Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgericht Köln vom 16.01.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Insolvenzgeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III).
Die am 00.00.1958 geborene Klägerin war bis 31.12.2002 als Außendienst-Repräsentantin bei der Fa. L GmbH in N beschäftigt.
Geschäftsführer der Arbeitgeberin waren für den Zeitraum 18.10.1999 bis 24.03.2004 Herr G N und für den Zeitraum 25.03.2004 bis 25.11.2004 Herr I1 N, der Vaters des vorgenannten. Aus Blatt HR B xxx des Handesregisters beim Amtsgericht N geht bezüglich der Fa. L GmbH hervor, dass die Fa. "O GmbH", welche den Handel mit Geschenkartikeln aller Art betrieb, am 14.10.1994 gegründet und am 12.12.1994 in das Handelsregister eingetragen wurde. Diese Firma wurde – eingetragen ins Handelsregister am 13.11.1995 – von N N (Geschäftsfrau) und Q N (Schüler) als Inhabern und Geschäftsführern übernommen. Eingetragen am 18.10.1999, wurde das Unternehmen in "L GmbH" umbenannt. Als Inhaber und Geschäftsführer wurde "G N" eingetragen. Der Gegenstand des Unternehmens wurde mit "Handel mit Waren aller Art, soweit eine staatliche Genehmigung hierfür nicht erforderlich ist, ferner Halten und Verwalten von Aktien, Geschäftsanteilen und Anteilen an Personengesellschaften sowie Consulting" beschrieben. Am 24.11.2004 wurde die Fa. L GmbH wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht.
Mit Wirkung zum 31.12.2002 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis gegenüber ihrer Arbeitgeberin. Arbeitsentgelt wurde ihr für die Zeit bis einschließlich August 2002 vollständig, für die Monate September bis Dezember 2002 hingegen gar nicht ausgezahlt.
Am 10.01.2003 beantragte sie die Gewährung von Insolvenzgeld bei der Beklagten.
Gegen ihre Arbeitgeberin führte sie zugleich ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht N (- 33 Ca 5394/03 -), mit dem sie u. a. die Zahlung eines höheren Arbeitsentgelts für den Zeitraum von September bis Dezember 2002 verfolgte. Am 16.04.2003 schloss sie mit ihrer Arbeitgeberin, vertreten durch den Geschäftsführer G N, einen Vergleich, mit welchem sich die Arbeitgeberin u. a. verpflichtete, das Arbeitsverhältnis für den Zeitraum von September bis Dezember 2002 auf der Basis eines Bruttomonatsgehalts in Höhe von 1.533,88 EUR einschließlich Provisionen, Reisegeld und Reisekosten ordnungsgemäß abzurechnen. Im ersten Halbjahr des Jahres 2003 teilte die Arbeitgeberin der Klägerin mit Schreiben vom 06.03.2003, 23.05.2003, 10.6.2003 und 23.06.2003 wiederholt mit, dass es verschiedene Probleme bei der Finanzierung ihrer Projekte gebe, die jedoch in Kürze behoben werden könnten und sie ihren Zahlungsverpflichtungen dann nachkomme. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass sie aufgrund der ihr erteilten Finanzierungszusage in der Lage sei, nicht nur ihre bisherigen Geschäfte weiterzuführen, sondern auch neue interessante weitere Geschäfte zu entwickeln. Sie habe neue Räumlichkeiten angemietet und ihre Büroräume innerhalb des Firmenverbundes zusammengelegt.
Die Arbeitgeberin kam ihren Verpflichtungen aus diesem Vergleich in der Folge nicht nach, woraufhin die Klägerin am 11.09.2003 vor dem Arbeitsgericht N zunächst einen Beschluss zur Erzwingung der Vergleichsverpflichtung erwirkte (- 33 Ca 5394/03 -) und sodann mit Datum vom 30.03.2005 einen Haftbefehl gegen ihre Arbeitgeberin. Trotz dieser Bemühungen verliefen die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolglos, da der maßgebliche Geschäftsführer, G N, nicht auffindbar war. Ausweislich der Verhaftungseinstellungsmitteilung des Gerichtsvollziehers war dieser am gemeldeten Aufenthaltsort nicht anzutreffen. Der Gerichtsvollzieher vermutete, dass er sich an einem weiteren, nicht bekannten Ort aufhalte.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21.09.2005 mit, dass kein Vorgang über ihre ehemalige Arbeitgeberin existiere. Auch seien keine Insolvenztatbestände über diese Firma bekannt. Ein Insolvenzverfahren sei nach Auskunft des Insolvenzgerichts N nicht eröffnet worden. Auch sei ein Nachweis über die Betriebseinstellung und die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens nicht vorgelegt worden. Die bloße Zahlungsunwilligkeit der Arbeitgeberin reiche nicht aus, um einen Anspruch auf Insolvenzgeld zu begründen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilte der Beklagten daraufhin mit, dass die Geschäftsführer der Arbeitgeberin abgetaucht seien und davon ausgegangen werden könne, dass diese ihr Gewerbe nicht abgemeldet hätten und in keiner Form zur Auskunft bereit seien.
Die Klägerin reichte sodann am 13.09.2005 erneut ein Antragsformular auf Gewährung von Insolvenzgeld bei der Agentur für Arbeit in C ein. In diesem gab sie an, dass ihre ehemalige Arbeitgeberin die Betriebstätigkeit am 31.12.2002 eingestellt habe. Darüber hinaus verneinte sie die Frage, ob die Arbeitgeberin die Nichtzahlung des Arbeitsentgelts mit ihrer Zahlungsunfähigkeit begründet habe.
Mit Bescheid vom 05.12.2005 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Insolvenzgeld gegenüber der Klägerin daraufhin ab. Es sei nicht feststellbar, wann ihre Arbeitgeberin ihren Betrieb wegen Zahlungsunfähigkeit eingestellt habe. Die bloße Zahlungsunwilligkeit reiche für die Begründung eines Anspruchs auf Insolvenzgeld jedoch nicht aus.
Die Klägerin legte am 06.12.2005 Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid ein. Zur Begründung führte sie aus, dass keine Anhaltspunkte für die bloße Zahlungsunwilligkeit ihrer ehemaligen Arbeitgeberin vorlägen und die Firma vielmehr wegen Zahlungsunfähigkeit aus dem Handelsregister gelöscht worden sei. Es ließe sich ferner auch nicht nachvollziehen, woraus seitens der Beklagten geschlossen werde, dass keine Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin vorgelegen habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte darin aus, dass der Zeitpunkt der Betriebseinstellung nicht festgestellt werden könne. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts sei nicht möglich, da die Geschäftsführer der Arbeitgeberin nicht auffindbar seien und zum Datum der Betriebseinstellung nicht befragt werden könnten. Auch sei das Ausbleiben der Arbeitsentgeltzahlungen nicht mit der Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin begründet worden. Obwohl es sich bei dieser um eine GmbH gehandelt habe, sei trotz des möglichen Straftatbestandes der Konkursverschleppung kein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt worden. Da die Geschäftsführer nicht greifbar seien, lasse dieses nur den Schluss zu, dass entweder Zahlungsunwilligkeit bzw. betrügerisches Verhalten der Arbeitgeberin oder aber keine Überschuldung vorgelegen habe.
Gegen den am 03.03.2006 bekannt gegebenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 12.04.2006 Klage erhoben und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, bereits am 06.03.2006 Klage gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten erhoben zu haben. Nach der von ihr vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der bei ihrem Prozessbevollmächtigten angestellten Frau N1 L vom 13.04.2006, sei die Klageschrift von dieser bereits am 03.03.2006 geschrieben und nach der Korrektur am 06.03.2006 ausgefertigt, vom Prozessbevollmächtigten unterzeichnet und von ihr zur Post gegeben worden. Anschließend habe sie die Angelegenheit ausgetragen. Diese Klageschrift sei womöglich abhanden gekommen.
Die Unauffindbarkeit der Geschäftsführer der Fa. L GmbH sowie die Betriebseinstellung seien zwischen den Beteiligten unstreitig. Den erforderlichen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe die Beklagte selbst stellen können. Ihr – der Klägerin – jedenfalls seien wegen der drohenden Kosten keine weiteren Maßnahmen zumutbar gewesen. Schließlich ergebe sich die Betriebseinstellung durch die Arbeitgeberin auch daraus, dass diese selbst und auch ihre Geschäftsführer im eingeleiteten Zwangsvollstreckungsverfahren nicht erreichbar gewesen seien. Zudem sei die Arbeitgeberin wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen aus dem Handelsregister gelöscht worden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Geschäftsführer der L GmbH, Herrn I N sowie Herrn G N, als Zeugen zu der Frage zu vernehmen, ob im Jahre Januar 2003 eine Betriebseinstellung aufgrund von Zahlungsunfähigkeit vorlag,
hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.09.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2006 zu verurteilen, ihr Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 01.10. bis 31.12.2002 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung vorgetragen, dass ein Insolvenzereignis nicht habe festgestellt werden können, da weder der Zeitpunkt der Betriebseinstellung ermittelbar sei noch der Umstand, ob zu diesem Zeitpunkt offensichtlich Vermögenslosigkeit vorgelegen habe. Zwar sei eine Löschung der Arbeitgeberin aus dem Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit erfolgt; die offensichtliche Vermögenslosigkeit müsse jedoch zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung vorgelegen haben.
Mit Urteil vom 05.05.2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Zwar habe die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid vom 28.02.2006 nicht fristgerecht Klage erhoben. Ihr sei jedoch auf ihren Antrag vom 12.04.2006 hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu gewähren, da die diesbezüglichen Voraussetzungen vorlägen.
Die Klage sei jedoch unbegründet. Dem erst in der mündlichen Verhandlung am 16.01.2009 durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gestellten Antrag auf Beweiserhebung durch Vernehmung der früheren Geschäftsführer der ehemaligen Arbeitgeberin der Klägerin zu der Frage, ob im Januar 2003 eine Betriebseinstellung aufgrund von Zahlungsunfähigkeit erfolgte, sei nach Auffassung der Kammer nicht nachzukommen und die Verhandlung hierfür nicht zu vertagen gewesen. Es bestehe keine Pflicht des Gerichts den Versuch zu unternehmen, den Sachverhalt mithilfe von Beweismitteln aufzuklären, die offensichtlich nicht erreichbar seien. Dies aber sei hinsichtlich der beantragten Zeugenvernehmung der Fall. Die als Zeugen benannten ehemaligen Geschäftsführer der Arbeitgeberin seien nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten nicht zu erreichen; ihr Aufenthalt sei nicht zu ermitteln. Aus dem gesamten Vortrag der Beteiligten wie auch aus den Schriftstücken in der Verwaltungsakte ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Aufenthaltsort der benannten Zeugen bekannt sei oder ermittelt werden könne. Hiervon sei bis zum Tag der mündlichen Verhandlung offenkundig auch die Klägerin selbst ausgegangen. Insofern sei es für die Kammer nicht nachvollziehbar, inwiefern sich die Klägerin von ihrem erst in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag eine weitere Aufklärung des Sachverhalts verspreche.
Die Klägerin sei durch die angegriffenen Bescheide schließlich auch nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Diese seien rechtmäßig. Sie habe keinen Anspruch auf Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2002. Die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage des § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III lägen zur Überzeugung der Kammer nicht vor bzw. ließen sich nicht weiter feststellen. Ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin der Klägerin sei nicht eröffnet und ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mangels Masse abgewiesen worden. In Betracht komme allein die dritte Variante der Vorschrift, eine Betriebseinstellung durch die ehemalige Arbeitgeberin der Klägerin und das Ausscheiden eines Insolvenzverfahrens wegen offensichtlicher Masselosigkeit. Die Klägerin treffe die Feststellungslast für die offensichtliche Masselosigkeit im Zeitpunkt der Betriebseinstellung insoweit, als die Nichterweislichkeit dieser anspruchsbegründenden Tatsachen zu ihren Lasten gehe.
Es lasse sich vorliegend weder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit klären, wann die ehemalige Arbeitgeberin der Klägerin ihren Betrieb vollständig eingestellt noch wann eine offensichtliche Masselosigkeit vorgelegen habe. Insbesondere lasse sich der tatsächliche Zeitpunkt der Betriebseinstellung nicht klären. Es sei nach Auffassung der Kammer jedenfalls unwahrscheinlich, dass eine vollständige Betriebseinstellung bereits im Januar 2003 vorgelegen habe. Aus den Umständen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Klägerin lasse sich eine Betriebseinstellung jedenfalls nicht ableiten. Die Klägerin habe selbst zum 31.12.2002 gekündigt, ohne dass dies in einem offensichtlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinstellung oder aber der Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin gestanden habe. Vielmehr habe sie mit ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht N weiterhin bestehende Ansprüche gegen die zu diesem Zeitpunkt noch existierende GmbH verfolgt und habe noch im April des Jahres 2003 einen Vergleich mit den Vertretern ihrer ehemaligen Arbeitgeberin geschlossen. In der Folge habe sie versucht, ihre Ansprüche aus dem Vergleich gegenüber der Arbeitgeberin durchzusetzen. Die Klägerin selbst sei überdies im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens und im anschließenden Zwangsvollstreckungsverfahren davon ausgegangen, dass die GmbH weiter fortbestehe und sich nicht aufgelöst habe. Die in diesem Zusammenhang erfolgte Korrespondenz zwischen der Klägerin und ihrer ehemaligen Arbeitgeberin lasse zudem darauf schließen, dass die Arbeitgeberin jedenfalls noch bis in die zweite Jahreshälfte des Jahres 2003 hinein keine vollständige Betriebseinstellung vorgenommen habe. Vielmehr gehe aus ihren Schreiben hervor, dass sie weiterhin Büroräume unterhalten und das bisherige Geschäft fortgeführt habe bzw. weitere zusätzliche Geschäftstätigkeiten habe aufnehmen wollen. Es könne insoweit davon ausgegangen werden, dass der Betrieb jedenfalls nicht vollständig eingestellt worden sei.
Darüber hinaus lasse sich ebenfalls nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass im Januar 2003 ein Insolvenzverfahren bei der Arbeitgeberin mangels Masse nicht in Betracht gekommen sei. Von einer offensichtlichen Masselosigkeit sei nicht zwingend bereits dann auszugehen, wenn der Arbeitgeber die jeweiligen Gehälter seiner Arbeitnehmer nicht aufzubringen vermöge. Auch in diesem Fall lasse sich nicht ausschließen, das Unternehmen habe noch über so viel Masse verfügt, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet werden könne. Nach Ansicht der Kammer lasse sich nicht klären, ob eine solche Vermögenslosigkeit bei der Arbeitgeberin der Klägerin bereits im Januar 2003, dem Zeitpunkt der von ihr angenommenen Betriebseinstellung, vorgelegen habe. Der Umstand, dass die GmbH im November 2004 von Amts wegen aufgrund von Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht worden ist, lasse einen solchen Rückschluss nicht zu. Vielmehr könne die Vermögenslosigkeit auch erst im Jahre 2004 eingetreten sein. Auch die von der Klägerin vorgelegten Schreiben der Arbeitgeberin aus dem Jahr 2003 ließen einen solchen Schluss nicht zu. Zwar verweise die Arbeitgeberin darin auf das erwartete Einlösen erfolgter Finanzierungszusagen. Daraus ergebe sich jedoch noch nicht, dass die Arbeitgeberin zu diesem Zeitpunkt bereits über so wenig Masse verfügt habe, dass eine Fortführung der Betriebstätigkeit ausgeschieden sei oder gar ein Insolvenzverfahren nicht habe eröffnet werden können. Schließlich habe auch die Klägerin selbst die Frage verneint, ob ihre Arbeitgeberin das Ausbleiben der Entgeltzahlungen mit ihrer Zahlungsunfähigkeit begründet habe. Weitere Anhaltspunkte dafür, dass im Zeitpunkt Januar 2003 bereits Vermögenslosigkeit vorgelegen habe, wie etwa zahlreiche arbeitsgerichtliche Versäumnisurteile gegen die Arbeitgeberin bzw. entsprechende eidesstattliche Versicherungen, seien weder vorgetragen noch lägen Anhaltspunkte für solche Umstände vor. Nach alledem könne ein Insolvenzereignis nicht festgestellt werden, so dass die Klägerin keinen Anspruch auf Insolvenzgeld habe. Die Kostenentscheidung folge aus §§ 183, 193 SGG.
Das Urteil ist der Klägerin am 25.02.2009 zugestellt worden.
Hiergegen hat diese am 24.03.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, ihr stehe ein Anspruch auf Gewährung von Insolvenzgeld für die Zeit vom 01.10.2002 bis 31.12.2002 zu. Sie habe Beweis dazu angetreten, wann der Betrieb ihrer ehemaligen Arbeitgeberin vollständig eingestellt worden sei und dass zu diesem Zeitpunkt Masselosigkeit vorgelegen habe. Dem sei das Sozialgericht rechtswidrig nicht nachgegangen. Hätte es dieses getan, hätte es das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Insolvenzgeld feststellen können. Auch die vorliegenden Indizien reichten dafür jedoch aus. Eine vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit habe vorgelegen, da keinerlei Tätigkeiten mehr ausgeführt worden seien. Die Schreiben des Geschäftsführers ihrer ehemaligen Arbeitgeberin zeugten von nichts anderem. Mit diesen sei versucht worden, Gläubiger zu vertrösten. Alle äußeren Anzeichen sprächen dafür, dass zum Zeitpunkt der vollständigen Betriebseinstellung keine finanziellen Mittel mehr vorhanden gewesen seien. Es seien keine Gehälter mehr gezahlt und keine Sozialversicherungsbeiträge mehr abgeführt worden. Eine Geschäftstätigkeit habe nicht mehr festgestellt werden können. Es seien seitens der ehemaligen Arbeitgeberin ausschließlich noch Schreiben verfasst worden, mit welchen Gläubiger ruhig gestellt werden sollten, um eine Inanspruchnahme möglichst weit hinauszuzögern. Die Stellung eines Insolvenzantrags sei ihr zum damaligen Zeitpunkt unzumutbar gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.01.2009 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.12.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2006 zu verurteilen, ihr Insolvenzgeld für den Zeitraum 01.10. bis 31.12.2002 zu gewähren,
hilfsweise zum Beweis der Tatsache, dass die L GmbH lediglich aus dem Teil Betriebskosmetikvertrieb ohne den Anteil Boutique besteht, durch Beiziehung der Akten der Arbeitsagentur N, in der die Betriebe der L GmbH aufgelistet sein müssen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf ihre Ausführungen im Klageverfahren Bezug genommen und ergänzend ausgeführt:
Die Tatsache, dass die Fa. L GmbH im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden sei, sage gerade nichts darüber aus, wann die Betriebstätigkeit eingestellt worden sei, sondern lediglich, dass danach keinerlei betriebliche Tätigkeit mehr habe stattfinden dürfen. Dieses könnten auch die erwirkten Haftbefehle bzw. die Verhaftungseinstellung nicht belegen. Diese seien zwar Indizien für die Aufgabe der Betriebstätigkeit, jedoch stelle ein unbekannter Aufenthalt des Schuldners nicht zwangsläufig eine Einstellung der Betriebstätigkeit dar. Erst recht sei der konkrete Zeitpunkt der Einstellung der Betriebstätigkeit nicht belegt worden. Aus den Schreiben der Gesellschaft aus dem Jahr 2003 ergebe sich die Fortführung der Betriebstätigkeit jedenfalls bis Mitte 2003. Bis dahin sei der Betriebszweck zur Erlangung weiterer Mittel fortgeführt worden. Auch sei das Vorliegen offensichtlicher Masselosigkeit zum Zeitpunkt der Einstellung der Betriebstätigkeit durch die Klägerin nicht ausreichend dargelegt worden. Eine solche liege nicht bereits dann vor, wenn Zahlungsunfähigkeit gegeben sei, welche zur Insolvenzantragstellung verpflichte. Hier könne nicht ausgeschlossen werden, dass Zahlungsunwilligkeit vorgelegen habe. Die Klägerin sei beweispflichtig geblieben.
Mit Schreiben vom 27.10.2009 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nach durchgeführter Meldeauskunft eine weitere Anschrift des ehemaligen Geschäftsführers der Fa. L GmbH, I1 N, gegenüber dem Senat bekannt gegeben und darauf hingewiesen, dass die Anschrift des weiteren Geschäftsführers, G N, nach wie vor nicht ermittelbar sei.
Das Gericht hat im Verhandlungstermin am 02.06.2010 Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung des Zeugen I1 N. Dieser hat im Wesentlichen bekundet, er sei erst bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit Geschäftsführer der Fa. L GmbH geworden. Das möge im April 2004, ggf. aber auch schon im Jahre 2003 gewesen sein. Zuvor sei sein Sohn G Geschäftsführer der Fa. L GmbH gewesen. In der Zeit zuvor sei er täglich im Unternehmen und "die graue Eminenz und treibende Kraft" gewesen. Er sei auch nicht Gesellschafter gewesen. Vielmehr habe die Gesellschaft seinem Sohn G gehört. Zu der GmbH hätten zusätzlich noch die Boutique seiner Ehefrau und eine AG gehört. Zum Gegenstand der GmbH sei zu verdeutlichen, dass sein Sohn sämtliche Anteile der GmbH gehalten habe. Anschließend sei die Einzelfirma Boutique, die ebenfalls seinem Sohn gehört habe, in die GmbH gekommen, so dass er weiterhin 100 % der Anteile gehalten habe. Es sei so gewesen, dass die Fa. L GmbH die Einzelfirma mit der Boutique, die ursprünglich einmal seiner Ehefrau gehört habe, dann aber eine eigenständige GmbH geworden sei, gekauft habe. Im Ergebnis habe sein Sohn – entsprechend dem gemeinsamen Plan – sämtliche Geschäftsanteile der Fa. L GmbH gehalten. Zur vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit könne er keinen Stichtag benennen. Die Geschäfte der GmbH seien aber noch im Jahre 2002 auf Null heruntergefahren worden. Die Boutique seiner Ehefrau sei am 30.06.2003 oder 31.07.2003 geschlossen worden. Bis zu diesem genannten Endzeitpunkt sei das Geschäft betrieben worden, d. h. es sei verkauft worden; dann sei der Mietvertrag ausgelaufen.
Im Hinblick auf die darüber hinausgehende Aussage des Zeugen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 02.06.2010 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagen vorgelegten Verwaltungsakten – allgemeiner und besonderer Teil – Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Insbesondere wurde diese form- und fristgemäß eingelegt und ist gemäß § 144 SGG statthaft. Der sich aus der Insolvenzgeldforderung der Klägerin für die Monate Oktober bis Dezember 2002 ergebende Berufungsstreitwert überschreitet den Wert von 750,00 EUR. Der Insolvenzgeldforderung der Klägerin liegt ausweislich des arbeitsgerichtlichen Vergleichs vom 16.04.2003 ein – unstreitiger – Anspruch ihrerseits auf Bruttoarbeitsentgelt gegen die Fa. L GmbH in Höhe von 1.533,88 EUR monatlich für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2002 zugrunde.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Köln ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zu Recht hat es die zulässige, jedoch unbegründete Klage abgewiesen. Die Klägerin ist durch den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 05.12.2005 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 28.02.2006 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn dieser ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Insolvenzgeld gemäß § 183 SGB III gegen die Beklagte.
Die Klage war zulässig. Zwar hat die Klägerin die Klagefrist gemäß § 87 SGG versäumt, denn der Widerspruchsbescheid vom 28.02.2006 ist ihrem Prozessbevollmächtigten am 03.03.2006 zugestellt worden, während sie erst am 12.04.2006 mit Eingang ihrer Klageschrift beim Sozialgericht Klage erhoben hat, jedoch hat ihr das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 16.01.2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG gewährt. Diese Entscheidung des Sozialgerichts ist gemäß § 202 SGG i.V.m. §§ 512, 557 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) unanfechtbar und der Überprüfung durch den Senat entzogen. Der Senat ist daran gebunden (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 67, Rn. 19, m.w.N.).
Die Klage war jedoch nicht begründet.
Anspruchsgrundlage für einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Insolvenzgeld – die Notwendigkeit einer solchen folgt aus § 31 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) – kann ausschließlich § 183 SGB III in der vom 01.01.2002 bis 11.12.2006 gültigen Fassung vom 10.12.2001 (a. F.) sein. Danach haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei
1.Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers,
2.Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
3.vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt,
(Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben (§ 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a. F.). Hat ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses (§ 183 Abs. 2 SGB III a. F.).
Arbeitsgerichtlich festgestellte Ansprüche auf Arbeitsentgelt aufgrund einer Beschäftigung im Inland gegen die Fa. L GmbH als ihrer ehemaligen Arbeitgeberin hat die Klägerin aufgrund des mit dieser vor dem Arbeitsgericht N am 16.04.2003 geschlossenen Vergleichs (- 33 Ca 5394/03 -) für den Zeitraum September bis Dezember 2002 in Höhe von Bruttomonatssummen in Höhe von 1533,88 EUR inklusive Provisionen, Reisegeld und Reisekosten. Auf diese Arbeitsentgeltforderung erfolgte seitens der Arbeitgeberin keine Zahlung an die Klägerin. Die eingeleitete Zwangsvollstreckung blieb fruchtlos. Die Durchsetzbarkeit des Anspruchs ist gegeben. Dieses stellt sich zwischen den Beteiligten als unstreitig dar.
Hinsichtlich dieser Arbeitsentgeltansprüche konnte sich der Senat jedoch nicht vom Vorliegen eines zeitlich passenden Insolvenzereignisses im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a. F. überzeugen. Der Insolvenzgeldanspruch sichert rückständige Arbeitsentgeltansprüche nur für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden 3 Monate des Arbeitsverhältnisses, d. h. nur innerhalb des sog. Insolvenzgeldzeitraums (Krodel in: Niesel/Brand, Kommentar zum SGB III, 5. Auflage 2010, § 183, Rn. 50, m.w.N.). Besteht das Arbeitsverhältnis bis zum Insolvenzereignis oder länger, ist der Insolvenztag, d. h. der Tag des Insolvenzereignisses, bei der rückwirkend zu berechnenden Dreimonatsfrist nicht mitzuzählen (Krodel in: Niesel/Brand, a.a.O., § 183, Rn. 54, m.w.N.). War das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenztag bereits beendet, endet die Dreimonatsfrist mit dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses – hier dem 31.12.2002. Da der mögliche Insolvenzgeldzeitraum hier – aufgrund des feststehenden Zeitraums, für welchen die Klägerin keine Arbeitsentgeltzahlungen ihrer ehemaligen Arbeitgeberin erhalten hat – feststeht, kann ein Insolvenzereignis, welches nach dem 31.03.2003 stattfand, einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Insolvenzgeld für die Monate ausstehenden Arbeitsentgelts nicht begründen.
Unstreitig ist weder eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen Fa. L GmbH erfolgt noch wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen. Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde weder von der Klägerin noch von Dritten gestellt. Dieses hat das Amtsgericht N als Insolvenzgericht der Beklagten im Zuge ihrer Ermittlungen mitgeteilt.
Eine vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit der Fa. L GmbH im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a. F. erfolgte zur Überzeugung des Senats jedenfalls nicht vor Ende Juni bzw. Juli 2003. Die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit erfordert die Einstellung aller vom Arbeitgeber veranlassten und den Betriebszwecken dienenden Tätigkeiten, ausgenommen reine Erhaltungs-, Abwicklungs- und Liquidationsarbeiten (Krodel in: Niesel/Brand, a.a.O., § 183, Rn. 42, m.w.N.). Erhaltungsarbeiten dienen dabei lediglich der Erhaltung von Betriebsanlagen, während Abwicklungsarbeiten solche sind, die der Auflösung des Betriebes, aber nicht mehr der Fortführung des Betriebszweckes dienen. Abzustellen ist auf das Gesamtbild des Einzelfalls (Krodel in: Niesel/Brand, a.a.O., § 183, Rn. 42, m.w.N.).
Zwar behauptet die Klägerin, es habe eine vollständige Betriebseinstellung im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a. F. zu einem Zeitpunkt stattgefunden, zu dem ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt gewesen worden und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht gekommen sei. Auf einen konkreten diesbezüglichen Zeitpunkt konnte sie sich jedoch im Laufe des Klage- und Berufungsverfahrens nicht festlegen. Im Antragsformular auf Gewährung von Insolvenzgeld vom 13.05.2005 benannte sie den 31.12.2002, den letzten Tag ihres Arbeitsverhältnisses zur Fa. L GmbH. Im Verhandlungstermin hat sie vorgebracht, es sei für sie schlecht zu sagen, wann die Fa. L GmbH die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt habe und sie wisse nicht, wie es nach ihrem Ausscheiden Ende Dezember 2002 weitergelaufen sei. Ihr Vorbringen stellt sich – im Hinblick auf ihr Ausscheiden aus der Fa. L GmbH aus verständlichen Gründen – vor diesem Hintergrund als unergiebig dar. Eine vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit der Fa. L GmbH trat jedenfalls nicht bereits deshalb ein, weil die Klägerin ihre Tätigkeit für diese aufgrund ihrer Kündigung des zu dieser bestehenden Arbeitsverhältnisses einstellte.
Der Zeuge I1 N als ehemaliger Geschäftsführer der Fa. L GmbH hat im Verhandlungstermin am 02.06.2010 im Rahmen seiner uneidlichen Vernehmung jedoch bekundet, zur vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit keinen Stichtag benennen zu können. Die Geschäfte der GmbH seien aber noch im Jahre 2002 auf Null heruntergefahren worden. Die Boutique seiner Ehefrau sei am 30.06. oder am 31.07.2003 geschlossen worden. Bis zu diesem genannten Endzeitpunkt sei das Geschäft in der Boutique betrieben worden, d. h. es sei verkauft worden; dann sei der Mietvertrag ausgelaufen. Zur Fa. L GmbH hätten zusätzlich die Boutique seiner Ehefrau und eine AG gehört. Es sei so gewesen, dass die Fa. L GmbH die Einzelfirma mit der Boutique, die ursprünglich einmal seiner Ehefrau gehört habe, dann aber eine eigenständige GmbH geworden sei, gekauft habe. Zum Gegenstand der GmbH sei zu verdeutlichen, dass sein Sohn sämtliche Anteile an dieser gehalten habe. Die Einzelfirma Boutique, die ebenfalls seinem Sohn gehört habe, sei in die Fa. L GmbH gekommen, so dass er weiterhin 100 % der Anteile gehalten habe. Im Ergebnis habe sein Sohn – entsprechend dem gemeinsamen Plan – sämtliche Geschäftsanteile der Fa. L GmbH gehalten.
Aufgrund der Aussage des Zeugen I1 N ist der Senat davon überzeugt, dass eine vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit der Fa. L GmbH im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a. F. jedenfalls nicht vor Ende Juni bzw. Juli 2003 – und damit im Hinblick auf das Ausscheiden der Klägerin aus der Fa. L GmbH sowie deren offene Ansprüche auf Arbeitsentgelt und der daraus abgeleiteten Insolvenzgeldforderung zu spät – erfolgt ist. Teil der Fa. L GmbH war auch die ursprünglich von der Ehefrau des Zeugen betriebene Boutique. Diese wurde weit vor dem Jahr 2002 in die Fa. L GmbH eingegliedert und jedenfalls noch bis Mitte 2003 betrieben. Die dort verrichteten Tätigkeiten – nach Aussage des Zeugen der Verkauf von Waren – stellten auch keine reinen Erhaltungs-, Abwicklungs- und Liquidationsarbeiten dar. Der Verkauf von Waren diente offenkundig dem Betrieb einer Boutique.
Zwar stellt sich die Aussage des Zeugen I1 N auf den ersten Blick insofern als widersprüchlich dar, als dass dieser auf Befragen zum Zeitpunkt der vollständigen Betriebseinstellung der Fa. L GmbH zunächst bekundet hat, deren Geschäfte seien noch im Jahr 2002 "auf Null heruntergefahren" worden, während er auf Befragen zum Zeitpunkt der Schließung der Boutique ausgeführt hat, sie sei "am 30.06. oder am 30.07.2003" geschlossen worden. Das Auseinanderfallen dieser Zeitpunkte erklärt sich zur Überzeugung des Senats jedoch daraus, dass der Zeuge im Zeitpunkt der ersten Befragung die Boutique nicht als Teil der Fa. L GmbH wahrgenommen, in seine Überlegungen eingestellt und seiner Aussage zugrunde gelegt hat. Erst im Rahmen der Vernehmung durch das Gericht hat dieser auf mehrfache Nachfrage durch das Gericht die Entwicklung der Struktur der Fa. L GmbH erläutert und bestätigt, dass die Boutique jedenfalls ab dem Jahr 2002 Teil der Fa. L GmbH war und die Einstellung der Verkaufstätigkeit erst Mitte des Jahres 2003 erfolgte. Während es ihm nicht möglich war, den exakten Zeitpunkt der Einstellung der Betriebstätigkeit der Gesamtfirma L GmbH zu benennen – dieses wohl vor dem Hintergrund der Schwierigkeit sämtliche damaligen Geschäftsfelder zu überblicken sowie einer bestehenden strafrechtlichen Problematik hinsichtlich der Verpflichtung zur Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens – erinnerte er sich hingegen genau und detailreich an die Schließung der Boutique sowie deren Zeitpunkt.
Der Senat hält die Aussage des Zeugen für glaubhaft und den Zeugen für glaubwürdig. Dieser hatte aufgrund seiner eigenen, wenn auch unbezahlten sowie mangels offizieller Funktion innerhalb der Fa. L GmbH bis zur Bestellung als Geschäftsführer im März 2004 undefinierten Tätigkeit innerhalb des Unternehmens hinreichenden Einblick und Sachkenntnis, um die Struktur des Unternehmens sowie deren geschäftliche und finanzielle Verhältnisse ausreichend zu verstehen und beschreiben zu können. Diesbezüglich hat er bekundet, er sei zunächst nicht Geschäftsführer der Fa. L GmbH gewesen. Dieses Amt habe sein Sohn G bekleidet, welcher zudem immer Inhaber des Unternehmens gewesen sei. Er sei jedoch täglich in der Firma anwesend und "die graue Eminenz und treibende Kraft" gewesen. Soweit der Zeuge im Rahmen der Vernehmung Schwierigkeiten hatte, darzustellen, auf welche Art und Weise eine Wiedererlangung der Liquidität und weiteren Finanzierung des Unternehmens im Jahr 2002 bzw. 2003 konkret erfolgen sollte, steht dieses seiner Glaubwürdigkeit sowie der Glaubhaftigkeit seiner Aussage zur Überzeugung des Senats nicht entgegen. Die diesbezüglichen schwierigen wirtschaftlichen Zusammenhänge nach entsprechendem Zeitablauf sowie weit zurückliegender Aufgabe des Unternehmens im Detail noch schlüssig darzustellen, erscheint nachvollziehbar schwierig. Die darüber hinausgehende Aussage des Zeugen war jedenfalls auf erneute Nachfrage des Gerichts ausreichend, detailreich, schlüssig und widerspruchsfrei.
Die Angaben des Zeugen zur Entwicklung der Unternehmensstruktur der Fa. L GmbH werden zudem gestützt durch den vom Sozialgericht beigezogenen und im Wege des Urkundsbeweises gewürdigter Handelsregisterauszug vom 28.07.2006. Aus Blatt HR B xxx des Handelsregisters beim Amtsgericht N geht hervor, dass die Fa. "O GmbH", welche den Handel mit Geschenkartikeln aller Art betrieb, am 14.10.1994 gegründet und am 12.12.1994 in das Handelsregister eingetragen wurde. Diese Fa. wurde – eingetragen ins Handelsregister am 13.11.1995 – von N N (Geschäftsfrau) und Q N (Schüler) als Inhabern und Geschäftsführern übernommen. Eingetragen am 18.10.1999, wurde das Unternehmen in "L GmbH" umbenannt. Als Inhaber und Geschäftsführer wurde "G N" eingetragen. Der Gegenstand des Unternehmens wurde mit "Handel mit Waren aller Art, soweit eine staatliche Genehmigung hierfür nicht erforderlich ist, ferner Halten und Verwalten von Aktien, Geschäftsanteilen und Anteilen an Personengesellschaften sowie Consulting" beschrieben. Entsprechend der Aussage des Zeugen ergibt sich aus dem Handelsregister eine ursprüngliche Inhaberschaft der Frau N N hinsichtlich des Boutique-Unternehmens. Dieses ist als Fa. L GmbH im Jahr 1999 an Herrn G N übergegangen. Für den Senat ist nicht ersichtlich, dass die ehemals von Frau N N betriebene Boutique – entgegen der Aussage des Zeugen – während der Firmierung als L GmbH nicht bis Mitte 2003 fortbetrieben worden sein soll. Dafür finden sich keinerlei Anhaltspunkte. Auch das Vorbringen der Klägerin dazu ist insoweit unergiebig. Diese befand sich als Außendienst-Repräsentantin nach eigenem Bekunden nur ca. einmal im Jahr am Firmensitz der Fa. L GmbH in N. Auch konnte sie keine abschließenden Angaben dazu machen, über wie viele Mitarbeiten bzw. welche unterschiedlichen Geschäftsfelder die Fa. L GmbH verfügte und ist zudem bereits Ende 2002 aus dem Unternehmen ausgeschieden.
Der Senat hat sich vor diesem Hintergrund weder von Amts wegen noch aufgrund des hilfsweise seitens der Klägerin gestellten Beweisantrags, an welchen der Senat gemäß § 103 Satz 2 SGG nicht gebunden ist (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 103, Rn. 9, m.w.N.), veranlasst gesehen, weitere Ermittlungen zur Unternehmensstruktur der Fa. L GmbH durch Beiziehung von bei der Agentur für Arbeit N ggf. geführter Akten sowie Verwertung dieser im Rahmen des Urkundsbeweises vorzunehmen. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin behauptet, solche Aufzeichnungen, aus denen sich ergäbe, dass die Fa. L GmbH lediglich aus dem Teil "Betriebskosmetikvertrieb" ohne den Anteil "Boutique" bestand, lägen dort vor, woher bzw. woraus diese Erkenntnis jedoch resultiert, hat er dem Senat mit Ausnahme eines Verweises auf einen in anderer Sache und zu anderem Streitgegenstand geführten Rechtsstreit nicht kundgetan. Die Existenz solcher Aufzeichnungen erscheint dem Senat aufgrund eigener Sachkenntnis sowie eines entsprechenden Hinweises des Vertreters der Beklagten im Verhandlungstermin, welcher von der Existenz solcher Akten keine Kenntnis hatte, jedoch nicht wahrscheinlich. Existierten solche aussagekräftigen Unterlagen im Hause der Beklagten, würden diese in ähnlich gelagerten Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren bzw. Gerichtsverfahren regelmäßig neben einem Handesregisterauszug beigezogen, so wie eine Beiziehung des allgemeinen Teils der Verwaltungsakte der Beklagten in Insolvenzgeldverfahren regelmäßig erfolgt. Darüber hinaus ist deren Existenz insoweit irrelevant, als deren Beweiswert von vornherein nicht geeignet erscheint, die aus dem Handelsregister folgenden Tatsachen sowie die Angaben des Zeugen hinsichtlich der beweiserheblichen Tatsache des Zeitpunkts der vollständigen Betriebseinstellung der Fa. L GmbH zu widerlegen. Für den Senat erscheint es fernliegend, dass zum Zweck der Erreichung der Ziele der Arbeitsförderung (§ 1 SGB III) ggf. gefertigte Aufzeichnungen über einzelne Unternehmen als Arbeitgeber – hier die Fa. L GmbH – als Indizien für deren tatsächliche Unternehmensstruktur sowie deren Betriebszweck und damit wiederum als Indiz für den Zeitpunkt der Betriebseinstellung, welche noch dazu die Vergangenheit und ein nicht mehr existentes Unternehmen betreffen sollen, überzeugendere Rückschlüsse auf den Zeitpunkt der vollständigen Betriebseinstellung zulassen sollen, als das zum Zweck der Auskunftserteilung hinsichtlich einzelner Unternehmen und deren Inhabern geführte Handelsregister bzw. die Aussage eines Geschäftsführers bzw. mit der Geschäftsleitung und Strukturierung befassten Mitarbeiters des Unternehmens selbst. Zwar ist es dem Senat verwehrt, eine vorweggenommene Beweiswürdigung vorzunehmen und zur Grundlage seiner Entscheidung zu machen (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 103, Rn. 8b, m.w.N.; Martin Kühl in: Breitkreuz/Fichte, Kommentar zum SGG, 1. Auflage 2008, § 103, Rn. 5, m.w.N.; Kolmetz in: Jansen, Kommentar zum SGG, 3. Auflage 2009, § 103, Rn. 7, m.w.N.), jedoch darf ein Gericht eine wertende Schlüssigkeitsprüfung vornehmen und von der Beweiserhebung absehen, wenn ein Indizienbeweis angeboten wird und das Gericht der Auffassung ist, dass die unter Beweis gestellte Hilfstatsache für den Beweis der Haupttatsache nicht ausreicht, da eine gestufte Indizienkette mit mehrfachem Wahrscheinlichkeitsurteil eine abnehmende Gesamtwahrscheinlichkeit zur Folge hat (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 103, Rn. 8c, m.w.N.). Eine solche Handhabung ist zulässig, wenn das Gericht von einer weiteren Beweiserhebung deshalb absieht, weil die unter Beweis gestellte Hilfstatsache für den Beweis der Haupttatsache zu seiner gerichtlichen Überzeugung nicht ausreicht. Dann liegt keine Vorwegnahme der Hauptsache, sondern eine durch Denkgesetze gesteuerte Anwendung richterlicher Erfahrungssätze vor (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 20.05.1998 – 7 B 440/97 – Rn. 12, m.w.N.). Bei objektiver Betrachtung erscheint dem Senat ein Beweiswert des angebotenen Beweismittels – soweit ein solches tatsächlich existieren sollte – zum Beweis der Tatsache der konkreten Unternehmensstruktur der Fa. L GmbH sowie, daraus resultierend, des Zeitpunkts der vollständigen Betriebseinstellung der Fa. L GmbH unter Berücksichtigung der bereits erhobenen direkteren Beweise nicht gegeben.
Vor dem Hintergrund nicht unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zur Fa. L GmbH eingetretener vollständiger Einstellung der Betriebstätigkeit kann dahinstehen, ob gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a. F. ein Insolvenzverfahren hinsichtlich der Fa. L GmbH offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kam. Die Voraussetzungen des § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a. F. müssen zur Annahme des Bestehens eines Insolvenzereignisses kumulativ vorliegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Die Revision war nicht gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, da die Rechtssache insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung aufweist und nicht von einer Entscheidung der unter § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Spruchkörper abgewichen wird.
Erstellt am: 21.07.2010
Zuletzt verändert am: 21.07.2010