NZB mit Beschluss vom 31.05.11 als unzulässig verworfen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 30.04.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Verpflichtung der Beklagten, eine Zusicherung zur Übernahme der tatsächlichen Umzugskosten zu erteilen.
Die am 00.00.1947 geborene Klägerin bezieht seit Mai 2008 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Sie hat beidseitig Hüftgelenksendoprothesen, leidet an Ohrgeräuschen, einem Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom, Bluthochdruck sowie beidseitiger Sehbehinderung. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung von 60, jedoch kein Merkzeichen anerkannt.
Bei der Berechnung der zustehenden Unterkunftskosten nach § 22 SGB II legte die Beklagte die von der Klägerin angegebene Kaltmiete für ihre 70,16 qm große 2-Zimmer-Wohnung im 4. Obergeschoss von 375,40 EUR zugrunde. Mit Schreiben vom 19.05.2008 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, einer alleinstehenden Person stehe grundsätzlich nur eine 45 qm große Wohnung zu einer Netto-Kaltmiete ohne Betriebs-, Neben- und Heizkosten in Höhe von 217,50 EUR zu. Die Unterkunftskosten der Klägerin von 375,40 EUR überstiegen den angemessenen Umfang um monatlich 157,90 EUR. Die Klägerin wurde zur Senkung der Unterkunftskosten aufgefordert, da die nicht angemessenen Unterkunftskosten nur noch bis längstens 31.12.2008 übernommen würden. Am 26.06.2008 teilte die Klägerin mit, sie sei wegen ihres Hüftleidens und der Lärmbelästigung infolge der Nähe ihrer bisherigen Wohnung zur Autobahn zu einem Umzug bereit. Ihr Arzt habe ihr jedoch das Treppensteigen verboten, sodass nur eine Erdgeschosswohnung in Betracht komme. Die Klägerin legte ein Mietangebot für eine 68,3 qm große Wohnung zu einer Kaltmiete von 330,- EUR zzgl. Betriebskosten von 90,- EUR und Heizkosten von 75,- EUR monatlich, anmietbar ab dem 01.10.2008, vor. Mit Bescheid vom 26.06.2008 lehnte die Beklagte den als "Antrag auf Übernahme der Wohnungsbeschaffungskosten (§ 22 Abs. 2 und 3 SGB II)" behandelten Antrag ab. Eine Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft könne nicht erteilt werden, weil die Aufwendungen für die neue Wohnung unangemessen hoch seien. Sollte die Klägerin dennoch diese Wohnung beziehen, würden die mit dem Umzug verbundenen Kosten nicht übernommen.
Hiergegen legte die Klägerin am 04.07.2008 Widerspruch ein, mit dem sie fehlende Transparenz der von der Beklagten zugrunde gelegten Angemessenheitsgrenze rügte. Auch habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass die Klägerin 60 Jahre alt, allein lebend und schwerbehindert sei. Eine preisgünstigere als die nun gefundene Wohnung finde sich nicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Verpflichtung zur Erteilung einer Zusicherung bzgl. einer Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten für die neue Wohnung nach § 22 Abs. 2 S. 2 SGB II bestehe nicht, weil die neue Unterkunft der Klägerin unangemessen sei. Der Klägerin stehe eine Wohnung mit einer Grundmiete ohne Nebenkosten von maximal 217,50 EUR zu. Die Kaltmiete der von der Klägerin bezogenen Wohnung betrage 330,- EUR und übersteige den Grenzbetrag erheblich. Auch eine Zusicherung zur Übernahme der Umzugskosten gem. § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II sei abzulehnen. Bis Oktober 2008 verbleibe ausreichend Zeit, sich um Wohnraum mit angemessener Kaltmiete zu bemühen. Die Klägerin mietete ihre neue Wohnung zum 01.10.2008 an und zog in diese ein. Seit dem 01.12.2008 bezieht die Klägerin Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Sie schied zu diesem Zeitpunkt aus dem Leistungsbezug bei der Beklagten aus.
Mit der am 01.08.2008 zum Sozialgericht erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die Erteilung der Zusicherung bzgl. der Übernahme der Unterkunftskosten für die neue Wohnung, nach Umzug am 01.10.2008 dann auch die Erteilung der Zusicherung bzgl. der Übernahme der Umzugskosten für den Bezug der neuen Wohnung begehrt. Sie habe gesundheitsbedingt umziehen müssen. Eine günstigere als die nun bezogene Wohnung sei nicht verfügbar gewesen.
Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, die Zusicherung zur Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten und der Umzugskosten betreffend die Wohnung in der M-straße 00 in F zu erteilen.
Die Beklagte hat der Klageerweiterung zugestimmt und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 30.04.2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Gründe des Urteils wird Bezug genommen.
Gegen das am 08.06.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.06.2009 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung der Beklagten und auch des Sozialgerichts setze § 22 Abs. 3 SGB II eine Angemessenheit der Kosten der neuen Unterkunft als Voraussetzung der Erteilung einer Zusicherung für die Übernahme der Umzugskosten nicht voraus. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin beantragt, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln, in welcher Weise sich die gesundheitlichen Einschränkungen auf ihren räumlichen Mehrbedarf auswirken und sodann,
festzustellen unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Duisburg vom 30.04.2009 und Aufhebung des Bescheides vom 26.06.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2008, dass die Beklagte verpflichtet gewesen ist, eine Zusicherung zur Übernahme der tatsächlichen Umzugskosten in die Wohnung M-straße 00 in F zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, eine Zusicherung zur Übernahme der Umzugskosten komme wegen Unangemessenheit der Wohnung nicht in Betracht. Auch die von der Klägerin begehrte ausnahmsweise Erteilung einer Zusicherung wegen einer nur geringfügigen Überschreitung der Angemessenheitsgrenze scheide aus, da die Überschreitung im Falle der Klägerin weit mehr als 10% des Regelsatzes betrage und nicht als gering anzusehen sei.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakten und der beigezogenen Akten Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat die Beklagte mit Bescheid vom 26.06.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2008 die Erteilung einer Zusicherung zur Übernahme der tatsächlichen Umzugskosten abgelehnt.
Auf die Feststellung einer diesbezüglichen Verpflichtung nach § 22 Abs. 3 S. 2 SGB II oder § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II besteht kein Anspruch der Klägerin. § 22 Abs. 3 S. 2 SGB II bestimmt, dass die Zusicherung erteilt werden soll, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Hieraus ergibt sich für den Regelfall eine Pflicht des Trägers, eine Zusicherung zu erteilen. Dies ist nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 7/09 R) aus der Überlegung abzuleiten, dass die Kosten eines Umzugs, der auf Veranlassung des Trägers stattgefunden hat, ohne die Sonderregelung des § 22 Abs. 3 S. 2 SGB II bereits als Kosten der Unterkunft von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II umfasst wären. Auf solche Umzugskosten bestünde dann – die Regelung des § 22 Abs. 3 S. 2 SGB II hinweggedacht – gem. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ein Rechtsanspruch bis zur Grenze der Angemessenheit.
Der Umzug der Klägerin in die ab dem 01.10.2008 genutzte Wohnung kann nicht im Sinne von § 22 Abs. 3 S. 2 SGB II als von der Beklagten veranlasst oder aus anderen Gründen als notwendig betrachtet werden. Denn der von der Klägerin durchgeführte Umzug war nicht "zusicherungsfähig" in dem Sinne, dass er zur Verminderung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft oder zur Eingliederung in Arbeit geboten war. Danach könnte zwar der Auszug der Klägerin aus ihrer vormaligen Wohnung im Hinblick auf deren zu hohe Kosten sowie im Hinblick auf ihre für die Klägerin ungünstige Lage im 4. Obergeschoss noch als geboten bzw. im Hinblick auf das Aufforderungsschreiben der Beklagten vom 19.05.2008, die Unterkunftskosten zu senken, auch veranlasst angesehen werden. Keinesfalls ist jedoch festzustellen, dass auch der Umzug der Klägerin in die konkrete neue Wohnung von der Beklagten im Sinne des § 22 Abs. 3 S. 2 SGB II veranlasst worden ist. Anders als ein Auszug umfasst der Umzug schon begrifflich auch das Endziel (die neue Wohnung). Mithin muss gerade auch das konkrete Ziel des Wohnungswechsels (der Bezug der neuen Wohnung) veranlasst worden sein (BSG aaO, Rn. 15 nach juris). Dies kann nur dann der Fall sein, wenn die Kosten für die neue Wohnung angemessen i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sind. Denn eine Kostensenkungsaufforderung nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II zielt auf den Umzug in eine i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II angemessene Wohnung ab, sodass der Umzug in eine Wohnung, deren Kosten die Angemessenheitsgrenzen des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II überschreitet, nicht von einem Leistungsträger i.S.v. § 22 Abs. 3 S. 2 SGB II veranlasst sein kann.
Die Kaltmiete der neuen Wohnung von 330,00 EUR ab dem 01.10.2008 überschreitet die Referenzmiete um 112,50 EUR (330,00 EUR – 217,50 EUR), d.h. um mehr als 50%. Die Beklagte hat im Ergebnis zutreffend als angemessene Referenzmiete für einen Ein-Personen-Haushalt im Stadtgebiet F im Oktober 2008 einen Betrag von 217,50 EUR festgesetzt.
Bei der Beurteilung der Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft ist im Hinblick auf den Zweck der Leistungen nach dem SGB II nur den notwendigen Bedarf sicherzustellen nicht auf den jeweiligen örtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Leistungsempfängers marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage eine Mietpreisspanne zu ermitteln. Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ergibt sich als Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins/m² ("Produkttheorie"). Maßgebliche Kriterien für die Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft sind die Wohnraumgröße, der Wohnort und der Wohnungsstandard.
Die Beklagte ist bei der Ermittlung der angemessenen Referenzmiete zutreffend von einer angemessenen Wohnungsfläche von 45 qm ausgegangen.
Die Bemessung der angemessenen Größe erfolgt nach den landesrechtlichen Durchführungsvorschriften zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.09.2001 (BGBl I 2376). Angemessen ist eine Wohnung ferner nur, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Nach der Rechtsprechung des BSG genügt es jedoch insoweit, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist, also die zu übernehmende Miete in einem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, die angemessene Mietobergrenze nicht überschreitet (ständige Rechtsprechung des BSG z.B. im Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R -). Die Wohnung der Klägerin überschreitet mit 68,3 qm das grundsicherungsrechtlich angemessene Flächenmaß. Alleinstehenden Personen in Nordrhein-Westfalen stehen nach der vorstehend angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Jahr 2008 45 qm Wohnfläche nach Ziffer 5.71b der Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz (VV-WoBindG – Runderlass des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport, Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen vom 08.03.2002, 396, 400) zu. Die Wohnungsgröße der Klägerin überschreitet diesen Wert um 23,3 qm und damit um mehr als 50%. Ein räumlicher Mehrbedarf der Klägerin im Hinblick auf ihre besonderen gesundheitlichen Verhältnisse lässt sich anhand der landesrechtlichen Bestimmungen nicht feststellen. Ziffer 5.72 VV-WoBindG 1990 sieht insoweit eine zusätzliche Wohnfläche von 15 qm zur Vermeidung besonderer Härten vor für junge Ehepaare, bei denen keiner der Ehegatten das 40. Lebensjahr vollendet hat und deren Ehe noch nicht länger als fünf Jahre besteht, bei Blinden, Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern sowie Alleinerziehenden mit Kindern ab vollendetem 6. Lebensjahr. Keiner dieser Ausnahmetatbestände trifft auf die Klägerin zu.
Der Senat folgt dem Ergebnis der Ermittlungen des Sozialgerichts zu den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin. Weder die Verpflichtung zur Ermittlung von Amts wegen (§ 103 SGG) noch der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag veranlassten den Senat zu weiteren Ermittlungen, insbesondere auch nicht zur Einholung des von der Klägerin gewünschten medizinischen Gutachtens. Der Senat sieht es in Übereinstimmung mit den eigenen Angaben der Klägerin als erwiesen an, dass diese infolge der Versorgung mit zwei Hüftgelenksendoprothesen, ihres Hals- und Lendenwirbelsäulensyndroms sowie des bestehenden Bluthochdrucks in ihrem Bewegungsvermögen eingeschränkt ist. Sie soll z.B. möglichst wenige Treppen steigen. Die Klägerin benutzt jedoch keine Gehhilfen (Stock, Krücken, Rollator) und sie ist insbesondere nicht auf einen Rollstuhl angewiesen. Es ist daher nicht erkennbar und wird auch von ihr nicht dargelegt, weshalb sich aus ihren gesundheitlichen Einschränkungen ein Mehrbedarf an Wohnraum ergeben sollte.
Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln, in welcher Weise sich die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin auf ihren räumlichen Mehrbedarf auswirken, ist nicht zu entsprechen. Es fehlt schon an der Behauptung einer beweiserheblichen Tatsache. Soweit die behauptete Tatsache darin zu sehen sein sollte, dass aufgrund der bei der Klägerin bestehenden Gesundheitseinschränkung ein räumlicher Mehrbedarf vergleichbar dem Mehrbedarf bei Rollstuhlfahrern liegen sollte, fehlte es an jeglicher Anknüpfung im Tatsächlichen. Selbst wenn die Klägerin den einer Rollstuhlfahrerin vergleichbaren räumlichen Bedarf haben sollte, stünden ihr nach Ziffer 5.72 VV-WoBindG zusätzlich zu den regelmäßigen 45 qm Wohnfläche weitere 15 qm, insgesamt also 60 qm, und damit immer noch weniger Wohnraum zu, als ihre neue Wohnung aufweist. Ein Mehrbedarf vergleichbar dem einer Rollstuhlfahrerin wäre daher nicht entscheidungserheblich. Unabhängig davon läuft der gestellte Antrag auf einen auch im sozialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus. Ein unzulässiger Ausforschungsbeweis liegt im sozialgerichtlichen Verfahren vor, wenn ihm die Bestimmtheit bei der Angabe der Tatsachen oder Beweismittel fehlt oder aber der Beweisführer für seine Behauptung nicht genügend Anhaltspunkte angibt und erst aus der Beweisaufnahme die Grundlage für seine Behauptung gewinnen will (BSG-Beschluss vom 19.11.2009 – B 13 R 303/09 B -). Die Klägerin hat hier in keiner Weise konkret dargelegt, dass und weshalb ihre gesundheitlichen Einschränkungen einen Mehrbedarf an Wohnraum verursachen. Sie erhofft sich vielmehr weitere Erkenntnisse hierzu aus dem beantragten Sachverständigengutachten.
Eine Überschreitung der angemessenen Wohnungsgröße wäre nur dann grundsicherungsrechtlich unbeachtlich, wenn das Produkt, ausgedrückt in der Höhe des Mietzinses gleichwohl angemessen im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II wäre, etwa, weil der Standard der Wohnung nach unten abweicht. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, denn die Kaltmiete der Klägerin ab dem 01.10.2008 überschreitet im konkreten Fall die Referenzmiete nach der Angemessenheitsobergrenze der Beklagten um 112,50 EUR (330,00 EUR – 217,50 EUR), d.h. um mehr als 50%.
Unter Zugrundelegung des Stadtgebiets von F als räumlicher Vergleichsmaßstab (vgl. hierzu BSG-Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R) ist die Berechnung des Sozialgerichts zur Ermittlung des angemessenen qm-Preises auf Grund der Datenlage des Mietspiegels 2007, gültig ab dem 01.07.2007 nicht zu beanstanden. Der qualifizierte Mietspiegel 2007 beruht zwar nicht wie der Mietspiegel 2005 (vgl. hierzu: BSG-Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R – Rn. 28 nach juris) auf einer Datenerhebung, sondern es handelt sich um eine Fortschreibung des auf einer empirischen Datenerhebung beruhenden Mietspiegels 2005, wobei die ausgewiesenen Mietrichtwerte in den Mietspiegeln 2005 und 2007 identisch sind. Da die im qualifizierten Mietspiegel 2009 für die Stadt F, gültig ab dem 01.07.2009, ausgewiesenen Mietrichtwerte ebenso wie die Mietrichtwerte im Mietspiegel 2007 identisch mit denen des Mietspiegels 2005 sind, stellen die im Mietspiegel 2007 ausgewiesenen Mietrichtwerte nach Auffassung des Senats eine brauchbare Datengrundlage dar, um den angemessenen abstrakten Quadratmeterpreis im Oktober 2008 zu ermitteln. Denn der Mietspiegel 2009 beruht wie der Mietspiegel 2005 auf einer zeitlich begrenzten – von Mai bis Oktober 2009 durchgeführten – Datenerhebung im gesamten Vergleichsraum – dem Stadtgebiet F -, wobei Gegenstand der Beobachtung Mietwohnungen von 35 bis 150 qm gewesen, ausschließlich die Nettokaltmieten erhoben worden, die unterschiedlichsten Interessengruppen des Wohnungsmarktes der Stadt F an der Erstellung des Mietspiegels beteiligt gewesen sind sowie die Auswertung des Datenmaterials auf Grund objektiver statistischer Kriterien von der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses vorgenommen worden ist. Da sich die Mietrichtwerte in den Mietspiegeln 2005 und 2009 (www. F.de), die jeweils auf Datenerhebungen beruhen, nicht geändert haben, ist von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse in der Zeit vom 01.07.2007 bis zum 30.06.2009, die vom Mietspiegel 2007 erfasst wird, nicht auszugehen. Unter Zugrundelegung der Datenlage des Mietspiegels 2007 ist die Ermittlung eines Quadratmeterpreises für einen Ein-Personen-Haushalt von 4,82 EUR im Oktober 2008) als angemessen i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II durch das Sozialgericht nicht zu beanstanden. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts (§ 153 Abs. 2 SGG). Mithin ist eine Referenzmiete von 217,50 EUR für einen Ein-Personen-Haushalt im Oktober 2008 angemessen i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II.
Die neue Wohnung der Klägerin ist daher auch nicht im Rahmen der "Produkttheorie" des Bundessozialgerichts wegen einer weit unterdurchschnittlichen Quadratmetermiete als insgesamt grundsicherungsrechtlich angemessen anzusehen. Vielmehr bestätigt die von der Klägerin gezahlte Quadratmetermiete die Realitätsnähe des der Referenzmiete zugrunde liegenden Quadratmeterpreises. Angesichts der deutlich unangemessen großen und teuren Wohnung der Klägerin kann der Umzug der Klägerin in diese nach Vorstehendem nicht als von der Beklagten im Sinne von § 22 Abs. 3 S. 2 SGB II "veranlasst" angesehen werden.
Für die Klägerin sind auch abstrakt angemessene Wohnungen – auch unter Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen Einschränkungen – konkret verfügbar gewesen. Auf die erstinstanzlichen Ausführungen wird Bezug genommen.
Bei einer Überschreitung der Angemessenheitsgrenze von mehr als 50% scheidet auch die von der Klägerin gesehene Ausnahme im Sinne der Arbeitshilfe "Kosten der Unterkunft und Heizung gem. § 22 SGB II" des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (www.mags.nrw.de) aus. Hiernach können Leistungen anlässlich eines grundsätzlich erforderlichen Umzuges in eine unangemessene Wohnung z.B. gewährt werden, wenn der Hilfebedürftige glaubhaft macht, eine geringe Differenz zwischen angemessenen und tatsächlichen Aufwendungen auf Dauer aus eigenen Mitteln bestreiten zu können (z.B. aus Unterhaltszahlungen, Schonvermögen o.ä.). Weder hat die Klägerin sich überhaupt bereit erklärt, die Differenz zwischen der von der Beklagten als angemessen angesehenen Miete und den tatsächlichen Unterkunftskosten aus eigenen Mitteln zu bestreiten noch kann die Überschreitung der Angemessenheitsgrenze um mehr als 50% als "geringfügig" angesehen werden.
Der Umzug der Klägerin in die ab dem 01.10.2008 genutzte Wohnung war auch nicht "aus anderen Gründen notwendig" bzw. "zusicherungsfähig" im Sinne von § 22 Abs. 3 S. 2 SGB II. Eine solche Notwendigkeit ließe sich – wiederum – allenfalls hinsichtlich des Auszuges aus der alten, auf Dauer gesundheitlich unzuträglichen Wohnung feststellen. Weder gesundheitliche noch soziale Gründe, die den Bezug der konkret angemieteten neuen unangemessenen Wohnung zwingend erforderlich erscheinen ließen, sind ersichtlich. Darüber hinausgehende Gesichtspunkte wie etwa der Wunsch nach sozialer Anbindung am Zuzugsort lässt einen Umzug nicht als "aus anderen Gründen notwendig" im Sinne von § 22 Abs. 3 S. 2 SGB II erscheinen. Es ist nicht Aufgabe des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die grundsätzlich das Ziel hat, Erwerbsfähige wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, Umzüge zu finanzieren, die einem privaten Zweck dienen (BSG im Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 7/09 R -, Rn. 17 nach juris).
Da es sich beim Umzug der Klägerin mithin weder um einen von der Beklagten veranlassten noch um einen aus anderen Gründen notwendigen Umzug im Sinne des § 22 Abs. 3 S. 2 SGB II handelt, greift zu ihren Gunsten lediglich die Auffangnorm in § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II ein, die grundsätzlich für den Fall des nicht notwendigen bzw. veranlassten Umzugs einschlägig ist. § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II räumt dem Leistungsträger bei der Übernahme der Umzugskosten Ermessen ein, das sowohl das "ob" der Übernahme der Umzugskosten als auch die Höhe der Umzugskosten umfasst (BSG aaO, Rn. 18).
Die Beklagte hat eine solche Ermessensentscheidung bislang nicht getroffen. Diese Unterlassung führt jedoch, anders als im vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall, nicht gemäß § 54 Abs. 2 S. 2 SGG zur Verpflichtung der Beklagten, eine entsprechende Entscheidung nachzuholen, weil hier der besonders gelagerte Fall einer Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Diese ist anzunehmen, wenn aufgrund des festgestellten Sachverhalts feststeht, dass die Beklagte bei rechtsfehlerfreier Ermessensausübung keine andere – die Klägerin ganz oder teilweise begünstigende – Entscheidung hätte treffen können (Urteil des BSG vom 06.05.2009 – B 11 AL 11/08 R mit Nachweis der vorhergehenden Rechtsprechung).
Die Voraussetzungen dieses Ausnahmefalles sind zur Überzeugung des Senats erfüllt: Am konkreten Umzug der Klägerin zum 01.10.2008 in eine geringfügig preiswertere, gemessen an der Referenzmiete jedoch um mehr als 50% zu teure Wohnung bestand kein von der Beklagten zu berücksichtigendes öffentliches Interesse. Der Umzug verbesserte weder die Möglichkeiten einer Wiedereingliederung der Klägerin in den Arbeitsmarkt – sie stand kurz vor dem Rentenbezug – noch konnte kurz vor dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Leistungsbezug ein fiskalisches Interesse an einem Umzug bestehen. Angesichts der geringen Differenz der Miethöhe der nun bezogenen Wohnung zur Miethöhe der vormaligen Wohnung lagen die entstehenden Umzugskosten zu hoch. Ein von der Beklagten zu gewichtendes Interesse der Klägerin, zum konkret gewählten frühen Zeitpunkt in die konkret bezogene Wohnung umzuziehen, ist ebenfalls nicht festzustellen. Denn die Beklagte hatte sich in der Absenkungsaufforderung vom 19.05.2008 zur Übernahme der für die vormalige Wohnung entstehenden Kosten bis einschließlich Dezember 2008 bereit erklärt. Die Behauptung der Klägerin, sie habe außer der ab dem 01.10.2008 bezogenen Wohnung keine gesundheitlich zuträgliche und darüber hinaus den Angemessenheitskriterien der Beklagten entsprechende Wohnung finden können, sieht der Senat aber aufgrund der mit Schriftsatz der Beklagen vom 09.10.2008 und damit zeitnah zum Umzug der Klägerin beigebrachten Wohnungsangeboten als widerlegt an. Der Wunsch der Klägerin, in eine in der Nähe des Wohnortes einer Freundin liegende Wohnung zu ziehen, ist verständlich. Es ist aber nicht Aufgabe des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Umzüge zu finanzieren, die einem privaten Zweck dienen. Ein von der Beklagten im Rahmen einer Interessenabwägung zu gewichtendes Interesse der Klägerin könnte allenfalls darin gesehen werden, dass diese zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine ihr zuträgliche Erdgeschoss-Wohnung beziehen konnte. Es ist aber nicht festzustellen, dass eine solche zu angemessenen Kosten nicht vorhanden war. Vor dem Hintergrund des unmittelbar bevorstehenden Renteneintritts der Klägerin wäre daher jede andere Entscheidung als die Ablehnung von Umzugskosten ermessensfehlerhaft und würde dem Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitserfordernis des § 14 Satz 3 SGB II widersprechen. Die Beklagte war daher auch nicht im Hinblick auf § 54 Abs. 2 S. 2 SGG zu verpflichten, die bislang unterlassene Ermessensentscheidung nachzuholen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Erstellt am: 21.06.2011
Zuletzt verändert am: 21.06.2011