NZB als unzulässig verworfen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.04.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Dauer eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg).
Die 1950 geborene Klägerin war vom 02.01.1989 bis 14.08.2009 bei der Firma W, M GmbH und Co. KG (im Folgenden: W) versicherungspflichtig beschäftigt. Über das Vermögen dieser Firma wurde am 01.06.2009 durch Beschluss des Amtsgerichts L (Az.: xxx) das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter stellte die Klägerin mit Schreiben vom 13.08.2009 mit Wirkung ab dem 15.08.2009 unwiderruflich von der Arbeitsleistung frei und wies darauf hin, dass wegen bestehender Masseunzulänglichkeit Arbeitsentgelt für die Dauer der Freistellung nicht gezahlt werden könne. Mit weiterem Schreiben vom 21.08.2009 kündigte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2009.
Am 03.08.2009 meldete sich die Klägerin mit Wirkung zum 16.08.2009 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. In ihrem Antrag gab sie an, sie habe Ansprüche gegen die W für die Zeit nach ihrem Ausscheiden beim Arbeitsgericht geltend gemacht. Durch Bescheid vom 19.08.2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg ab dem 15.08.2009 für 720 Kalendertage in Höhe von 26,35 Euro täglich. Unter dem gleichen Datum machte sie gegenüber dem Insolvenzverwalter einen Anspruchsübergang hinsichtlich etwaiger Arbeitsentgeltansprüche der Klägerin geltend und unterrichtete davon die Klägerin. Zu Zahlungen der W an die Beklagte ist es bislang nicht gekommen.
Am 03.09.2009 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid ein, den die Beklagte durch Bescheid vom 04.09.2009 als unbegründet zurück wies: Die Klägerin sei am 15.08.2009 unwiderruflich freigestellt worden. Das Arbeitsverhältnis bestehe zwar weiterhin, das Beschäftigungsverhältnis sei hierdurch aber beendet worden. Dauer und Höhe des Anspruches auf Alg seien nach den gesetzlichen Bestimmungen festgesetzt worden. Die Dauer des Anspruches richte sich nach der Dauer der Pflichtversicherungs-verhältnisse innerhalb der um 3 Jahre erweiterten Rahmenfrist vom 15.08.2004 bis 14.08.2009. Es ergebe sich eine Anspruchsdauer von 24 Monaten, da die Klägerin bei Entstehung des Anspruches das 58. Lebensjahr bereits vollendet habe.
Die Klägerin hat am 01.10.2009 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf (SG) erhoben, mit der sie die Gewährung von Alg ohne Anrechnung der bislang gezahlten Leistungen auf die Anspruchsdauer begehrt hat. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Durch den Insolvenz-verwalter sei eine fristgerechte Kündigung zum 30.11.2009 erfolgt. Bereits seit dem 15.08.2009 sei sie unwiderruflich freigestellt gewesen. Arbeitsentgelt für den Zeitraum der Kündigungsfrist sei bislang nicht gezahlt worden. In der Rechtsprechung des Bundes-sozialgerichts (BSG) sei anerkannt, dass in Fällen, in denen die Beklagte Ersatz für das gezahlte Alg vom Arbeitgeber erhalte, die Minderung der Anspruchsdauer durch die Gleichwohlgewährung entfalle. Gelinge der Bundesagentur die Durchsetzung der überge-gangenen Entgeltforderung nicht, dürfe ihr allerdings keine nachteilige Ungleichbe-handlung zu Teil werden. Mit dem Übergang der Entgeltforderung gehe das Risiko der Erfüllungsmöglichkeit und Erfüllungsbereitschaft der Gemeinschuldnerin bzw. des Insolvenzverwalters auf die Beklagte über.
Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass mit der Freistellung zum 15.08.2009 das Beschäftigungsverhältnis beendet gewesen sei. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Alg hätten damit ab diesem Zeitpunkt vorgelegen. Soweit das Arbeitsverhältnis bis zum 30.11.2009 angedauert und Alg gleichwohl gewährt worden sei, mindere der Bezug von Alg die Anspruchsdauer. Nach der Rechtsprechung des BSG habe aus Billigkeitsgründen eine "Gutschrift" der Anspruchsdauer zu erfolgen, wenn die Beklagte den Schaden, den sie durch Zahlung des Arbeitslosengeldes erleide, ersetzt erhalte, etwa durch Zahlung des Arbeitgebers aufgrund übergegangener Ansprüche. Erst nach Massezuteilung im Insolvenzverfahren könne bei Vorliegen der Voraussetzungen im Wege der nachträglichen Ausschüttung die Anspruchsdauer erhöht werden. Die Minderung der Anspruchsdauer entfalle selbst dann nicht, wenn ein Anspruchsübergang gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber nicht geltend gemacht werde.
Der Insolvenzverwalter hat auf Anfrage des SG unter dem 05.11.2010 bestätigt, dass bislang keine Ansprüche befriedigt worden seien.
Mit Urteil vom 11.04.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Anspruchsdauer sei von der Beklagten zutreffend festgesetzt worden.
Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Alg sei am 15.08.2009 entstanden. Auf Grund der unwiderruflichen Freistellung habe sie in diesem Zeitpunkt nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden und sei damit arbeitslos im Sinne des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gewesen. Die Anspruchsvoraussetzungen des §118 SGB III seien ebenfalls erfüllt gewesen. Die Berechnung der Beklagten zu Dauer und Höhe des Arbeitslosengeldes sei zutreffend. Insbesondere sei die Anspruchsdauer unter Berücksichtigung von § 127 Abs. 2 SGB III unter Berücksichtigung des Lebensalters der Klägerin zutreffend auf 720 Kalendertage festgesetzt worden.
Für den Zeitraum von der Freistellung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung des Insolvenzverwalters (15.08. bis 30.11.2009) habe die Beklagte Alg unter Anwendung des § 143 Abs. 3 SGB III gewährt. Danach werde das Alg auch für die Zeit geleistet, in der der Anspruch u. a. auf Alg ruht, soweit der Arbeitslose Arbeitsentgelt tatsächlich nicht erhält. Die Vorschrift des § 143 Abs. 3 SGB III über die "Gleichwohl-gewährung" sei eine Ausnahmevorschrift zu Abs. 1 und 2 des § 143 zu Gunsten des Arbeitslosen. Sie verlege den Zeitpunkt, von dem an der Anspruch auf Alg zu erfüllen ist, indem sie die Gewährung anordne, obwohl der Anspruch ruhe. Der Arbeitslose werde hierdurch so behandelt, als wenn er keine Entgeltansprüche hätte und so vor den Nachteilen der gleichzeitigen Vorenthaltung sowohl des Alg als auch des Arbeitsentgeltes für dieselbe Zeit geschützt. Auch wenn die Beklagte gewissermaßen in Vorleistung für den Arbeitgeber eintrete, zahle sie kein Arbeitsentgelt, sondern Alg. Das Alg, das dem Arbeitslosen hiernach gewährt werde, sei daher nach Grund, Dauer und Höhe der Leistung kein anderes Alg als das, auf das der Arbeitslose nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch habe und das an sich nach Abs. 1 des § 143 ruhe (Hinweis auf BSG, Urteil vom 24.07.1986 , Az.: 7 RAr 4/85 zu den Vorgängervorschriften). Auch für das im Rahmen der Gleichwohlgewährung gezahlte Alg seien danach die Vorschriften zum Alg (§§ 116 ff SGB III) anzuwenden, insbesondere auch § 128 zur Frage der Minderung der Anspruchsdauer (Hinweis auf BSG, a. a. 0. und Düe in Niesel/Brand, Kommentar zum SGB III, 5. Auflage, Rz 49 zu § 143). Nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III mindere sich aber die Dauer des Anspruches auf Alg um die Anzahl von Tagen, für die der Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit erfüllt worden ist. Ausnahmen für die Gleichwohlgewährung nach § 143 Abs. 3 SGB III sehe das Gesetz nicht vor. Lediglich aus Billigkeitsgründen sei eine Minderung der Anspruchsdauer dann nicht gerechtfertigt, wenn die Arbeitsagentur nach Anspruchsübergang tatsächlich Ersatz für ihre Aufwendungen erlange (Hinweis auf BSG a.a.O., und Düe, a.a.O. m.w.N.). Im Falle der Klägerin sei eine Zahlung durch den Arbeitgeber bislang nicht erfolgt, so dass eine Gutschrift nicht vorgenommen werden könne. Auch die Gewährung von Insolvenzgeld durch die Beklagte habe keine Auswirkung auf die Anspruchsdauer, da der Insolvenzgeldzeitraum (01.03. bis 31.05.2009) vor dem Beginn des Alg-Anspruchs liege. Für den hier streitigen Zeitraum sei er damit ohne Bedeutung.
Eine Ungleichbehandlung der Klägerin sei nach alledem nicht zu erkennen. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass eine Verpflichtung der Beklagten, den auf sie übergegangenen Anspruch des Arbeitslosen gegenüber dessen ehemaligem Arbeitgeber zu betreiben, nicht bestehe (Hinweis auf BSG, Urteil vom 11.06.1987, Az.: 7 RAr 16/86; Urteil vom 29.11.1988, Az.: 11/7 RAr 79/87).
Gegen das am 28.04.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.05.2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus: Das LSG Niedersachsen-Bremen habe im Urteil vom 03.09.2009 (L 12 AL 46/07) darauf hingewiesen, dass in der Praxis der Beklagten und in der Literatur – bestätigt durch die höchstrichterliche Rechtsprechung – seit Jahrzehnten Einigkeit darüber bestehe, dass die Anspruchsdauer des Alg in Fällen der Gleichwohlgewährung nachträglich durch eine entsprechende Gutschrift zu verlängern sei, wenn es die Billigkeit erfordere beziehungsweise die Versagung einer Gutschrift unbillig erscheine. Eine solche Unbilligkeit sei bisher in der Rechnung des BSG ausschließlich dann angenommen worden, wenn die Beklagte für das in der Zeit der Gleichwohlgewährung gezahlte Alg tatsächlich einen Ersatz erlangt habe. Diese Rechtsprechung habe das LSG Niedersachsen-Bremen fortentwickelt. Danach habe der Arbeitslose Anspruch auf eine "Gutschrift" bei der Bezugsdauer des Alg nach Gleichwohlgewährung von Alg auch dann, wenn die Bundesagentur für Arbeit vom Arbeitgeber keinen Ersatz des gezahlten Alg erlangt habe, dieses aber dem Verhalten der Bundesagentur anzulasten sei. Die Bundesagentur sei zumindest verpflichtet, den Arbeitslosen auf den Anspruchsübergang hinzuweisen und darüber zu informieren, ob und in welchem Umfang sie selbst gegen Arbeitgeber zur Wahrung eventueller Ausschlussfristen vorgehe. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 19.08.2009 gegenüber den Insolvenzverwalter den Anspruchsübergang mitgeteilt. Aus der Verwaltungsakte sei nicht zu entnehmen, ob die Klägerin über den Anspruchsübergang informiert worden sei. Damit habe die Beklagte gegen die ihr obliegende Informationspflicht im Sinne der oben angeführten Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen verstoßen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.04.2011 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 19.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2009 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld ohne Minderung der Anspruchsdauer aufgrund der Leistungsgewährung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend und verweist auf die Rechtsprechung des BSG, namentlich das Urteil vom 02.11.1988 – 11/7 RAr 79/87. Die Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 03.09.2009, auf die sich die Klägerin berufe, betreffe eine andere Fallkonstellation. Sie habe hier ihre Ansprüche beim Insolvenzverwalter angemeldet, dieser habe die Ansprüche auf dem Grunde nach anerkannt, jedoch liege Masseunzulänglichkeit vor. Inwieweit zukünftig noch überge-gangene Ansprüche durchgesetzt werden könnten, lasse sich derzeit nicht abgesehen. Jedenfalls greife die Unterstellung der Klägerin, die Beklagte habe sich auch im vorliegenden Fall nicht um die Durchsetzung übergegangener Ansprüche kümmert, nicht. Ihr, der Beklagten, sei auch nicht vorzuwerfen, sie habe die Klägerin nicht in ausreichendem Maße und in zutreffender Weise über die Sach- und Rechtslage informiert. Im übrigen erfolge eine Minderung des Leistungsanspruchs nicht aufgrund des angefochtenen Bescheides, sondern aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 128 Abs. 1 SGB III, so dass die Klägerin eigentlich erst eine Anfechtungsmöglichkeit hätte, wenn ihr mitgeteilt werde, dass ihr Leistungsanspruch ausgeschöpft sei. Für eine Anspruchsdauer-Gutschrift bestehe keine Veranlassung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der auszugsweise in Kopie beigezogenen Akten des Amtsgerichts L (Az.: xxx) Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht rechtswidrig. Die Klägerin, die am 15.05.2011 mit einem Restanspruch auf Alg aus dem Leistungsbezug ausgeschieden ist, kann nicht verlangen, dass das im Wege der Gleichwohlgewährung für den Zeitraum zwischen der Freistellung von der Arbeit und dem Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlte Alg nicht die Anspruchsdauer mindert.
Gemäß § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Alg um die Anzahl von Tagen, die der Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit erfüllt worden ist. Da das Gesetz von dieser Grundregel keine Ausnahmen vorsieht, gilt die Anspruchsminderung auch bei der Gewährung von Alg im Wege der Gleichwohlgewährung (ständige Rspr. vgl. BSG, Urteil vom 24.07.1986 – / RAR 4/85; LSG NRW, Urteil vom 18.06.2008 – L 12 AL 96/07). Die Voraussetzungen für eine "Gutschrift" aus Billigkeitsgründen liegen nicht vor, weil die W wegen Masseunzulänglichkeit bislang keinerlei Zahlungen an die Beklagte geleistet hat. Das hat das SG im angefochtenen Urteil richtig und ausführlich dargelegt, sodass der Senat zur Vermeidungen von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtene Urteils Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG). Auch das zweitinstanzliche Vorbringen der Klägerin rechtfertigt keinen andere Entscheidung.
Insbesondere ergibt sich aus dem von der Klägerin in Bezug genommenen Urteil des LSG Niedersachsen/Bremen vom 03.09.2009 nichts anderes. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, unterscheidet sich der Sachverhalt der Entscheidung vom 03.09.2009 von dem vorliegenden Fall schon darin, dass dort keine Insolvenz des Arbeitgebers vorgelegen hat, sondern dem Arbeitnehmer gekündigt worden war. Da im Falle der Klägerin die Arbeitgeberin schon gegenüber der Klägerin auf die Masselosigkeit hingewiesen hatte ist hier nicht ersichtlich und auch nicht von der Klägerin dargelegt, was die Beklagte über die Anzeige des Anspruchsübergangs hätte veranlassen müssen, und bei welcher ggf. vermisster Beratung ein Arbeitsentgeltanspruch noch hätte realisiert werden können. Der Realisierung der Entgeltansprüche der Klägerin steht nicht ein Fehlverhalten der Beklagten oder eine Fehlinformation der Klägerin durch die Beklagte entgegegen, sondern die Masseunzulänglichkeit. Der Senat vermag daher nicht zu erkennen, dass es unbillig wäre, hier die geforderte Gutschrift von der – bislang nicht erfolgten – tatsächlichen Refinanzierung abhängig zu machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Erstellt am: 02.04.2012
Zuletzt verändert am: 02.04.2012