Auf die Beschwerde der Beigeladenen zu 6) wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 22.02.2010 abgeändert und der Streitwert auf 481.747,50 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger auf seinen Antrag vom 06.10.2007 Anspruch auf Erteilung einer Zulassung als Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt "Kardiologe" wegen eines Sonderbedarfs in Mülheim an der Ruhr hat.
Nach Erledigung des Rechtsstreits durch Urteil vom 28.01.2010, mit dem der Beklagte zur Neubescheidung des Antrags verurteilt wurde, hat das Sozialgericht (SG) Duisburg mit Beschluss vom 22.02.2010 den Streitwert auf 483.000,00 EUR festgesetzt. Dabei hat es unter Hinweis auf die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) veröffentlichten "Grunddaten der vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland" ein Jahreshonorar der fachärztlich tätigen Internisten i.H.v. ca. 396.500,00 EUR für drei Jahre abzüglich Praxiskosten i.H.v. 59,9 v.H. einen Streitwert i.H.v. 483.000,00 EUR errechnet.
Mit fristgerecht eingelegter Beschwerde begehrt die Beigeladene 6) eine Herabsetzung des Streitwerts. Das SG habe verkannt, dass die zugrunde gelegten Zahlen den Durchschnittsumsatz von fachärztlich tätigen Internisten verschiedenster Schwerpunktbezeichnung ausweise. Mit der vom Kläger erstrebten Sonderbedarfszulassung als Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie ließen sich derartige Bruttoumsätze nicht erzielen. Vielmehr hätte diese so einzugrenzende Ärztegruppe in ihrem Bereich im Jahr 2008 nach interner Berechnung einen durchschnitttlichen Honorarumsatz i.H.v. 190.032,80 EUR erzielt; dies ergebe abzüglich der Praxiskosten von 59,5 % einen Nettoumsatz in drei Jahren i.H.v. 230.889,85 EUR.
Die Beigeladene zu 6) beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts vom 22.02.2010 abzuändern und den Gegenstandswert auf 230.889,85 EUR festzusetzen.
Der Kläger beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Bedarfsplanung unterscheide nicht nach Schwerpunkten oder Untergruppen. Unabhängig davon enthielten die Umsatzzahlen des Beklagten (wohl) auch Umsätze ermächtigter Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt "Kardiologie"; die Zahlen seien jedenfalls nach seiner Erfahrung mit der Abrechnungswirklichkeit nicht in Einklang zu bringen und stünden mit den bislang festgesetzten – von dem Beklagten unbeanstandeten – Streitwerten für kardiologische Zulassungen im Widerspruch. Im Übrigen habe die Beigeladene zu 6) die EBM-bedingte Honorarerhöhung, welche in den zu erwartenden Bruttoumsatz Eingang finden müsse, unberücksichtigt gelassen.
Der Beklagte schließt sich ohne eigene Antragstellung und Begründung der Auffassung der Beigeladenen zu 6) an.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist im tenorierten begründet. Das SG hat den Streitwert rechnerisch unzutreffend festgesetzt.
Der erstinstanzliche Beschluss steht mit seiner rechtlichen Begründung indessen im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, der bereits in seinem Beschluss vom 15.06.2009 – L 11 B 2/09 KA ER – ausgeführt hat:
Nach §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in der Fassung des Kostenmodernisierungsgesetzes vom 05.05.2004 (BGBl. 1, 718) bestimmt sich die Höhe des Streitwertes nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Streitsache. Maßgebend ist grundsätzlich dessen wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 26.03.2003 – L 10 B 2/03 KA -, 13.08.2003 – L 10 B 10/03 KA ER -, 24.02.2006 – L 10 B 21/05 KA-).
1. Ausgehend vom Streitgegenstand (unbefristete Sonderbedarfszulassung) wird das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers durch die Höhe der in einem bestimmten Zeitraum (dazu nachfolgend a)) zu erzielenden Einnahmen (dazu nachfolgend b)) bestimmt.
a) Soweit es ein Hauptsacheverfahren auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung anlangt, ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht mehr von einem Fünf-Jahres-Zeitraum sondern nur noch von einem Drei-Jahres-Zeitraum auszugehen (BSG, Beschluss vom 12.10.2005 – B 6 KA 47/04 B -; Urteil vom 01.09.2005 – B 6 KA 41/04 R -). ( …)
b) In Zulassungsangelegenheiten ist der Streitwert in der Regel in Höhe des Umatzes anzusetzen, den der Arzt bei erlangter Zulassung innerhalb der nächsten Zeit aus vertragsärztlicher Tätigkeit erzielen könnte, abzüglich des Praxiskostenanteils (vgl. BSG, Beschluss vom 12.09.2006 – B 6 KA 70/05 B -). Für die Umsätze ist in dem Regelfall einer Klage auf Zulassung – da insoweit keine individuellen Umsätze des Vertragsarztes vorliegen, die herangezogen werden könnten – auf die Beträge abzustellen, die im Gesamtbundesdurchschnitt (bzw. für Regionen in den neuen Bundesländern im Durchschnitt dieser Länder) für die Arztgruppe ausgewiesen sind, welcher der Arzt angehört (dazu Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)- Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland). Sofern Daten des jeweiligen KV-Bezirks vorliegen, in welchem der betroffene Vertragsarzt tätig war bzw. tätig werden möchte, können auch diese Umsätze zu Grunde gelegt werden (BSG, Beschluss vom 01.09.2005 – B 6 KA 41104 R -). Soweit nicht auf individuelle Umsätze zurückgegriffen werden kann und eine Arztgruppe betroffen ist, für die keine Daten des Gruppendurchschnitts vorliegen, kann es in Betracht kommen, den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu schätzen oder auf den Durchschnitt der Umsätze aller Arztgruppen abzustellen. Vom Zeitpunkt her sind die Verhältnisse desjenigen Jahres zu Grunde zu legen, in dem der jeweilige Rechtszug eingeleitet worden ist. Soweit die Werte dieses Jahres noch nicht ermittelt worden oder jedenfalls noch nicht bekannt sind, ist auf die zeitnächsten verfügbaren Daten zurückzugreifen (BSG, Beschluss vom 26.09.2005 – B 6 KA 69/04 B -). Für die Praxiskostenanteile ist pauschalierend auf die Kostenquote abzustellen, die im Gesamtbundesdurchschnitt (bzw. für Regionen in den neuen Bundesländern im Durchschnitt dieser Länder) für die Arztgruppe ausgewiesen ist, welcher der betroffene Arzt angehört (vgl. KBV, Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland). Ist eine Arztgruppe betroffen, für die keine Daten vorliegen, kann es in Betracht kommen, entweder auf die durchschnittliche Kostenquote aller Arztgruppen oder auf einen pauschal gegriffenen Kostensatz von z.B. 50 v.H. abzustellen (BSG, Beschluss vom 12.10.2005 – B 6 KA 47/04 B -). Nach diesen Grundsätzen ist für die vom Antragsteller angestrebte vertragsärztliche Tätigkeit als Facharzt für Innere Medizin ein durchschnittlicher Umsatz von jährlich 396.000,00 EUR anzusetzen (KBV, Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland, 2008, Tabelle 11.2 (gesamtes Bundesgebiet)). Maßgebend sind insoweit die das Jahr 2007 betreffenden Daten, da die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 26.09.2007 bereits am 25.10.2007 beim SG anhängig gemacht worden ist. Da die KBV für 2007 keine Praxiskostenanteile veröffentlicht hat, ist es sachgerecht, auf die zeitnächst verfügbaren Daten zurückzugreifen (BSG, Beschluss vom 12.10.2005 – B 6 KA 47/04 -). Das sind jene für das Jahr 2003, nämlich 59,5 v.H. (KBV, Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland, 2004, Tabelle 111.4 (gesamtes Bundesgebiet)). Daraus ergibt sich ein Einnahmen-Ausgaben-Überschuss von 160.380,00 EUR für ein Jahr.
2. Im Hinblick auf die gebotene pauschalierende Bestimmung von Streitwerten ist eine Reduzierung weder unter dem Gesichtspunkt veranlasst, dass eine neue Praxis in ihrer Anlaufphase möglicherweise noch nicht solche Umsätze erreichen wird (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 12.08.2003 – L 10 B 12/03 KA -, 25.06.2003 – L 10 B 1/03 KA -, 10.12.2007 – L 10 B 39/06 KA – ), noch im Hinblick darauf, dass der Antragsteller nur eine – auf ein engeres Tätigkeitsspektrum begrenzte – Sonderbedarfszulassung begehrt (BSG, Beschluss vom 12.10.2005 – B 6 KA 47/04 -). Gleichermaßen irrelevant ist der Hinweis des Beigeladenen zu 8) darauf, dass angesichts der Individualbudgetierung für das Quartal 1/2007 maximal 29.915,76 EUR Honorareinnahmen abzüglich eines Kostenanteils von 59,5 % zu erzielen sind. Dieser Ansatz entspricht nicht der Rechtsprechung des BSG, nach der grundsätzlich auf die von der KBV veröffentlichten Daten zurückzugreifen und der erzielbare Umsatz maßgebender Anknüpfungspunkt ist (vgl. BSG vom 12.09.2006 – B 6 KA 70/05 B -; Beschlüsse des 10. Senats vom 24.02.2006 – L 10 B 21/05 KA – und 10.12.2007 – L 10 B 39/06 KA -). ( …)
Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, besteht kein Anlass.
Ausgehend davon hat das SG den Streitwert für das Hauptsacheverfahren im Grundsatz zu Recht auf die von der KBV veröffentlichten Grunddaten gestützt. Der Streitwert berechnet sich indes unter Zugrundelegung eines Bruttoumsatzes i.H.v. 396.500,00 EUR abzüglich Praxiskosten von 59,5 % – und nicht 59,9 % – für drei Jahre auf 481.747,50 EUR (396.500,00 EUR – 235.917,50 EUR = 160.582,50 EUR).
Dieser Beschluss ergeht gebührenfrei; Kosten sind nicht zu erstatten (§ 68 Abs. 3 GKG).
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde nicht gegeben (§ 68 Abs. 2 S. 6 i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 3 GKG, § 177 Sozialgerichtsgesetz).
Erstellt am: 20.10.2010
Zuletzt verändert am: 20.10.2010