Auf Rev. d.Bekl. werden die Urteile des LSG und SG Duisburg vom 14.01.2010 aufgehoben, soweit sie die Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 18.01.2008 i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2008 betreffen.
Im Übrigen wird die Rev. des Beklagten
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch in der Berufungsinstanz von dem Beklagten zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Anrechnung von nach der Geburt erzieltem Einkommen bei der Berechnung von Elterngeld.
Die Klägerin, eine gelernte Krankenschwester, die regelmäßig Nachtdienste verrichtet, beantragte am 22.11.2007 Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihres Sohnes C, geb. am 00.00.2007. Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 18.1.2008 unter Anrechnung des bis zum 7.1.2008 bezogenen Mutterschaftsgeldes Elterngeld in Höhe von 861,85 Euro ab dem 3. Lebensmonat, wobei sie bei der Ermittlung des vor der Geburt erzielten Einkommens steuerfreie Zuschläge für Nacht- und Wochenendarbeit nicht berücksichtigte. Mit ihrem Widerspruch forderte die Klägerin die Berücksichtigung dieser Zuschläge, da es sich um wiederkehrende Zahlungen handele, die typischerweise anfielen. Mit Widerspruchsbescheid vom 5.3.2008 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch zurück.
Die Klägerin hat am 9.4.2008 Klage erhoben, mit der sie die Berücksichtigung der steuerfreien Entgeltbestandteile bei der Berechnung des Einkommens gefordert hat.
Auf die Mitteilung der Klägerin, dass sie seit Juni 2008 eine geringfügige Beschäftigung als Krankenschwester ausübe, hob der Beklagte nach Ermittlung des im Bezugszeitraums erzielten Einkommens mit Bescheid vom 4.12.2008 den Bescheid vom 18.1.2008 für die Zeit vom 12.6. – 11.11.2008 "gem. § 2 Abs. 3 BEEG iVm § 50 SGB X" auf und setzte das Elterngeld auf 714,01 Euro fest. Die Überzahlung von 739, 20 Euro forderte er von der Klägerin zurück. Das begründete er damit, dass zwischenzeitlich bekannt geworden sei, dass die Klägerin nach der Geburt ihres Sohnes ein durchschnittliches Arbeitsentgelt von 220,65 Euro monatlich aus geringfügiger Beschäftigung als Krankenschwester erzielt habe. Nach den Richtlinien des zuständigen Bundesministeriums zum Bundeseltern- und Elternzeitgeldgesetz (BEEG) sei bei pauschal versteuertem Einkommen nach § 40a Einkommenssteuergesetz (EStG) dieses in voller Höhe, d.h. ohne etwaige Abzüge von Werbungskosten (bzw. Werbungskosten-Pauschalen) anzurechnen.
Die Klägerin hat ihre Klage insoweit zurückgenommen, als sie die Berücksichtigung der steuerfreien Zuschläge verlangt hatte. Sie hat sich sich nunmehr dagegen gewandt, dass das nach der Geburt erzielte Einkommen in voller Höhe angerechnet wird und die Auffassung vertreten, insoweit müssten Werbungskosten abgesetzt werden. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie erhebliche Aufwendungen für die Fahrt von der Wohnung in E zu ihrer Arbeitsstätte im Krankenhaus in H aufzubringen gehabt habe.
Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat der Klage unter Zulassung der Berufung durch Urteil vom 14.1.2010 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt:
"Der Beklagte hat zu Unrecht das durchschnittlich nach der Geburt erzielte Einkommen in voller Höhe elterngeldmindernd berücksichtigt. Da die Klägerin ab 01.07.2008 eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen hat, ist das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen aus dieser Erwerbstätigkeit gemäß § 2 Abs. 3 BEEG zu berücksichtigen. Nach § 2 Abs. 7 S. 1 BEEG ist als Einkommen aus nicht selbständiger Arbeit der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über die mit 1/12 des Pauschbetrages nach § 9a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchstabe a EstG anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen. Da es sich um eine geringfügige Beschäftigung handelte, waren von der Klägerin weder Steuern zu zahlen, noch Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung oder zur Arbeitsförderung. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ist das Einkommen der Klägerin daher nur insoweit zu berücksichtigen, als es 1/12 der Werbungskostenpauschale übersteigt.
Die hierzu ergangenen Richtlinien des zuständigen Bundesministeriums sind rechtswidrig. In den Richtlinien heißt es unter Ziff. 2.7.1:
"Wo das Steuerrecht jedoch bereits im Ansatz keine Werbungskosten berücksichtigt, sind auch keine Werbungskosten abzuziehen. Dies ist insbesondere der Fall bei vom Arbeitgeber nach § 40 a EStG pauschal versteuerten sogenannten Minijobs."
Diese Richtlinie findet im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze. § 2 Abs. 7 S. 1 BEEG regelt ausnahmslos, das als Einkommen der Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über die mit 1/12 des Pauschbetrages anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen ist.
Das Argument, dort wo das Steuerrecht keinen Werbungskostenabzug vorsehe, könnten auch im BEEG Werbungskosten nicht berücksichtigt werden, überzeugt nicht. Dabei ist zum Einen darauf hinzuweisen, dass das BEEG zwar den Werbungskostenpauschbetrag des § 9 a EStG benennt, aber hinsichtlich der Berücksichtigung der Werbungskosten eine bewusst vom Steuerrecht abweichende Regelung trifft. Anders als im Steuerrecht ist im BEEG der Nachweis von Werbungskosten, die den Pauschbetrag übersteigen, nicht möglich. Darüber hinaus wird im Steuerrecht der Werbungskostenpauschbetrag für das Kalenderjahr gewährt, während im BEEG eine monatliche Berücksichtigung von 1/12 der Werbungskostenpauschale vorgesehen ist. Dies führt beispielsweise dazu, dass dann, wenn nur in einzelnen Kalendermonaten eines Kalenderjahres Einkommen erzielt worden ist, im Steuerrecht gleichwohl der Jahresbetrag zu berücksichtigen ist, während im BEEG jeweils nur für jeden Monat, in dem Einkommen erzielt worden ist, 1/12 des Werbungskostenpauschbetrages anzusetzen wäre.
Dass das Steuerrecht für pauschal besteuerte Einnahmen keine Werbungskosten vorsieht, beruht darauf, dass hierfür von dem Arbeitnehmer keine Steuern zu entrichten sind. Eine Regelung, dass gleichwohl Werbungskosten zu berücksichtigen sind, würde daher ins Leere laufen. Zum Anderen ist darauf hinzuweisen, dass auch bei geringfügigen Beschäftigungen Aufwendungen entstehen, die mit der Ausübung der Tätigkeit verbunden sind. Derartige Aufwendungen sind auch bei der Klägerin angefallen, die zumindest Fahrtkosten für den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte von E nach H aufzubringen hatte.
Bei Nichtberücksichtigung der Werbungskostenpauschale würde sich zudem für die Klägerin eine besonders ungünstige Konstellation ergeben: Die Klägerin hat vor der Geburt Einnahmen aus einem Steuer- und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis erzielt. Bei der Bemessung der Höhe des Elterngeldes ist die Werbungskostenpauschale einkommensmindernd berücksichtigt worden, so dass sich ein geringeres Nettoeinkommen und damit auch ein entsprechend geringeres Elterngeld ergibt. Gleichzeitig soll nach den Richtlinien das nach der Geburt erzielte Entgelt in voller Höhe berücksichtigt werden."
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitige Berufung des Beklagten. Er hält die Richtlinien für rechtmäßig und verbindlich. Dabei räumt er ein, dass dann, wenn ein Minijob unter Verzicht auf die rentenversicherungsrechtliche Versicherungsfreiheit ausgeübt wird, nach der auf die Richtlinien gestützten Verwaltungspraxis Werbungskosten in Ansatz gebracht werden. Es sei aber zu bedenken, dass die vom Sozialgericht zugrunde gelegte Auffassung in den meisten bzw. den in der Arbeitswelt viel häufigeren Fällen, in denen Frauen vor der Geburt eines Kindes einen Minijob ausübten, für sie günstiger sei, weil sich danach dann höhere Elterngeldleistungen errechneten.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 14.1.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 4.12.2008, der nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden ist, im vom SG tenorierten Umfang im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert. Denn dieser Bescheid ist insoweit rechtswidrig, der Beklagte war nicht befugt, die ursprüngliche Bewilligung von Elterngeld wegen des später von der Klägerin erzielten Verdienstes in dem mit dem angefochtenen Bescheid vom 4.12.2008 angeordneten Umfang – d.h. ohne Berücksichtigung pauschalierter Werbungskosten für die geringfügige Beschäftigung der Klägerin – ab dem 8. Lebensmonat des Kindes aufzuheben und die gewährten Leistungen in der festgesetzten Höhe zurückzufordern.
Grundsätzlich durfte der Beklagte die ursprüngliche Bewilligung des Elterngeldes aufheben, denn die Voraussetzungen der hierfür allein in Betracht kommenden (vom Beklagten allerdings nicht genannten) Rechtsgrundlage des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) liegen vor: Die Klägerin hat nach der Bewilligung des Elterngeldes ab Juni 2008 Einkommen bezogen, das nach § 2 Abs. 3 BEEG zu berücksichtigen war. Insoweit ist in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 18.1.2008 vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten, die nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X auch zu einer (rückwirkenden) Aufhebung der Bewilligung ab dem 8. Lebensmonat des Kindes berechtigte. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt.
Jedoch ist bezogen auf die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens keine wesentliche nachträgliche Änderung in den Verhältnissen in dem Umfang eingetreten, den der Beklagte für seine Berechnung angenommen hat. Gemäß § 2 Abs. 7 S. 1 BEEG ist nämlich als Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über die mit 1/12 des Pauschbetrages nach § 9a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchstabe a EstG anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen. Diese Norm hat der Beklagte unter Hinweis auf die Richtlinien des zuständigen Ministeriums falsch ausgelegt. Die Richtlinien sind, wie das Sozialgericht im Einzelnen dargelegt hat, wegen Verstoß gegen das höherrangige Recht des § 2 Abs. 7 S. 1 BEEG rechtswidrig. Der Senat verweist insofern gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts, die er sich im vollen Umfang zu eigen macht.
Angesichts des für die Rechtsanwendung verbindlichen Wortlauts des Gesetzes in § 2 Abs. 7 S. 1 BEEG können auch die vom Beklagten für die anders lautenden Richtlinien angeführten allgemeinen sozialpolitischen Erwägungen zu keinem anderen Ergebnis führen. Unabhängig davon ist für den Senat nicht ersichtlich, aus welchen rechtlichen (oder sonstigen) Gründen gerade die Arbeitnehmer(innen), die eine geringfügige Beschäftigung ausüben und gem. § 5 Abs. 2 S. 2 6. Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) auf die Versicherungsfreiheit verzichtet haben, nach den Richtlinien – doppelt – ungünstig gestellt werden sollen. Die Richtlinien verstoßen insofern nicht nur gegen höherrangiges Recht, sondern sind auch in sich widersprüchlich.
Wie das Sozialgericht ferner zutreffend dargelegt hat, hatte die Klägerin somit Anspruch auf Elterngeld ab dem 8.Lebensmonat in Höhe von 775,42 Euro, so dass es tatsächlich nur zu einer Überzahlung von 380,66 Euro gekommen ist. Soweit der Beklagte bei der Ermittlung des im Bezugszeitraums erzielten Einkommens auch steuerfreie Zuschläge berücksichtigt hat, hat er sich verpflichtet, unabhängig vom Ausgang dieses Verfahrens insofern eine Neuberechnung ohne Berücksichtigung dieser Entgeltbestandteile vorzunehmen, so dass hierüber nicht zu entscheiden war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Erstellt am: 25.01.2012
Zuletzt verändert am: 25.01.2012