Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 09.11.2011 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen einer Laktoseunverträglichkeit.
Der 1984 geborene Antragsteller bezieht vom Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 08.06.2010 (geändert durch Bescheid vom 18.08.2010) gewährte der Antragsgegner Leistungen vom 01.07.2010 bis 31.12.2010. Einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung aufgrund einer beim Antragsteller bestehenden Laktoseintoleranz lehnte er ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Antragstellers wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2010 zurück.
Der Antragsteller hat am 19.08.2010 Klage erhoben und im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zunächst begehrt, ihm unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung Leistungen in Höhe von mindestens 53,00 Euro monatlich zu gewähren. Ebenfalls hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) begehrt. Unter Vorlage einer selbst erstellten Auflistung, in der laktose- und glutenfreie Lebensmittel einander gegenüber gestellt werden, hat der Antragsteller mit Schreiben vom 19.10.2010 einen monatlichen Betrag in Höhe von 113,38 Euro gefordert.
Das Sozialgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 09.11.2010 abgelehnt. Eine besondere Eilbedürftigkeit als notwendige Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liege nicht vor. Laktoseintoleranz (medizinisch Kohlenhydratmalabsorption) sei eine Milchzuckerunverträglichkeit, bei der der mit der Nahrung aufgenommene Milchzucker (Laktose) als Folge von fehlender oder verminderter Produktion des Verdauungsenzyms Laktase nicht verdaut werde. Als Folge komme es zu charakteristisch riechenden Darmwinden und Blähungen, Bauchdrücken bis Bauchkrämpfen, Übelkeit, Erbrechen und häufig auch zu spontanen Durchfällen. Der Laktasemangel sei nicht heilbar, die Auswirkungen könnten jedoch durch Umstellung der Ernährung auf milchzuckerarme bzw. milchzuckerfreie Kost auf ein Minimum reduziert werden. In welcher Weise eine Diät erforderlich sei, hänge von dem Ausmaß der Laktoseintoleranz, d.h. von der Schwere der Symptomatik ab. Die einzuhaltende Diät sei eine Auslassdiät. Der Antragsteller müsse also Lebensmittel, die Laktose beinhalten, also Milchprodukte und Produkte, die Milchzucker enthalten, weglassen. Er könne jedoch alle Grundnahrungsmittel, insbesondere Getreide (Mehl), Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch usw. konsumieren. Die Empfehlungen des deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge würden einen Mehrbedarf für diese Erkrankung nicht nahe legen. Ausgehend von der Tatsache, dass der im Regelsatz enthaltene Anteil für Nahrungsmittel bereits die Ernährung mit Vollkost vorsehe und der Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nicht sicherstellen müsse, dass jemand umfassend für diejenigen Produkte, die er krankheitsbedingt nicht verzehren könne, Ersatzprodukte erwerben könne, sei eine Eilbedürftigkeit nur dann anzunehmen, wenn a) die Zubilligung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs relativ wahrscheinlich sei und b) wenn ohne die Gewährung eines Mehrbedarfs gesundheitliche Einschränkungen drohten. Die vom Antragsteller vorgelegte Liste über Milchprodukte und Alternativprodukte sei wenig hilfreich, weil diese nicht aufzeige, ob die Ersatzprodukte vom Antragsteller tatsächlich verzehrt würden und insbesondere nicht, ob er diese zu sich nehmen müsse, um einer Calciumunterversorgung entgegenzutreten. Es sei anerkannt, dass auch über andere Lebensmittel die notwendige Calciumzufuhr erreicht werden könne wie zB bei Grünkohl, Lauch, Sojabohnen, Spinat, Salat und Brokkoli. Darüber hinaus wäre es dem Antragsteller auch zumutbar, wenigstens für eine vorübergehende Zeit auf die im Supermarkt erhältlichen Calciumtabletten zurückzugreifen.
Gegen den ihm am 22.11.2010 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 13.12.2010 Beschwerde erhoben. Das Gericht müsse doch mittlerweile wissen, dass er den Mehrbedarf dringend benötige und davon sein Lebensunterhalt sowie seine Gesundheit abhänge. Dies habe er mehrfach durch seinen Anwalt und die damit verbundenen ärztlichen Atteste von Dr. C und Dr. U mitgeteilt. Die Substitution mittels des Medikaments "Lactrase plus 9000 FCC Kapseln" sei nicht ausreichend und diene lediglich der Ergänzung zu den laktosefreien Lebensmitteln. Im Übrigen sei es auch aus medizinischer Sicht nicht empfehlenswert, auf alle (im Normalfall) milchzuckerenthaltenden Produkte zu verzichten. Das gelte sowohl psychisch als auch physisch. Daher müsse er in seinem Fall auch die Alternativprodukte zu sich nehmen, welche auch tatsächlich von ihm verzehrt würden. Die Eilbedürftigkeit sei bereits schon anzunehmen, weil ihm ohne Gewährung eines Mehrbedarfs gesundheitliche Einschränkungen drohen würden.
Der Senat hat Befundberichte des Dr. U vom 17.02.2011 und der Dr. C vom 18.02.2011 eingeholt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Der Antragsteller hat, wie vom Sozialgericht zutreffend entschieden, keinen Anspruch darauf, den Antragsgegner zu verpflichten einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nach § 23 Abs. 5 SGB II vorläufig zu erbringen.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das von Antragstellerseite geltend gemachte Recht (sog. Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit, d.h. die Dringlichkeit, die Angelegenheit sofort vor einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu regeln (sog. Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Hiervon ausgehend sind vorliegend die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht erfüllt, weil es jedenfalls an einem Anordnungsgrund fehlt. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts vom 09.11.2010 wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG).
Die Ausführungen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren vermögen nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen. Entgegen seiner Auffassung ist gerade nicht erkennbar, dass ihm bei Versagung des Mehrbedarfs unmittelbare gesundheitliche Beeinträchtigungen drohen. Vielmehr hat der behandelnde Arzt Dr. U in seinem Befundbericht vom 17.02.2011 unter Bezugnahme auf die Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention (FET) e.V. sowie den Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz-Info Gesundheit e.V. ausgeführt, dass der Antragsteller seinen Calciumbedarf über frisches grünes Gemüse, Kräuter oder Nüsse sowie calciumhaltiges Mineralwasser decken könne und darüber hinaus keine Defizite zu erwarten seien. Teurere laktosefreie Produkte seien hierfür nicht zwingend notwendig.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung von PKH für das Verfahren erster Instanz ist ebenfalls unbegründet. Denn das Eilverfahren hat aus den genannten Gründen gemäß § 73a SGG i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die im erstinstanzlichen Verfahren vom Antragsteller vorgelegten Atteste haben lediglich das Erfordernis einer laktosefreien Ernährung, nicht hingegen einen hiermit beim Antragsteller verbundenen finanziellen Mehrbedarf dargelegt.
Kosten sind im Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Ablehnung von PKH gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten. Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 20.04.2011
Zuletzt verändert am: 20.04.2011