Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.07.2011 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Der Antragstellerin wird ab dem 26.09.2011 Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwalt X, X, beigeordnet.
Gründe:
I. Die Antragstellerin begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 01.07.2011 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die am 00.00.1969 geborene Antragstellerin ist bulgarische Staatsangehörige. Am 14.02.2008 sprach sie bei der Ausländerbehörde der Stadt H vor. Sie gab an, dass sie am 01.02.2008 aus dem Ausland zugezogen sei. Grund ihres Aufenthaltes sei die Suche nach einem Arbeitsplatz. Nach einem Umzug nach T erklärte sie am 04.06.2008 gegenüber dem Ausländeramt des F-Kreises, dass die Suche eines Arbeitsplatzes Grund ihres Aufenthaltes sei. Sie suche einen Arbeitsplatz und versuche gleichzeitig, sich im Reisegewerbe selbständig zu machen. Sie habe ihr Haus in Bulgarien verkauft und lebe von dem Erlös. Der F-Kreis erteilte der Antragstellerin am 04.06.2008 eine Bescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. In der Freizügigkeitsbescheinigung wird ausgeführt, dass bei Entfall der Freizügigkeitsvoraussetzungen, vor allem der eigenständigen Sicherstellung des Lebensunterhalts, innerhalb der ersten fünf Jahre des ständigen Aufenthaltes im Bundesgebiet der Verlust des Rechtes der Antragstellerin auf Einreise und Aufenthalt festgestellt und die Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht eingezogen werden könne. Am 24.07.2008 erteilte die Agentur für Arbeit X der Antragstellerin eine Arbeitserlaubnis – EU für die Tätigkeit bei der Firma U-Textil-Industrie Näherei, J 00, X, für die Zeit vom 24.07.2008 bis 23.07.2009. In der Zeit vom 01.10. bis 31.10.2008 übte die Antragstellerin eine abhängige Beschäftigung aus. Die Ausländerbehörde der Stadt F meldete die Antragstellerin am 09.12.2008 wegen Fortzugs nach unbekannt am 02.12.2008 ab.
Am 14.05.2009 meldete sich die Antragstellerin in C an. Die Stadt C erteilte der Antragstellerin eine Bescheinigung nach § 5 FreizügG/EU, wonach die Antragstellerin zur Einreise und zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland bis 03.06.2013 berechtigt ist. In der Bescheinigung heißt es, dass die Inhaberin dieser Bescheinigung zur Aufnahme einer unselbständigen, arbeitsgenehmigungspflichtigen Erwerbstätigkeit eine Arbeitserlaubnis- oder Arbeitsberechtigung – EU benötige. Durch Bescheid vom 09.09.2009 lehnte die ARGE Job-Center-C den Antrag der Antragstellerin vom 26.08.2009 auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berufung auf §§ 7 Abs. 1 S. 2, 8 Abs. 2 SGB II ab. Die Antragstellerin wurde von der Stadt C wegen Fortzugs ins Ausland am 13.09.2009 abgemeldet. Die Abmeldung erfolgte nach W/Bulgarien.
Seit dem 15.03.2010 ist die Antragstellerin in X gemeldet. Am 31.03.2010 beantragte sie die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Die Antragstellerin gab an, dass sie sich von ihrem Lebensgefährten getrennt habe. Der frühere Lebensgefährte habe in den letzten drei Monaten vor der Antragstellung ihren Lebensunterhalt sichergestellt. Unter dem 19.04.2010 erklärte sie, dass sie im September 2004 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Sie habe in der Zeit von 2004 bis Februar 2008 mit Herrn U, I-Straße 00, C, gelebt. Nach dem Tod von Herrn U habe sie sich am 14.02.2008 unter der Adresse J-straße 00, H, angemeldet. Durch bestandskräftigen Bescheid vom 03.05.2010 lehnte die Rechtsvorgängerin des Antragsgegners (nachfolgend einheitlich: Antragsgegner) den Antrag ab.
Am 02.06.2010 beantragte die Antragstellerin eine "Arbeitserlaubnis – EU" für eine Tätigkeit als Servicekraft in dem Café L mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 18 Stunden und einem Entgelt von 500,- EUR. Durch Bescheid vom 21.06.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2010 lehnte die Agentur für Arbeit X den Antrag ab. Hiergegen erhob die Antragstellerin Klage, S 32 AL 694/10, SG Düsseldorf.
Am 08.07.2010 beantragte die Antragstellerin erneut die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Durch Beschluss vom 01.09.2010 verpflichtete das Sozialgericht Düsseldorf den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, der Antragstellerin Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum ab dem 19.07.2010 bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens – längstens aber bis zum 31.12.2010 – in gesetzmäßiger Höhe zu bewilligen. Daraufhin gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin ab dem 19.07.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bis zum 31.12.2010.
Auf einen Fortzahlungsantrag der Antragstellerin bewilligte der Antragsgegnerin durch Bescheid vom 03.01.2010 der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 669,- EUR monatlich für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2011 als Vorschuss nach § 42 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I).
Unter dem 23.05.2011 beantragte die Antragstellerin die Fortbewilligung der Leistungen für die Zeit ab dem 01.07.2011. Durch Bescheid vom 23.05.2011 lehnte der Antragsgegner den Antrag unter Berufung auf § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Leistungen lägen nicht vor, weil die Antragstellerin lediglich ein alleiniges Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland habe.
Am 03.06.2011 beantragte die Antragstellerin erneut die Erteilung einer Arbeitserlaubnis – EU. Sie gab gegenüber der Agentur für Arbeit X an, dass sie derzeit noch keinen konkreten Arbeitsplatz in Aussicht habe.
Am 21.06.2011 hat die Antragstellerin beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.07.2011 zu bewilligen.
Durch Beschluss vom 25.07.2011 hat das Sozialgericht Düsseldorf den Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Es drohe weder eine Wohnungs- noch Obdachlosigkeit. Auch eine andere Art der Notlage sei nicht dargetan worden. Sie habe sich seit dem 01.07.2011 nicht mehr bei dem Antragsgegner gemeldet und auch dort nicht vorgesprochen. Unter Zugrundelegung des früheren Verhaltens der Antragstellerin gehe das Gericht davon aus, dass die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt auf andere Art und Weise sichergestellt habe.
Gegen den am 29.07.2011 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 22.08.2011 Beschwerde eingelegt.
Sie hat vorgetragen, dass sie seit dem 01.07.2011 über keine Einkünfte mehr verfüge. Sie sei nicht in der Lage, die Miete für die Monate Juli und August 2011 zu zahlen. Vom Vermieter sei ihr bereits angedroht worden, dass dieser das Mietverhältnis fristlos kündige. Des weiteren drohe ihr eine zeitnahe Einstellung der Energielieferung. Sie habe bei diversen türkischen Einkaufsläden anschreiben lassen, um Nahrungsmittel zu bekommen. Sie habe sich in der Zeit vom 19.07. bis 2.08.2011 zwecks Verlängerung ihres Passes in Bulgarien aufgehalten. Die Reisekosten habe sie sich von ihrem Bruder geliehen.
Der Antragsgegner hat vorgetragen, dass die Antragstellerin am 29.08.2011 erneut einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt habe. Die erforderlichen Unterlagen habe sie am 02.09.2011 eingereicht. Dabei habe sie einen neu ausgestellten, ab dem 20.07.2011 gültigen biometrischen Pass der Republik Bulgarien vorgelegt. Aus den in diesem Pass enthaltenen Stempeln ergebe sich, dass sich die Antragstellerin in der Zeit vom 21.07. bis 02.08.2011 in der Türkei aufgehalten habe. Deshalb habe sich der Leistungsantrag für den Zeitraum 01.07. bis 28.08.2011 erledigt, da sich die Antragstellerin zunächst voraussichtlich in dem Zeitraum bis zum 21.07.2011 in Bulgarien zur Erlangung des neuen Passes aufgehalten habe und sodann in dem Zeitraum vom 21.07. bis 02.08.2011 in der Türkei. Erfahrungsgemäß sei zur Erlangung eines neuen Passes ein Aufenthalt von wenigstens drei Wochen im Heimatland erforderlich.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -).
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch im Sinne eines im Hauptsacheverfahren voraussichtlich durchsetzbaren Anspruches nicht glaubhaft gemacht. Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen Prüfungsdichte bestehen ernstliche Zweifel am Bestehen eines Leistungsanspruchs ab Antragsstellung bei Gericht am 21.06.2011. Es spricht deutlich mehr gegen einen gewöhnlichen Aufenthalt der Antragstellerin i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II als dafür (1) und mehr für das Eingreifen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (2) als dagegen. Daher kann dahinstehen, dass für einen Teilzeitraum, zumindest für die Zeit vom 19.07. bis 02.08.2011, der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4a SGB II wegen ungenehmigter Ortsabwesenheit zu Ungunsten der Antragstellerin eingreift.
Ein Anspruch der Antragstellerin auf Leistungen nach dem SGB II ergibt sich nicht bereits aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen (vgl. hierzu BSG Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R), weil Bulgarien nicht zu den Unterzeichnerstaaten dieses Abkommens zählt.
1.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II ist u.a. Leistungsvoraussetzung, dass eine Leistungsberechtigte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik hat. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich auf den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in § 30 Abs. 1 SGB I Bezug genommen (vgl. BT-Drucks 15/1516 S 52; BSG Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 14/10 R = juris Rn 13). Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend aufhält. Dieser Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht einheitlich für sämtliche Bücher des SGB ausgelegt, sondern ist jeweils nach der konkreten rechtlichen Bedeutung und dem Sinn und Zweck der Norm, die den Begriff verwendet, auszulegen (Einfärbungslehre). Entscheidungen und Begriffsbestimmungen zum gewöhnlichen Aufenthalt, die aus anderen Gesetzen stammen oder sich auf andersgeartete Materien beziehen, können nach dieser Rechtsprechung nur mit einer gewissen Zurückhaltung auf weitere Sachgebiete übertragen werden. Die Frage, wann ein Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, ist vom BSG ungeachtet der vereinheitlichenden Definition des gewöhnlichen Aufenthaltes in § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I für den Bereich verschiedener Sozialgesetze unterschiedlich beantwortet worden (z.B. BSG Urteil vom 27.01.1994 – 5 RJ 16/93 – mit Anführung der Fallgruppen; siehe die kritischen Anmerkungen in der Literatur zur Einfärbungslehre in Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt und den ausdrücklichen Vorbehalt abweichender Regelungen nach § 37 SGB I: Seewald, Kasseler Kommentar, Stand der 68. Erg.-Lfg. 2010, § 30 SGB I Rn. 11 f.; Schlegel in jurisPK, § 30 SGB I, 50 f.).
Für den hier einschlägigen Bereich der Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II hat das BSG mit Urteil vom 16.05.2007 (B 11b AS 37/06 R = juris Rn. 22) entschieden, dass Ausländer nur dann ihren gewöhnlichen Aufenthalt i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II in Deutschland haben, wenn sie über einen Aufenthaltstitel verfügen, der den persönlichen Aufenthalt zulässt. Hieran habe auch die Neufassung von § 7 Abs. 1 SGB II ab dem 01.04.2006 nichts geändert (Kritik bei Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 7 Rn. 11; ausdrücklich offengelassen im Urteil des BSG vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R = juris Rn. 13). Nach Auffassung des Senats spricht vieles dafür, den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts bei der Anwendung von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II bereichsspezifisch dahin auszulegen, dass ein prognostisch auf Dauer gesicherter Aufenthalt zu fordern ist, der ein Erreichen des Regelungszieles des SGB II – Beseitigung der Bedürftigkeit durch die Aufnahme einer Tätigkeit mit existenzsicherndem Ertrag – vgl. § 1 Abs. 1 SGB II -, ungefährdet erscheinen lässt.
Diese Voraussetzungen sind bei der Antragstellerin nicht gegeben. Ihr steht weder nach nationalem Recht (a) noch europarechtlich (b) ein Aufenthaltsrecht zu. Als Angehörige des Vertragsstaates Bulgarien bedarf sie zudem zur legalen Ausübung einer Tätigkeit der vorherigen Genehmigung (c).
a)
Nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) vom 30.07.2004 (BGBl. I 1950), hier anzuwenden i.d.F. des Gesetzes vom 12.04.2011, BGBl. I 610) ist die Antragstellerin – zumindest für Zeit ab Antragstellung bei Gericht am 21.06.2011 – nicht freizügigkeitsberechtigt. Nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes. Nach § 2 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 5 FreizügG/EU sind gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt (in den hier in Betracht kommenden Alternativen)
– Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen,
– Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbstständige Erwerbstätige),
– nicht erwerbstätige Unionsbürger unter den Voraussetzungen des § 4.
Die Antragstellerin hält sich in der Bundesrepublik nicht zur Berufsausbildung auf. Sie ist weder als Arbeitnehmerin tätig noch übt sie eine selbständige Tätigkeit aus. Im streitigen Zeitraum, der ab der Antragstellung bei Gericht am 21.06.2011 beginnt, ist sie auch nicht (mehr) als Arbeitssuchende freizügigkeitsberechtigt gewesen. Es besteht zwar kein Anlass, am Vorhandensein ihres Willens zur Arbeitssuche zu zweifeln. Das Aufenthaltsrecht zwecks Arbeitssuche besteht jedoch nicht uneingeschränkt. Das FreizügG/EU legt für die Arbeitssuche keine Frist fest, sondern bestimmt, dass jedenfalls für die ersten drei Monate ein Aufenthaltsrecht auch ohne Zweckbindung besteht (§ 2 Abs. 5 FreizügG/EU). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist ein arbeitssuchender EU-Bürger so lange freizügigkeitsberechtigt wie er mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht. Dem Betroffenen muss ein angemessener Zeitraum eingeräumt werden, um im Aufnahmemitgliedsstaat von Stellenangeboten, die seinen beruflichen Qualifikationen entsprechen, Kenntnis nehmen und sich ggf. bewerben zu können. Das Gemeinschaftsrecht regelt die Länge des Zeitraums nicht. Es verwehrt einem Mitgliedsstaat nicht, einen Angehörigen eines anderen Mitgliedsstaates, der zum Zweck der Stellensuche in sein Gebiet eingereist ist, unbeschadet einer Klagemöglichkeit auszuweisen, wenn er nach sechs Monaten keine Stelle gefunden hat, sofern der Betroffene nicht nachweist, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht (EuGH Urteil vom 26.02.1991 – C 292/89 – Antonissen; Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl., § 2 FreizügG/EU Rn 56).
Nach derzeitiger Aktenlage hat sich die Antragstellerin seit Dezember 2008 vergeblich um einen Arbeitsplatz bemüht. Zwar hat sie im Juni 2010 eine Arbeitsstelle als Teilzeitkraft in einem Café in Aussicht gehabt. Für diese Tätigkeit hat die Antragstellerin bislang aber nicht die für die Aufnahme der Erwerbstätigkeit nach § 284 Drittes Buch (Sozialgesetzbuch) SGB III erforderliche Arbeitsgenehmigung erhalten, wobei offen ist, ob dieser Arbeitsplatz für die Antragstellerin nach Ablauf von mehr als einem Jahr noch von dem potentiellen Arbeitgeber freihalten wird. Danach ist es der Antragstellerin in einem Zeitraum von mehr als zwei Jahren seit dem Verlust des Arbeitsplatzes Ende Oktober 2008 – gerechnet bis zur Antragstellung beim Sozialgericht – nicht gelungen, auf dem Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Fuß zu fassen. Konkrete Bewerbungen und aktuell noch wahrzunehmende Arbeitsangebote hat sie im Verfahrensverlauf nicht vorgetragen. Vielmehr hat die Antragstellerin bei der erneuten Beantragung einer Arbeitserlaubnis nach § 284 SGB III bei der Bundesagentur für Arbeit im Juni 2011 angegeben, dass sie keinen konkreten Arbeitsplatz in Aussicht habe. Deshalb hält der Senat die Annahme für gerechtfertigt, dass das Freizügigkeitsrecht der Antragstellerin wegen Arbeitssuche i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 FreizügG/EU nicht mehr besteht.
Die Vorschrift des § 2 Abs.3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU, wonach das Recht aus Abs. 1 für Arbeitnehmer bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach mehr als einem Jahr Tätigkeit, unberührt bleibt, greift zu Gunsten der Antragstellerin nicht ein. Die Antragstellerin hat in der Bundesrepublik keine abhängige Beschäftigung von mehr als einem Jahr ausgeübt hat. Ebenso ist die Vorschrift des § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG nicht einschlägig, wonach bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung, das Recht aus Abs. 1 während die Dauer von sechs Monaten unberührt bleibt. Die Frist von sechs Monaten, die nach dem Verlust des Arbeitsplatzes zum 31.10.2008 zu laufen begann, ist zum Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht abgelaufen gewesen.
Auch aus der Vorschrift § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU lässt sich ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin nicht ableiten. Danach genießen nicht erwerbstätige Unionsbürgerin ein Aufenthaltsrecht, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen (§ 4 FreizügG/EU). Wegen der im vorliegendem Verfahren behaupteten Bedürftigkeit der Antragstellerin als Voraussetzung eines Leistungsanspruches nach dem SGB II liegen diese Voraussetzungen offensichtlich nicht vor.
Anhaltspunkte für die zwischenzeitliche Entstehung eines Daueraufenthaltsrechts der Antragstellerin i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU sind nicht ersichtlich. Unter Berücksichtígung der dokumentierten Meldedaten und der Angaben der Antragstellerin über die jeweilige Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet hat sich die Antragstellerin bei Antragstellung am 21.06.2011 weder seit fünf Jahren ständig rechtmäßig in der Bundesrepublik aufgehalten (§ 4a Abs. 1 FreizügG/EU) noch eine Erwerbstätigkeit mit der erforderlichen Dauer i.S.v. § 4a Abs. 2 FreizügG/EU) ausgeübt.
Ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU besteht daher nicht
b)
Ein aktuelles Aufenthaltsrecht der Antragstellerin ergibt sich ebenfalls nicht aus der Freizügigkeitsrichtlinie (Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, Amtsblatt L 229/35). Die Richtlinie sieht in Art. 6 ein generelles Aufenthaltsrecht von bis zu drei Monaten vor, ein darüber hinausgehendes Aufenthaltsrecht in Art. 7 als Arbeitnehmer oder Selbstständige im Aufnahmemitgliedsstaat (Art. 7 Abs. 1a), ferner nur bei Vorhandensein ausreichender Mittel und Sicherstellung des Krankenversicherungsschutzes (Art. 7 Abs. 1b). Diese Voraussetzungen liegen, wie bereits ausgeführt, nicht vor. Insbesondere ist auch die Dreimonatsfrist abgelaufen, wenn unterstellt wird, dass die Antragstellerin am 15.03.2010 erneut aus Bulgarien in die Bundesrepublik zur Arbeitssuche eingereist ist. Ein Daueraufenthaltsrecht steht erst nach rechtmäßigem fünfjährigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Aufnahmemitgliedsstaat zu (Art. 16 Abs. 1).
Ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin, das einen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II begründen könnte, besteht daher weder nach dem FreizügG/EU noch nach der durch dieses Gesetz umgesetzten Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG. Ein Aufenthaltsrecht bestünde alleine bei Vorhandensein ausreichender Mittel zur Existenzsicherung und Sicherstellung des Krankenversicherungsschutzes (§§ 2 Abs. 2 Nr. 5, 4 FreizügG/EU, Art. 7 Abs. 1b Freizügigkeitsrichtlinie).
Dieses Ergebnis steht mit der Rechtsprechung des EuGH zum Aufenthaltsrecht der Unionsbürger und zum Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Einklang. Der EuGH hat im Urteil vom 07.09.2004 (C 456/02 – Trojani) ausgeführt, Art. 18 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV, entspricht Art. 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)) erkenne jedem Unionsbürger das Recht zum Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten unmittelbar zu. Dieses Recht gelte nicht absolut, sondern bestehe nur vorbehaltlich der im EGV und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bestimmungen. So könnten die Mitgliedsstaaten nach Art. 1 der Richtlinie 90/364 von Angehörigen eines (anderen) Mitgliedsstaats, der das Recht zum Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet wahrnehmen wolle, verlangen, dass sie für sich und ihre Familienangehörigen über eine ausreichende Krankenversicherung sowie über genügende Existenzmittel verfügten, durch die sichergestellt sei, dass sie während ihres Aufenthalts nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedsstaats in Anspruch nehmen müssten. Bei einem Mangel an Mitteln, die eigene Existenz zu sichern, erwachse deshalb aus Art. 18 EGV (grundsätzlich) kein Recht zum Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates
c)
Gegen das Bestehen eines rechtmäßigen Aufenthalts der Antragstellerin ohne Zusammenhang mit Aufnahme und Ausübung einer im Einzelfall erlaubten Tätigkeit spricht auch ihre besondere Rechtsstellung als Staatsangehörige des neuen Mitgliedsstaates Bulgarien unter Berücksichtigung der für dessen Staatsangehörige aktuell noch geltenden Übergangsbestimmungen. Diese beschränken einstweilen das Freizügigkeitsrecht bulgarischer Arbeitnehmer. Bulgarien ist – wie die Republik Rumänien – zum 01.01.2007 der EU beigetreten (Vertrag vom 25.04.2005, BGBl. II, 2006, S. 46). Nach Art. 1 Abs. 3 des EU-Beitrittsvertrages (Amtsblatt vom 21.06.2005, L 157/11) sind Bedingungen und Einzelheiten der Aufnahme in einem beigefügten Protokoll festgelegt. Nach Art. 20 des Protokolls über die Bedingungen und Einzelheiten der Aufnahme der Republik Bulgarien und Rumänien in die Europäische Union (Amtsblatt vom 21.06.2005, L 157/29) gelten für die Beitrittsstaaten bestimmte Maßnahmen unter im Einzelnen festgelegten Bedingungen. In der Liste nach Art. 23 der Beitrittsakte ist geregelt, dass Freizügigkeit nur vorbehaltlich der im Einzelnen aufgeführten Übergangsbestimmungen gilt. Nach diesen Übergangsbestimmungen können die Mitgliedsstaaten bis zum Ende eines Übergangszeitraumes von längstens sieben Jahren nach dem Tag des Beitritts arbeitsmarktbeschränkende Maßnahmen anwenden.
Die Bundesregierung hat von dieser Übergangsbestimmung zunächst für den Zeitraum bis zum 31.12.2011 Gebrauch gemacht (vgl. Bekanntmachung vom 17.12.2008 – Bundesanzeiger Nr. 198 vom 31.12.2008, S. 4807). Danach bedürfen bulgarische Staatsangehörige (auch weiterhin) einer Arbeitserlaubnis-EU/Arbeitsberechtigung-EU nach § 284 SGB III, die nur unter den einschränkenden Voraussetzungen von § 39 Abs. 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), d.h. insbesondere in Abhängigkeit vom Nichtvorhandensein bevorrechtigter Arbeitnehmer (§ 39 Abs. 2 Satz 1 b AufenthG) erteilt werden kann. Die Regelung ist als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgestaltet (Düe in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl., § 284 Rn. 6). Das FreizügG/EU trägt dem in § 13 FreizügG/EU Rechnung, wonach das Freizügigkeitsgesetz Anwendung finden soll, wenn die Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit gem. § 284 Abs. 1 SGB III genehmigt wurde. Das nach dem Wortlaut der Vorschrift immerhin mögliche Verständnis, Bestimmungen des FreizügG/EU könnten nur nach bereits erfolgter Erteilung der Arbeitserlaubnis zur Anwendung kommen, dürfte europarechtlich ausgeschlossen sein (Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 29.11.2010 – L 34 AS 1001/10 B ER). Bei im Einzelnen umstrittenem Regelungsgehalt (vgl. Dienelt, a.a.O., § 13 FreizügG/EU) ist im Ergebnis anzunehmen, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit von Staatsangehörigen der neuen Mitgliedsstaaten nach § 13 FreizügG/EU während des Übergangszeitraumes (abgesehen von den ohnehin erlaubten selbstständigen Tätigkeiten und Dienstleistungen) nur in Bezug auf die Suche und die Aufnahme bzw. der Ausübung hiernach erlaubter Tätigkeiten bestehen kann und insofern stark eingeschränkt ist. Den Zeitraum, dem das FreizügG/EU Unionsbürger zur Arbeitssuche eingeräumt hat, hat die Antragstellerin aber bei Antragstellung schon bei weitem ausgeschöpft.
Ob schließlich etwas anderes aus dem Umstand folgt, dass die Antragstellerin über eine Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU verfügt (zu deren Bedeutung vgl. BSG Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R), erscheint im Hinblick darauf, dass in der Bescheinigung vom 04.06.2008 auf den Entfall der Freizügigkeitsvoraussetzungen, insbesondere der eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts und in der Bescheinigung vom 07.08.2009 auf das Erfordernis einer Arbeitserlaubnis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit hingewiesen wird, zweifelhaft. Dies kann aber letztlich ebenso wie die Bedeutung des Umstands dahinstehen, dass der Aufenthalt von Staatsangehörigen der neuen Mitgliedsstaaten auch während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 6 und 7 FreizügG/EU, d.h. nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens, beendet werden kann (Dienelt, a.a.O., Rn. 57 f., 61).
Denn dem Anordnungsanspruch steht der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II durchgängig entgegen.
2.
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen, vom Leistungsbezug ausgenommen. Zweck dieser durch das Gesetz vom 24.03.2006, (BGBl I 558) zum 01.04.2006 eingeführten gesetzlichen Neuregelung war der Ausschluss von Ausländern, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche infolge der Umsetzung der in Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 4d der Richtlinie 2004/38/EG bestehenden Regelungen ergibt (BT-Drucks 16/688, 13). Die Antragstellerin ist als bulgarische Staatsbürgerin Ausländerin; ein anderer Aufenthaltszweck als den der Arbeitssuche ist wie bereits dargelegt nicht ersichtlich. Die Antragstellerin ist demnach vom Leistungsanspruch nach dem SGB II ausgeschlossen.
Die Vereinbarkeit der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Gemeinschaftsrecht der EU ist in Rechtsprechung, Kommentierung und inzwischen reichhaltiger Judikatur umstritten (exemplarisch aus jüngerer Zeit: LSG Berlin-Brandenburg Beschlüsse vom 09.09.2010 – L 10 AS 1023/10 B ER – und vom 29.11.2010 – L 34 AS 1001/10 B ER, LSG NRW Beschlüsse vom 04.10.2010 – L 19 AS 942/10 B und vom 17.05.2011 – L 6 AS 356/11 B ER – m. w. N.). Der Streit besteht im Wesentlichen vor dem Hintergrund der höchstrichterlich bislang nicht entschiedenen Frage, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers durch den Vorbehalt des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG gedeckt ist, weil es sich bei den Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II um Sozialhilfeleistungen handelt, oder ob es sich um Leistungen der sozialen Sicherheit bzw. zur Eingliederung in Arbeit handelt, die freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern unter Verstoß gegen das Verbot der Differenzierung nach Staatsangehörigkeit und/oder das allgemeine Differenzierungsverbot vorenthalten werden. Sowohl der EuGH als auch das BSG haben die Frage in jüngeren Entscheidungen offen gelassen (EuGH Urteil vom 04.06.2009 – C-22/08 und C-23/08 – Vatsouras/Koupatantze; BSG Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R). Auch der Senat sieht die Frage als weiterhin ungelöst an und gewährt vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SBG II betroffenen freizügigkeitsberechtigten Alt-EU-Bürgern und Bürgern der neuen EU-Staaten nach Ablauf der für die jeweiligen Staaten geltenden einschränkenden Übergangsregelungen einstweilig Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II (z.B. Beschluss vom 17.02.2010 – L 19 B 392/09 AS ER betreffend eine britische Staatsangehörige im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU).
Die auf das Verbot der Ausländerdiskriminierung bei uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern zurückzuführenden Zweifel an der Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit europäischem Primärrecht bestehen bei der Antragstellerin nicht. Denn sie ist nicht uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigt und ohne vorherige Genehmigung nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet berechtigt. Ihr Freizügigkeitsrecht beruhte auf der zum Zwecke der Arbeitssuche erfolgten Einreise unter den einschränkenden Voraussetzungen des FreizügG/EU sowie der Freizügigkeitsrichtlinie. Wegen erstmaliger Zuwanderung zur Arbeitssuche dürfte sich der gemeinschaftsrechtliche Anspruch der Antragstellerin auf Gleichbehandlung schon ohne Beachtung ihrer Sonderstellung als bulgarische Staatsangehörige nur auf Gleichheit im Zugang zur Beschäftigung richten. In dieser Hinsicht hat der EuGH im Urteil vom 23.03.2004 – C-138/02 Collins – daran erinnert, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes zwischen Angehörigen der Mitgliedsstaaten zu unterscheiden ist, die im Aufnahmemitgliedsstaat, in dem sie eine Beschäftigung suchen, noch kein Arbeitsverhältnis eingegangen sind und denen, die dort bereits arbeiten und die dort gearbeitet haben, aber nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis stehen und gleichwohl als Arbeitnehmer gelten. Während für Angehörige der Mitgliedsstaaten, die zuwandern, um eine Beschäftigung zu suchen, der Grundsatz der Gleichbehandlung nur für den Zugang zur Beschäftigung gilt, genießen diejenigen, die bereits Zugang zum Arbeitsmarkt gefunden haben, die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer. Der Gleichheitsanspruch der Antragstellerin dürfte sich – der Senat lässt dies im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes dahingestellt – daher nur auf den Zugang zu einer Beschäftigung richten, der ihr aufgrund der für bulgarische Staatsbürger geltenden Einschränkungen ohnehin erschwert ist.
Insbesondere betrifft jedoch – soweit ersichtlich – die gesamte Aufarbeitung der zu § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gesehenen Probleme Fallgestaltungen, in denen uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger sich auf der Grundlage eines aus ihrem Status abgeleiteten Aufenthaltsrechts erlaubterweise im Zuzugsstaat aufhielten und zudem nicht durch das die Antragsteller betreffende Beschäftigungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt nach § 284 SGB III hinsichtlich ihrer Integrierbarkeit in den Arbeitsmarkt beeinträchtigt waren. Die Antragstellerin hat nicht den gleichen Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt wie deutsche Arbeitssuchende, solange sie nicht im Besitz einer Arbeitsgenehmigung-EU sind. Hiernach besteht auch unter Beachtung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes nach EGV und AEUV ein objektiver Grund, sie von den Leistungen auszuschließen (vgl. auch Husmann, NZS 2009, 652 f., 657).
Bulgarische Staatsangehörige in der Situation der Antragstellerin nicht als vom Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach SGB II ausgeschlossen anzusehen, hieße im Übrigen, den Willen der vertragschließenden Parteien des Beitrittsvertrages sowie den Willen der Bundesregierung bei Ausübung der Vorbehaltsrechte zu ignorieren. Die Nichtanwendung bzw. Außerkraftsetzung der allgemeinen Regeln und Prinzipien des EU-Freizügigkeitsrechts für Arbeitnehmer im Beitrittsvertrag hat im Wesentlichen zwei Gründe. Der erste ist die Situation der nationalen Arbeitsmärkte. Der zweite Grund liegt in der befürchteten Belastung mit zusätzlichen Sozialausgaben, weil Arbeitnehmertätigkeit und soziale Sicherung in den meisten Ländern eng miteinander verknüpft sind (Fuchs, ZESAR 2007, 97 f., 102).Vor diesem Hintergrund erscheint ein Verständnis der Rechtslage dahin, dass Freizügigkeit und Zugang zu den nationalen Arbeitsmärkten vorübergehend nur eingeschränkt eröffnet, Sozialleistungen jedoch uneingeschränkt zugänglich gemacht werden sollten, ausgeschlossen.
Der Senat sieht danach keine Veranlassung, den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der vorliegenden Fallkonstellation europarechtlich in Frage zu stellen oder gar von seiner Anwendung abzusehen, solange jedenfalls keine eindeutigen Hinweise auf die Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung in der Judikative des Bundesverfassungsgerichts bzw. des EuGH gegeben werden.
Der Antragsstellerin ist auch nicht auf Grund der aus Art. 1 Abs.1 Grundgesetz (GG) und dem Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG) folgenden Verpflichtung des Staates, die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, ein Anspruch auf vorläufige Leistungen – und sei es auch nur im Umfang geminderter Leistungen analog § 1a des Asylbewerberleistungsgesetzes – AsylbLG – (vgl. dazu LSG NRW Beschluss vom 30.05.2011 – L 19 AS 431/11 B ER – m.w.N.) zuzubilligen (a.A. wohl Strick, NJW 2005, 2182, 2185). Dies würde gerade dazu führen, dass der von der Rechtsordnung und nach den Grundsätzen des Beitrittsvertrages der EU nicht erwünschte Aufenthalt der Antragstellerin in Deutschland verlängert wird. Aus Art. 1 Abs. 1 GG lässt sich daher nur die Verpflichtung zur Gewährung solcher Leistungen herleiten, die notwendig sind, um der Antragstellerin, sofern sie hierüber nicht verfügt, eine Rückkehr in ihr Heimatland zu ermöglichen (vgl. LSG NRW Beschluss vom 28.06.2011 – L 19 AS 317/11 B ER – und vom 16.04.2007 – L 19 B 13/07 AS ER = NZS 2008, 104, 105). Diese sind nicht Streitgegenstand des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Die Voraussetzungen der beantragten Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach §§ 73a SGG, 114 f. ZPO liegen vor; eine hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung kann im Hinblick auf die Komplexität der Rechtslage angenommen werden.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 11.10.2011
Zuletzt verändert am: 11.10.2011