Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.01.2011 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auf 165,55 EUR festgesetzt.
Gründe:
I. Die Klägerin begehrt die Zulassung der Berufung gegen ein am 23.02.2011 zugestelltes Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.01.2011. Mit diesem Urteil hat das Sozialgericht die Klage auf Gewährung von Kurzarbeitergeld iHv 165,55 EUR für Juli 2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Antrag erst am 02.12.2009 und damit verspätet eingegangen sei. Die Ausschlussfrist des § 325 Abs 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sei nicht gewahrt. Unerheblich sei, dass die Klägerin den Antrag nach ihren Angaben am 04.08.2009 zur Post gegeben habe, da eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung erst mit Zugang wirksam werde. Das Übermittlungsrisiko trage die Klägerin (BSG in SozR 3-4100, § 81 Nr.1). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nach § 27 Abs 5 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht möglich. Mit ihrer Beschwerde vom 22.03.2011 begehrt die Klägerin die Zulassung der Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles und wegen mangelnder Sachaufklärung.
II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Berufung gegen das Urteil vom 29.07.2010 zu Recht nicht zugelassen. Es liegen keine Gründe für die Zulassung der nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossene Berufung vor.
Nach § 144 Abs. 2 ist die Berufung nur zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG), des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Anhaltspunkte für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) sind nicht ersichtlich. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gegeben, wenn sich eine Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das angerufene Gericht auch zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit) (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Auflage, § 144 Rdnr 28 mwN). Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen erfüllen diese Bedingungen nicht.
Hinsichtlich der Frage, ob die Beklagte bei wiederkehrenden Anträgen ein Hinweispflicht trifft, wenn ein notwendiger Antrag bei ihr nicht rechtzeitig eingegangen ist, kann eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bereits deshalb nicht angenommen werden, weil die Frage, ob die Verletzung einer solchen Hinweispflicht und damit ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch angenommen werden kann, eine Frage des Einzelfalles ist. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese Frage in vergleichbarer Konstellation regelmäßig auftritt, sind nicht ersichtlich. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage liegt zudem auch nicht vor, weil das BSG bereits entschieden hat, dass es nicht Aufgabe der Beklagten sein kann, potentielle Antragsteller vor dem denkbaren Ablauf einer Antragsfrist darauf hinzuweisen, dass der Antrag noch nicht eingegangen ist und sie daran zu erinnern, ihre Anträge noch rechtzeitig zu stellen (BSG, Urteil vom 06.04.2000 – B 11 AL 81/99 R).
Auch soweit die Klägerin der Frage, ob eine Beweislastumkehr für den Zugang von Anträgen von Berufsträgern (z.B. Steuerberater oder Rechtsanwälte) gilt, grundsätzliche Bedeutung beimisst, kann dem nicht gefolgt werden. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass ein Antrag als öffentlich-rechtliche Willenserklärung erst mit Zugang bei der Beklagten wirksam wird und das Übermittlungsrisiko und damit auch das Risiko des Verlustes auf dem Postweg vom Absender zu tragen ist (BSG, SozR 4-4300 § 325 Nr 1; SozR 3-4100 § 81 Nr 1 mwN). Die Vorschrift des § 130 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist insoweit auf Anträge nach dem SGB III entsprechend anzuwenden. Ein praktisches Bedürfnis für eine Lockerung der gesetzlichen Vorschriften und einen Beweis des ersten Anscheins, dass eine zur Post gegebene Sendung den Empfänger auch erreicht, wird von der Rechtsprechung gerade verneint (vgl. bereits BGH, Urteil vom 27.05.1957, Az.: II ZR 132/56 Rn 7). Da das Risiko, dass ein Schriftstück nach Absendung aber vor Zugang verloren geht, bei Berufsträgern in gleicher Weise besteht, kann auch bei ihnen wegen der ausdrücklichen Regelung in § 130 BGB keine andere Beurteilung gelten.
Konkrete Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der Ausschlussfrist des § 325 Abs 3 SGB III liegen nicht vor. Soweit die Klägerin diesbezüglich rügt, die Frist von 3 Monaten sei zu kurz bemessen, ist darauf hinzuweisen, dass die kurzen Fristen beim Antrag auf Kurzarbeitergeld der Vermeidung von Beweisschwierigkeiten dienen und der Arbeitsagentur die Möglichkeit bieten sollen, zeitnah Informationen über die tatsächliche Lage in den Betrieben und die sich daraus für sie ergebenden Belastungen zu erhalten, um erforderlichenfalls rechtzeitig haushaltsrechtliche Maßnahmen einleiten zu können (vgl. LSG NRW, Urteil 28.03.2006 – L 1 AL 30/04). Die Fristbestimmung ist vor diesem Hintergrund sachgerecht und verstößt nicht gegen Vorschriften des Grundgesetzes.
Die Berufung ist schließlich auch nicht nach § 144 Abs 2 Nr 3 SGG zuzulassen. Ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann, liegt nicht vor. Eine unzureichende Sachaufklärung durch das Sozialgericht (§§ 103, 106 SGG) ist nicht ersichtlich. Ein formgerechter Beweisantrag wurde von der Klägerin nicht gestellt. Weitere Ermittlungen zur Rechtzeitigkeit der Versendung des Antrags und zur Wahrscheinlichkeit des Antragsverlustes bei der Beklagten waren entbehrlich, weil hierdurch der erforderliche Nachweis des Zugangs nicht erbracht werden konnte und eine Beweislastumkehr nicht besteht (s.o.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Das Urteil des Sozialgerichts ist damit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Erstellt am: 12.09.2011
Zuletzt verändert am: 12.09.2011