Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 17.06.2011 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt mittels einstweiligen Rechtsschutzes vom organisierten ärztlichen Notfalldienst befreit zu werden.
Er ist als Facharzt für Allgemeinmedizin in X niedergelassen, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und Mitglied einer aus zwei Ärzten bestehenden Gemeinschaftspraxis.
Am 29.12.2008 zog er sich bei einem Unfall eine Fraktur des 1. Lendenwirbelkörpers zu. Die Antragsgegnerin lehnte seinen Antrag vom 15.10.2010 auf Befreiung vom ärztlichen Notfalldienst mit Bescheid vom 09.12.2010 ab, da keine deutliche Einschränkung der Praxistätigkeit zu verzeichnen und die Stellung und Bezahlung eines Vertreters zumutbar sei. Über den hiergegen gerichteten Widerspruch hat die Antragsgegnerin bislang nicht entschieden.
Am 16.05.2011 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Dortmund um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und im Einzelnen dargelegt, aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage zu sein, den Notfalldienst abzuleisten.
Der Antragsteller hat beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn ab sofort bis zunächst zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Antrag vom 15.10.2010 auf Befreiung von der Teilnahme am organisierten ärztlichen Notfalldienst vorläufig von der Teilnahme am organisierten ärztlichen Notfalldienst zu befreien.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Dem Antragsteller sei es zumutbar, einen Vertreter zu bestellen. Seine Fallzahlen lägen auch nach seinem Unfall unverändert über den durchschnittlichen Fallzahlen seiner Fachgruppe. Sein Honorar übersteige im Jahr 2010 das vor dem Unfall erzielte Honorar deutlich.
Mit Beschluss vom 17.06.2011 hat das SG den Antrag abgelehnt. Auf schriftlichen Antrag könnten Ärzte vom Notfalldienst befreit werden, wenn schwerwiegende Gründe vorlägen. Hierzu rechneten eine nachgewiesene schwere Erkrankung oder Behinderung, sofern sich diese in einem nennenswerten Umfang auf die Praxistätigkeit (z.B. Fallzahlen) nachteilig auswirke und dem Arzt deshalb die Beauftragung eines Vertreters für den Notfalldienst auf eigene Kosten nicht zugemutet werden könne. Letzteres sei weder vorgetragen noch aus den von der Antragsgegnerin übermittelten Werten zu Fallzahl- und Honorarentwicklung des Antragstellers erkennbar. In den Quartalen des Jahres 2010 habe die Zahl der Behandlungsfälle nur geringfügig unter jenen des Jahres 2008 gelegen. Das in den Quartalen des Jahres 2010 erzielte Honorar läge über dem des Jahres 2008 (wird ausgeführt).
Diese Entscheidung greift der Antragsteller fristgerecht mit der Beschwerde an. Allein die Fallzahlen der Gemeinschaftspraxis gäben keinen Aufschluss darüber, ob er seine Praxistätigkeit in vollem Umfang ausführen könne oder nicht. Selbstverständlich lägen die Fallzahlen der Gemeinschaftspraxis über dem Falldurchschnitt der Allgemeinmediziner in Westfalen-Lippe. Die Gemeinschaftspraxis liege in einer Kleinstadt. Die dortigen Praxen seien aus allgemein bekannten Gründen sämtlichst erheblich größer als die Praxen in den besser besetzten größeren Städten. Er sei nicht fähig, den Notfalldienst auszuüben und könne nicht darauf verwiesen werden, einen Vertreter auf eigene Kosten bestellen zu müssen; dies sei ihm wirtschaftlich nicht zumutbar. Würde der Argumentation der Antragsgegnerin gefolgt, hätte dies zur Folge, dass er – der Antragsteller – weiterhin, obwohl persönlich nicht dazu in der Lage, zur Teilnahme an den Diensten verpflichtet wäre und sich um einen Vertreter kümmern müsste. Er trage dann das Risiko dafür, dass der Vertreter den Dienst auch ausführe.
Der Antragsteller beantragt,
nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Streitakte Bezug genommen.
II.
Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Mit zutreffenden Erwägungen und unter Darlegung der Rechtsgrundlagen hat das SG den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Heranziehungsbescheid zum ärztlichen Notfalldienst abgelehnt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die angefochtene Entscheidung Bezug (§§ 142 Abs. 2 Satz 3, 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.
1. Die Beschwerde ist schon deswegen nicht begründet, weil der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unzulässig war.
Grundvoraussetzung für den Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung ist ein Rechtsschutzbedürfnis. Dieses ist vorliegend nicht gegeben.
Zwar ist die Zulässigkeit der Antragstellung nicht an ein irgendwie geartetes Vorverfahren geknüpft. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Beschluss vom 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – indessen darauf hingewiesen, dass in Einklang mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) jede an einen Antrag gebundene Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt (vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leither, SGG, 9. Auflage, 2008, vor § 51 Rdn. 16a). So gilt auch hier, dass im Interesse der Entlastung der Gerichte das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen ist, wenn der Beteiligte sein Begehren erkennbar auch außergerichtlich durchsetzen kann oder der Versuch, eine Aussetzung durch die Behörde zu erreichen, nicht von vornherein aussichtslos erscheint (vgl. Düring in Jansen, SGG. 3. Auflage, 2009, § 86b Rdn. 3). Ein solcher Antrag wäre auch noch nach Klageerhebung zulässig, denn ab diesem Zeitpunkt können sowohl die Verwaltung als auch das Gericht die sofortige Vollziehung anordnen (Keller, a.a.O., § 86a Rdn. 21). Dieser Ansatz wiederum ist dahin einzuschränken, dass zwar beide Stellen zuständig sind, indessen die sofortige Vollziehung zunächst bei der Verwaltung zu beantragen ist. Erst wenn ein solcher Antrag erkennbar aussichtslos ist, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung des Gerichts. Der gegenteiligen Entscheidung des BSG vom 17.01.2007 – B 6 KA 4/07 R – folgt der Senat nicht. Zwar führt das BSG aus, dass § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG im Gegensatz zu § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gerade nicht voraussetze, dass sich der Antragsteller zunächst an die Verwaltung wenden muss, um eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu erhalten. Das trifft zwar zu, greift indessen zu kurz. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass § 80 Abs. 6 VwGO das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis lediglich normativ konkretisiert. Hieraus lässt sich nicht schlussfolgern, dass für das SGG Abweichendes gilt. Das Rechtsschutzbedürfnis ist Grundvoraussetzung dafür, dass ein Gericht sich in der Sache mit dem angetragenen Rechtsstreit befasst, denn jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. Keller, a.a.O., vor § 51 Rdn. 16; vgl. auch Jung in Jansen, a.a.O., § 51 Rdn. 8 f.), mithin ist ein Antrag nach § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG vorrangig (std. Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 23.12.2010 – L 11 KA 71/10 B ER -, 10.11.2010 – L 11 KA 87/10 B ER -, 03.02.2010 – L 11 KA 80/09 ER -, 02.04.2009 – L 11 KA 2/09 ER – und vom 13.04.2011 – L 11 KA 133/10 B ER und L 11 KA 17/11 B ER -).
Ausgehend hiervon ist das Rechtsschutzinteresse zu verneinen. Der Antragsteller hat bei der Antragsgegnerin keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt.
2. Die Beschwerde ist zudem in der Sache nicht begründet.
a) Der Antragsteller ist als zur hausärztlichen Versorgung vertragsärztlich zugelassener Facharzt für Allgemeinmedizin zur Teilnahme an dem gemeinsam von der Antragsgegnerin und der ÄKWL organisierten ärztlichen Notfalldienst verpflichtet. Rechtsgrundlage für diese Pflicht ist § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 GNO in der Fassung vom 11.11.2009/20.03.2010. Danach haben alle niedergelassenen oder in einem Anstellungsverhältnis an der ambulanten Versorgung mitwirkenden Ärzte die ambulante Versorgung der Patienten zu jeder Zeit sicherzustellen. Das umfasst auch für in der fachärztlichen Versorgung tätigen Ärzte die Verpflichtung, am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst teilzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom BSG vom 06.02.2008 – B 6 KA 13/06 R -). Die grundsätzliche Verpflichtung eines jeden Vertragsarztes zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst folgt aus seinem Zulassungsstatus. Dieser auf seinen Antrag hin verliehene Status erfordert es, in zeitlicher Hinsicht umfassend – d.h. auch in den Zeiten außerhalb der Sprechstunde – für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung zu stehen. Der einzelne Arzt wird mithin dadurch, dass die gesamte Ärzteschaft einen Notfalldienst organisiert, von seiner anderenfalls bestehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft rund um die Uhr entlastet. Als Gegenleistung hierfür muss jeder Vertragsarzt den Notfalldienst als gemeinsame Aufgabe aller Ärzte gleichwertig mittragen (BSG, Urteil vom 06.09.2006 – B 6 KA 43/05 R -; vgl. auch BSG, Urteil vom 17.05.2011 – B 6 KA 23/10 R -; Senat, Beschluss vom 23.12.2009 – L 11 B 19/09 KA ER -).
Ausgehend hiervon ist die Antragsgegnerin im Rahmen des ihr nach § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V obliegenden Sicherstellungsauftrags – stellvertretend für ihre vertragsärztlichen Mitglieder – verpflichtet, den Notfalldienst zu organisieren und einzurichten.
Hiermit korrelierend sind Vertragsärzte verpflichtet, am ärztlichen Notfalldienst teilzunehmen und diesen ggf. in einer Notfallpraxis zu versehen und dort anwesend zu sein (§ 8 Abs. 1 GNO; vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2011 – B 6 KA 23/10 R -) oder im von der Kassenärztliche Vereinigung (KV) eingerichteten Fahrdienst tätig zu werden (vgl. Senat, Beschluss vom 29.08.2011 – L 11 KA 75/11 B ER -).
Der zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst verpflichtete Personenkreis wird untergesetzlich in § 2 GNO bestimmt.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GNO sind zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet
– zugelassene Vertragsärzte – auch soweit sie mit hälftigem Versorgungsauftrag oder unter Job-Sharing-Bedingungen nach § 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB V an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen -,
– niedergelassene ermächtigte Ärzte (§ 31 Abs. 1a Ärzte-ZV)
– niedergelassene privatärztlich tätige Ärzte,
ferner gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 GNO Ärzte, die in einem Anstellungsverhältnis an der ambulanten Versorgung mitwirken (vgl. § 32b Ärzte-ZV, § 95 Abs. 9 SGB V, § 101 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, § 19 Berufsordnung). Übt ein Arzt seine ärztliche Tätigkeit an weiteren Orten aus (§ 24 Abs. 3 Ärzte-ZV, § 17 Abs. 2 Berufsordnung), ist er hingen zur Teilnahme am Notfalldienst am weiteren Tätigkeitsort grundsätzlich nicht verpflichtet, es sei denn, die Notfallversorgung kann anders nicht sichergestellt werden (§ 2 Abs. 3 Satz 1 GNO). Vertragsärzte, deren Zulassung ruht, aber gleichwohl in privatärztlicher Niederlassung tätig sind, sind zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet, wenn dem nicht schwerwiegende Gründe entgegenstehen (§ 2 Abs. 4 GNO). Nimmt ein Arzt in verschiedenen Formen an der ambulanten Versorgung iSv Abs. 1 bis 4 teil, ist er für jede Teilnahmeform mit dem entsprechenden Einteilungsfaktor am jeweiligen Tätigkeitsort gesondert zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet (§ 2 Abs. 5 GNO). Für die in einem zugelassenen Medizinischen Versorgungszentrum tätigen, angestellten Ärzte gelten die vorstehenden Regelungen mit der Maßgabe entsprechend, dass der Träger des Medizinischen Versorgungszentrums als anstellender Arzt i. S. von Abs. 2 S. 2 gilt (§ 2 Abs. 6 GNO). Über den in den Abs. 1 bis 6 festgelegten Personenkreis hinaus können weitere Ärzte auf freiwilliger Grundlage am Notfalldienst teilnehmen. Der erforderliche Antrag ist an die KVWL zu richten; mit dem Antrag unterwirft sich der Arzt den Bestimmungen der GNO (§ 2 Abs. 7 GNO). Psychologische Psychotherapeuten und Psychologische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nehmen nicht am ärztlichen Notfalldienst teil (§ 2 Abs. 8 GNO). Fachärzte für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie haben die Wahl, am zahnärztlichen oder vertragsärztlichen Notfalldienst teilzunehmen (§ 2 Abs. 9 Satz 1 GNO).
Hieraus folgt, dass im Einklang mit den durch das BSG präzisierten Vorgaben des § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V auch nach § 2 GNO grundsätzlich jeder Vertragsarzt zum Notfalldienst verpflichtet ist. Ausnahmen sieht § 2 GNO nur nach Maßgabe der Absätze 8 und 9 vor. Dies ist angesichts des Normbefehls des § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V sachgerecht und infolge der Interpretation dieser Vorschrift durch die Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteile vom 06.02.2008 – B 6 KA 13/06 R – und vom 06.09.2006 – B 6 KA 43/05 R -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.12.2004 – L 10 KA 5/04 – m.w.N.) auch rechtlich nicht zu beanstanden.
b) Etwaige atypische Sachverhaltskonstellationen sind vom betroffenen Vertragsarzt ggf. mittels eines Befreiungsantrags geltend zu machen. Über Befreiungstatbestände ist nach der Systematik der GNO in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden (Senat, Beschlüsse vom 05.09.2011 – L 11 KA 40/11 B ER -).
aa) Während § 2 GNO die Teilnahmeverpflichtung begründet, listet § 11 GNO eine Reihe von Befreiungstatbeständen auf. Systematisch greifen die Befreiungstatbestände sekundär ein. Sie suspendieren von der Teilnahmeverpflichtung des § 2 GNO. So enthält § 11 Abs. 1 GNO die diesen Ausnahmetatbestand bestimmende Generalklausel. Hiernach können Ärzte auf schriftlichen Antrag durch den Bezirksstellenleiter vom Notfalldienst auf Dauer oder befristet befreit werden, wenn schwerwiegende Gründe vorliegen. Ausweislich des Wortlauts wird das Verfahren nur auf schriftlichen Antrag eingeleitet (vgl. § 10 Satz 2 SGB X). Von Amts wegen (hierzu § 10 Satz 1 SGB X) darf die Antragsgegnerin keine Befreiungen aussprechen.
Weitere Voraussetzungen für die Befreiung ist, dass schwerwiegende Gründe vorliegen. Dieser der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegende unbestimmte Rechtsbegriff wird in § 11 Abs. 1 GNO nicht definiert. Das ist indessen unschädlich, denn § 11 Abs. 2 GNO
(2)Befreiungsgründe sind insbesondere
a) eine nachgewiesene schwere Erkrankung oder Behinderung des Arztes, sofern sich die Erkrankung oder Behinderung in einem nennenswerten Umfang auf die Praxistätigkeit (z. B. Fallzahlen) nachteilig auswirkt und dem Arzt deshalb die Beauftragung eines Vertreters für den Notfalldienst auf eigene Kosten nicht zugemutet werden kann,
b) eine Schwangerschaft (während der Schwangerschaft und längstens 12 Monate nach der Niederkunft). Über diesen Zeitraum hinaus rechtfertigt der Erziehungsaufwand für minderjährige Kinder eine Befreiung in der Regel nicht.
ist hinlänglich zu entnehmen, wie der Begriff "schwerwiegende Gründe" auszufüllen ist. Liegt ein Antrag vor und nimmt der für die Entscheidung zuständige Bezirksstellenleiter an, dass schwerwiegende Gründe vorliegen, ist die Tatbestandsseite des § 11 Abs. 1 GNO erfüllt. Gleichwohl folgt hieraus keine zwingende Rechtsfolge. Der Antragsgegnerin ist mittels der Verbs "kann" ein Entschließungsermessen eingeräumt, dass sie namentlich unter dem Gesichtspunkt der Gleichförmigkeit des Verwaltungshandelns auszuüben hat (vgl. auch § 39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (§ 39 SGB I)). Eine (positive) Entscheidung über die Befreiung hat konstitutiven Charakter. Eine negative Entscheidung könnte mit Widerspruch angefochten (§ 83 SGG) und nach Erteilung eines Widerspruchsbescheides mittels Klage einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden (§§ 87 ff. SGG). Vorliegend ist ein Befreiungsantrag gestellt worden, den die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 09.12.2010 abgelehnt hat. Der Widerspruch ist bislang nicht beschieden.
bb) Die Voraussetzungen für die antragsgemäße Befreiung vom ärztlichen Notfalldienst nach § 11 Abs. 2 a) GNO sind nicht glaubhaft gemacht. Dieser Befreiungsgrund erfordert Dreierlei, nämlich (1) eine nachgewiesene schwere Erkrankung oder Behinderung des Arztes, die sich (2) in einem nennenswerten Umfang auf die Praxistätigkeit (z.B. Fallzahlen) nachteilig auswirkt und (3) ihm ist deshalb die Beauftragung eines Vertreters für den Notfalldienst auf eigene Kosten nicht zumutbar.
(1) Nach dem Vorbringen des Antragstellers hat das ehemals zuständige Versorgungsamt Soest für die beim ihm vorliegende Teilhabebeeinträchtigung einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt und den Nachteilsausgleich "G" (erhebliche Gehbehinderung) zuerkannt. Infolge des GdB von 50 ist der Antragsteller schwerbehindert iSd § 2 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Ob und inwieweit dieser Status als solcher die Voraussetzung (1) erfüllt, ist fraglich. Wird dieser Satzteil so gelesen, dass sich das Adjektiv "schwere" nur auf das Substantiv "Erkrankung" bezieht, wäre die Voraussetzung zu (1) erfüllt, da dann nur eine Behinderung vorliegen müsste. Dieser Rechtsbegriff ist in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wie folgt legal definiert:
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Ausgehend hiervon und unter Berücksichtigung der für die GdB-Bewertung einer Teilhabebeeinträchtigung maßgebenden und in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I 2412) festgelegten "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VMG) spricht viel dafür, dass sich das Adjektiv "schwere" auch auf das Substantiv "Behinderung" bezieht. Definitionsgemäß mag die Voraussetzung "schwere Behinderung" (§ 11 Abs. 2a GNO) erfüllt sein, wenn der antragstellende Arzt den rechtliche Status als Schwerbehinderter (§ 2 Abs. 2 SGB IX) hat. In den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen sind indes eine Vielzahl von Behinderungen mit einem GdB von 50 und mehr katalogisiert (vgl. VMG Teil B), die sich infolge der mit ihnen verbundenen spezifischen Funktionsbeeinträchtigungen nicht zwangsläufig auf den Umfang der Praxistätigkeit auswirken. Die berufsbezogenen Auswirkungen sind umso schwerer zu bestimmen, je mehr erst in ihrer Gesamtschau einen GdB von 50 oder mehr bedingende Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen (hierzu VMG Teil A 3). Zudem gilt, dass aus dem GdB nicht auf das Ausmaß der Leistungsfähigkeit zu schließen ist (VMG Teil A Ziff. 2b). Diese Problematik hat der Satzungsgeber letztlich dadurch entschärft, dass er mit dem Satzteil
sofern sich die Erkrankung oder Behinderung in einem nennenswerten Umfang auf die Praxistätigkeit (z. B. Fallzahlen) nachteilig auswirkt
den konkreten beruflichen Bezug der durch Erkrankung und/oder Behinderungen verursachten Funktionsstörungen herstellt.
(2) Wird mit dem Antragsteller angenommen, dass die Voraussetzung zu (1) gegeben ist, führt das letztlich nicht weiter, denn er hat nicht glaubhaft gemacht, dass sich die Erkrankung/Behinderung in einem nennenswerten Umfang nachteilig auf seine Praxistätigkeit auswirkt.
(a) Die Begrifflichkeit "nachteilige Praxistätigkeit" bedarf der Auslegung. Die GNO gibt als Anknüpfungspunkt vor "z.B. Fallzahlen". Diese haben sich von 2008 (vor dem Unfall) auf 2010 (nach dem Unfall) zwar nachteilig entwickelt, wie die von Antragsgegnerin vorgelegte Aufstellung ausweist. Indessen ist die Differenz, was keiner Erörterung bedarf, allenfalls als geringfügig zu bezeichnen. Wird als Anknüpfungspunkt hingegen das in den Jahren 2008 und 2010 erzielte Honorar herangezogen, ergibt sich nichts anderes. Dieses ist gestiegen.
Soweit der Antragsteller dem entgegentritt und meint, die nur geringfügige Änderung der Fallzahlen sei auf die schlechte Versorgungslage vor Ort zurückzuführen, trägt das nicht. Ob und inwieweit diese Behauptung zutrifft, kann dahinstehen. Eine nachteilige Praxistätigkeit ist ungeachtet diesen Vorbringens nicht glaubhaft gemacht. Sie kann auch nicht glaubhaft gemacht werden, weil sie objektiv nicht gegeben ist.
(b) Auch das Vorbringen, er mache trotz erheblicher gesundheitlicher Einschränkungen alles Erforderliche, um das hohe Patientenaufkommen zu bewältigen und könne deswegen nicht noch zusätzlich zum Notfalldienst herangezogen werden, führt nicht weiter. Dieser Ansatz würde darauf hinauslaufen, dass § 11 Abs. 2a) GNO einen anderen Inhalt bekäme. Maßgebend wäre dann nur noch, ob und inwieweit eine den Notfalldienst ausschließende Erkrankung vorläge; auf die weiteren Voraussetzungen (vgl. oben) käme es nicht an. Würde § 11 Abs. 2a) GNO in dieser Weise interpretiert, hätte die Beschwerde gleichwohl keinen Erfolg. Dann wäre über die Frage, ob und inwieweit die Erkrankungen/Behinderungen des Antragstellers der Teilnahme am Notfalldienst entgegenstehen, durch Einholung von Sachverständigengutachten Beweis zu erheben. Dass der Sachvortrag einer Partei (bzw. eines Beteiligten) grundsätzlich nicht geeignet ist, den Vollbeweis einer beweisbedürftigen Tatsache zu führen, ist rechtlich evident. Für den geminderten Beweismaßstab der "Glaubhaftmachung" gilt dies allerdings nur eingeschränkt. Das bedeutet, dass im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ggf. auf Sachverständigenbeweis verzichtet werden kann. Dem ist vorliegend nicht weiter nachzugehen. Aus den aktenkundigen Unterlagen ist nicht ansatzweise zu entnehmen, dass der Antragsteller gehindert ist, aus medizinischen Gründen am Notfalldienst teilzunehmen. Ohnehin kann der Antragsteller die beweisbedürftige Tatsache, am Notfalldienst infolge der Erkrankung/Behinderung nicht teilnehmen zu können, im einstweiligen Rechtsschutzverfahren schon deswegen nicht glaubhaft machen, weil sich die Praxistätigkeit nach dem Unfall ausweislich der Parameter "Fallzahlen und Honorar" nicht nachteilig entwickelt hat.
(3) Die weitergehende Auffassung des Antragstellers, die Stellung eines Vertreters sei ihm nicht zuzumuten, weswegen er zu befreien sei, ist nicht rechtserheblich. Eine ersatzlose Befreiung vom Notfalldienst kommt nur in Betracht, sofern aus gesundheitlichen oder ähnlich schwerwiegenden Gründen die Praxistätigkeit des Arztes eingeschränkt ist und ihm deshalb die Finanzierung eines Vertreters nicht mehr zugemutet werden kann (BSG, Urteil vom 06.02.2008 – B 6 KA 13/06 R -). Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat der Antragsteller nicht glaubhaft machen können, aus gesundheitlichen oder ähnlich schwerwiegenden Gründen seine Praxistätigkeit des Arztes einschränken zu müssen.
Die Beschwerde konnte nach alledem keinen Erfolg haben.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichts- kostengesetz. Sie berücksichtigt, dass der Sach- und Streitstand nicht genügend Anhaltspunkte gibt, um den Streitwert nach Maßgabe des § 52 Abs. 1 GKG festzusetzen. Somit ist auf den Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR abzustellen (§ 52 Abs. 2 GKG). Ein Abschlag wegen des einstweiligen Charakters des Verfahrens ist nicht gerechtfertigt. Für den Zeitraum der Gültigkeit des Notfalldienstplanes (01.02.2011 bis 31.01.2012) hat das einstweiligen Rechtsschutzverfahren faktisch endgültigen Charakter.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 15.09.2011
Zuletzt verändert am: 15.09.2011