Die Beschwerde der Bevollmächtigten des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.01.2011 wird zurückgewiesen. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Höhe der im Rahmen von Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG) für ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz.
Der durch die Beschwerdeführerin vertretene Antragsteller wendete sich mit Widerspruchsschreiben vom 26.08.2010 gegen einen den Zeitraum vom 01.09.2010 bis 30.11.2010 umfassenden Sanktionsbescheid des Antragsgegners vom 16.08.2010. Am 04.10.2010 stellte er in dieser Angelegenheit einen Eilantrag beim Sozialgericht Düsseldorf, den er durch die ihm im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnete Beschwerdeführerin für erledigt erklärte, nachdem der Antragsgegner dem Widerspruch mit Bescheid vom 12.10.2010 abgeholfen hatte.
Am 04.11.2010 hat die Bevollmächtigte des Antragstellers folgende Vergütungsfestsetzung beantragt:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV/RVG 250,00 Euro
Terminsgebühr Nr. 3106 VV/RVG 200,00 Euro
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV/RVG 20,00 Euro
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV/RVG 89,30 Euro
Gesamt 559,30 Euro.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Vergütung mit Beschluss vom 14.12.2010 auf 172,55 Euro festgesetzt. Die Verfahrensgebühr sei wegen der knapp unterdurchschnittlichen Bedeutung, des unterdurchschnittlichen Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit auf 125,00 Euro herabzusetzen. Eine Terminsgebühr könne nicht berechnet werden, da eine mündliche Verhandlung für das einstweilige Rechtsschutzverfahren nicht vorgeschrieben sei.
Mit Beschluss vom 13.01.2011 hat das SG die gegen diese Festsetzung gerichtete Erinnerung zurückgewiesen. Das Tätigwerden der Antragstellerin habe sich auf einen einzigen Schriftsatz beschränkt, der die Forderung nach der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid beinhaltet habe. Bereits mit Schriftsatz vom 27.10.2010 habe der Antragsgegner dem Begehren des Antragstellers abgeholfen. Schon diese deutlich unter dem Normalmaß auch im einstweiligen Rechtsschutz liegende anwaltliche Tätigkeit lasse den Ansatz einer Gebühr in Höhe der Mittelgebühr nicht als gerechtfertigt erscheinen. Vielmehr sei es sachgemäß, diese auf die Hälfte der Mittelgebühr zu reduzieren. Eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV/RVG sei nicht angefallen. Diese Gebühr diene dazu, die Gerichte zu entlasten und zu diesem Zweck unnötige Verhandlungstermine zu vermeiden. Diesen Zweck könne die Vorschrift im sozialgerichtlichen Eilverfahren nicht erfüllen, weil das Sozialgericht auch bei Nichtannahme eines Anerkenntnisses jederzeit ohne mündliche Verhandlung entscheiden könne.
Gegen diese am 26.01.2011 zugestellte Entscheidung hat die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers am 27.01.2011 Beschwerde eingelegt und ihr Begehren wiederholt. Die erfolgten Absetzungen seien nicht gerechtfertigt. Der Sanktionsbescheid habe für den Antragsteller ein erhebliches Interesse beinhaltet, da es ihm darum gegangen sei, eine weitere Existenz aufbauen zu können oder nicht.
Der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit Nordrhein-Westfalen hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die aus der Staatskasse im Rahmen der PKH zu zahlende Vergütung der Bevollmächtigten des Antragstellers ist vom Sozialgericht zu Recht nicht höher als mit 172,55 Euro festgesetzt worden.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft, §§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG (vgl. auch LSG NRW Beschluss vom 28.05.2010 – L 19 B 286/09 AS; Beschluss vom 25.01.2010 – L 1 B 19/09 AS zum Vorrang dieser Spezialvorschriften gegenüber den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes – SGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200 Euro (§§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Beschwerdewerts ist der Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2009, § 144 Rn 19). Die Beschwer beträgt 386,75 Euro, da das Sozialgericht die erstattungsfähigen Kosten in dem angefochtenen Beschluss auf 172,55 Euro festgesetzt und die Beschwerdeführerin eine Festsetzung auf insgesamt 559,30 Euro begehrt hat. Die Beschwerde ist fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses des Sozialgerichts an die Beschwerdeführerin erhoben worden (§§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG). Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem LSG vorgelegt (§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 S. 1 RVG). Erinnerungsführer bzw. Beschwerdeführer ist nicht der Antragsteller selbst, sondern dessen Prozessbevollmächtigte (§ 56 Abs. 1 und 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG i.V.m. § 55 Abs. 1 S. 1 RVG).
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die von der Bevollmächtigten des Antragstellers beantragte Verfahrensgebühr ist unbillig und daher zu reduzieren. Die begehrte Terminsgebühr ist nicht angefallen.
Nach § 55 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt eines Klägers bzw. Antragstellers für anwaltliche Tätigkeiten die gesetzliche Vergütung. Dies sind sämtliche Gebühren und Auslagen, die sich aus seiner Tätigkeit ab Wirksamwerden seiner Beiordnung ergeben (§ 48 Abs. 1 S. 1 RVG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz – wie hier (gemäß § 183 SGG) – nicht anzuwenden ist, entstehen nach § 3 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Teil 3 Abschnitt 1 der Anlage 1 zum RVG (Vergütungsverzeichnis – VV) Betragsrahmengebühren.
Als gesetzliche Gebühren sind hier eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV/RVG sowie die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV/RVG und die entsprechend zu berechnende Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV/RVG angefallen. Eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV/RVG ist hingegen nicht entstanden.
Die Verfahrensgebühr ist nicht höher als mit 125,00 Euro anzusetzen. Maßgeblich ist hier nicht der von der Beschwerdeführerin angesetzte Gebührenrahmen der Nr. 3102, sondern der Gebührenrahmen der Nr. 3103, weil dem Verfahren bereits ein Verwaltungsverfahren (hier: Erhebung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 16.08.2010) vorausgegangen ist. Der Gebührenrahmen dieser Vorschrift liegt bei 20,00 Euro bis 320,00 Euro. Innerhalb dieses Gebührenrahmens bestimmt die Rechtsanwältin gem. § 14 Abs. 1 S. 1 und S. 3 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers und ihres besonderen Haftungsrisikos. Liegt ein Durchschnittsfall vor, d.h. hebt sich die Tätigkeit des Bevollmächtigten nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt aller sozialrechtlichen Fälle ab, ist die Mittelgebühr zugrunde zu legen (BSG Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R Rn 24). Diese beträgt nach Nr. 3103 VV/RVG 170,00 Euro. Bei Abweichungen von einem Durchschnittsfall kann der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG eine höhere oder geringere Gebühr bis zur Grenze des Rahmens ansetzen. Die angesetzte Gebühr ist erst dann als unbillig anzusehen, wenn sie einen Toleranzrahmen von 20 % überschreitet (BSG a.a.O. Rn 19 m.w.N.).
Nach wertender Gesamtbetrachtung unter Beachtung der Kriterien des § 14 RVG handelt es sich in der vorliegenden Streitsache um einen unterdurchschnittlichen Fall. Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass die anwaltliche Tätigkeit mit nur einem Schriftsatz deutlich unter dem Normalmaß gelegen hat. Diese Unterdurchschnittlichkeit wird nicht durch die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte besondere Bedeutung der Angelegenheit für den Antragsteller kompensiert. Denn selbst wenn eine solche besondere Bedeutung vorgelegen haben sollte, wird hierdurch die grundsätzlich unterdurchschnittliche Bedeutung eines Eilverfahrens gegen eine nur teilweise Absenkung in einem nur 3 Monate umfassenden Zeitraum überhaupt nur wieder auf ein "Normalmaß" an Bedeutung angehoben. In Bezug auf die bei Nr. 3103 VV/RVG zu errechnende Mittelgebühr von 170,00 Euro kann im Hinblick auf den geringen Verfahrensaufwand keine höhere Verfahrensgebühr als 125,00 Euro festgesetzt werden.
Eine Terminsgebühr ist nicht angefallen. Diese entsteht nach Nr. 3106 S. 1 VV/RVG i.V.m. Teil 3 Nr. I Vorbemerkung 3 (3) in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts. Ein derartiger Termin bzw. eine solche Besprechung haben hier nicht stattgefunden.
Auch eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3106 S. 2 Nr. 3 VV/RVG ist entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten des Antragstellers nicht angefallen. Nach dieser Vorschrift entsteht eine Terminsgebühr auch, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Der erkennende Senat ist in Übereinstimmung mit dem 7., 9., 13., 19. und 20. Senat im Hause der Auffassung, dass dieser Gebührentatbestand in Verfahren nach § 86b SGG grundsätzlich nicht anfällt (vgl. bereits Beschluss vom 03.01.2011 – L 6 AS 1399/10 B; ausführlich insbesondere Beschluss des LSG NRW vom 09.07.2010, L 19 B 395/09 AS und Beschluss vom 28.05.2010, L 19 B 286/09 AS m.w.N. auch zur gegenteiligen Auffassung; LSG NRW, Beschluss vom 24.02.2011 – L 7 B 400/08; LSG NRW, Beschluss vom 21.12.2009, L 9 B 17/09 AL; LSG NRW, Beschluss vom 25.09.2009, L 13 B 15/08 R; LSG NRW, Beschluss vom 20.10.2008, L 20 B 67/08 AS; vgl. ebenso LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10.09.2009, L 1 B 158/09 SK E).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Erstellt am: 23.05.2011
Zuletzt verändert am: 23.05.2011