Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.01.2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die als Angestellte beschäftigte Klägerin ab April 2007 in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei ist.
Die Klägerin, die bei der Beigeladenen als angestellte Justitiarin beschäftigt ist, war bereits am 31.12.2002 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgelts-Grenze (JAE-Grenze) versicherungsfrei und deshalb privat krankenversichert. Nach der am 06.01.2006 erfolgten Aufnahme eines Adoptivkindes nahm die Klägerin bis zum 31.03.2007 Elternzeit in Anspruch. Während der Elternzeit übte sie ab dem 01.04.2006 eine Teilzeitbeschäftigung bei der Beigeladenen aus, wobei das Entgelt jeweils unter der JAE-Grenze lag und die Klägerin bei der Beklagten in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert war. Seit dem 01.04.2007 übt die Klägerin wieder ihre frühere Beschäftigung in Vollzeit aus, sodass ihr Arbeitsentgelt die JAE-Grenze wiederum übersteigt.
Im März 2007 begehrte die Klägerin die Feststellung ihrer Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung, da sie nach der Inanspruchnahme von Elternzeit wieder ein Entgelt oberhalb der JAE-Grenze erziele.
Mit Bescheid vom 23.04.2007 lehnte die Beklagte dies ab und stellte fest, dass die Beschäftigung auch ab dem 01.04.2007 weiterhin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliege. Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV – Wettbewerbsstärkungsgesetz) vom 26.03.2007 trete Versicherungsfreiheit erst dann ein, wenn das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt die JAE-Grenze übersteige und in drei aufeinander folgende Kalenderjahren überstiegen habe; das Überschreiten der JAE-Grenze müsse somit von einer gewissen Dauer sein. Zwar sei für die Zeiten der Inanspruchnahme von Elternzeit nach § 6 Abs. 4 S. 6 SGB V ein Überschreiten der JAE-Grenze anzunehmen, wenn spätestens innerhalb eines Jahres nach Inanspruchnahme von Elternzeit eine Beschäftigung mit einem regelmäßigen Arbeitsentgelt oberhalb der JAE-Grenze aufgenommen werde, werde jedoch während der Elternzeit eine zulässige, mehr als geringfügige Beschäftigung ausgeübt, so sei für diese Zeit der Beschäftigung innerhalb der Elternzeit grundsätzlich das tatsächliche regelmäßige Entgelt anzusetzen. Dies gelte nur dann nicht, wenn für diese Zeit eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ausgesprochen worden sei. Da die Klägerin während der Elternzeit eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt und keine Befreiung von der Krankenversicherungspflicht beantragt habe, seien zum Zeitpunkt der Entgelterhöhung am 01.04.2007 die Voraussetzungen einer Überschreitung der JAE-Grenze in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren nicht erfüllt. Es könne frühestens zum 01.04.2010 Versicherungsfreiheit eintreten.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, es könne gem. § 6 Abs. 4 S. 6 SGB V nicht darauf ankommen, ob während der Elternzeit eine berufliche Tätigkeit ausgeübt worden sei, sondern allein maßgeblich sei der Umstand der Inanspruchnahme von Elternzeit, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2007 als unbegründet zurück.
Am 11.06.2007 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben und ihr Begehren weiter verfolgt. Sie hat vorgetragen, es sei unerheblich, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie während der Elternzeit Entgelt aus einer Beschäftigung erzielt habe. Es komme für die Frage der Versicherungsfreiheit auch nicht darauf an, ob ein Befreiungsantrag nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V gestellt worden sei, denn die Privilegierung gem. § 6 Abs. 4 S. 6 SGB V greife bei jeder Inanspruchnahme von Elternzeit.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23.04.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2007 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit der Klägerin ab 01.04.2007 versicherungsfrei war.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Begründung der angefochtenen Bescheide bezogen.
Durch Urteil vom 14.01.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei krankenversicherungspflichtig beschäftigt. Die Privilegierung und Fiktion des Überschreitens der JAE-Grenze für die Zeit der Inanspruchnahme von Elternzeit gem. § 6 Abs. 4 S. 6 SGB V sei im Falle der Klägerin nicht einschlägig, weil sie in dieser Zeit versicherungspflichtig gearbeitet habe. Für diese Beschäftigung bestehe die Befreiungsmöglichkeit gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Da die Klägerin von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe, sei sie ab dem 01.04.2007 weiterhin krankenversicherungspflichtig.
Gegen das ihr am 03.02.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.02.2009 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, es habe im Jahr 2006 bei der Inanspruchnahme von Elternzeit bei vorausschauender Betrachtungsweise keine Notwendigkeit bestanden, sich für die Zeit der Beschäftigung während der Elternzeit von der Versicherungspflicht befreien zu lassen. Auf der Basis des § 6 SGB V alte Fassung sei nämlich nach dem Ende der Elternzeit direkt anschließend Versicherungsfreiheit eingetreten. Eine Benachteiligung von Eltern, die seinerzeit keinen zwingend erforderlichen Befreiungsantrag gestellt hätten, sei durch die gesetzliche Regelung nicht beabsichtigt gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.01.2009 zu ändern und nach ihrem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit der Beigeladenen entscheiden, nachdem diese unter dem 04.01.2010 ordnungemäß vom Termin benachrichtigt worden ist (§ 153 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – i.v.m. §§ 110 Abs.1, 126 SGG).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Klägerin ist in ihrer Beschäftigung bei der Beigeladenen ab April 2007 versicherungspflichtig und hat deshalb keinen Anspruch auf Feststellung der Versicherungsfreiheit.
Die Klägerin ist ab April 2007 mit Fortsetzung ihrer Tätigkeit als Angestellte bei der Beigeladenen in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Sie ist nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 6 Abs. 4 S. 6 SGB V versicherungsfrei.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der hier anzuwendenden, ab 02.02.2007 geltenden Fassung durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.03.2007 sind Arbeiter und Angestellte versicherungsfrei, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die JAE-Grenze nach den Absätzen 2 oder 7 übersteigt und in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überstiegen hat. Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin nicht erfüllt. Denn ihr Arbeitsentgelt übersteigt zwar in den Jahren 2004 und 2005 die JAE-Grenze nicht jedoch im Jahr 2006, was die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid im einzelnen zutreffend dargelegt hat und von der Klägerin letztlich auch nicht in Abrede gestellt wird.
Die Versicherungsfreiheit ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Regelung gem. § 6 Abs. 4 S. 6 SGB V. Danach ist für Zeiten des Bezuges von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder der Inanspruchnahme von Elternzeit, für Zeiten, in denen als Entwicklungshelfer Entwicklungsdienst nach dem Entwicklungshelfergesetz geleistet worden ist sowie im Falle des Wehr- oder Zivildienstes ein Überschreiten der JAE-Grenze anzunehmen, wenn spätestens innerhalb eines Jahres nach diesen Zeiträumen eine Beschäftigung mit einem regelmäßigen Arbeitsentgelt oberhalb der JAE-Grenze aufgenommen wird; dies gilt auch für Zeiten einer Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 a, 2 oder 3. Diese Regelung bewirkt, dass sich die genannten Tatbestände nicht nachteilig auf die Versicherungsfreiheit auswirken, weil während dieser Tatbestände ein Überschreiten der JAE-Grenze fingiert wird, wenn spätestens innerhalb eines Jahres nach diesen Zeiträumen eine Beschäftigung mit einem regelmäßigen Arbeitsentgelt oberhalb der JAE-Grenze aufgenommen wird.
Im Falle der Klägerin ist diese Regelung wegen der während der Elternzeit ausgeübten nicht vollen Erwerbstätigkeit jedoch nicht einschlägig, wie aus § 6 Abs. 4 S. 6 2. Halbs. SGB V folgt. Die ausdrückliche Nennung der Befreiung von der Versicherungspflicht gem. § 8 SGB V bedeutet, dass die Annahme gem. § 6 Abs. 4 S. 6 1. Halbs. SGB V – anders als die Klägerin meint – gerade nicht gilt, sofern während der Elternzeit eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt wurde, für die keine Befreiung von der Versicherungspflicht gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bestand. Die Klägerin übersieht, dass für die Regelung gem. § 6 Abs. 4 S. 6 2. Halbs. SGB V kein Anwendungsbereich verbliebe, sofern die Aufnahme einer versicherungspfichtigen Beschäftigung während der Elternzeit stets ohne Bedeutung für die nachfolgende Beurteilung der Versicherungsfreiheit wäre. Da die Klägerin während der Elternzeit eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausübte und keinen Antrag auf Befreiung gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V, der auch damals schon möglich gewesen wäre, gestellt hat, ist für diese Zeit nach alledem keine Überschreitung der JAE-Grenze im Sinne von § 6 Abs. 4 S. 6 1. Halbs. SGB V anzunehmen. Es ist auch sachgerecht und Ausdruck des in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Solidaritätsprinzips nur diejenigen in die Regelung der Annahme des Überschreitens der JAE-Grenze einzubeziehen, die sich auch während der Elternzeit bewusst weiterhin gegen die gesetzliche und für die private Krankenversicherung entschieden haben, indem sie sich von der Versicherungspflicht befreien ließen.
Es ist auch nicht entscheidend, dass die Klägerin aufgrund des § 6 SGB V a.F. ab April 2007 versicherungsfrei gewesen wäre. Vielmehr folgt aus der Bestandsschutzregelung gem. § 6 Abs. 9 SGB V, dass der Klägerin kein Bestandsschutz zukommen soll. Gem. § 6 Abs. 9 S. 2 SGB V bleiben nämlich nur solche Arbeiter und Angestellte versicherungsfrei, die nicht die Voraussetzungen nach Abs. 1 Nr. 1 erfüllen und die am 02.02.2007 nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 a, 2 oder 3 von der Versicherungspflicht befreit waren. Auch diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin jedoch unstreitig nicht. Dass sich die Beurteilung der Versicherungsfreiheit ab April 2007 nach der in diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage richtet, stellt – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch keine unzulässige Rückwirkung dar, denn in einen abgeschlossenen Sachverhalt wird gerade nicht eingegriffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht, da die Voraussetzungen gem. § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Erstellt am: 04.07.2011
Zuletzt verändert am: 04.07.2011