Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 24.03.2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin (AS) wendet sich gegen die Erhebung von Beiträgen zur Krankenversicherung (KV) und Pflegeversicherung (PV) aus Versorgungsbezügen in Form der Kapitalzahlung aus einer betrieblichen Direktversicherung.
Die 1944 geborene AS ist seit 1975 Mitglied der Antragsgegnerin (AG). Seit dem 00.00.2009 unterliegt sie aufgrund Bezugs einer Altersrente der Deutschen Rentenversicherung der Versicherungspflicht in der KV der Rentner.
Ursprünglich war die AS im Einzelhandelsbetrieb ihres Ehemannes beschäftigt. Dieser schloss am 01.10.1975 zu ihren Gunsten eine Kapitallebensversicherung bei der J Lebensversicherung AG ab. Die Beiträge wurden durch den Arbeitgeber gezahlt. 1980 wurde die Vertragslaufzeit und die Beitragszahlungsdauer auf das Jahr 2009 verlängert. Nach dem Tod ihres Ehemannes am 00.00.1997 übernahm die AS das Einzelhandelsgeschäft. Mit Wirkung ab 01.10.1997 trat sie als Versicherungsnehmerin in den Lebensversicherungsvertrag mit der J Lebensversicherung AG ein. Als besondere Vereinbarung ist auf dem Versicherungsschein vom 25.09.1997 u.a. vermerkt: "Dieser Vertrag war eine Direktversicherung, die beim Ausscheiden aus den Diensten des Arbeitgebers auf den Arbeitnehmer übertragen worden ist. Es gelten weiterhin die Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung sowie einer ggf. bestehenden Betriebsvereinbarung." Ab Oktober 1997 zahlte die AS die Versicherungsbeiträge aus ihren Privateinkünften.
Im Oktober 2009 zeigte die J Lebensversicherung AG der AG an, dass aus der Lebensversicherung zum 01.01.2009 zu Gunsten der AS eine Versicherungssumme i.H.v. 210.439,84 EUR fällig sei.
Mit Bescheid vom 29.10.2009 teilte die AG der AS mit, dass die Kapitalleistung der Beitragspflicht zur KV und PV unterliege. Für die Beitragsbemessung gelte 1/120 der Kapitalleistung (1.753,67 EUR) als monatlicher Zahlbetrag. Der Beitragssatz zur KV betrage 14,9 %, der zur PV 1,95 %. Ab dem 01.11.2009 habe die AS somit für 10 Jahre monatlich 261,30 EUR für die KV und 34,20 EUR für die PV zu zahlen.
Mit ihrem Widerspruch berief sich die AS auf verfassungrechtliche Bedenken insbesondere im Hinblick auf den von ihr aus eigenen Beiträgen finanzierten Anteil der Versicherungsleistung i.H.v. 52.557,34 EUR. Ihrem Antrag, die Vollziehung des Bescheides vorläufig auszusetzen, entsprach die AG nicht (Schreiben vom 22.01.2010).
Am 11.03.2010 hat die AS um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und vorgetragen, auch wenn ursprünglich eine betriebliche Altersversorgung vorgelegen habe, sei der Zusammenhang mit ihrer früheren Berufstätigkeit mit dem Tod des Ehemannes aufgelöst worden. Auch zu dessen Lebzeiten seien die Beiträge nicht nur im Hinblick auf ihre Erwerbstätigkeit, sondern auch im Hinblick auf eine Altersabsicherung gezahlt worden.
Die AS hat schriftsätzlich beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 02.12.2009 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 29.10.2009 anzuordnen, hilfsweise teilweise anzuordnen.
Die AG hat schriftsätzlich beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen, aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur auf Kapitalauszahlungen der betrieblichen Altersvorsorge beruhender Beitragspflicht bestünden keine ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidung. Deren Vollziehung bedeute keine unbillige Härte für die AS.
Das Sozialgericht (SG) Detmold hat den Antrag mit Beschluss vom 24.03.2010 – der AS zugestellt am 26.03.2010 – abgelehnt und unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) die Auffassung vertreten, nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des Beitragsbescheides vom 29.10.2009. Aus den von der AS vorlegten Versicherungsunterlagen ergebe sich, dass es sich bei der Lebensversicherung aus dem Jahr 1975 um eine so genannte Direktversicherung gehandelt habe, also eine Versicherung, mit der für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen werde und aufgrund derer der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistungen des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt seien. Die Leistungen aus einer Direktversicherung würden auch deshalb nicht ihren Charakter als Versorgungsbezug verlieren, weil sie zum Teil oder ganz auf Leistungen des Arbeitnehmers bzw. des Bezugsberechtigten beruhten. Sie blieben auch dann in vollem Umfang Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, wenn nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Beiträge allein vom Beschäftigten als Versicherungsnehmer getragen worden seien. Nach der Übernahme des Einzelhandelsbetriebes habe die AS die Möglichkeit gehabt, die Versicherung zu übernehmen. Ein neuer Versicherungsvertrag sei aber nicht geschlossen worden. Im Übrigen bedeute die monatliche Zahlung der Beiträge zur KV und PV auch keine unbillige Härte.
Mit ihrer am 26.03.2010 eingelegten Beschwerde wendet sich die AS unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags gegen diese Entscheidung. Zu berücksichtigen sei, dass der ursprüngliche Versicherungsvertrag 1997 geändert worden sei und dass seitdem die Versicherungsbeiträge ausschließlich von ihr gezahlt worden seien.
Die AS beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 24.03.2010 abzuändern und nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.
Die AG beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen,
und verweist darauf, dass der Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2010 zurückgewiesen worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der AG Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der AS ist nicht begründet (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Der Senat geht dabei zu Gunsten der AS, die zumindest gegenüber dem Senat ausdrücklich von einer Stellungnahme u.a. zu dem Widerspruchsbescheid vom 12.05.2010 Abstand genommen hat, davon aus, dass sie fristgerecht Klage gegen Widerspruchsbescheid erhoben hat. Ansonsten würde es bereits am Rechtsschutzbedürfnis der AS an der begehrten Entscheidung fehlen. Auf dieser Grundlage ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet.
Nach § 86a Abs. 2 SGG entfällt die sonst grundsätzlich eintretende aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage (§ 86a Abs. 1 SGG) bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG) ebenso wie bei den hier nicht in Betracht kommenden sonstigen in § 86a Abs. 2 SGG abschließend aufgezählten Fällen. Dabei kann in den Fällen des § 86a Abs. 2 SGG die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder die über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen (§ 86a Abs. 3 S.1 SGG). Auf Antrag kann (auch) das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, ganz oder teilweise anordnen (§ 86b Abs.1 Nr. 2 SGG).
Bei den Entscheidungen des Gerichts nach § 86b Abs. 1 SGG hat (wie auch bei den entsprechenden Entscheidungen der Behörde nach § 86a Abs. 3 SGG, vgl. Keller in Meyer/Ladewig-Keller SGG, 9. Auflage, 2008, § 86a Rdn. 26) eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen stattzufinden. Dabei steht eine Prüfung der Erfolgsaussichten zunächst im Vordergrund. Auch wenn das Gesetz keine materiellen Kriterien für die Entscheidung nennt, kann als Richtschnur für die Entscheidung davon ausgegangen werden, dass das Gericht dann die aufschiebende Wirkung wiederherstellt, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene durch ihn in subjektiven Rechten verletzt wird. Am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse (LSG NRW, Beschluss vom 23.08.2006 – L 10 B 11/06 KA ER – und Beschlüsse des Senats vom 02.04.2009 – L 11 KA 2/09 ER – und vom 22.02.2010 – L 11 KR 4/10 B ER -; Düring in Jansen, SGG, 3. Auflage, 2009, § 86b Rdn. 11). Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die Regelung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu beachten, dass in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG die Vollziehung ausgesetzt werden soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Auch über diese ausdrückliche Regelung hinaus ist das aus den Regelungen des § 86a SGG hervorgehende gesetzliche Regel-Ausnahmeverhältnis zu beachten: In den Fallgruppen des § 86a Abs. 2 Nrn. 2 bis 4 SGG ist maßgebend zu beachten, dass der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine davon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – zu § 80 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 Verwaltungsgerichtsordnung). In den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG haben Widerspruch und Klage hingegen grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Es ist ein öffentliches Vollzugsinteresse oder ein überwiegendes Interesse eines Beteiligten erforderlich. Nur dann wird (ausnahmsweise) die sofortige Vollziehung angeordnet. Das Gericht hat insbesondere zu berücksichtigen, wie schwerwiegend die Beeinträchtigung durch die aufschiebende Wirkung gerade im grundrechtsrelevanten Bereich ist. Bei Eingriffen in die Berufsfreiheit müssen die Gründe für den Sofortvollzug in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen und ein Zuwarten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptverfahrens ausschließen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 28.08.2007 – 1 BvR 2157/07 – und vom 11.02.2005 – 1 BvR 276/05 -; BVerfG, NJW 2003 S. 3618, 3619; vgl. auch Düring a.a.O.).
Ausgehend hiervon kann der Antrag keinen Erfolg haben. Der Beitragsbescheid vom 29.10.2009 ist nicht offenkundig rechtswidrig; es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage Bezug auf den angefochtenen Beschluss des SG (§ 153 Abs. 2 SGG, § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) und merkt ergänzend an:
Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 12.12.2007 – B 12 KR 2/07 R -; Urteil vom 12.12.2007 – B 12 KR 6/06 R -; Urteil vom 25.04.2007 – B 12 KR 25/05 R -; Urteil vom 25.04.2007 – B 12 KR 26/05 R -) ausgeführt, dass Leistungen aus Direktversicherungen ihren Charakter als Versorgungsbezug nicht deshalb verlieren, weil sie zum Teil oder ganz auf Leistungen des Arbeitnehmers bzw. des Bezugsberechtigten beruhen. Sie bleiben auch dann im vollen Umfang Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, wenn nach Beendigung der Erwerbstätigkeit die Beiträge allein vom Beschäftigten als Versicherungsnehmer getragen werden. Bei der Begründung der Beitragspflicht ist nicht auf den nachweisbaren Zusammenhang mit dem früheren Erwerbsleben abzustellen, sondern typisierend anzuknüpfen. Das BSG hält somit an einer "institutionellen Abgrenzung" fest, die sich allein daran orientiert, ob die Rente von einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung gezahlt wird. Diese Abgrenzung vermeide auch die praktische Schwierigkeit, Zahlungen in einen beitragsfreien und einen beitragspflichtigen Teil aufspalten zu müssen.
Die AS hat 1997 auch keinen neuen Versicherungsvertrag geschlossen. Mit der Vertragsänderung wurde ausweislich des Versicherungsscheins vom 25.09.1997 der Direktversicherungsvertrag auf die AS übertragen und wurde ausdrücklich vereinbart, dass weiterhin die Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung sowie einer ggf. bestehenden Betriebsvereinbarung gelten.
Zur Frage, ob ein gemischt finanzierter Direktversicherungsvertrag, der betrieblich begonnen und nach Ausscheiden aus dem Unternehmen vom Arbeitnehmer privat weiter finanziert wurde, als betriebliche Altersversorgung anzusehen ist und eine umfassende Beitragspflicht begründet, ist zwar beim BVerG unter dem Aktenzeichen 1 BvR 739/08 noch eine Verfassungsbeschwerde anhängig; dies allein reicht aber nicht aus, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides zu begründen (vgl. auch Beschlüsse des Senats vom 22.02.2010 a.a.O. und vom 03.05.2010 – L 11 KR 139/10 B ER -).
Die AS hat im Übrigen nicht glaubhaft gemacht, dass die Vollziehung für sie eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hat. Bestenfalls kommt für sie eine Reduzierung der Beitragspflicht unter Zugrundelegung des nur durch Zahlungen des Arbeitsgebers begründeten Teils der Versicherungssumme i.H.v. 157.882,50 EUR und damit derzeit eine Reduzierung des zu zahlenden Versicherungsbeitrags auf 221,69 EUR (157.882,50 EUR: 120 x 16,85%) in Betracht. Der damit letztlich in Streit stehende Betrag von 73,81 EUR ist bei Einkünften der AS von 1.277,41 EUR (1.499,10 EUR – 221,69 EUR) noch als gering und als nicht deren Existenz gefährdend anzusehen.
Schließlich entspricht auch die Höhe der Beitragsforderung den gesetzlichen Vorgaben (§ 229 Abs. 1 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 193, 183 SGG.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 03.08.2010
Zuletzt verändert am: 03.08.2010