Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 29.04.2010 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren wird für notwendig erklärt.
Gründe:
Die Antragsgegnerin (AG), eine gesetzliche Krankenkasse, schrieb die Vergabe von Verträgen nach § 129 Abs. 5 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten im Offenen Verfahren europaweit aus (ABI. EU 2010/S 12-015326 v. 19.01.2010, berichtigt durch ABI. EU 2010/S 43-062081 und ABI. EU 2010/S 53-077420 v. 03.03.2010 sowie ABI. EU 2010/S 58-085406 v. 17.03.2010).
Die Ausschreibung bezieht sich auf das Gebiet des Landes Berlin, das – unter Verzicht auf die Bildung von Fachlosen – in 13 Gebietslose aufgeteilt wurde. Gegenstand des Vergabeverfahrens sind Versorgungsverträge in Form von Rahmenvereinbarungen mit jeweils einer Apotheke pro Los, nachdem die AG zunächst die Vergabe von zwei Rahmenvereinbarungen in den jeweiligen Gebietslosen vorgesehen hatte. Neben den "klassischen" Zytostatika werden auch therapeutische monoklonale Antikörper, die ebenfalls im Rahmen der Krebstherapie zur Anwendung kommen, von der Ausschreibung erfasst.
Der Vertrag soll für die Dauer eines Jahres abgeschlossen werden. Bietern ist es freigestellt, bei der Auftragsdurchführung Nachunternehmer einzusetzen. Mit den Verdingungsunterlagen wurde ein Produktblatt zur Verfügung gestellt, das – aufgeschlüsselt nach den einzelnen Gebietslosen – die abgegebenen Wirkstoffmengen des ersten Halbjahres 2009 in mg enthält. Die Bieter haben pro Wirkstoff einen Festpreis anzubieten. Zuschlagskriterium ist ausschließlich der niedrigste Preis.
§ 4 Abs. 3 des Versorgungsvertrages enthält folgende Abrede:
"Die Krankenkasse hat in Bezug auf die Versorgung ihrer Versicherten mit parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie einen Sicherstellungsauftrag gemäß § 129 Absatz 5 Satz 3 SGB V. Dementsprechend verpflichtet sich die Krankenkasse nach Erteilung des Zuschlags in dem jeweiligen Gebietslos, die dort ambulant behandelnden Ärzte, die in den Anwendungsbereich dieses Vertrages gemäß § 1 Absatz 1 Satz 2 und § 3 Absatz 1 Satz 4 einbezogen sind und Rezepturen im Sinne des Vertrages verordnen, zu informieren. Diese Information beinhaltet den Hinweis, dass die Sicherstellung der Versorgung im unter § 3 Absatz 1 bezeichneten Gebietslos allein durch den Apotheker als Vertragspartner der Krankenkasse nach § 129 Absatz 5 Satz 3 SGB V erfolgt und die Ärzte sämtliche vertragsgegenständlichen Zubereitungen bei dem Apotheker zu beziehen haben."
§ 4 Abs. 4 des Versorgungsvertrages regelt:
"Die Lieferfähigkeit des Apothekers vorausgesetzt, verpflichtet sich die Krankenkasse, vertragsgegenständliche Zubereitungen, die von anderen Personen als dem Apotheker an Arztpraxen abgegeben werden, die im Gebiet des in § 3 Absatz 1 dieses Vertrages bestimmten Loses ambulant behandeln, bei der Abrechnung nicht zu berücksichtigen und von der Erstattung in vollem Umfang auszuschließen. Die Herstellung und Auslieferung von Rezepturen durch Apotheker oder Herstellungsbetriebe, die für dieses Gebietslos keinen Zuschlag erhalten haben, erfolgt mithin auf deren alleiniges finanzielles Risiko."
§ 10 des Versorgungsvertrages sieht u.a. folgende Vereinbarungen vor:
"1) Kommt es entgegen § 2 Abs. 2 dieses Vertrages an mindestens sieben Tagen in einem Zeitraum von drei aufeinanderfolgenden Monaten zu einem Lieferausfall für vertragsgegenständliche Zubereitungen, verwirkt der Apotheker eine Vertragsstrafe, es sei denn, der Apotheker weist nach, dass ihn in Bezug auf den Lieferausfall und in Bezug auf dessen fehlende Behebung kein Verschulden im Sinne von §§ 276, 278 trifft. ( …)
3) Der Apotheker verwirkt eine Vertragsstrafe auch dann,
a) wenn er oder ein für ihn tätiger Dritter zur Herstellung der vertragsgegenständlichen Zubereitungen ein nicht zugelassenes Arzneimittel verwendet,
b) wenn er oder ein für ihn tätiger Dritter bei der Herstellung der vertragsgegenständlichen Zubereitungen die dafür anwendbaren Rechtsvorschriften nicht beachtet.
c) wenn er in Bezug auf die vertragsgegenständlichen Rezepturen gegen die ihm nach § 6 zukommenden Pflichten verstößt oder sonst eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung zur Erstattung bei der Krankenkasse einreicht.
d) wenn er die ihm nach § 9 dieses Vertrages obliegenden Informationspflichten nicht erfüllt,
es sei denn, der Apotheker weist nach, dass ihn in Bezug auf den zur Verwirkung der Vertragsstrafe führenden Tatbestand kein Verschulden im Sinne von §§ 276, 278 BGB trifft. ( …)
5) Die Höhe der Vertragsstrafe für den Einzelfall einer Verwirkung beträgt EUR 25.000.
6) Die Summe aller Vertragsstrafen beträgt insgesamt über die Vertragslaufzeit und dem Verlängerungszeitraum nach § 13 Absatz 1 dieses Vertrages höchstens fünf v.H. des Gesamtumsatzes, den der Apotheker auf Grund dieses Vertrages mit der Abgabe von vertragsgegenständlichen Zubereitungen erzielt. ( …)"
Unter dem 01.02.2010 rügte die Antragstellerin (AS), die Gebote zu den Gebietslosen 1, 2, 3, 4, 6, 8, 10, 12 und 13 abgegeben hat, u.a. die fehlende Durchsetzbarkeit der im Versorgungsvertrag vorgesehenen Exklusivität zugunsten des Ausschreibungsgewinners als Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses, die aus ihrer Sicht unzureichende Datengrundlage, die Preisbildung nach "Preisen in Milligramm Wirkstoff in Euro" sowie weitere Verstöße gegen § 8 Nr. 1 Abs. 1 bis 3 Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A). Die AG wies sämtliche Rügen zurück (Schreiben v. 16.02.2010).
Am 18.02.2010 hat die AS bei der Vergabekammer (VK) des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragt und die (zunächst) in der Bekanntmachung vom 19.01.2010 vorgesehene Limitierung der Angebote auf jeweils ein Gebietslos pro Bieter beanstandet. Im Rahmen eines bei der VK des Landes Brandenburg von einem weiteren Bieter eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens hat die VK gemäß § 115 Abs. 3 GWB die Aussetzung der Öffnung der Angebote mit der Begründung angeordnet, dass die vorgesehene Loslimitierung gegen den Wettbewerbsgrundsatz verstoße (Beschluss v. 23.02.2010 – VK 8/10).
Die AG hat im Anschluss durch Bekanntmachung vom 03.03.2010 die Loslimitierung aufgegeben und die Zahl der möglichen Zuschläge auf vier begrenzt. In den Verdingungsunterlagen vom 05.03.2010 hat die AG die Zahl der Verordnungen unter Aufschlüsselung auf die einzelnen Gebietslose mit insgesamt 15.727 angegeben. Sie hat ferner mitgeteilt, dass nach ihrem Kenntnisstand bei den vertragsgegenständlichen Zubereitungen die aut-idem-Substitution nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen werde. Daraufhin hat die AS ihren Nachprüfungsantrag insoweit für erledigt erklärt und die Feststellung beantragt, durch die zunächst vorgenommene Loslimitierung in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Schriftsatz v. 15.03.2010). Die VK hat das Verfahren im Hinblick auf den Feststellungsantrag abgetrennt.
Im Nachprüfungsverfahren hat die AS zuletzt im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Der von der AG vorgesehene Vorrang des zu schließenden Versorgungsvertrages verstoße gegen zwingende Regelungen des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 5 (Rahmenvertrag) und des Arzneimittelversorgungsvertrages Berlin. § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V sei keine "Spezialregelung" gegenüber den zwingenden kollektiv- oder arzneimittelrechtlichen Normen. Die AG dürfe in den Einzelverträgen nach dem Wortlaut des § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V zur Sicherstellung der Versorgung nur Regelungen zu Preisen vornehmen, die in den nur insoweit dispositiven Kollektivvereinbarungen (Rahmenvertrag, Arzneimittelliefervertrag und Hilfstaxe) vorgesehen seien. Könnten Apotheken demgegenüber durch Exklusivverträge von der Belieferung der Versicherten ausgeschlossen werden, wären derartige Vereinbarungen als unzulässige Verträge zu Lasten Dritter (der Versicherten, der verordnenden Vertragsärzte, aber auch der ausgeschlossenen Apotheken) zu qualifizieren. Die von der AG beabsichtigten Exklusivvereinbarungen führten darüber hinaus sowohl zu einem Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt (§ 31 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB I) als auch zu einer Verletzung des verfassungsrechtlichen Bestimmtheits- und Wesentlichkeitsgebots.
§ 4 Abs. 3 des Versorgungsvertrages stelle überdies einen rechtswidrigen Boykottaufruf i.S.d. § 21 Abs. 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) dar und sei daher nichtig. Die Vertragsärzte würden zu einer Bezugssperre aufgefordert, weil sie keine parenteralen Zubereitungen von anderen Apotheken als dem Ausschreibungsgewinner beziehen dürften. Auch der in § 4 Abs. 4 Satz 1 des Versorgungsvertrages geregelte Erstattungsausschluss verstoße gegen die Kollektivverträge; der Vergütungsanspruch des Apothekers aus § 129 Abs. 2 SGB V i.V.m. dem Rahmenvertrag könne durch einen Einzelvertrag nach § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V nicht beseitigt werden. Letztlich gefährde die AG durch ihre Ausschreibung die etablierte und bewährte Versorgungsstruktur.
Die AG habe den Bietern außerdem keine statistisch valide Datengrundlage zur Verfügung gestellt. Die Angabe lediglich der Wirkstoffmengen, Verordnungszahlen und der Anzahl der Anlieferstellen aus dem 1. Halbjahr 2009 versetze die Bieter nicht in die Lage, die im Vertragszeitraum zu liefernden Wirkstoffmengen realistisch kalkulieren zu können. Zwischen den Gebietslosen existierten signifikante Mengenabweichungen bei den einzelnen Wirkstoffen. Teilweise würden auch in einzelnen Gebietslosen Wirkstoffe verordnet, die in anderen überhaupt nicht verwendet würden. Ob diese Verordnungsmengen und -arten typisch oder zufällig entstanden seien, könne sich nur bei Kenntnis der Daten eines längeren Zeitraums erschließen. Zwar seien onkologische Erkrankungen stark individualisiert und die Verordnungen daher für die Zukunft nicht planbar. Diese Planungsunsicherheiten dürften aber das Maß des Unvermeidbaren nicht überschreiten.
Ebenso wenig sei eine Preisangabe "pro Milligramm Wirkstoff", die sämtliche Leistungen der Apotheke bei der Herstellung der Rezeptur mit abgelte, möglich. Denn hierbei seien auch die Herstellungskosten, d.h. Kosten für die Zubereitung, die Trägerlösung und die Primärpackmittel (Infusions- bzw. Leerbeutel) sowie der eventuell anfallende Verwurf mit einzukalkulieren. Um diese Kosten abschätzen zu können, seien Angaben zur Zahl der Zubereitungen pro Gebietslos jeweils bezogen auf den Wirkstoff zwingend erforderlich. Im Bereich der Onkologie existierten keine typischerweise verordneten Wirkstoffmengen oder Standarddosierungen, da sich die Therapie durch ein gegenüber "gewöhnlichen" Krankheiten erhöhtes Maß an Individualität auszeichne. Die AG habe es zudem unterlassen, die zu erwartende Substitutionsquote bzw. die Häufigkeit des aut-idem-Ausschlusses durch die Vertragsärzte zu ermitteln und anzugeben.
Das Festpreismodell der AG weiche von dem ansonsten üblichen Zuschlagsmodell ab. Die "Eckpunkte zur Umsetzung des Koalitionsvertrages für die Arzneimittelversorgung" verschärften zusätzlich die Unsicherheiten bei der Kalkulation. Auch die Vertragsstrafenregelung stelle sich als ungewöhnliches Wagnis dar, da die Regelung über den in § 12 VOL/A geregelten Fall des Überschreitens der Ausführungsfristen hinaus weitere Verwirkungstatbestände vorsehe, ohne dass erkennbar sei, weshalb die AG durch diese Verstöße erhebliche Nachteile erleiden sollte.
Schließlich sei unklar, in welchem Umfang, industrielle Hersteller als Nachunternehmer eingesetzt werden können. Dies mache eine vernünftige Angebotskalkulation unmöglich. Auch wenn der industrielle Hersteller über eine betriebsbezogene Herstellerlaubnis nach § 13 Arzneimittelgesetz (AMG) verfüge, müsse er zusätzlich für das Inverkehrbringen der Zubereitung eine Zulassung nach § 21 AMG vorweisen. Der Ausnahmetatbestand des § 21 Abs. 2 Nr. 1 b lit. a) AMG erfasse nicht die ebenfalls ausgeschriebenen monoklonalen Antikörper. Die von industriellen Herstellern produzierten Zubereitungen dürften somit wegen fehlender Zulassung nicht an Onkologen abgegeben werden. Anlage 3 Teil 2 zum Kollektivvertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen vom 01.01.2010 (Hilfstaxe) unterscheide ausdrücklich zwischen "zytostatikahaltigen parenteralen Lösungen" einerseits und "parenteralen Lösungen mit monoklonalen Antikörpern" andererseits. Auch der Wortlaut des § 129 Abs. 5 Satz 3 gehe von "in Apotheken" hergestellten parenteralen Zubereitungen aus. Die Ermächtigungsgrundlage als lex specialis zu § 13 Abs. 1 AMG erlaube daher nur den Abschluss von Verträgen über die Versorgung mit Zubereitungen, die gerade nicht von industriellen Herstellerbetrieben angefertigt worden seien. § 11 Abs. 2 Apothekengesetz (ApoG) gestatte die unmittelbare Abgabe der Zytostatikazubereitungen an den anwendenden Arzt auch nur, wenn diese im üblichen Apothekenbetrieb hergestellt worden seien. Dies sei bei industriellen Herstellerbetrieben gerade nicht der Fall.
Die erhobenen Beanstandungen beträfen keinesfalls nur vergaberechtlich nicht bzw. nur eingeschränkt überprüfbare Fragen des Sozial-, Apotheken- oder Arzneimittelrechts. Die AS berufe sich vielmehr auf die zweifelsfrei bieterschützenden Normen des § 8 Nr. 1 Abs. 1, 2 und 3 VOL/A. Sollten die Versorgungsverträge rechtswidrig oder gar nichtig i.S.d. § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sein, so wären sie rechtlich nicht durchsetzbar. Es sei jedoch unzumutbar, ein Angebot auf der Grundlage rechtswidriger Verdingungsunterlagen abzugeben.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, in dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren keine Zuschläge zu erteilen und die im Amtsblatt der EU vom 19. Januar 2010-201/S 12-015326 i.d.F. der Berichtigungsbekanntmachungen bekannt gemachte Ausschreibung aufzuheben.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
Die AG hat entgegnet: Die von der AS unter dem "Deckmantel" insbesondere des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A vorgebrachten Beanstandungen unterlägen nicht den Prüfungs- und Eingriffsbefugnissen der VK. Die AS moniere vielmehr die vorgelagerte Frage, ob § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V den Abschluss exklusiver Verträge in Abweichung zu den Kollektivverträgen gestatte. Die zugrundeliegende Wertentscheidung des Sozialrechts sei nicht als bieterschützende Norm im Sinne des Vergaberechts ausgestaltet. Das Vorbringen der AS sei auch in der Sache unbegründet. § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V sei als Ermächtigungsgrundlage ausreichend, da diese Vorschrift gegenüber den gesetzlichen bzw. kollektivvertraglichen Regelungen die speziellere Regelung darstelle; der Gesetzesvorbehalt könne somit ebenfalls nicht verletzt sein. Ebenso wenig werde der Versorgungs- bzw. Sicherstellungsauftrag konterkariert. Denn bei einem Lieferausfall könne man kurzfristig Übergangsvereinbarungen treffen oder auf die allgemeinen Vorschriften ausweichen.
Im Hinblick auf die vorgebrachten Einwände gegen den Einsatz industrieller Hersteller als Nachunternehmer sei bereits die Antragsbefugnis zweifelhaft. Die AS bedürfe als Apotheke aus Hannover zwingend eines Unterauftragnehmers. Lehne sie die Einschaltung ab, sei sie nicht in der Lage, die Leistungen vertragskonform erfüllen zu können. Auch in der Sache sei beim Einsatz von industriellen Lohnfertigern kein Verstoß gegen § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V zu erkennen. Die Bieter müssten lediglich dafür einstehen, dass sie die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen beim Einsatz von Unterauftragnehmern beachteten. Auch durch Unterauftragnehmer hergestellte Zubereitungen seien im Sinne des § 129 Absatz 5 Satz 3 SGB V "in Apotheken" hergestellt. Gemäß § 4 Abs. 14 AMG sei der Herstellungsbegriff weit gefasst und umfasse daher auch z.B. das – ggf. in Apotheken erfolgende – Umfüllen oder Kennzeichnen. Ausweislich der Begründung zur 15. AMG-Novelle sei der Begriff der Zytostatika weit zu fassen, so dass auch monoklonale Antikörper darunter fielen. Dass die Hilfstaxe eine andere Begriffsdefinition verwende, sei unerheblich.
Auf das Boykott- und Behinderungsverbot nach § 21 GWB könne sich die AS mangels Verletzung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren nicht berufen. Da Krankenkassen ihre Sachleistungspflicht gegenüber den Versicherten durch (ausschließliche) Verträge nach § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V erfüllen dürften, sei die Information der Ärzte über die Bevorzugung des Ausschreibungsgewinners ein reiner Hinweis auf die ohnehin bestehende Rechtslage. Auch das Recht auf freie Apothekenwahl werde durch die Information der Ärzte nicht berührt. § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V finde keine Anwendung, da die Arzneimittel nicht unmittelbar an Versicherte abgegeben würden.
Das den Bietern überlassene Datengerüst reiche aus. Die AS übersehe bereits, dass Ausschreibungen von Rahmenverträgen grundsätzlich kalkulatorische Ungewissheiten innewohnten. Die AG habe durch die Mitteilung der Wirkstoffmengen und der Verordnungszahlen pro Gebietslos aus dem 1. Halbjahr 2009 dennoch eine brauchbare Kalkulationsgrundlage zur Verfügung gestellt. Im Übrigen seien die Bieter aufgrund der Individualität der Erkrankungen und der entsprechenden individuellen Verordnungserfordernisse stets einem Wagnis ausgesetzt. Gerade bei einer Erstausschreibung könne dieser nicht unter Berufung auf § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A die Grundlage entzogen werden.
Konkrete Daten zur Substitutionsquote lägen nicht vor. Es sei bereits zweifelhaft, ob eine Quote aus der Vergangenheit Rückschlüsse auf das Verordnungsverhalten in der Zukunft unter veränderten Bedingungen zulasse. Die begehrten Angaben zum Verwurf seien ebenfalls nicht vorhanden, da dieser nicht gesondert abgerechnet werde. Für besonders teure Primärpackmittel sei eine Erstattungsregelung in den Versorgungsvertrag aufgenommen worden. Die übrigen Primärpackmittel (Infusions- und Leerbeutel) wie auch Trägerlösungen seien sehr preiswert, so dass ein kalkulatorisches Risiko nicht gegeben sei. Dass der Versorgungsvertrag keine generelle Preisanpassungsklausel zugunsten der Auftragnehmer vorsehe, sei unbedenklich, da Aufträge zu festen Preisen vergeben werden sollen; die Vertragsstrafenregelung stelle sich insgesamt als angemessen dar.
Durch Beschluss vom 29.04.2010, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat die VK den Nachprüfungantrag zurückgewiesen.
Gegen den ihr am 29.04.2010 zugestellten Beschluss hat die AS am 14.05.2010 sofortige Beschwerde eingelegt.
Sie hält im Wesentlichen an ihrem Vorbringen aus dem Nachprüfungsverfahren fest: Die vorgesehenen Exklusivvereinbarungen verstießen gegen zwingendes Recht und griffen rechtswidrig in geschützte Positionen Dritter ein. Eine Rechtfertigung ergebe sich insbesondere nicht aus den Vorgaben des europäischen Vergaberechts. Da sich im Hinblick auf die evident rechtswidrigen Versorgungsverträge keine vernünftigen Angebote kalkulieren ließen, werde sie – die AS – einem ungewöhnlichen Wagnis ausgesetzt.
Nach wie vor sei unklar, ob und inwieweit sich Apotheken industrieller Herstellerbetriebe als Nachunternehmer bedienen dürften. Die Zweifel resultierten insbesondere aus dem Umstand, dass der Wortlaut des § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V von "in Apotheken hergestellten Zytostatika" ausgehe. Vor dem Hintergrund, dass die von Zytostatika eindeutig zu unterscheidenden monoklonalen Antikörper von vornherein nicht von dem Ausnahmetatbestand des § 21 Abs. 2 Nr. 1 b lit. a) AMG erfasst seien, verlagere die AG das hohe Risiko der Unrechtmäßigkeit des Nachunternehmereinsatzes auf die Bieter. Angesichts dessen sei die Eignung der nunmehr für Zuschläge vorgesehenen Beigeladenen (BG) zu 3), 4) und 5) nicht gegeben, weil diese sich offensichtlich auch für monoklonale Antikörper eines industriellen Herstellers bedienen wollten und damit nicht verkehrsfähige Arzneimittel über Onkologen an die Versicherten abgegeben werden sollen.
Festzuhalten sei daran, dass die AG ein unzureichendes Datengerüst als Kalkulationsgrundlage zur Verfügung gestellt habe. Da zudem zahlreiche Fertigarzneimittel in der Onkologie patentgeschützt seien und sich das Risiko jederzeit möglicher Preiserhöhungen stelle, sei die AS nach wie vor einem ungewöhnlichen Wagnis ausgesetzt. Darüber hinaus ließen sich die fehlenden Angaben zur Zahl der Zubereitungen pro Wirkstoff und Gebietslos, zu den üblicherweise verordneten Trägerlösungen und Primärpackmitteln, zur Abschätzung des Verwurfs und zur Substitutionsrate nicht mit den bei Rahmenvereinbarungen typischen Prognoserisiken begründen.
Überdies begründe das Fehlen einer Preisanpassungsklausel ein ungewöhnliches Wagnis; die Vertragsstrafenregelung trage den Vorgaben des § 12 VOL/A nicht Rechnung und sei unverhältnismäßig. Schließlich ergebe sich die Begründetheit der sofortigen Beschwerde aus der Akkumulation der bereits aufgezeigten Vergaberechtsfehler, die zur Rechtswidrigkeit der Ausschreibung führe.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes (Az.: VK 2-20/10) vom 29.04.2010 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, in dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren keine Zuschläge zu erteilen und das bisherige Vergabeverfahren aufzuheben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Unter Aufrechterhaltung ihres Vortrages aus dem Nachprüfungsverfahren verteidigt sie den angefochtenen Beschluss und entgegnet: Die niedergelassenen Onkologen im Land Berlin hätten sich mit der Ausschreibung einverstanden erklärt. In der Realität – dies ergebe sich aus Gesprächen mit niedergelassenen Onkologen und Apothekern – komme es so gut wie nicht vor, dass ein Versicherter sich parenterale Zubereitungen nach Verordnung durch den Vertragsarzt selber in der Apotheke seiner Wahl beschaffe und der Vertragsarzt diese dann bei dem Versicherten anwende. Die Fälle, in denen Ärzte die Substitution ausgeschlossen hätten, seien – von zwei "Ausreißern" abgesehen – außerordentlich gering und spielten somit eine nur untergeordnete Rolle, zumal i.d.R. lediglich Wirkstoffe verordnet würden. Im Übrigen seien die Preise mit einer Spanne zwischen 1,60 Euro und 2,02 Euro für Primärpackmittel und Trägerlösungen im Verhältnis zu den Preisen für die Zubereitungen äußerst gering. Kostspieligere Packmittel wie z.B. Pumpen seien gem. § 5 Abs. 3 des Versorgungsvertrages ohnehin gesondert zu vergüten.
Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts-, Vergabe- und Vergabekammerakten.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die VK hat den Nachprüfungsantrag der AS mit dem angefochtenen Beschluss zu Recht zurückgewiesen.
1. Auf das hier streitige Vergabeverfahren sind die Regelungen des GWB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009 (BGBl. I, S. 790) anwendbar, weil das Vergabeverfahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes (24.04.2009) begonnen hat (vgl. § 131 Abs. 8 GWB). Nicht anzuwenden sind demgegenüber die Regelungen der Vergabeverordnung (VgV) in der Fassung der Verordnung zur Anpassung der VgV vom 07.06.2010 (BGBl I S. 724 ff. – VgV n.F.) sowie der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) – Teil A – Abschnitt 2: Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18/EG (VOL/A-EG – BAnz. Nr. 196a v. 20.11.2009), weil gem. § 23 Satz 1 VgV n.F. bereits begonnene Vergabeverfahren nach dem Recht, das zum Zeitpunkt des Beginns des Verfahrens galt, beendet werden (müssen).
2. Die AG sind öffentliche Auftraggeber i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB. Gesetzliche Krankenkassen werden – jedenfalls mittelbar – mit den Beiträgen der Versicherten und Arbeitgeber zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch den Bund finanziert (vgl. §§ 3, 271 SGB V) und unterliegen einer engmaschigen staatlichen Rechtsaufsicht (vgl. nur EuGH, Urteil vom 11.06.2009 – C-300/07, ZfBR 2009, 601 – "Oymanns"; Senat Beschluss vom 26.03.2009 – L 21 KR 26/09 SFB, VergabeR 2009, 922 m.w.N.). Bei den streitigen Versorgungsverträgen handelt es sich auch um öffentliche Lieferaufträge i.S.d. § 99 Abs. 1 und 2 GWB, da die ausgeschriebenen Versorgungsverträge sog. parenterale Zubereitungen in der Onkologie zum Gegenstand haben und die Zuschlagsempfänger im jeweiligen Losgebiet exklusiv versorgungsberechtigt sein sollen (vgl. ausführlich Senat, Beschluss v. 10.09.2009 – L 21 KR 53/09 SFB, VergabeR 2010, 135 jeweils m.w.N.). Der im Jahr 2010 einschlägige Schwellenwert von 193.000,00 Euro (vgl. Art. 2 VO EG Nr. 1177/2009 v. 30.11.2009, Abl. L 314/64 v. 01.12.2009) ist überschritten.
3. Die von der AS (auch) beantragte Verpflichtung zur Aufhebung der streitigen Ausschreibung wäre selbst dann nicht auszusprechen, wenn der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet wäre. Selbst dann, wenn aufgrund von Vergabefehlern keine Zuschläge erteilt werden dürfen und eine Korrektur dieser Vergabefehler für den öffentlichen Auftraggeber in der Praxis nicht ohne Aufhebung der Ausschreibung zu realisieren sein wird, kommt ein entsprechender Ausspruch durch die Vergabenachprüfungsinstanzen i.S.d. § 114 Abs. 1 GWB nicht in Betracht. Denn § 26 VOL/A sieht keine Verpflichtung zur Aufhebung einer Ausschreibung vor, sondern beinhaltet lediglich ein vergaberechtliches Gebot, ein Vergabeverfahren ausschließlich aus den dort genannten Gründen aufzuheben. Dementsprechend kann ein Bieter keinen Anspruch auf Aufhebung einer Ausschreibung haben (vgl. ausführl. BGH, Beschluss v. 10.11.2009 – X ZB 8/09, BGHZ 183, 95 = NZBau 2010, 124 juris Rdn. 56).
4. Der Nachprüfungsantrag ist mangels Antragsbefugnis (§ 107 Abs. 2 GWB) unzulässig, soweit die AS einen rechtswidrigen Eingriff in Rechte der Versicherten und Vertragsärzte, eine Gefährdung des Versorgungsauftrages der gesetzlichen Krankenkassen, einen Verstoß gegen das kartellrechtliche Behinderungsverbot, die konkrete Ausgestaltung der Möglichkeit des Nachunternehmereinsatzes durch die AG sowie die beabsichtigte Einräumung von Exklusivität rügt.
Ein Antragsteller ist nur antragsbefugt, sofern er ein Interesse am Auftrag hat, eine Verletzung in eigenen Rechten geltend macht und darlegt, dass ihm durch den geltend gemachten Vergabeverstoß zumindest ein Schaden droht; sämtliche Voraussetzungen müssen mit Antragstellung dargelegt werden (vgl. Ruhland in: Müller-Wrede, GWB-Vergaberecht, 1. Aufl. 2009, § 107, Rdn. 3 m.w.N.). Die als verletzt gerügten Regelungen müssen einen bieterschützenden Charakter aufweisen. Denn das Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren dient nicht der Klärung abstrakter Rechtsfragen und erst recht nicht der Durchsetzung von Rechten Dritter (vgl. Otting in: Bechtold, GWB, 5. Aufl. 2008, § 107, Rdn. 2a; Summa in: jurisPK-VergR, § 107 GWB, Rdn. 57 m.w.N.). Gleichwohl dürfen an die Darlegung der Antragsbefugnis angesichts des aus Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitenden Gebots effektiven Rechtsschutzes keine überzogenen Anforderungen gestellt werden (BVerfG, Beschluss v. 29.07.2004 – 2 BvR 2248/03, NZBau 2004, 564).
a) Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen gilt sowohl im Hinblick auf den als verletzt gerügten Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenkassen (vgl. § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V) als auch für die Therapiefreiheit der Vertragsärzte und die Wahlfreiheit der Versicherten nach Maßgabe des § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V, dass diese Regelungen grundsätzlich keinen Bieterschutz i.S.d. § 97 Abs. 7 GWB entfalten. Vielmehr sind diese Rechte allein von den jeweiligen Adressaten im Rahmen der hierfür vorgesehenen Verfahren geltend zu machen. Dafür, dass insbesondere die von der AS gerügten §§ 31 Abs. 1 Satz 5, 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V Leistungserbringer in die Lage versetzen sollen, Rechte der Versicherten quasi in Prozessstandschaft im Vergabenachprüfungsverfahren geltend zu machen, findet sich kein rechtlicher Anknüpfungspunkt. Kommt es im Rahmen der Leistungserbringung zu Mängeln (und wird damit der Versorgungsauftrag der Krankenkassen gefährdet oder sogar i.S.e. "Systemversagens" nicht erfüllt), obliegt es den Krankenkassen – hier der AG – im Rahmen des ihnen obliegenden Sicherstellungsauftrages, bei den Leistungserbringern mit den dafür vorgesehenen Maßnahmen auf vollständige und fachgerechte Erfüllung der Verträge hinzuwirken oder andere geeignete Maßnahmen zu ergreifen (vgl. auch Senat, Beschluss v. 30.01.2009 – L 21 KR 1/08 SFB). Dementsprechend obliegt es nicht den Bietern, etwaige Verstöße der Rechte der Vertragsärzte im Nachprüfungsverfahren geltend zu machen. Eine Verletzung der "Apothekenwahlfreiheit" der Vertragsärzte scheidet im Übrigen bereits deshalb aus, weil Vertragsärzten ein Apothekenwahlrecht unter keinem Gesichtspunkt – auch nicht als Ausprägung ihrer Therapiefreiheit – zusteht.
b) Soweit die AS einen Verstoß gegen das kartellrechtliche Behinderungsverbot nach § 21 Abs. 1 und 2 GWB im Hinblick auf Ärzte und Apotheker rügt, ist der Nachprüfungsantrag ebenfalls nicht zulässig, denn im Hinblick auf die behauptete Verletzung kartellrechtlicher Vorschriften ist der Rechtsweg in das Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren nicht eröffnet (vgl. Senat, Beschluss v. 08.10.2009 – L 21 KR 39/09 SFB, VergabeR 2010, 522). Das ergibt sich bereits aus den §§ 107 Abs. 2, 97 Abs. 7 GWB. Danach ist im Vergabenachprüfungsverfahren allein zu prüfen, ob der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält. Daran ändert sich auch nichts durch die in §§ 104 Abs. 2 Satz 1 GWB geregelte Rechtswegkonzentration. Bei den kartellrechtlichen Missbrauchs-, Diskriminierungs-, Behinderungs- und Boykottverboten handelt es sich um sowohl in der europäischen als auch in der nationalen Wettbewerbsordnung zentrale Regelungen, die sich gegen die schwerwiegendsten Verstöße richten (vgl. Stockmann in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl. 2007, § 104 Rdn. 15). Unterfiele die Geltendmachung kartellrechtlicher Abwehransprüche der Konzentrationswirkung des § 104 Abs. 2 Satz 1 GWB, bedeutete dies gleichzeitig, dass unmittelbarer Rechtsschutz in den dafür vorgesehenen Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und Sozialgerichten nicht zu erlangen und der Rechtsweg ggf. verfassungswidrig verkürzt wäre (Otting in: Bechtold, GWB, 5. Aufl. 2008, § 104 Rdn. 3; Stockmann in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl. 2007, § 104, Rdn. 14).
Soweit die AS zwar beanstandet, dass sowohl Apotheker als auch niedergelassene Ärzte durch die vorgesehenen Exklusivitätsregelungen i.S.d. § 21 Abs. 1 GWB zu Liefer- und Bezugssperren aufgefordert würden, hat sie nicht dargelegt, inwieweit sie hierdurch in eigenen Rechten (§ 107 Abs. 2 GWB) verletzt ist. Gleiches gilt für die behauptete Verletzung des § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A. Auch in diesem Zusammenhang hat die AS nicht dargelegt, inwieweit sie durch die AG und die Ausschreibungskonzeption in eigenen Rechten betroffen ist. Wie die VK zutreffend ausgeführt hat, sind überdies die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A nicht erfüllt. Denn die Regelung ist von ihrem Schutzzweck her lediglich darauf ausgerichtet, den unverfälschten Vergabewettbewerb an sich, nicht jedoch das Ergebnis dieses Wettbewerbs zu schützen.
c) Unzulässig ist ferner die Rüge, die Möglichkeit, industrielle Herstellerbetriebe als Nachunternehmer einzusetzen, sei vor dem Hintergrund, dass sich der Ausnahmetatbestand des § 21 Abs. 2 Nr. 1 b lit. a) AMG nicht auf monoklonale Antikörper erstrecke, unklar und mache eine vernünftige Abgebotskalkulation unmöglich. Denn die AS hat nicht dargelegt, dass sie beabsichtigt oder zumindest ernsthaft in Erwägung gezogen hat, sich im Hinblick auf monoklonale Antikörper eines industriellen Herstellerbetriebes als Nachunternehmer zu bedienen und sie vor dem Hintergrund der von ihr skizzierten Rechtsunsicherheiten einem ungewöhnlichen Wagnis bei der Kalkulation ihrer Angebote ausgesetzt gewesen sei.
Soweit die AS nach Zugang der Vorabinformationen gemäß § 101a GWB mit Schreiben vom 07.07.2010 sowie Schriftsatz vom 13.07.2010 die Eignung der BG zu 3) und 4) bestritten und einen Verstoß gegen § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A als bieterschützende Regelung geltend gemacht hat, ist diese Rüge zulässig, in der Sache jedoch unbegründet (vgl. dazu 5.e).
d) Die Rüge, die AG habe mit der Ausschreibung keine selektive Strategie verfolgen dürfen, ist ebenfalls nicht zulässig erhoben worden, weil die AS nicht die Verletzung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren i.S.d. § 97 Abs. 7 GWB beanstandet hat. Konstitutives Merkmal eines öffentlichen Auftrages ist, dass der öffentliche Auftraggeber eine Auswahlentscheidung trifft (Senat, Beschluss v. 14.04.2010 – L 21 KR 69/09 SFB m.w.N.). Folge dieser Auswahlentscheidung ist die Exklusivität des oder der Ausschreibungsgewinner, die eine Sonderstellung im Wettbewerb vermittelt (vgl. Senat, Beschluss v. 10.09.2009 – L 21 KR 53/09 SFB, NZBau 2010, 458 m.w.N.). Rügt ein Bieter jedoch, dass der öffentliche Auftraggeber Selektivverträge schließen will und daher eine Auswahlentscheidung zu treffen beabsichtigt, stellt dieses Vorbringen keinen vergaberechtlichen Einwand dar, da der Bieter letztlich keine Auswahlentscheidung durch den öffentlichen Auftraggeber will und es ihm somit nicht darauf ankommt, durch den Nachprüfungsantrag seine Zuschlagschancen zur Erlangung eines öffentlichen Auftrages zu verbessern. Durch diese Rüge wird mithin nicht eine Verletzung in Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften i.S.d. § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB geltend gemacht. Vielmehr kommt es der AS gerade darauf an, dass Regelungen über das Vergabeverfahren – und zwar die Auswahl eines oder mehrerer Vertragspartner durch einen öffentlichen Auftraggeber – nicht zur Anwendung kommen. Es ist allerdings nicht Sinn und Zweck eines Nachprüfungsverfahrens, einen öffentlichen Auftraggeber anzuhalten, keine Auswahlentscheidung zu treffen und damit keinen öffentlichen Auftrag zu vergeben. Die Rüge ist überdies auch in der Sache nicht begründet (vgl. dazu 5.d).
e) Entgegen der Auffassung der AS kann die Antragsbefugnis im Hinblick auf die unter a) bis c) geltend gemachten Verstöße nicht darauf gestützt werden, dass die Verletzung von Rechten Dritter oder kartellrechtlicher Normen in das Gewand einer Auferlegung eines ungewöhnlichen Wagnisses gekleidet oder als Vorfrage behandelt wird. Die AS argumentiert zwar im Wesentlichen dahin, dass die ausgeschriebenen Versorgungsverträge aufgrund der von ihr geltend gemachten Rechtsverstöße (Eingriffe in die Rechte der Versicherten, Ärzte und Apotheker durch die beabsichtigte Exklusivität) nichtig i.S.d. § 134 BGB seien und sie vor dem Hintergrund dieser Nichtigkeitsfolge ein Angebot nicht kaufmännisch vernünftig kalkulieren könne. Festzuhalten bleibt jedoch, dass eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle im Vergabenachprüfungsverfahren nicht stattzufinden hat. Bei anderer Sichtweise wäre § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A ein Einfallstor für die Prüfung sämtlicher denkbarer Rechtsverstöße und das Nachprüfungsverfahren wäre seines eigentlichen Zwecks – die Prüfung von Vergaberechtsverstößen – weitgehend beraubt. Mit der gleichen Argumentation könnte dann auch die zuletzt vom Senat mit Beschluss v. 08.10.2009 (L 21 KR 39/09 SFB) nochmals abgelehnte Überprüfung kartellrechtlicher Fragestellungen verlangt werden. Auch in diesem Zusammenhang könnte argumentiert werden, dass die ausgeschriebenen Verträge wegen Verstoßes gegen die §§ 19 bis 21 GWB nichtig i.S.d. § 134 BGB seien und Bieter einem ungewöhnlichen Wagnis ausgesetzt würden, da es ihnen angesichts der offenkundigen Nichtigkeit nicht zumutbar sei, ein Angebot abzugeben.
Die Rüge der Auferlegung eines ungewöhnlichen Wagnisses erweist sich jedoch unter folgendem Gesichtspunkt als zulässig: Nach § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V können Versicherte unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V gilt, frei wählen. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 des Versorgungsvertrages soll die Versorgung in den jeweiligen Gebietslosen allerdings ausschließlich durch diejenigen Apotheken erfolgen, die einen Zuschlag erhalten haben. Versicherte sollen demnach nur noch durch den jeweiligen Vertragspartner mit parenteralen Zubereitungen in der Onkologie versorgt werden. Ausgehend von dem in § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V geregelten Apothekenwahlrecht erscheint es nicht von vornherein als ausgeschlossen, dass bestimmte Versicherte beabsichtigen, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen und die Zubereitungen in anderen Apotheken beziehen. Angesichts dessen ist bei weiter Auslegung in den ansonsten nicht statthaften Rügen der AS durchaus der auch vergaberechtlich relevante Einwand enthalten, das Auftragsvolumen sei zu unbestimmt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 07.05.2010 – L 1 SF 95/10 B Verg, juris Rdn. 50 ff.), da sich für einen Bieter bei der Kalkulation seines Angebots nicht hinreichend sicher abschätzen lasse, wie viele Versicherte von ihrem Apothekenwahlrecht tatsächlich Gebrauch machen werden. Die Rüge ist jedoch in der Sache nicht begründet (dazu 5.a).
5. Der Nachprüfungsantrag ist zudem unbegründet. Das zu kalkulierende Auftragsvolumen ist nicht zu unbestimmt (dazu a). Die den Bietern zur Verfügung gestellten Daten sind für eine vernünftige Kalkulation ausreichend (dazu b). Keine Bedenken bestehen gegen die vorgesehenen Festpreis- und Exklusivvereinbarungen (dazu c und d), den Einsatz industrieller Hersteller als Nachunternehmer (dazu e) sowie die Vertragsstrafenregelungen (dazu f).
a) Das zu erwartende Auftragsvolumen ist auch vor dem Hintergrund, dass Versicherte ggf. von dem Apothekenwahlrecht gemäß § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V Gebrauch machen werden, nicht zu unbestimmt; damit ist ein Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 2 und 3 VOL/A nicht gegeben. Denn es deutet alles darauf hin, dass es sich hierbei um eine bei der Angebotskalkulation zu vernachlässigende Größe handelt. Parenterale Zubereitungen in der Onkologie sind hochgradig toxische Stoffe. Diese sollen aus Sicherheitsgründen grundsätzlich nicht unmittelbar an Patienten ausgehändigt werden (vgl. BT-Drs. 14/756 S. 5). Bereits vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass zahlreiche Apotheker von einer unmittelbaren Übergabe der Rezepturen an die Versicherten Abstand nehmen werden. Die AG hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass Gespräche mit Vertretern des Vereins der niedergelassenen Internistischen Onkologen e.V. (N.I.O.) ergeben haben, dass eine Beschaffung parenteraler Zubereitungen unmittelbar durch die Versicherten – von seltenen Ausnahmen abgesehen – praktisch nicht vorkomme. Diese Aussage bestätigt die Annahme des Senats und spiegelt insbesondere die Versorgungsrealität wider. Auch die AS geht offensichtlich davon aus, dass sich Versicherte parenterale Zubereitungen nicht selber unmittelbar in der Apotheke beschaffen. Denn im Rahmen ihres Internetauftritts wird in diesem Zusammenhang Folgendes ausgeführt: "Ihr Arzt definiert die Therapie. Die Bestellung der Lösungen erfolgt über Ihren Arzt bei uns in der Apotheke." Handelt es sich bei denjenigen Versicherten, die von ihrem Wahlrecht – auf welche Weise auch immer – Gebrauch machen werden, letztlich um eine zu vernachlässigende Größe, wird die Kalkulation hiervon nur unwesentlich beeinflusst.
b) Die den Bietern zur Verfügung gestellten Daten sind als Kalkulationsgrundlage für eine einwandfreie Preisermittlung gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A ausreichend. Dies folgt zunächst aus dem Umstand, dass vorliegend Rahmenvereinbarungen i.S.d. §§ 3a Nr. 4 Abs. 1 VOL/A, 3 Abs. 8 Satz 2 VgV geschlossen werden sollen und der morbiditätsbedingte Bedarf der Versicherten an parenteralen Zubereitungen, also das Auftragsvolumen, ohnehin nicht sicher prognostiziert werden kann. Deshalb ist es ausreichend, dass den Bietern die abgerechneten Wirkstoffe in Milligramm wie auch das Verordnungsvolumen – jeweils aufgeschlüsselt pro Gebietslos – bekannt gemacht worden sind.
Soweit die AS geltend macht, dass Angaben zur Zusammensetzung einzelner Zubereitungen zwingend für eine kaufmännisch solide Kalkulation erforderlich gewesen wären, kann dem nicht beigepflichtet werden. Denn selbst die AS hat den außergewöhnlich hohen Grad an Individualität der Erkrankungen und die daraus resultierenden Therapiebedürfnisse hervorgehoben (vgl. auch Dettling/Kieser/Ulshöfer, PharmaR 2009, 421, 421). Angesichts dessen geht der Senat – wie bereits die VK in dem angefochtenen Beschluss – davon aus, dass auch durch die Angabe der Anzahl der Zusammensetzungen der einzelnen Zubereitungen kein "Mehr" an Kalkulationssicherheit gewonnen worden wäre. Abgesehen davon ist von den in der Herstellung und Abrechnung von Zubereitungen in der Onkologie erfahrenen Apothekern zu erwarten, dass diese in der Lage sind, mit den zur Verfügung gestellten Daten realistische Angebote zu kalkulieren.
Ohne Erfolg beruft sich die AS darauf, dass weitere Daten zu Packmitteln (z.B. Infusionsbeutel und Lösungen) erforderlich gewesen wären. Infusionsbeutel und Trägerlösungen – in der Regel Kochsalz- und Glucoselösungen – sind relativ niedrigpreisige Packmittel. Nach den nicht anzuweifelnden Angaben der AG belaufen sich die Kosten für einen Infusionsbeutel mit 0,9 %-iger Kochsalzlösung je nach Hersteller auf zwischen 1,60 Euro und 2,02 Euro. Die Kosten für einen Infusionsbeutel mit 0,5 %-iger Glucoselösung bewegen sich zwischen 1,70 Euro und 1,97 Euro. Es handelt sich hierbei mithin um Kosten, die im Vergleich zu den hochpreisigen – den Zubereitungen zu Grunde liegenden – Fertigarzneimitteln nicht wesentlich ins Gewicht fallen. Auch in diesem Zusammenhang gilt, dass von Bietern erwartet werden kann, dass sie diese geringen Kosten bei der Kalkulation ihrer Angebote entsprechend berücksichtigen. Darüber hinaus sind erfahrene Apotheker zudem in der Lage, den Umfang des Verwurfs im vorhinein hinreichend sicher einzuschätzen.
Vergleichbare Erwägungen gelten für das von der AS aufgeworfene Problem des Ausschlusses der aut-idem-Substitution. Die AG hat zuletzt in den Verdingungsunterlagen (S. 11) ausgeführt, dass nach ihrem Kenntnisstand davon auszugehen sei, dass bei den vertragsgegenständlichen Zubereitungen die aut-idem Substitution angesichts der Verpflichtung des Vertragsarztes zur wirtschaftlichen Verordnungsweise nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen werde. Die Voraussetzungen des Ausschlusses der aut-idem-Substitution sind Apothekern bekannt. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Apotheker auch ohne konkrete Zahlen im Rahmen ihrer täglichen Praxis ein Bild davon erhalten, wie häufig eine aut-idem Substitution ausgeschlossen wird. Sie sind damit in der Lage, auch diesen Aspekt bei der Angebotskalkulation angemessen zu berücksichtigen. Im Übrigen haben sich die Angaben der AG in den Verdingungsunterlagen bestätigt, da sich der Ausschluss der aut-idem Substitution auf 8,42 % beläuft, wobei je nach Gebietslos in Ausnahmefällen zugegebenermaßen eine erhebliche, jedoch kalkulatorisch beherrschbare Schwankungsbreite bestehen kann.
c) Keine Bedenken bestehen dagegen, dass die AG mit den Bietern Festpreise zu vereinbaren beabsichtigt und auf Preisanpassungsklauseln verzichtet. Nach § 15 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A sollen Leistungen zu festen Preisen vergeben werden. Damit stellt die Festpreisvereinbarung den Regelfall dar, wohingegen eine angemessene Änderung der Vergütung lediglich bei längerfristigen Verträgen vorgesehen werden kann, sofern wesentliche Änderungen der Preisermittlungsgrundlagen zu erwarten sind, deren Eintritt oder Ausmaß jedoch ungewiss sein muss (§ 15 Nr. 2 Satz 1 VOL/A).
Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass es sich bei den hier zu schließenden Versorgungsverträgen zwar durchaus um längerfristige Verträge (hierzu Weyand, ibr-online Kommentar Vergaberecht, § 15 VOB/A, 90.10.2 m.w.N. zur Rspr.) handeln mag, sind durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass wesentliche Änderungen in den Preisermittlungsgrundlagen zu erwarten sind, trotz des Hinweises der AS auf z.T. drastische Preiserhöhungen durch pharmazeutische Unternehmer nicht gegeben. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass Apotheken trotz der im Rahmen der mündlichen Verhandlung von den BG teilweise vorgetragenen Bedenken – auch bei patentgeschützten Arzneimitteln – grundsätzlich mit (wenn auch nicht allen) pharmazeutischen Unternehmern Preisvereinbarungen über Fertigarzneimittel treffen können, die für parenterale Zubereitungen verwendet werden sollen (vgl. BT-Drs. 16/12256 S. 62 zu § 1 Arzneimittelpreisverordnung – AMPreisV). Damit können Apotheken dem Risiko von Preiserhöhungen durch eigene Vereinbarungen mit pharmazeutischen Unternehmern für die eigene Kalkulation wirksam begegnen. Angesichts dessen dürften bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 15 Nr. 2 Satz 1 VOL/A nicht erfüllt werden. Abgesehen davon ist durch den Wegfall der von der AG ursprünglich vorgesehenen Preisanpassungsklausel letztlich – wie die VK zutreffend betont hat – den Erfordernissen des Transparenzgebotes Rechnung getragen worden. Zudem hat die AG stets darauf hingewiesen, dass Preisanpassungen im Einzelfall nicht ausgeschlossen sind. Dies ergibt sich auch aus dem in § 5 Abs. 9 des Versorgungsvertrages vorgenommenen Verweis auf § 313 BGB. Zwar greift diese Regelung erst bei erheblichen und schwerwiegenden Veränderungen der Geschäftsgrundlage ein. Andererseits ist die Aufnahme einer Preisanpassungsklausel ohnehin nicht statthaft, wenn die zu erwartenden Änderungen nicht erheblich sind.
d) Entgegen der Auffassung der AS unterliegt die vorgesehene Exklusivität der Versorgungsberechtigung von Apotheken mit parenteralen Zubereitungen in der Onkologie auch in der Sache keinen vergaberechtlichen Bedenken. Soweit die AS die Auffassung vertritt, dass es bei bestehenden Kollektivverträgen (Rahmenvertrag; Landesvertrag nach § 129 Abs. 5 Satz 1 SGB V) nicht statthaft sei, Selektivverträge auszuschreiben, folgt der Senat dem nicht. VK und AS haben zutreffend darauf verwiesen, dass die Versorgung mit parenteralen Zubereitungen aufgrund von Selektivverträgen nach § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V zulässig ist, auch wenn bereits kollektivvertragliche Regelungen bestehen. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass weder der Rahmenvertrag noch der Arzneimittelversorgungsvertrag Berlin die Herstellung, Abgabe oder Bezahlung parenteraler Zubereitungen in der Onkologie regeln. Der Rahmenvertrag regelt u.a. das Nähere über die Abgabe preisgünstiger Arzneimittel (§ 1 Nr. 1), die Abgabe von preisgünstigen importierten Arzneimitteln (§ 1 Nr. 2), die Abgabe von wirtschaftlichen Einzelmengen (§ 1 Nr. 3), Maßnahmen bei Vertragsverstößen (§ 1 Nr. 6), Datenübermittlungen (§ 1 Nr. 7) oder etwa das Zustandekommen des Zahlungs- und Lieferanspruchs zwischen Krankenkasse und Apotheke (§ 1 Nr. 8). Die Versorgung der Versicherten mit parenteralen Zubereitungen wird jedoch nicht erwähnt. Der Arzneimittelversorgungsvertrag Berlin enthält Abreden u.a. über die Versorgung der Versicherten mit Fertigarzneimitteln, Sprechstundenbedarf, Verbandmitteln, Medizinprodukten und enteraler Ernährung, so dass insoweit gewisse Überschneidungen mit dem Rahmenvertrag bestehen. Parenterale Zubereitungen in der Onkologie werden dort jedoch ebenfalls nicht einbezogen.
Selbst wenn jedoch die Abgabe parenteraler Zubereitungen von den bestehenden Verträgen erfasst wäre, müsste § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V als speziellere Regelung angesehen werden. Die Vorschrift ist als Ausnahmeregelung zu § 129 Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 SGB V konzipiert. Die Begründung des Fraktionsentwurfs zum Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG – BT-Drs. 16/3100 S. 142) geht davon aus, dass Apotheken durch § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V die Möglichkeit erhalten sollen, die auf Landesebene vereinbarten Preise für Arzneimittel, die nicht der AMPreisV unterliegen sowie die auf Bundesebene vereinbarten Höchstpreise für Rezepturarzneimittel bei der Abrechnung mit einer Krankenkasse zu unterschreiten (damit dürfte auch ein Abweichen zu den in Anlage 3 zur Hilfstaxe vereinbarten Regelungen verbunden sein). Darüber hinaus soll Apotheken – bei Erhaltung des Wahlrechts der Versicherten – die Möglichkeit eingeräumt werden, die Versorgung von Arztpraxen mit Arzneimitteln zu vereinbaren, soweit dies nach Maßgabe des AMG zulässig ist (BT-Drs. 16/3100 S. 142 zu § 129 SGB V). Zwar hat § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V nach der Beratung des Gesundheitsausschusses letztlich eine andere Fassung erhalten. Gleichzeitig hat der Ausschuss jedoch klargestellt, dass es sich lediglich um eine redaktionelle Anpassung handele (BT-Drs. 16/4247 S. 46 f.). Im Ergebnis ist der Gesetzgeber – wie sich auch aus dem Regierungsentwurf zum 15. AMG-Änderungsgesetz ergibt – somit davon ausgegangen, dass Verträge mit einzelnen Apotheken geschlossen werden können (BT-Drs. 16/12256, S. 65 zu § 129 SGB V; Knittel in: Krauskopf, § 129 SGB V, Rdn. 16). Dabei hat er entgegen der von der AS vertretenen Ansicht nicht nur Preisregelungen im Auge gehabt. Denn sowohl dem Gesetzeswortlaut als auch dem Regierungsentwurf zum 15. AMG-Änderungsgesetz lässt sich deutlich entnehmen, dass Krankenkassen in die Lage versetzt werden sollen, die Versorgung der Versicherten mit parenteralen Zubereitungen mit (einzelnen) Apotheken zu vereinbaren.
Daraus lässt sich zunächst folgern, dass abweichende Vereinbarungen zu den bestehenden Kollektivverträgen nicht nur möglich, sondern erwünscht sind. Einer Krankenkasse kann mithin nicht von vornherein verwehrt werden, hierbei selektive Vertragsstrategien zu verfolgen. Ist den Krankenkassen jedoch die Möglichkeit eingeräumt, Versorgungsverträge mit einzelnen Apotheken zu schließen (und mit anderen nicht), so liegt – wie hier – bei Überschreitung der Schwellenwerte ein öffentlicher Auftrag mit europaweiter Ausschreibungspflicht vor (vgl. auch Dettling/Kieser/Ulshöfer, PharmaR 2009, 421, 428 f.). Eine Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der nicht bezuschlagten Apotheken ist mit der erforderlichen Auswahlentscheidung nicht verbunden. Denn das BVerfG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Vergabe eines öffentlichen Auftrages an Mitbewerber grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des unterlegenen Bieters berührt (vgl. nur Beschluss v. 27.02.2008 – 1 BvR 437/08, ZfBR 2008, 816).
e) Unbegründet ist ferner die Rüge, dass der Einsatz industrieller Herstellerbetriebe als Nachunternehmer deshalb die einwandfreie Preisermittlung i.S.d § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A beeinträchtige und zudem ein ungewöhnliches Wagnis darstelle, weil unklar sei, ob auch monoklonale Antikörper vom Ausnahmetatbestand des § 21 Abs. 2 Nr. 1 b lit. a) AMG erfasst werden. In diesem Zusammenhang muss zunächst berücksichtigt werden, dass es – wie die VK zutreffend herausgestellt hat – Aufgabe der Bieter ist, dafür Sorge zu tragen, dass im Rahmen eines Nachunternehmereinsatzes die einschlägigen Rechtsnormen eingehalten werden. Dafür, dass der Apotheker für die Einhaltung der Rechtsnormen durch Nachunternehmer verantwortlich zeichnet, spricht zudem § 10 Nr. 3 lit. b) des Versorgungsvertrages. Danach verwirkt der Apotheker eine Vertragsstrafe auch dann, wenn er oder ein für ihn tätiger Dritter bei der Herstellung der vertragsgegenständlichen Zubereitungen die dafür anwendbaren Rechtsvorschriften nicht beachtet.
Im Übrigen spricht alles dafür, dass die Ausnahmeregelung des § 21 Abs. 2 Nr. 1 b lit. a) AMG auch auf monoklonale Antikörper anzuwenden ist. Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs zum 15. AMG-Änderungsgesetz ist der Begriff Zytostatika weit zu verstehen. Z.B. können den jeweiligen Lösungen andere als spezifisch zytostatisch wirksame Substanzen beigemischt oder andere Lösungen betroffen sein, die die zytostatische Therapie ergänzen (BT-Drs. 16/12256 S. 47). Die Gesetzesbegründung verwendet zudem – quasi als Oberbegriff – den Begriff "Lösungen in der Onkologie" und differenziert nicht zwischen Zytostatika und monoklonalen Antikörpern (BT-Drs. 16/12256 S. 47). Ferner wird – wenn auch in der Begründung zu § 129 SGB V – klargestellt, dass es letztlich um parenterale Zubereitungen geht, die für onkologische Behandlungen erforderlich sind und insbesondere auch biotechnologische Zubereitungen erfasst werden (BT-Drs. 16/12256 S. 65). Angesichts dessen bestehen auch keine Bedenken im Hinblick auf die – von der AS mit Schreiben an die AG vom 07.07.2010 gerügte – Eignung und Zuverlässigkeit der BG zu 3), 4) und 5).
f) Wie die VK bereits zutreffend herausgestellt hat, werden Bieter durch die Vertragsstrafenregelung nicht unangemessen benachteiligt (§ 12 VOL/A). Dabei ist unbestritten, dass Vertragsstrafen auch für andere Fälle als die Überschreitung von Ausführungsfristen vorgesehen und vereinbart werden können (vgl. Weyand, ibr-online-Kommentar Vergaberecht, § 12 VOB/A, 87.4.2 m.w.N. zur Rspr.).
Keinen Bedenken unterliegt die in § 10 Abs. 1 des Versorgungsvertrages vorgesehene Verwirkung einer Vertragsstrafe für den Fall, dass es an mindestens sieben Tagen in einem Zeitraum von drei aufeinanderfolgenden Monaten zu einem Lieferausfall für vertragsgegenständliche Zubereitungen kommt. Denn in der Sache handelt es sich bei den vertragsstrafenbewehrten Lieferausfällen letztlich auch um Überschreitungen der Ausführungsfristen (vgl. nur Weyand, ibr-online-Kommentar Vergaberecht, § 12 VOB/A, 87.4.2 m.w.N. zur Rspr.). Im Hinblick auf die in § 10 Abs. 3 des Versorgungsvertrages genannten weiteren Verwirkungstatbestände ist zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um schwerwiegende Verfehlungen handelt, die die Auferlegung von Vertragsstrafen als gerechtfertigt erscheinen lassen.
Auch die Ausgestaltung der Vertragsstrafenregelungen benachteiligt – wie die VK zutreffend dargelegt hat – die Bieter nicht unangemessen i.S.d. § 12 Satz 2 VOL/A. Die Verwirkungstatbestände sind klar und bestimmt, hängen vom Verhalten des Auftragnehmers ab und räumen ihm zudem eine Exkulpationsmöglichkeit ein. Der Höhe nach sind die Vertragsstrafen auf fünf v.H. des Gesamtumsatzes begrenzt. Abgesehen davon sind verwirkte Vertragsstrafen auf etwaige Schadensersatzansprüche der AG wegen derselben Pflichtverletzung anzurechnen (vgl. § 10 Abs. 7 Satz 2 des Versorgungsvertrages). Schließlich muss berücksichtigt werden, dass es sich bei der Lieferung von Arzneimitteln – insbesondere von parenteralen Zubereitungen in der onkologischen Versorgung – um einen besonders sensiblen Bereich des Gesundheitssystems handelt und diesem Gesichtspunkt durch eine Vertragsstrafengestaltung Rechnung getragen werden kann, die sich nicht lediglich auf die Überschreitung von Ausführungsfristen beschränkt.
Schließlich ist auch im vorliegenden Zusammenhang durchaus zweifelhaft, ob die AS im Hinblick auf die Vertragsstrafenregelung überhaupt eine drohende Verletzung in eigenen Rechten dargelegt hat. Darauf hat bereits der angefochtene Beschluss zutreffend verwiesen.
Eine zur Divergenzvorlage an das BSG verpflichtende Abweichung von der Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg v. 07.05.2010 – L 1 SF 95/10 B Verg in den jeweils tragenden abstrakten Rechtssätzen ist nicht gegeben. Denn das LSG Berlin-Brandenburg hat die Sache zur Klärung weiterer tatsächlicher Umstände an die VK des Landes Brandenburg zurückverwiesen, so dass aktuell nicht feststeht, ob eine Abweichung im Ergebnis gegeben sein wird (vgl. auch BSG, Urteil v. 17.12.2009 – B 3 KR 20/08 R juris Rdn. 18).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 142a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 120 Abs. 2, 78 GWB. Dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die AG im Beschwerdeverfahren notwendig war, unterliegt keinen Bedenken.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§§ 142a, 177 SGG).
Erstellt am: 29.09.2010
Zuletzt verändert am: 29.09.2010