L 7 AS 1255/10 B
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 12.07.2010 abgeändert. Dem Kläger wird zur Durchführung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt L aus J beigeordnet. Soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz richtet, wird die Beschwerde als unzulässig verworfen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Hinsichtlich des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist die Beschwerde des Antragstellers unabhängig vom Beschwerdewert zulässig. Die Neuregelung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.d.F. des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze (BGBl I S. 1132), nach der Beschwerden auch für Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen sind, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre, wurde im Bundesgesetzblatt vom 10.08.2010 veröffentlicht und trat damit erst in Kraft, nachdem der Antragsteller mit Schriftsatz vom 15.07.2010 seine Beschwerde erhoben hat. Eine Rückwirkung wurde vom Gesetzgeber nicht normiert. andessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Az.: L 7 AS 1254/10 B ER und L 7 AS 1255/10 BDie Beschwerde ist auch begründet. Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts zu Unrecht abgelehnt. Denn die Rechtsverfolgung hatte hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Nach § 73a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung des Antragstellers, der die Kosten seiner Rechtsverfolgung nicht aufbringen kann, bot hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn es war nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 86b Abs. 1 SGG Erfolg hätte haben können.
Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Mit Sanktionsbescheid vom 23.04.2010 beschränkte die Antragsgegnerin die Regelleistung des Antragstellers für den Zeitraum vom 01.05.2010 bis zum 31.07.2010 auf die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Widerspruch und Anfechtungsklage haben hiergegen nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Denn der Sanktionsbescheid setzt Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende herab gemäß § 39 Nr. 1 SGB II.
Die Erfolgsaussicht des Antrags nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anzuordnen, beurteilt sich nach dem Ergebnis der Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung. Hierbei sind neben einer allgemeinen Abwägung der Folgen bei Gewährung bzw. Nichtgewährung des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache von Bedeutung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 86b Rn. 12a ff). Im Rahmen dieser Abwägung ist darauf abzustellen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder ob seine Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegend öffentliches Interesse gebotene Härte zur Folge hätte. Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides in der Regel Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschob der Vollziehung einräumt (LSG NRW, Beschluss vom 26.11.2007 – L 7 B 258/07 AS ER -; LSG NRW, Beschluss vom 03.12.2007 – L 7 B 269/07 AS ER -).
Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung war es nicht von vornherein auszuschließen, dass der Antragsteller mit seinem Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG möglicherweise Erfolg haben konnte. Denn es war nach dem sich aus der Akte ergebenden Sachverhalt und den Einlassungen des Antragstellers nicht ohne weitere Ermittlungen wahrscheinlich, dass die Voraussetzungen für eine Sanktion, die die Antragsgegnerin nach den Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 11.05.2010 auf § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II gestützt hat, vorlagen.
Hinsichtlich des Vorliegens eines wichtigen Grundes für das arbeitsvertragswidrige Verhalten des Antragstellers bedurfte der Sachverhalt weiterer Aufklärung. Auch das SG selbst hat hier Ermittlungsbedarf gesehen und den Antragsteller gebeten, den Schwangerschaftsabbruch beispielsweise durch eine eidesstattliche Versicherung der Freundin und den körperlichen Angriff durch den Schwager seiner Freundin durch Angabe des Aktenzeichens, unter dem die Strafanzeige aufgenommen wurde, glaubhaft zu machen. Über diese im einstweiligen Rechtschutzverfahren durchgeführten Ermittlungen hat es das SG nach seinen Ausführungen in dem angegriffen Beschluss für notwendig erachtet, sich im Hauptsacheverfahren einen persönlichen Eindruck vom Antragsteller zu verschaffen und die Freundin als Zeugin zu vernehmen.
Hinsichtlich des Beschlusses im einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist die Beschwerde nicht statthaft. Sofern sich die Beschwerde gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung und die damit verbundene Kostenentscheidung richtet, ist diese nur statthaft, wenn die angefochtene Entscheidung die gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erforderliche Höhe von mehr als 750 EUR erreicht. Dies ist hier nicht der Fall. Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens war nur noch die auf sechs Wochen verkürzte Sanktion der Beschränkung der Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Für den Antragsteller, dessen Regelsatz bei monatlich 287 Euro liegt, ergab sich somit ein Sanktionsbetrag in Höhe von insgesamt 392,23 Euro für sechs Wochen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist im Gegensatz zu § 145 SGG nicht vorgesehen (LSG NRW, Beschluss vom 02.06.2010, Az.: L 12 AS 704/10 B ER). Der erkennende Senat hält ebenso wie der 12. Senat dieses Ergebnis auch für hinnehmbar, da es sich nur um eine vorläufige Entscheidung bei Eilbedürftigkeit gehandelt hat. Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, seine Auffassung im Hauptsacheverfahren weiter zu vertreten.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren sind Kosten nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 23.09.2010
Zuletzt verändert am: 23.09.2010