Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 16.08.2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die 1987 geborene Antragstellerin zu 1) bezog in Bedarfsgemeinschaft mit ihren 2006 und 2008 geborenen Kindern K (Antragsteller zu 2) und T (Antragstellerin zu 3), die sie allein erzieht, von der Antragsgegnerin Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 03.06.2009 bewilligte die Antragsgegnerin Leistungen für den Zeitraum vom 01.06.2009 bis 30.11.2009 in Höhe von monatlich 439,00 Euro.
Seit dem 01.08.2009 besucht die Antragstellerin zu 1) das Berufskolleg Kaufmännische Schulen des Kreises E, wo sie die Zweijährige Berufsfachschule für Wirtschaft und Verwaltung (Handelsschule) absolviert. Auf Aufforderung der Antragsgegnerin beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 02.11.2009 bei dem Beigeladenen Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Der Beigeladene bewilligte mit Bescheid vom 29.12.2009 BAföG-Leistungen für den Zeitraum von Oktober 2009 bis Juli 2010 in Höhe von monatlich 20,00 Euro. Dabei wurde Einkommen der Eltern der Antragstellerin zu 1) angerechnet.
Auf einen Fortzahlungsantrag der Antragstellerin zu 1) wies die Antragsgegnerin diese mit Schreiben vom 21.12.2009 darauf hin, dass sie als Auszubildende in einer förderungsfähigen Ausbildung gem. § 7 Abs. 5 SGB II seit August 2009 keinen Anspruch mehr auf Leistungen nach dem SGB II habe. Eine darlehensweise Gewährung von Leistungen wegen eines Härtefalls nach § 7 Abs. 5 S. 2 SGB II scheide aus, da die BAföG-gewährende Stelle anrechenbares Einkommen der Eltern ermittelt habe. Von diesen sei der Antragstellerin Unterhalt zur Verfügung zu stellen. Sofern die Eltern den auf die BAföG-Leistungen angerechneten Unterhalt nicht zahlen würden, könne gemäß § 36 BAföG eine Vorauszahlung der Ausbildungsförderung erfolgen. Über einen entsprechenden Antrag entscheide der Beigeladene. Die Auszahlung von Leistungen werde zum 31.12.2009 vorläufig eingestellt. Gegen dieses Schreiben legte die Antragstellerin am 21.01.2010 Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 11.01.2010 hob die Antragsgegnerin u.a. die Leistungsbewilligung für die Zeit ab 01.10.2009 auf und forderte die für Oktober bis Dezember 2009 geleisteten Zahlungen zurück. Leistungen nach § 22 Abs. 7 SGB II stünden der Antragstellerin nicht zu, da die angemessenen Kosten der Unterkunft nicht ungedeckt seien.
Am 09.06.2010 hat die Antragstellerin das Sozialgericht (SG) Aachen um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ersucht und die vorläufige Zahlung von Leistungen nach dem SGB II begehrt. Sie sei Mutter von zwei minderjährigen Kindern und überdies alleinerziehend. Aus eigenen finanziellen Mitteln könne sie den Alltag nicht bestreiten. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin seien ihre Eltern zur Zahlung von Unterhalt nicht verpflichtet. Möglicherweise hätten die Kinder Anspruch auf Sozialgeld und anteilmäßige Kosten der Unterkunft gem. § 22 SGB II.
Das SG hat den Eilantrag mit Beschluss vom 16.08.2010 zurückgewiesen. Es fehle an einem Anordnungsanspruch. Gemäß der Nachrangregelung des § 12a S. 1 SGB II müssten Hilfebedürftige Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch nehmen und die dafür erforderlichen Anträge stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sei. Die Antragsteller könnten ihren Bedarf mit dem Kindergeld, dem Wohngeld, dem Unterhaltsvorschuss sowie den Ausbildungsförderungsleistungen nach dem BAföG decken. Hierbei könne von der Antragstellerin zu 1) ein Anspruch auf Vorauszahlung von Ausbildungsförderung nach § 36 BAföG geltend gemacht werden. Der Umstand, dass dieser Antrag gegebenenfalls nicht gestellt worden sei, führe nicht dazu, die Antragsgegnerin im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu verpflichten. Die Antragstellerin habe die Verpflichtung einen entsprechenden Antrag bei dem Beigeladenen zu stellen. Hierauf sei sie auch hingewiesen worden. Wenn sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, könne dies nicht dazu führen, dass die nachrangige Leistungsbewilligung nach dem SGB II nun doch zu erfolgen habe. Wenngleich man die Auffassung vertreten könne, dass eine Weitergewährung der grundsätzlich nachrangigen SGB II-Leistungen bis zum Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs der zu beantragenden vorrangigen Leistung anderer Sozialleistungsträger zu erfolgen habe, sei der Anspruch jedenfalls nunmehr verwirkt. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die Antragstellerin zu 1) den Antrag nicht gestellt habe. Ein Eilantrag auf SGB II-Leistungen 5 Monate nach deren Einstellung habe keinen Erfolg. Es sei nicht ersichtlich und auch nicht glaubhaft vorgetragen, dass sich die Antragsteller, nachdem sie 5 Monate ohne zusätzliche Leistungen nach dem SGB II oder dem BAföG ausgekommen seien, nunmehr in einer Notlage befänden, die das Überbrücken des Zeitraumes bis zu einer Bewilligung weiterer Ausbildungsförderungsleistungen gemäß § 36 BAföG unzumutbar mache. Der Antragstellerin zu 1) sei vielmehr zu raten, umgehend einen entsprechenden Antrag bei der Beigeladenen zu stellen.
Die Antragsgegnerin hat den Widerspruch der Antragsteller als Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.01.2010 gedeutet und mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2010 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin am 04.10.2010 Klage vor dem SG Aachen (Az S 9 AS 1050/10) erhoben.
Gegen den ihr am 18.08.2010 zugestellten Eilbeschluss des SG hat die Antragstellerin am 17.09.2010 Beschwerde erhoben und ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Ihrem Gesamteinkommen von 980 Euro stünden laufende Kosten an Miete, Strom, Telefon und Versicherungen in Höhe von 600 Euro gegenüber. Sie habe also nur 380 Euro im Monat zur Verfügung, um Lebensmittel, Getränke, Kindernahrung, Kinderbekleidung, Schulartikel etc zu bezahlen. Die Kinder befänden sich im Wachstum, so dass an ihnen nicht gespart werden könne. Sie habe als alleinerziehende Mutter von 2 Kindern gerade mal 16 Euro mehr als ein "gewöhnlicher" Hartz IV Empfänger. Dies belege bereits einen Härtefall.
Die Antragsteller zu 1) bis 3) beantragen schriftlich,
ihnen Leistungen nach dem SGB II, hilfsweise in Form eines Darlehens zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Beigeladene hat mitgeteilt, dass die Antragstellerin zu 1) im Schuljahr 2009/2010 keinen Antrag auf Vorausleistungen gem. § 36 BAföG gestellt habe. Für das Schuljahr 2010/2011 sei überhaupt kein Antrag gestellt worden.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, auch nicht in Form der Zahlung eines Zuschusses zu den Kosten der Unterkunft.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (sog. Anordnungsanspruch) und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (sog. Anordnungsgrund). Eilbedarf besteht, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 Rn 23 – Breith 2005, 803; BVerfG Beschluss vom 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91 Rn 28 – BVerfGE 93, 1). Der gemäß Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) von den Gerichten zu gewährende effektive Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Daraus folgt, dass gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeter Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können (BVerfG Beschluss vom 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91 Rn 28 – BVerfGE 93, 1). Der vom Antragsteller geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B – SozR 3-3900 § 15 Nr. 4).
Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht erfüllt. Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Allein ihr Vorbringen, das tatsächliche Einkommen genüge zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht, ist hierfür nicht ausreichend.
Die Antragstellerin zu 1) ist gemäß § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen, weil die von ihr betriebene Ausbildung nach dem BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist. Ob tatsächlich BAföG-Leistungen beantragt worden sind und gezahlt werden, ist für den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II ohne Belang. Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs. 4 SGB II im Wege des Eilrechtsschutzes. Der Anspruchsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II erfasst den in § 21 Abs. 4 SGB II geregelten Mehrbedarf, weil es sich hier um eine ausbildungsbedingte Mehrleistung handelt (Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 21 Rn 40; Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 21 Rn 19).
Auch eine darlehensweise Gewährung von Leistungen aufgrund eines Härtefalls gemäß § 7 Abs. 5 S. 2 SGB II kommt nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann ein Härtefall dann angenommen werden, wenn wegen einer Ausbildungssituation Hilfebedarf entstanden ist, der nicht durch BAföG gedeckt werden kann und deswegen begründeter Anlass für die Annahme besteht, die vor dem Abschluss stehende Ausbildung müsse abgebrochen werden (vgl BSG Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 67/08 R Rn 19 – SGb 2009, 536). Hier konnte der Hilfebedarf der Klägerin durch BAföG-Leistungen gedeckt werden. Sofern die Angaben der Antragstellerin zu 1) zutreffen, dass ihre Eltern den Unterhalt verweigern, hätte der Bedarf durch zusätzliche Vorschussleistungen gemäß § 36a BAföG gedeckt werden können. Hinweise auf die Notwendigkeit eines Ausbildungsabbruchs sind weder vorgetragen noch nach dem Aktenstand ersichtlich und auch trotz des Leistungsausfalls tatsächlich nicht erfolgt.
Auch ein Anspruch der Antragsteller zu 2) und 3) ist zu verneinen. Diese können ihren Bedarf aufgrund des ihnen zurechenbaren Einkommens an Kindergeld, Unterhaltsleistungen und Wohngeld allein decken und sind damit nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II.
Sofern dem Antrag der Antragstellerin zu 1) auch der Antrag entnommen werden kann, einen Zuschuss zu den Kosten der Unterkunft zu erlangen, liegen die Voraussetzungen für eine einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners gleichfalls nicht vor. Ein besonderer Eilbedarf ist nicht glaubhaft. Kosten der Unterkunft rechtfertigen nur dann eine Eilentscheidung des Gerichts, wenn der Verlust der Wohnung unmittelbar droht (vgl hierzu Beschluss des erkennenden Senats vom 12.01.2011 – L 6 AS 1065/10 B ER). Dies ist nicht erkennbar und von der Antragstellerin zu 1) auch nicht behauptet worden.
Im Übrigen bestehen aufgrund des Verhaltens der Antragstellerin zu 1) auch grundsätzliche Zweifel an der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit. Selbst wenn sie die Auffassung vertritt, dass ihre Eltern keine Unterhaltspflicht trifft, hätte sie bei der behaupteten Geldnot einen Antrag auf Vorschussleistungen gem. § 36 BAföG stellen müssen. Entweder hätte dann die Beigeladene den Vorschuss geleistet oder festgestellt, dass Unterhalt nicht anzurechnen ist. Nicht verständlich erscheint, warum die Antragstellerin zu 1) beharrlich versucht, die grundsätzlich im BAföG-Leistungssystem angesiedelten Unterstützungsleistungen vom Beklagten zu erlangen. Darüberhinaus ist auch nicht nachvollziehbar, warum die Antragstellerin zu 1) für das Schuljahr 2010/2011 überhaupt keinen Antrag auf BAföG-Leistungen gestellt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 20.04.2011
Zuletzt verändert am: 20.04.2011