangen bei dem SG am 16.04.2010, an das SG gewandt und auf Rückfrage mitgeteilt, dass die Weiterleitung an das Landessozialgericht (LSG) gewünscht werde. Eine weitergehende Begründung hat sie nicht vorgenommen.
Die ASt. beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beschluss des SG Dortmund vom 28.03.2010 zu ändern und die AG im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, für sie ab dem 01.10.2009 bis auf weiteres vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB V durchzuführen.
Die AG beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerde der ASt. zurückzuweisen.
Sie erachtet den angefochtenen Beschluss als zutreffend. Neue entscheidungserhebliche Gesichtspunkte habe die ASt. nicht vorgetragen, auch keine Nachweise oder ähnliches vorgelegt. Über den Widerspruch der ASt. gegen den Bescheid vom 20.11.2009 sei noch nicht entschieden worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Prozess- sowie die Verwaltungsakte Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.
II.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Beschwerde der ASt., die nach ihrem ergänzenden Vortrag in der kommentarlosen erneuten Übersendung des Schriftsatzes vom 10.12.2009 zu sehen sein solle, ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht mit Beschluss vom 28.03.2010 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Antrag ist gemäß § 86b Abs. 3 SGG schon vor Klageerhebung zulässig. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach dem materiellen Recht (Anordnungsanspruch) und für besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden. Zur Glaubhaftmachung einer Tatsache im Sinne von § 920 Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG ist eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreichend (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 128 RdNr. 3d m.w.N.).
Ein Anordnungsgrund ist vorliegend, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ebenso wenig glaubhaft gemacht wie ein Anordnungsanspruch.
Es fehlt bereits offensichtlich an der in einstweiligen Rechtsschutzverfahren erforderlichen Eilbedürftigkeit für die von der ASt. angestrebte Regelung (Anordnungsgrund im Sinne von § 86b Abs. 2 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). Ihre bereits bei Antragstellung bei der AG mit Schreiben vom 05.11.2009 geltend gemachte dringende ärztliche Behandlungsbedürftigkeit hat sie bislang in keiner Weise konkretisiert und erst Recht nicht glaubhaft gemacht. Falls sie tatsächlich Opfer einer Straftat geworden sein und sich aus diesem Umstand eine Behandlungsbedürftigkeit herleiten sollte, wäre sie ohnehin auch auf Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu verweisen, die auch Krankenbehandlung umfassen, vgl. § 10 BVG. Im Übrigen steht der ASt., von dieser unbestritten, ein Beihilfeanspruch gegen das Land NRW zu, der zumindest einen Teil der Krankenbehandlungskosten umfasst. Dass die private Krankenversicherung die zumindest bis zum 30.06.2009 bestandene Teilversicherung ab dem 01.10.2009 nicht hat fortsetzen wollen, hat die ASt. ebenfalls weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Welche ungedeckten Kosten einer ärztlichen Behandlung schließlich entstanden sein sollten oder noch entstehen werden, die ASt. nicht aus eigenen Mitteln decken und warum ihr unzumutbar sein sollte, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten, hat sie in keiner Weise dargelegt.
Ebenfalls mit dem SG vermag der Senat auch keinen Anordnungsanspruch zu erkennen. Die Rechtsfrage, ob der ASt. ein Anspruch auf Mitgliedschaft bei der AG im Rahmen einer Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB V zusteht, ist allenfalls als offen zu bezeichnen. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses Bezug, § 153 Abs. 2 SGG in entsprechender Anwendung. Dies aber reicht bei einer Vorwegnahme der Hauptsache, wie vorliegend, nicht aus, um einen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Regelung zu begründen. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass für die Intention des Gesetzgebers, die Versicherten nach Beendigung einer Pflichtversicherung, wenn die Vorversicherungszeit des § 9 SGV nicht erfüllt ist, wieder dem System zuzuführen, dem sie – im Rahmen einer privaten oder gesetzlichen Versicherung – zuvor angehört haben, auch die Regelung des § 5 Abs. 5a SGB V spricht. Insoweit hat der Gesetzgeber in § 193 Abs. 3 SGB V die Verpflichtung der Versicherten normiert, sich privat gegen Krankheit zu versichern (vgl. Beschluss des erkennenden Senates vom 31.05.2010, Az.: L 16 KR 132/10 B ER). Dem Versicherten steht auch kein Wahlrecht zu, ob er sich privat oder gesetzlich versichern möchte.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 21.07.2010
Zuletzt verändert am: 21.07.2010