Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24.09.2008 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Beendigung seiner Zulassung als Vertragsarzt zum 31.03.2007 wegen Vollendung des 68. Lebensjahres.
Der am 00.00.1939 geborene Kläger ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie für psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Er war bis zu seinem 55. Lebensjahr als Krankenhausarzt tätig und hat sich sodann in T niedergelassen (Beschluss des Zulassungsausschusses der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk E – ZA – vom 24.02.1994). Im April 2006 wandte er sich an die Beigeladene zu 1) – die Kassenärztliche Vereinigung -, um vorzeitig zu klären, ob eine gesetzliche Neuregelung der vertragsärztlichen Altersgrenze von 68 Jahren ausstehe. Nach Erhalt der Mitteilung der Beigeladenen zu 1), dass eine Änderung der gesetzlichen Regelungen nur für den Fall einer Unterversorgung vom Bundesministerium für Gesundheit geplant sei und eine Verlängerung der vertragsärztlichen Tätigkeit im Falle des Klägers nicht in Betracht komme, wandte der Kläger sich an den ZA, um eine Verlängerung seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit zu erreichen.
Gegen dessen ablehnende Entscheidung vom 05.07.2006 (Bescheid vom 13.07.2006) ersuchte der Kläger einstweiligen Rechtsschutz, um die Fortsetzung der vertragsärztlichen Tätigkeit über den 31.03.2007 bereits im Vorfeld zu erreichen. Mit Beschluss des Sozialgerichts (SG) Detmold vom 08.08.2006 (S 5 KA 4/06 ER) wurde der Antrag abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb ebenfalls erfolglos (Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen – LSG NRW – vom 25.10.2006 – L 10 B 15/06 KA ER -).
Mit dem gegen den Beschluss des ZA vom 05.07.2006 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, durch die am 01.01.1999 in Kraft getretene Altersgrenzenregelung in § 95 Abs. 7 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) finde eine weitreichende Altersdiskriminierung statt, die sich letztlich wie eine absolute Zulassungsschranke auswirke. Es bestehe europarechtlich sowie nach Maßgabe des zum 18.08.2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) die Verpflichtung, die diskriminierende Norm unangewendet zu lassen. Mit Beschluss vom 08.11.2006 (Bescheid vom 19.01.2007) wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Seine Zulassung ende nach § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V mit Ablauf des 1. Quartals 2007. Ein Ausnahmetatbestand gemäß Satz 4 der Vorschrift sei nicht gegeben, da die Übergangsregelung zur Einführung der Altersbegrenzung keine Anwendung finde. Sie betreffe nur Vertragsärzte, die bereits vor dem 01.01.1993 als Vertragsarzt zugelassen gewesen seien. Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten sei die vom Kläger angegriffene Altersbegrenzung nicht zu beanstanden. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 25.11.1998 – B 6 KA 4/98 R -) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 31.03.1998 – 1 BvR 2167/93 -) führte der Beklagte zur Begründung aus: Die Altersgrenze diene wegen der Gefahr nachlassender Leistungsfähigkeit älterer Ärzte einem besonders wichtigem Gemeinschaftsgut. Im Übrigen werde die Finanzierbarkeit des Systems hierdurch gesichert, da eine Beschränkung der Vertragsarztzahlen erreicht werde. Dies dürfe nicht nur zu Lasten der jüngeren Ärzte verwirklicht werden. Somit sei es verfassungsrechtlich geboten, eine Altersgrenze einzuführen. Auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten sei die Regelung nicht zu beanstanden. Das in Umsetzung der europarechtlichen Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29.06.2000 eingeführte AGG sei auf das Vertragsarztrecht nicht anwendbar. Dem – künftigen – zum 01.01.2007 In-Kraft-tretenden Vertragsarztrechtsänderungsgesetz, durch das für bestimmte Fälle die Altersgrenze von 68 Jahren aufgehoben werde, komme im Falle des Klägers keine Bedeutung zu, da sie nur unterversorgte Planungsbereiche erfasse. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da für den Planungsbereich, in dem der Kläger niedergelassen sei, der Versorgungsgrad bei 114,3 % liege.
Hiergegen hat sich die am 23.01.2007 erhobene Klage gerichtet, mit der der Kläger weiterhin die Zulassung über den 31.03.2007 hinaus begehrt und im Wesentlichen vorgetragen hat: Die Vorschrift des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V verstoße nicht nur gegen die Regelungen des AGG, sie verletze vor allem den primärrechtlich geltenden Europarechtsgrundsatz des Diskriminierungsverbotes wegen Alters und dürfe daher zu seinen Lasten nicht angewandt werden. Die Altersgrenze komme angesichts des Umstandes, dass annähernd 90 % der Bevölkerung der gesetzlichen Krankenversicherung zugeordnet würden, einer Zwangspensionierung gleich. Der Hinweis auf nachlassende Leistungsfähigkeit im Alter könne nicht ausreichen, denn genau diese diskriminierende Haltung solle durch die Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG beseitigt werden. Der Kläger hat zur weiteren Begründung seiner Klage ein Gutachten von Prof. Dr. F (Universität K) zum Verhältnis des AGG zu § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V und dessen Stellungnahme zum Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 16.10.2007 – C 411/05 (Palacios de la Villa) – sowie ein Gutachten von Prof. Dr. C zur verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit der Altersgrenze für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte vorgelegt, durch die er sich in seiner – vertieft dargestellten – Auffassung bestätigt gesehen hat. Mit Schriftsatz vom 27.02.2008 hat er ergänzend ausgeführt, mittlerweile sei eine Unterversorgung im Landkreis Lippe jedenfalls unmittelbar bevorstehend. Die Wartezeiten der Patienten seien so erheblich, dass die vertragsärztliche Versorgung nicht mehr sichergestellt werden könne. Gerade im psychiatrischen Bereich sei es zu einer gravierenden Unterversorgung durch Schließung von Nervenarztpraxen oder Umwidmung in überwiegend psychotherapeutische Praxen gekommen. Im Übrigen beabsichtige der Gesetzgeber, zum 01.01.2009 die Altersgrenze für Vertragsärzte aufzuheben.
Der Kläger hat beantragt,
den Rechtsstreit im Hinblick auf die zu erwartende Neuregelung zu § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V zu vertagen,
hilfsweise, den Beschluss des Beklagten vom 08.11.2006 aufzuheben und festzustellen, dass er – der Kläger – über den 31.03.2007 hinaus an der vertragsärztlichen Versorgung teilhaben kann,
hilfsweise, den Rechtsstreit gemäß Art. 234 EGB dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen im Hinblick auf die Frage, ob § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V mit der Richtlinie 2000178/EG vereinbar ist.
Der Beklagte und der Beigeladene zu 1) haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage. Zur Begründung hat er im Wesentlichen Bezug auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss genommen.
Die Beigeladene zu 1) hat die Auffassung der Beklagte geteilt und ergänzend vorgetragen, den Rechten des Arztes werde dadurch Rechnung getragen, dass er weiterhin privatärztlich sowie als Dozent tätig sein könne. Sie sehe sich durch die Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen und des BSG bestätigt. Der EuGH habe es mit seiner Entscheidung vom 16.10.2006 – C-411/05 (Palacios de la Villa) – als mit europäischem Recht vereinbar angesehen, dass ein Arbeitnehmer aufgrund tarifvertraglicher Bestimmungen bei Erreichen einer Altersgrenze von 65 Jahren automatisch aus dem Berufsleben ausscheide. In diesem Zusammenhang habe der EuGH – wie zuvor in der Rechtssache Mangold C-144/04 – erneut angemerkt, dass den Mitgliedstaaten insoweit ein weiter Ermessensspielraum zustehe. So sei auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH nicht davon auszugehen, dass eine Altersgrenze im vertragsärztlichen Bereich als europarechtswidrig angesehen werden könne. Die Generationengerechtigkeit sei vielmehr als legitimes Ziel zur Rechtfertigung heranzuziehen.
Die Beigeladenen zu 2) bis 8) haben keine Stellungnahmen abgegeben und keine Anträge gestellt.
Das Sozialgericht (SG) Detmold hat die Klage mit Urteil vom 24.09.2008 abgewiesen. Der Beklagte habe zu Recht das Ende der vertragsärztlichen Zulassung zum 31.03.2007 gestützt auf § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V deklaratorisch festgestellt. Da der Kläger erst durch Beschluss des ZA vom 24.02.1994 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen worden sei, komme die Übergangsregelung nach § 95 Abs. 7 Satz 4 SGB V nicht zur Anwendung. Im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 09.04.2008 – B 6 KA 44/07 -, vom 06.02.2008 – B 6 KA 41/06 R -, vom 27.04.2005 – B 6 KA 38/04 -, vom 30.06.2004 – B 6 KA 11/04 R – und vom 25.11.1998 – B 6 KA 4/98 R -) sowie des BVerfG (Beschlüsse vom 07.08.2007 – 1 BvR 1941/0 – und vom 31.03.1998 – 1 BvR 2167/93 -) vertrat das SG die Auffassung, die gesetzliche Altersgrenze begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Anwendbarkeit des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass gesetzgeberische Bestrebungen existierten, die Altersgrenze für Vertragsärzte abzuschaffen. Eine möglicherweise ab dem 01.01.2009 in Kraft tretende Regelung könne nicht gewissermaßen im Vorgriff für den Kläger Anwendung finden. Im Übrigen dürfe es als unwahrscheinlich gelten, dass ein entsprechendes Gesetz mit einer Rückwirkungsregelung ausgestattet werde, die eine andere Beurteilung des Sachverhalts für den Fall des Klägers mit sich bringen könne. Die Regelung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V sei überdies nach wie vor mit europäischem Primärrecht, insbesondere mit der Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG, die innerstaatlich durch das AGG vom 14.08.2006 umgesetzt worden sei, vereinbar. Dabei könne dahinstehen, ob die Regelung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V überhaupt dem Geltungsbereich der Richtlinie unterfalle, was vor dem Hintergrund des Erwägungsgrundes Nr. 14 der Richtlinie fraglich sein könne, da im Ergebnis die in tatsächlicher Hinsicht bestehende Diskriminierung wegen des Alters jedenfalls gemäß Artikel 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt sei. Die Regelung über die Altersgrenze diene dem Schutz der Gesundheit der Versicherten durch eine möglicherweise nachlassende Leistungsfähigkeit der sie behandelnden Ärzte sowie der Wahrung von Berufszugangschancen für jüngere Ärzte, deren neuere medizinische Erkenntnisse in das System der vertragsärztlichen Versorgung auf diese Weise kontinuierlich eingebracht werden könnten. Hierbei handele es sich um ein legitimes Ziel im Sinne des Art. 10 der Richtlinie 2000/78/EG.
Der Kläger hat gegen das ihm am 27.10.2008 zugestellte Urteil am 27.11.2008 Berufung eingelegt, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags an seinem Klagebegehren festhält und weiterhin die Auffassung vertritt, die Altersgrenzenregelung für Vertragsärzte sei verfassungs- und europarechtswidrig. Insbesondere fehle es für die Annahme, dass ältere Ärzte weniger leistungsfähig seien, an jeglicher tatsächlichen Grundlage. Auch sei der Ansicht zu widersprechen, dass die Altersgrenzenregelung der Wahrung der Berufszugangschancen diene. Es habe tatsächlich für jüngere Ärzte zu keiner Zeit seit der politischen Wende im Osten 1989 eine Einschränkung gegeben sich nieder zu lassen, da es in Deutschland seither unterversorgte Gebiete gebe. Es liege daher eine Diskriminierung aus unsachlichen Gründen vor. Soweit § 95 Abs. 7 SGB V in der Fassung des GKV-Organisationsweiterentwicklungsgesetzes (GKVOrgWG) vom 15.12.2008 vorsehe, dass die bisherige Altersgrenze für Vertragsärzte, die im Jahr 2008 das 68. Lebensjahr vollendet hätten, mit der Ausnahme, dass der Vertragsarztsitz nach § 103 Abs. 4 SGB V fortgeführt werde, aufgehoben werde, verstosse diese Vorschrift gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Er, der Kläger, sei als 1939 Geborener genauso zu behandeln wie Vertragsärzte des Jahrgangs 1940. Er werde durch die neuen Übergangsregeln zum zweiten Mal wegen Alters diskriminiert. Unabhängig davon fehle es der Altersgrenzenregelung unter Verstoß gegen Art. 14 Abs. 3 Grundgesetz (GG) an einer Enteignungsregelung, die aber erforderlich sei, da den Zulassungen ein eigentumsrechtlicher Charakter zukomme.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Detmold vom 24.09.2008 abzuändern und den Beschluss des Beklagten vom 08.11.2006 aufzuheben und festzustellen, dass er über den 31.03.2007 hinaus an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen kann.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) verweisen auf das ihrer Auffassung nach zutreffende Urteil des SG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Senat beigezogenen Gerichtsakte des SG Detmold – S 5 KA 4/06 ER – sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat, der in der Besetzung mit je einem Vertreter der Vertragsärzte und Psychotherapeuten sowie der Krankenkassen verhandelt und entschieden hat, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -), konnte trotz Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) bis 8) verhandeln und entscheiden, denn diese sind ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 SGG).
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Der Beschluss des Beklagten vom 08.11.2006 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht (§ 54 Abs. 2 SGG).
Der Senat nimmt zur weiteren Begründung Bezug auf die als zutreffend erachteten Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG), die der gefestigten Rechtsprechung des BSG (zuletzt Urteile vom 09.04.2008 – B 6 KA 44/07 R – und vom 06.02.2008 – B 6 KA 41/06 R – sowie Beschluss vom 18.08.2010 – B 6 KA 18/10 -) und auch des erkennenden Senats (zuletzt Urteil vom 15.09.2010 – L 11 KA 69/08 -) entspricht, und verweist abschließend auf die Ausführungen des BSG in seinem Beschluss vom 18.08.2010 – B 6 KA 18/10 B -, mit dem dieser die Zulassung einer Revision in einem vergleichbaren Verfahren abgelehnt hat:
Es kann offen bleiben, ob es an einer grundsätzlichen Bedeutung i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG bereits deshalb fehlt, weil die Rügen des Klägers außer Kraft getretenes, sogenanntes ausgelaufenes Recht betreffen. Den von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen kommt jedenfalls keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu, weil sie als geklärt anzusehen sind. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss des BVerfG (Kammer) vom 31.3.1998 – 1 BvR 2167/93 – und 1 BvR 2198/93 – SozR 3-2500 § 95 Nr 17 sowie Nichtannahmebeschluss vom 7.8.2007 – 1 BvR 1941/07 – SozR 4-2500 § 95 Nr 13) und des erkennenden Senats (zuletzt Urteile des Senats vom 9.4.2008 – B 6 KA 44/07 R – USK 2008, 23 und vom 6.2.2008 – B 6 KA 41/06 R – SozR 4-2500 § 95 Nr 14) ist die Altersgrenze für die Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit Vollendung des 68. Lebensjahres gemäß § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V (idF des GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190) mit dem GG vereinbar.
Dabei hat der Senat auch entschieden, dass sich diese Bewertung nicht durch die Einschränkung der Geltung der Altersgrenze für den Fall bestehender oder bevorstehender Unterversorgung durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz zum 1.1.2007 ändert, die Altersgrenze vielmehr gerechtfertigt ist, solange noch in den meisten Planungsbereichen und in den meisten ärztlichen Fachgebieten eine Überversorgung besteht (BSGE 100, 43 = SozR 4-2500 § 95 Nr 14 RdNr 12). Einer verfassungsrechtlichen Neubewertung bedarf es auch nicht deshalb, weil der Gesetzgeber die Altersgrenze für Vertragsärzte durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG vom 15.12.2008, BGBl I 2426) zum 1.10.2008 aufgehoben hat. Dem Gesetzgeber kommt grundsätzlich ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu (vgl zuletzt zu objektiven Berufszugangsvoraussetzungen BverfG, Beschluss vom 8.6.2010 – 1 BvR 2011/07 und 1 BvR 2959/07 mwN DVBl 2010,1035). Nach der Begründung für die Neufassung des § 95 Abs 7 SGB V (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 16/10609 S 55 f) wurde die Altersgrenze aufgehoben, weil die Erfahrungen mit Leistungserbringern, die über das 68. Lebensjahr hinaus etwa in Bezirken mit Unterversorgung Patientinnen und Patienten behandelten, dies rechtfertigten und zugleich Versorgungsprobleme bei nicht gesicherter Nachfolge vermieden werden könnten. Daraus wird zwar deutlich, dass der Gesetzgeber aufgrund der in der Zwischenzeit gewonnenen Erfahrungen und der geänderten Versorgungsverhältnisse die tatsächlichen Bedingungen für eine gesetzliche Altersgrenze für Vertragsärzte mittlerweile anders einschätzt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die gesetzgeberische Einschätzung für den hier streitigen Zeitraum den verfassungsrechtlich vorgegebenen Spielraum überschritten hat. Die Begründung zeigt vielmehr, dass der Gesetzgeber die Regelung auf ihre Tauglichkeit und Angemessenheit beobachtet und im Hinblick auf die dabei gewonnenen Erkenntnisse anders beurteilt hat (vgl zur Beobachtungspflicht des Gesetzgebers BverfGE 123, 186,266; 111, 10, 42).
Es ergibt sich auch kein Verstoß gegen Art 3 Abs. 1 GG dadurch, dass § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V den Vertragsärzten, die im Jahr 2008 das 68. Lebensjahr vollendet haben, eine Weiterführung der Praxis ermöglicht, wenn der Vertragsarztsitz nicht nach § 103 Abs. 4 SGB V fortgeführt wird. Dabei handelt es sich um eine Übergangsregelung, für deren Ausgestaltung der Gesetzgeber einen breiten Gestaltungsspielraum hat (vgl BverfGE 98, 265, 309 f). Diesen Gestaltungsspielraum hat der Gesetzgeber nicht dadurch überschritten, dass er eine Übergangsregelung nur für die Vertragsärzte getroffen hat, die im Jahr des Inkrafttretens der Neuregelung das 68. Lebensjahr vollenden. ( …)
Durch die Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass die Regelung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V aF mit europäischem Recht vereinbar ist. Der EuGH hat mit Urteil vom 12.1.2010 (C – 341/08 – Petersen) entschieden, dass Art 6 Abs 1 der Richtlinie 2000/78 EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen ist, dass er einer Altersgrenze für Vertragszahnärzte nicht entgegensteht, wenn diese die Verteilung der Berufschancen zwischen den Generationen innerhalb der Berufsgruppe der Vertragszahnärzte zum Ziel hat und wenn sie unter Berücksichtigung der Situation auf dem betreffenden Arbeitsmarkt zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Dass die Altersgrenze für Vertragsärzte diese Zielrichtung hat, hat der Senat in seiner Rechtsprechung mehrfach ausgeführt (BSGE 83, 135, 141 = SozR 3-2500 § 95 Nr 18 S 69 ff; SozR 3-2500 § 95 Nr 32 S 154 ff; BSGE 100, 43 = SozR 4-2500 § 95 Nr 14 RdNr 11, RdNr 18 ff in Bezug auf Art 6 der Richtlinie sowie § 10 AGG). Im System der versorgungsgradabhängigen Bedarfsplanung mit örtlichen Zulassungssperren dient sie der Wahrung der Berufszugangschancen für jüngere, an der Zulassung interessierte Ärzte, die die Möglichkeit haben sollen, eine vertragsärztliche Tätigkeit auch in wegen Überversorgung gesperrten Gebieten aufzunehmen.
Diesen Ausführungen des BSG schließt sich der Senat vollumfänglich an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 07.10.2011
Zuletzt verändert am: 07.10.2011